Die paradoxe Solidarität der westlichen Aktivisten

Es ist eine bizarre Choreografie der moralischen Selbstüberhöhung, die wir derzeit auf westlichen Straßen und Social-Media-Feeds beobachten dürfen. Da marschieren junge Menschen mit fluoreszierenden Schildern, auf denen „Love is Love“ prangt, durch die Straßen Berlins, Londons oder New Yorks, während sie gleichzeitig, in einem Anflug von intellektueller Blindheit, Regime oder Bewegungen hofieren, in denen die bloße Existenz einer LGBTQ-Person ein Verbrechen ersten Ranges darstellt. Diese naive Haltung, diese infantile Vorstellung von globaler Gerechtigkeit als modischer Accessoire, ist in ihrer Konsequenz geradezu kafkaesk: Es scheint, als könne man mit der Regenbogenfahne in der Hand durch Gaza spazieren, und die Realität würde sich artig zurückziehen, um den bunten Optimismus nicht zu stören. Dass Menschen in diesen Regionen tatsächlich verfolgt, eingesperrt oder gar ermordet werden, erscheint nebensächlich; die Solidarität westlicher Aktivisten ist selektiv, konturlos und, wenn man es nüchtern betrachtet, ein groteskes Theaterstück, dessen Publikum den Applaus bereits im Voraus in Form von Likes verteilt.

Die Illusion universaler Moral

Hier offenbart sich eine fundamentale Schwäche des moralischen Imaginären: Die Vorstellung, dass westliche Werte universell applizierbar seien, und dass man mit dem richtigen Hashtag, dem richtigen Plakat und dem richtigen Selfie die Welt retten könne. Diese Hybris, die so herrlich unbefleckt von historischer oder kultureller Komplexität ist, ignoriert, dass die politischen Realitäten vor Ort sich nicht nach den Instagram-Algorithmen richten. Es ist nicht nur zynisch, sondern geradezu komisch, dass Aktivisten, die vehement gegen jede Form von Diskriminierung in ihrem eigenen Land auftreten, zugleich autoritäre Regimes romantisieren, die genau jene Diskriminierungen institutionalisieren, die sie in ihrer westlichen Parallelwelt so energisch bekämpfen. Man könnte fast meinen, das moralische Denken beschränkt sich auf die eigene Komfortzone, während die Realität außerhalb der europäischen und nordamerikanischen Metropolen auf wundersame Weise suspendiert wird.

Der ästhetische Aktivismus und seine Fetische

Es ist ein ästhetischer Aktivismus, der hier zur Schau getragen wird: Man liebt das Bild, nicht den Inhalt; die Regenbogenfahne wird zum Fetisch, zum Statussymbol der Selbstvergewisserung, nicht zum Werkzeug echter Veränderung. Wie ein Kunstliebhaber, der nur die Farbe eines Gemäldes bewundert, ohne je die Geschichte dahinter zu verstehen, konsumiert man globale Konflikte als Kulisse für die eigene moralische Selbstinszenierung. Diese Haltung erzeugt eine paradoxe Mischung aus Engagement und Ignoranz, bei der die Bühne der Weltpolitik zum Laufsteg der eigenen Tugend wird. Man applaudiert sich selbst für die moralische Sensibilität, während man die Opfer der Realität aus den Augen verliert – ein wahrlich meisterhafter Akt der intellektuellen Akrobatik.

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Die Tragikomik der selbsternannten Weltretter

Und doch, trotz aller Kritik, bleibt ein augenzwinkernder Humor nicht aus: Wer in der Lage ist, in einem Atemzug Solidarität mit Verfolgten zu postulieren und zugleich ihre Unterdrücker zu verharmlosen, demonstriert eine Form von kognitiver Flexibilität, die nur schwerlich ohne Ironie betrachtet werden kann. Es ist tragikomisch, diese westlichen Aktivisten dabei zu beobachten, wie sie in einer Mischung aus Naivität, Unkenntnis und moralischer Selbstvergessenheit über die Welt stolpern – mit bunten Plakaten, strahlenden Hashtags und dem festen Glauben, dass ihre symbolische Geste ausreiche, um historische Gewaltakte, geopolitische Machtspiele und kulturelle Komplexität zu überbrücken.

Fazit: Ein Appell an die Realität

Wer wirklich Solidarität mit LGBTQ-Personen weltweit zeigen will, muss zunächst einmal die Realität anerkennen, nicht nur die eigenen moralischen Reflexe. Es reicht nicht, sich mit Bildern, Slogans und Twitter-Likes zu schmücken; echte Solidarität verlangt Wissen, Differenzierung und den Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen – selbst wenn diese Wahrheiten der eigenen ästhetischen Komfortzone widersprechen. Die naive Hoffnung, dass westliche Aktivisten mit Regenbogenfahnen und rhetorischen Gesten die Mechanismen autoritärer Unterdrückung überwinden könnten, ist ebenso rührend wie tragisch. Vielleicht ist genau dieser Spannungsbogen aus Idealismus, Ignoranz und grotesker Selbstverliebtheit das, was unseren Aktivismus im Westen heute prägt – ein Theaterstück zwischen Moral, Mode und Melancholie, dessen Applaus man getrost hinterfragen darf.

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