Die Wiener Illusion der Fürsorge

Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen

Es ist eine eigenartige Sache, in Wien zu leben, wo jeder öffentliche Akt, jedes politische Statement und jeder halbwegs wohlwollende Vorschlag wie die sorgsam geformte Büste eines längst vergessenen Kaisers inszeniert wird, als würde allein schon das Wort „leistbar“ genügen, um die Realität zu ersetzen, als hätte man nur das Wort auf einer Tafel in der U-Bahn befestigt, und plötzlich sei alles gut, als könne man sich den prekären Zustand von Haushalten, die unter der Inflation ächzen, einfach wegsingen, und man darf sich nicht wundern, dass Josef Taucher, der Vorsitzende des Unterausschusses der Wiener Stadtwerke und gleichzeitig ein poetischer Verwalter der städtischen Selbstzufriedenheit, genau diesen Satz formuliert, mit jener feierlichen Stimme, die man sonst nur bei Opernaufführungen hört, und dabei verschweigt, dass 365 Euro für eine Jahreskarte der Wiener Linien vielleicht der wahre Schatz der Stadt ist, der über Generationen hinweg gepflegt wird, damit niemand merkt, dass die Reallöhne in gleichem Maß dahin schmelzen, wie der Schnee auf der Ringstraße im März, und dass die Inflation sich Jahr für Jahr wie ein ungebetener Gast ins Wohnzimmer setzt und dabei genüsslich an der Teuerung knabbert.

Instagram, 4. Februar 2025

Parkpickerl – die urbanen 12 Quadratmeter der Macht

Und dann ist da noch das Parkpickerl, 157 Euro pro Jahr, zwölf Quadratmeter Asphalt, auf denen man sein Auto, diesen letzten, kleinen Thron der Freiheit, parkt, als handele es sich um eine heilige Reliquie, während man in Wahrheit nur Zeuge einer feinen, städtischen Zeremonie ist, die suggeriert, man würde etwas geben, während man in Wirklichkeit lediglich symbolisch nimmt, ein Geschenk, das so sozial gedacht ist, dass selbst die ärmsten Steuerzahler im Geiste applaudieren müssen, weil man ihnen vormacht, sie erhielten einen Vorteil, obwohl sie in Wahrheit längst den Wert ihrer eigenen Arbeitskraft in stiller Resignation gezählt haben, und man kann sich vorstellen, wie die Stadtväter und -mütter mit leichten Lächeln in ihren Büros sitzen, den Kaffee schwenken und auf die Wiener U-Bahn-Bänder schauen, wo Menschen strömen, die ihre Jahreskarte lösen, und man spürt diese Mischung aus mildem Zynismus und politischer Großzügigkeit, die in Wien so selbstverständlich ist wie der Duft von Käsekrainern auf den Märkten, als sei alles harmonisch, nur weil niemand laut genug schreit.

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Die große Geste der Unverbindlichkeit

Es ist diese eigentümliche Wiener Mischung aus Fürsorge und Dekoration, aus politischen Gesten, die eher als Theaterkulisse dienen, als als wirklich wirksames Werkzeug, und man könnte fast sagen, dass hier eine Mauer errichtet wurde, nicht aus Beton, nicht aus Stacheldraht, sondern aus Symbolik, aus kleinen Preiserhöhungen, die ausbleiben, aus Subventionen, die man großzügig nennt, während man gleichzeitig die wahren Belastungen stillschweigend durchschiebt, und die Bürgerinnen und Bürger dieses Stadtkunstwerks, die zwischen Jahreskarte und Parkpickerl hin- und herpendeln, ahnen nicht, dass diese Mauer längst um ihre eigenen Brieftaschen gezogen ist, dass man sie vor Illusionen schützt, die man selbst als Hoffnung verkauft, dass man ihnen den Eindruck vermittelt, alles sei unter Kontrolle, während die eigentliche Kontrolle längst in den Händen jener liegt, die lächelnd die Budgets verschieben, die Inflationszahlen kommentieren und dabei sicherstellen, dass niemand merkt, dass die Realität, die Reallöhne und die steigenden Preise, nur eine Fußnote in einem gigantischen, urbanen Theaterstück sind, das so Wienerisch, so polemisch, so bitterböse und zugleich so charmant ist, dass man am Ende applaudiert, weil man das Ende nicht mehr versteht und gleichzeitig weiß, dass niemand die Absicht hat, eine Mauer zu bauen, obwohl längst eine unsichtbare, liebevolle, teure Mauer da ist, die sich Nieman in den Kopf setzt.

Fazit: Die Mauer, die keiner wollte

Und so lebt man in Wien, zwischen poetischen Lügen und kalkulierten Gesten, zwischen der Jahreskarte, dem Parkpickerl, der Inflation, die man höflich ignoriert, und der Politik, die lächelnd behauptet, alles sei leistbar, als habe man nur Worte zu verteilen, und nicht die reale Macht über das Leben der Menschen, und am Ende bleibt das bitterste und zugleich charmanteste Detail: Nieman hat die Absicht, eine Mauer zu bauen, aber alle sind längst hinter ihr, eingezäunt, freundlich betreut und mit einem leisen Lächeln von offizieller Hand geleitet, wie Schafe, die glauben, sie würden frei grasen, während die städtische Verwaltung das große, feine, augenzwinkernde Theaterstück inszeniert, in dem die Illusion von Fürsorge wichtiger ist als die tatsächliche Fürsorge selbst.

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