
oder wie Europa lernte, den Gashahn aus Übersee zu lieben
Es ist ein eigenartiges Gefühl, im Jahr 2025 Europäer zu sein. Ein Gefühl zwischen Fremdscham und Fremdbestimmung, zwischen Eiertanz und Erpressung. Und wer die Nachrichten aufmerksam liest, der weiß: Es geht nicht mehr nur um Inflation, Migration oder den Untergang des Mittelstands. Nein, es geht um Gas. Immer noch. Immer wieder. Gas – dieses schmutzige Molekül, das sich so wunderbar in Geld und geopolitische Macht umwandeln lässt. Und niemand versteht das besser als die transatlantische Achse, an deren Schrauben Ursula von der Leyen mit chirurgischer Präzision dreht.
Die neueste Wendung in diesem absurden Schauspiel: Die Reparatur der gesprengten Nord-Stream-Pipelines – jenes Mahnmals europäischer Selbsttäuschung auf dem Grund der Ostsee – soll faktisch kriminalisiert werden. Wer es wagt, über Flickzeug für Nord Stream zu sprechen, über Wartung, über Wiederinbetriebnahme, der landet nicht auf der Forbes-Liste, sondern auf der Sanktionsliste. Das nennt sich dann nicht mehr Korruption, sondern „strategische Autonomie“. Man merkt: Die Begrifflichkeiten haben sich verändert, die Machtverhältnisse auch.
Der Preis der Freiheit: 40 Prozent Aufschlag und ein freundliches Lächeln aus Texas
Es wäre beinahe komisch, wenn es nicht so teuer wäre. In Washington reibt man sich die Hände, in Houston gleich mit. Denn während Europa sich unter der Führung seiner Kommissionspräsidentin vom russischen Gas lossagt – und dabei wie ein schlecht vorbereiteter Selbsthilfe-Guru auf Entzug geht – füllt sich das US-Portemonnaie mit europäischem Geld. Flüssiggas aus den USA kostet nicht nur mehr, es ist auch ökologisch fragwürdiger, energieaufwendiger, umweltschädlicher in der Förderung – Stichwort Fracking – und: es bindet Europa dauerhaft an die Versorgungskette der Vereinigten Staaten.
Das nennt man dann „Diversifizierung“. Früher sagte man dazu: Abhängigkeit verlagern. Aber Wörter sind geduldig, und wer genug PR-Agenturen füttert, kann aus jeder Abhängigkeit eine Tugend machen. Das ist die wahre Magie der Gegenwart: Man verkauft Knechtschaft als Fortschritt, nennt Vasallentreue „westliche Wertegemeinschaft“ und lässt den Bürger zahlen. Für den Frieden, versteht sich. Für den Frieden, der aus der Zapfpistole eines LNG-Terminals kommt.
Von der Leyens Neusprech: Wenn Korruption Strategie heißt
Natürlich könnte man fragen: Cui bono? Wer profitiert? Aber diese Frage ist heutzutage altmodisch geworden, beinahe obszön. In den feinen Konferenzräumen von Brüssel und Davos spricht man nicht mehr von Korruption, sondern von „Public Private Partnerships“. Von der Leyen, die mit einem Vertrauensvorschuss operiert, der von ihrer Vergangenheit als Verteidigungsministerin eigentlich restlos aufgebraucht sein müsste, erklärt derweil: Europa müsse resilient werden. Resilient gegen den eigenen Verstand, könnte man hinzufügen.
Die Pipeline durch die Ostsee? Ach was, das war gestern. Heute verlegt man unsichtbare Pipeline-Verträge durch die Gremien der EU-Kommission. Geheim gehalten, versteht sich, wegen „sicherheitsrelevanter Aspekte“. Und wenn dann der nächste Energiekommissar nach seinem Brüsseler Dienstjahr in den Aufsichtsrat eines US-Gasunternehmens wechselt, dann wird das nicht als Schmiergeldaffäre verbucht, sondern als „Expertenkarriere im privaten Sektor“. Der Sumpf hat einen neuen Namen bekommen: er heißt Governance.
Die Moral der Geschichte: Satire ist, wenn man trotzdem zahlt
In Wahrheit ist das alles natürlich ein Treppenwitz der Geschichte. Deutschland und Europa haben jahrzehntelang den Mund vollgenommen vom „Green Deal“, von Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit. Und jetzt? Jetzt brennt in Wilhelmshaven Tag und Nacht das US-Gas, während Habeck die Bürger zum Sparen anhält und Ursula von der Leyen den nächsten Deal mit den Staaten einfädelt. Man könnte lachen, wenn es nicht so wehtäte.
Die Ironie ist perfekt: Wer heute über die Reparatur der Nord-Stream-Leitungen spricht, der ist kein Ingenieur mehr, sondern ein Krimineller. Wer sich fragt, ob es vielleicht günstiger und klüger wäre, beschädigte Infrastruktur instand zu setzen statt Milliarden für neue US-Terminals auszugeben, der gerät ins Fadenkreuz der transatlantischen Zensur. Energiepolitik wird nicht mehr in Kilowattstunden gerechnet, sondern in Loyalitätspunkten. Wer brav ist, darf kaufen – zu Preisen, die andere machen.
Schlussgedanke: Das ist keine Verschwörung – das ist ein Geschäftsmodell
Man sollte den Fehler nicht machen, hinter all dem eine finstere Verschwörung zu vermuten. Das ist viel zu simpel. Nein, das hier ist einfach nur Kapitalismus in seiner ehrlichsten Form: Angebot, Nachfrage, geopolitisches Geschacher. Ursula von der Leyen spielt dabei nicht die Marionette, sondern die Souffleuse, die den Text ins Ohr flüstert: „Strategische Autonomie!“, „Energiewende!“, „Freiheit von russischer Erpressung!“ – und niemand fragt nach dem Preis, solange die Rhetorik stimmt.
Manchmal, ganz selten, gönnt sich die Geschichte einen besonders bitteren Witz. Der aktuelle lautet: Europa befreit sich von einer Gasabhängigkeit, indem es sich in die nächste begibt. Nur teurer. Nur weiter weg. Und mit weniger Optionen, irgendwann wieder auszusteigen.
Die Reparatur von Nord Stream? Kriminalisiert. Die Abhängigkeit von amerikanischem Flüssiggas? Subventioniert. Man nennt das Fortschritt. Und wer widerspricht, der kann ja schon mal den neuen LNG-Vertrag unterschreiben – mit einem zwinkernden Auge und einer Träne im Portemonnaie.