Die Zertrümmerung der Homogenität

Die letzte Bastion der kulturellen Monotonie

Es gibt Sätze, die sich einbrennen wie glühende Eisen ins kollektive Bewusstsein. „Die EU sollte ihr Bestes tun, um die Homogenität ihrer Mitgliedsstaaten zu untergraben“, ist zweifellos einer dieser Sätze. Ein Satz, der wie ein flamboyanter Torero die wild schnaubenden Verteidiger des Status quo in die Arena der politischen Debatte lockt. Die Worte stammen aus dem Mund von Peter Sutherland, einem Mann, der es offenbar für seine Lebensaufgabe hält, Europa in ein kaleidoskopisches Durcheinander von Kulturen, Sprachen und Traditionen zu verwandeln – koste es, was es wolle. Ob das gelingt? Oder ob wir am Ende nur eine konfettibunte Trümmerlandschaft unserer Identitäten bestaunen dürfen? Ein Essay.

Vom „Mut zur Vielfalt“ zum „Zwang zur Vielfalt“: Die schleichende Tyrannei der Buntheit

Es ist ein merkwürdiges Paradox: In einer Zeit, in der Individualität wie eine Monstranz vor sich hergetragen wird, soll das Individuum dennoch stets bereit sein, seine Identität im Dienste der höheren Sache namens Multikulturalismus zu opfern. Mit einem entwaffnenden Lächeln fordert Sutherland also, die Homogenität Europas zu zersetzen, als handle es sich um einen alten Teppich, der nur noch von Motten zerfressen im Weg liegt. Dass diese „Homogenität“ nichts anderes ist als das Resultat jahrhundertelanger kultureller, sprachlicher und sozialer Evolution, scheint dabei nebensächlich. Was zählt, ist der große Plan – der Schmelztiegel als Endziel, egal ob dabei ein trinkbares Süppchen oder eine ungenießbare Brühe entsteht.

Wirtschaft über alles: Die ökonomische Rechtfertigung des Identitätsverlustes

Natürlich bleibt es nicht bei philosophischen Allgemeinplätzen. Mit der Präzision eines Buchhalters präsentiert Sutherland die nackten Zahlen: Schrumpfende Geburtenraten, alternde Bevölkerungen, die drohende Implosion der Rentensysteme – all das schreit förmlich nach einer Rettung durch Migration. Doch der Subtext ist deutlich: Die einheimische Bevölkerung wird hier nicht als Subjekt ihrer eigenen Zukunft betrachtet, sondern als lästige Variable in einer Gleichung, die nur durch den Import frischer Arbeitskraft gelöst werden kann. Die kulturellen Reibungen, die sozialen Spannungen? Ach, das sind nur kleine Nebenkosten in der großen Bilanz des Fortschritts.

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Großbritannien als leuchtendes Vorbild? Ein etwas schiefes Loblied

Mit kaum verhohlener Bewunderung verweist Sutherland auf das Vereinigte Königreich, das angeblich mit bewundernswerter Offenheit den multikulturellen Weg beschritten habe. Dass Großbritannien längst ein Labor für die Sprengkraft kultureller Parallelgesellschaften ist, scheint dabei nicht zu stören. Ob die regelmäßigen Eruptionen sozialer Spannungen, von Rassenunruhen bis hin zu einer zunehmenden politischen Fragmentierung, wirklich ein erstrebenswertes Modell darstellen, bleibt wohl der Fantasie der Beobachter überlassen. Aber in der großen Erzählung des Multikulturalismus ist eben kein Platz für skeptische Fußnoten.

Migration als Einbahnstraße: Von der Freiwilligkeit zur Pflicht

Besonders bemerkenswert ist Sutherlands These, dass Staaten, die sich der Migration verweigern, auf globaler Ebene nicht mehr wettbewerbsfähig seien. Es ist ein eleganter rhetorischer Schachzug, der aus einer freiwilligen Entscheidung eine ökonomische Zwangsläufigkeit macht. Wer nicht will, muss eben überzeugt werden, notfalls mit dem Argument, dass die Alternativen – wirtschaftlicher Niedergang und soziale Isolation – schlicht undenkbar seien. Migration ist hier kein Angebot, sondern ein Dogma, und wer es infrage stellt, wird schnell in die Nähe des Ketzertums gerückt.

Satirische Intermezzo: Die UNO als kosmopolitischer Messias?

Es ist fast rührend, wie Sutherland sich auf die Vereinten Nationen beruft, als handele es sich dabei um eine moralische Instanz, deren Weisheit über jeden Zweifel erhaben ist. Dass dieselbe Organisation oft genug durch Skandale, Ineffizienz und widersprüchliche Positionen auffällt, wird großzügig ausgeblendet. Doch in Sutherlands Narrativ wird die UNO zum kosmopolitischen Messias, der die störrischen Völker Europas zu ihrer globalisierten Erlösung führt – ob sie wollen oder nicht.

Der Schlussakkord: Was bleibt vom großen Plan?

Was bleibt also von Peter Sutherlands Vision? Ein Europa, das seine kulturelle Substanz zugunsten eines diffusen Ideals von Vielfalt und Wettbewerbsfähigkeit opfert. Ein Kontinent, der seine Homogenität als Bürde betrachtet, obwohl sie in Wahrheit eine seiner größten Stärken sein könnte. Doch in einer Zeit, in der Identitäten zu Handelswaren degradiert werden, ist es vielleicht kein Wunder, dass das Eigene plötzlich als überholt und das Fremde als Retter glorifiziert wird.

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Ob Sutherlands Traum eines multikulturellen Europas Realität wird oder ob er am Widerstand der Völker zerschellt, bleibt abzuwarten. Sicher ist nur, dass der Kampf um die Homogenität – oder das, was davon übrig ist – noch lange nicht vorbei ist. Und wer weiß: Vielleicht erweist sich am Ende gerade die vielgescholtene Homogenität als der Fels in der Brandung eines globalisierten Chaos.

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