Die sanfte Macht der Toleranz

Wie wir unsere eigenen Schwächen feiern

Man könnte meinen, wir im Westen hätten die Toleranz zu unserer höchsten Tugend erhoben, als ob sie ein sakrales Relikt wäre, das über jeden Zweifel erhaben ist. Wir öffnen unsere Türen, unsere Herzen, ja, selbst unsere staatlichen Kassen, in einer Mischung aus humanitärer Selbstbeseligung und bürokratischem Pflichtgefühl, und nennen dies Fortschritt. Während wir in dieser wohltemperierten Selbstzufriedenheit schwelgen, gibt es Akteure, die diese Gnade nicht nur akzeptieren, sondern systematisch instrumentalisieren. Sie nicken uns freundlich zu, lächeln, sprechen von Dialog und Integration, und wir applaudieren. Wir klopfen uns auf die Schultern, stolz auf unsere Fähigkeit, einen moderaten, differenzierten Ansatz zu pflegen. Wir haben gelernt, zwischen „Gut“ und „Böse“ zu unterscheiden, doch leider oft nur an der Oberfläche, und lassen dabei die feinen Fäden übersehen, die unsere liberale Ordnung unterwandern. Denn während wir uns in moralischer Überlegenheit sonnen, nutzen andere genau diese Überlegenheit aus – eine Taktik, so subtil wie ein langsames Eindringen von Wasser in die Ritzen eines Hauses, die wir erst bemerken, wenn die Struktur bereits instabil geworden ist.

Die Kunst der schleichenden Unterwanderung

Man könnte es als „Strategie der Gemäßigten“ bezeichnen, eine Maske, die zugleich charmant und gefährlich ist. Anders als die Terroristen, die mit Schlagzeilen und Blut ihre Botschaften verkünden, bewegen sie sich im Schatten der politischen Korrektheit. Sie treten auf, als wollten sie nur höflich am Tisch sitzen, um über kulturelle Themen, Religion oder Bildung zu diskutieren – und wir, das naive Publikum, nehmen sie ernst, weil sie höflich lächeln. In Wirklichkeit aber ist jeder freundliche Gruß, jede scheinbare Kompromissbereitschaft Teil eines minutiös kalkulierten Plans: Schritt für Schritt, subtil, fast unsichtbar, werden gesellschaftliche Normen verschoben, die Grenzen dessen, was diskutierbar erscheint, neu gezogen. Wer heute noch den Mut hat, die Ideologie hinter den freundlichen Worten zu hinterfragen, wird sofort in die Ecke der Populisten, der Islamophoben, der „intoleranten Ewiggestrigen“ gestellt. Die Gesellschaft applaudiert, und der eigentliche Plan, die Wahrnehmung zu verschieben, gelingt ohne großen Aufruhr.

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Parallelwelten und offene Geheimnisse

Wer glaubt, dass das Spiel nur hinter den parlamentarischen Kulissen oder in wohldosierten öffentlichen Debatten stattfindet, unterschätzt die Kraft der Parallelgesellschaften. Dort wird Klartext gesprochen, fernab von den Kameras und Reden, die wir so ernst nehmen. Dort sind die Ambitionen der Gemäßigten keineswegs gemäßigt: Es geht um Einfluss, Kontrolle, und um das langfristige Umgestalten unserer liberalen Demokratien nach eigenen Vorstellungen. Während wir uns auf Debatten über Kopftuchrichtlinien oder Halal-Optionen konzentrieren, läuft im Hintergrund die eigentliche Agenda: die schleichende Normalisierung und Akzeptanz von Positionen, die unseren eigenen freiheitlichen Kern infrage stellen. Und wir, die wir glauben, informiert und wachsam zu sein, nehmen die Gefahr nicht wahr, weil sie sich wie ein unsichtbarer Nebel durch unsere Gesellschaft zieht.

Terrorismus als blendender Scheinwerfer

Natürlich wird über Terrorismus gesprochen, er wird diskutiert, analysiert, mit Sicherheitspolitik bekämpft. Er ist greifbar, spektakulär, alarmierend – ein leuchtender Scheinwerfer in der Dunkelheit, der unsere Aufmerksamkeit bindet. Der eigentliche Clou aber liegt woanders: im unscheinbaren Extremismus, der, kaum bemerkt, das Fundament verschiebt, auf dem unsere Gesellschaft steht. Diese Form des Extremismus liefert nicht nur die ideologische Nahrung für die Offensiven der Gewalt, sondern arbeitet gleichzeitig daran, das Feld der öffentlichen Meinung zu transformieren. Wir lernen, uns an kleine Verschiebungen zu gewöhnen, akzeptieren sie als „neue Normalität“ und vergessen, dass der schleichende Wandel gefährlicher ist als die laute Explosion, weil wir ihn viel zu spät als das erkennen, was er ist.

Fazit in Zynismus getränkt

Man könnte diese ganze Szene mit bitterem Lächeln beobachten, als eine Farce, in der wir uns selbst als moralische Sieger inszenieren, während wir in Wirklichkeit die Einladung aussprechen, unsere Werte vorsichtig zu verdrängen. Es ist ein Schauspiel, in dem Höflichkeit mit Strategie verwechselt wird, Toleranz als Schwäche ausgelegt wird, und die so genannten Gemäßigten in der Rolle des unschuldig scheinenden Trojanischen Pferdes glänzen. Vielleicht ist es die Ironie unserer Zeit, dass wir, die wir so sehr auf Freiheit und Demokratie schwören, es sind, die das Theater der schleichenden Unterwanderung erst ermöglichen – applaudierend, lächelnd, in gutem Glauben. Und während wir uns in dieser Illusion suhlen, ist es vielleicht genau diese Mischung aus Naivität, Zynismus und Höflichkeit, die unsere stärkste – und gefährlichste – Schwäche darstellt.

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