Ein Hakenkreuz als Statement gegen rechts.

Es war einmal ein Wahlgang. Eigentlich nichts Weltbewegendes, man kennt das: ein paar Menschen in Anzügen, ein Saal, zwei Urnen, ein Stimmzettel – und dann passiert nichts. Das ist die Magie der parlamentarischen Demokratie: ihre lähmende Vorhersehbarkeit. Doch diesmal nicht. Diesmal bekam die Demokratie ein kleines Upgrade – nämlich in Form eines Hakenkreuzes auf einem Stimmzettel. Aber nicht von einem Neonazi im Tarnanzug, nicht von einem rechtsextremen Brandstifter, sondern – Tusch und Trommelwirbel – von einem Sozialdemokraten. Ja, richtig gelesen. Ein Mitglied jener Partei, deren historische Identität irgendwo zwischen Antifaschismus, Volksnähe und kollektivem Realitätsverlust pendelt, hat das Symbol des Bösen höchstselbst in die Urne gelegt. Als Zeichen. Als Widerstand. Als – man weiß es nicht so genau. Es war auf jeden Fall sehr woke. Und vor allem: gut gemeint.

Ironie-Overload. Systemabsturz.

Daniel Born, seines Zeichens Landtagsvizepräsident, SPD, und vermutlich mit einem moralischen Kompass ausgestattet, der bei zu starker Selbstgerechtigkeit zu schmelzen beginnt wie ein Discount-Kompass aus der Parteizentrale, hat beschlossen, dass der beste Weg, ein Zeichen gegen Nazis zu setzen … darin besteht, ein Nazizeichen zu malen. Auf einen Stimmzettel. Im Parlament. In geheimer Wahl. Das ist so perfide genial, dass man sich fragt, ob irgendwo tief in ihm ein kleines satirisches Genie wohnt – oder ob er einfach nur ein bisschen zu lange auf Twitter war. Vielleicht dachte er auch, das sei Kunst. Oder Protest. Oder eine Intervention auf Metaebene. Aber selbst Joseph Beuys hätte sich bei dieser Performance wahrscheinlich angewidert abgewendet.

Doch bevor der Schaum vor dem Mund der Republik gerinnen konnte, bevor die Empörungspresse anspringen durfte, bevor Lanz, Maischberger und der Instagram-Account von „Volksverpetzer“ kollektiv hyperventilieren konnten – war der Täter schon bekannt. Und es war: nicht die AfD. Und dann wurde es sehr, sehr, sehr leise.

Schweigespirale Deluxe: Wie man einen Skandal verschwinden lässt

In einer normalen Welt hätte das gereicht, um einen handfesten Skandal zu provozieren. Schlagzeilen. Rücktritte. Talkshows. Empörung. Vielleicht sogar ein wenig Selbstreflexion. Aber in Deutschland 2025 reicht es leider nicht. Denn wer sich durch das gute Lager moralischer Erhabenheit legitimiert fühlt, genießt offenbar Narrenfreiheit. Der Vorfall wurde in der Tagespresse zu einem beiläufigen Nebensatz herabgestuft. Und die öffentlich-rechtlichen Medien? Schluckten kollektiv. Statt eines »Brennpunktes«: Stille.

TIP:  „Antisemitismus betrifft nicht ‚Semiten‘. Er betrifft Juden. Punkt.“

Stille ist übrigens das neue Framing. Die intelligentere Form der Manipulation. Man berichtet nicht falsch – man berichtet einfach gar nicht. Es ist wie ein journalistisches Wegatmen von Realität. Und weil alle wissen, dass man diese Realität nicht in den Diskurs einspeisen darf, bleibt sie halt draußen. Wie ein Hund, der aus Versehen in die gute Stube gemacht hat. Unpassend. Unschön. Bitte nicht drüber reden.

Was wäre, wenn … (Satirische Gedankenspiele aus der Apokalypse)

Stellen wir uns nur für einen Moment vor, ein AfD-Abgeordneter hätte ein Hakenkreuz auf den Stimmzettel gekritzelt – aus Protest, aus Trotz oder, sagen wir, aus Dummheit. Der Bundestag hätte sich geschlossen in Reih und Glied aufgestellt, um feierlich zurückzutreten. Anne Will hätte Sondersendungen geschaltet. Dunja Hayali wäre spontan nach Stuttgart gereist, um Tränen der Empörung zu vergießen. Es gäbe Bundestagsanträge, Schulprojekte, und irgendwo hätte vermutlich Herbert Grönemeyer einen neuen Song geschrieben.

Aber wenn ein SPD-Politiker es tut? Dann ist es – ein »Zeichen gegen Hass«. Wenn das nicht die postmoderne Dialektik der Doppelmoral ist, dann weiß ich auch nicht. Vielleicht war es ja ein ironisches Hakenkreuz. Ein antifaschistisches. Ein aus Soja gebasteltes. Ein gutes Hakenkreuz. Der Gedanke allein ist so absurd, dass man lachen muss – und zwar lange. Und dann weinen.

Die Unberührbaren: Warum manche Politiker alles dürfen

Der eigentliche Skandal ist nicht das Hakenkreuz. Der eigentliche Skandal ist die Reaktion darauf. Oder besser gesagt: die Nichtreaktion. Es ist das System dahinter. Die Asymmetrie der Empörung. Die Schieflage des moralischen Maßstabs. Es ist eine Gesellschaft, die sich mit dem Etikett »Anständigkeit« so sehr identifiziert, dass sie bereit ist, unanständige Dinge zu tolerieren – sofern sie im Namen des Guten passieren.

Born hat inzwischen zurückgetreten. Irgendwie. Irgendwann. Still. Ohne großes Brimborium. Ein Selbstopfer auf dem Altar der Integrität. Und doch bleibt das Echo aus. Wo sind die Kolumnen? Wo ist die moralische Aufarbeitung? Wo ist der demokratische Furor?

TIP:  Der unbequeme Poet

Nirgends. Weil es halt die SPD war. Und da gilt: Wer gegen Rechts kämpft, kann nicht Unrecht tun. Sogar wenn er mit einem Hakenkreuz abstimmt. Willkommen in der Endstufe des politischen Irrsinns.

Fazit: Haramstufe Rot

Was bleibt, ist ein schales Gefühl. Ein Gefühl, dass diese Republik sich ihre eigene Wahrheit zusammenbastelt – täglich, absichtlich, ideologisch verzerrt. Ein Gefühl, dass Satire nicht mehr auf die Spitze treiben kann, was längst Realität geworden ist. Ein Gefühl, dass unsere Demokratie weniger an ihren Gegnern, sondern an ihren Selbsttäuschungen zugrunde gehen wird.

Ein SPD-Hakenkreuz ist eben kein rechtes Hakenkreuz. Sondern ein feministisches. Ein pluralistisches. Ein progressives. Ein demokratiepädagogisches Symbol mit Haltung. Und wer das nicht versteht, ist – natürlich – rechts.

Und deshalb brauchen wir: Austausch. Komplett. Restetaste. Politik 2.0 ohne doppelten Standard und moralistische Selbstverblendung. Bis dahin bleibt nur eines zu sagen:

Willkommen in der Republik der guten Hakenkreuze.

Ironie aus. Realität bleibt.

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