Ein Gedenktag betritt die Bühne,

und stolpert über den roten Teppich

Welttag gegen Islamophobie. Schon das Wortgebirge wirkt wie eine frisch asphaltierte Umgehungsstraße für Denkfaulheit, breit genug für Ministerlimousinen, NGOs und Hashtag-Karawanen zugleich. Ein Tag, der uns alle, kollektiv und mit ernster Miene, an die Hand nehmen will, damit wir endlich fühlen, was wir ohnehin fühlen sollen. Echt jetzt? Der Kalender, dieses stoische Tier, das früher Erntezeiten, Heiligengedenktage und Mondphasen verwaltete, wird zum moralischen Beichtstuhl mit Stempelautomat. Heute bitte reumütig sein, morgen solidarisch, übermorgen achtsam – und zwischendurch die Kaffeemaschine entkalken. Der Welttag gegen Islamophobie betritt diese Bühne mit der Grazie eines Elefanten im Porzellanladen der Begriffe: gut gemeint, schwer bewaffnet mit Pathos, und mit jener unerschütterlichen Gewissheit, dass Benennung bereits Bekämpfung sei. Als hätte man mit der Etikettierung des Problems schon dessen Lösung eingepackt, Geschenkpapier inklusive.

Die Magie des Benennens und das bequeme Sofa der Empörung

Es ist eine alte Hoffnung des modernen Moralmanagements, dass Dinge verschwinden, wenn man sie richtig nennt. Rassismus, Sexismus, Klimakrise – die Worte sollen wie Salzsäulen wirken, die das Unheil erstarren lassen. Islamophobie nun also, eine Vokabel, die mit klinischer Kälte Angst diagnostiziert und zugleich politisch erhitzt wird. Phobie klingt nach Couch, nach Therapeutin, nach Atemübungen. Sie klingt nicht nach Debatte. Wer eine Phobie hat, diskutiert nicht, der wird behandelt. Das ist der elegante Trick: Kritik wird zur Pathologie umetikettiert, Zweifel zur Krankheit, Widerspruch zur Symptomatik. Und der Welttag ist das Gruppentherapie-Seminar, in dem alle nicken, weil Nicken als gesund gilt. Dass damit nicht selten das Sofa der Empörung bequemer wird als der Stuhl der Analyse, ist kein Kollateralschaden, sondern das Designprinzip.

Opfer, Täter und die pädagogische Choreografie des Guten

Die Dramaturgie ist so vertraut, dass man sie im Halbschlaf mitsummen könnte. Da sind die Opfer, klar umrissen und in der Mehrzahl unsichtbar, da sind die Täter, vage, aber stets präsent, und dazwischen die Erzieherinnen der Nationen, die mit sanfter Strenge erklären, was man heute fühlen darf. Der Welttag gegen Islamophobie verspricht Schutz, liefert aber oft Symbolik; er ruft zur Solidarität auf und landet nicht selten bei der moralischen Selbstvergewisserung jener, die ohnehin überzeugt sind. Man trägt das richtige Abzeichen, postet das richtige Quadrat, formuliert den richtigen Satz – und geht dann beruhigt zum Tagesgeschäft über. Die Welt ist wieder in Ordnung, zumindest für 24 Stunden. Dass reale Diskriminierung nicht durch Hashtags verschwindet, ist eine triviale Wahrheit, die erstaunlich hartnäckig ignoriert wird, wenn der Applaus laut genug ist.

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Kritik, die sich verkleidet, und Glaube, der sich verwechselt fühlt

Es gibt einen neuralgischen Punkt, an dem die Satire bitter wird: Dort, wo berechtigte Kritik an religiösen Institutionen, Texten oder Machtansprüchen in denselben Topf geworfen wird wie blanker Hass auf Menschen. Der Welttag gegen Islamophobie behauptet, zu differenzieren, lebt aber von der Undifferenziertheit seines Schlagworts. Wer Fragen stellt, riskiert, als Phobiker etikettiert zu werden; wer pauschalisiert, findet sich paradoxerweise im Schatten der guten Absichten wieder. Der Diskurs verengt sich, nicht weil jemand böse wäre, sondern weil die Bühne so gebaut ist. Religion wird zur Identität erklärt, Identität zur Unantastbarkeit, Unantastbarkeit zum Diskussionsverbot. Am Ende steht eine eigentümliche Allianz aus Wohlmeinenden und Machtbewussten, die beide von der Stille profitieren.

Die Ökonomie der Aufmerksamkeit und der moralische Feiertagsrabatt

Kein Welttag ohne Sponsoren der Aufmerksamkeit. Medien lieben Anlässe, Aktivismus liebt Kalender, Politik liebt Rituale. Der Welttag gegen Islamophobie ist ein Sonderangebot im Supermarkt der Tugenden: Heute zwei zum Preis von einem – Mitgefühl und Selbstlob. Morgen wieder Normalbetrieb. In dieser Ökonomie zählt nicht die Tiefe der Auseinandersetzung, sondern die Reichweite der Geste. Komplexität ist schlecht für Klicks, Ambivalenz schlecht für Slogans. Also wird vereinfacht, zugespitzt, poliert. Dass Islamophobie ein reales Problem ist, steht außer Frage; dass seine Bekämpfung mehr erfordert als einen Tag, scheint hingegen eine unbequeme Erkenntnis zu sein, die man lieber auf morgen verschiebt. Der Feiertagsrabatt erlaubt es, die Mühe der Dauerarbeit aufzuschieben.

Die Satire als Notwehr der Vernunft

Lachen ist hier keine Respektlosigkeit, sondern ein Überlebensreflex. Wenn Begriffe zu Bannflüchen werden und Tage zu Dogmen, bleibt der Ironie nur die Rolle der Feuerwehr. Sie löscht nicht das Feuer, aber sie verhindert, dass der Rauch die Sicht vollständig nimmt. Ein augenzwinkernder Blick entlarvt die Mechanik: den inflationären Gebrauch des Ernstes, die pädagogische Pose, die moralische Erpressung mit dem guten Zweck. Satire fragt: Wem nützt das? Wer spricht? Wer schweigt? Und sie erlaubt, gleichzeitig zwei Gedanken zu halten: dass Menschen wegen ihres Glaubens diskriminiert werden und geschützt werden müssen – und dass der Diskurs darüber nicht in Watte gepackt, sondern geschärft gehört.

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Jenseits des Kalenders eine Zumutung namens Alltag

Was wäre, wenn man den Welttag gegen Islamophobie ernst nähme, im wörtlichen Sinne? Wenn man ihn als Startschuss verstünde, nicht als Schlussapplaus? Das würde bedeuten, mühsam zu unterscheiden, konsequent zu widersprechen, unbequem zu bleiben. Es würde bedeuten, Hass klar zu benennen und Kritik nicht zu dämonisieren; Betroffene zu hören, ohne sie zu instrumentalisieren; Macht zu kontrollieren, auch wenn sie sich in religiöse Gewänder hüllt. Vor allem aber würde es bedeuten, den Kalender zu entmachten und den Alltag zu belasten. Denn Gerechtigkeit ist kein Event, sondern eine Praxis. Sie braucht keinen Welttag, um wichtig zu sein – und sie leidet, wenn sie auf einen reduziert wird.

Schluss ohne Schlussstrich

Echt jetzt? Ja, echt jetzt. Der Welttag gegen Islamophobie ist zugleich notwendig und unerquicklich, sinnvoll gemeint und unerquicklich umgesetzt, ein Symptom unserer Zeit, die Probleme gern datiert, statt sie zu bearbeiten. Man kann ihn begehen, ohne ihm zu verfallen. Man kann Solidarität zeigen, ohne Denkverbote zu verhängen. Und man kann, bei aller Ernsthaftigkeit, das Lachen nicht verlieren – dieses kleine, widerständige Lachen, das daran erinnert, dass Moral ohne Humor zur Pose erstarrt. Der Kalender mag markieren, was wichtig ist. Verstehen müssen wir es selbst.

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