Die neue Nächstenliebe mit Stahlhelm

Deutsche Helme, deutsche Herzen, deutsche Hände – für die Ukraine!

Manchmal kommt die Moral in seltsam martialischen Verkleidungen daher. Was früher mit Kerze, Friedenslied und „Nie wieder Krieg“ auf Transparenten daherhumpelte, trägt heute Stahlhelm, NATO-Tarnmuster und Leopard-Emblem. Und was soll man sagen? Es wirkt gleich viel überzeugender. „Nie wieder Auschwitz“ war gestern, „Nie wieder ohne Panzer“ ist heute. Die Moral von der Geschicht’? Man kann auch die Tugend militarisieren, wenn man es nur kräftig genug „wertegeleitet“ nennt. Dass deutsche Soldaten jetzt – wie man es ja geradezu selbstverständlich zu finden hat – in der Ukraine Dienst tun sollen, ist also keineswegs ein Tabubruch, sondern eine humanitäre Selbstverständlichkeit. Schließlich, und das ist das eigentliche Meisterstück, tun wir es ja nicht etwa für uns. Nein, wir tun es für die anderen. Und wie noble Ritter am Rande der Selbstaufopferung, ziehen wir los – nicht, weil wir müssen, sondern weil andere nicht wollen. Welch’ höhere Moral gäbe es da noch?

Der große Tauschhandel: Wehrpflicht gegen Gastfreundschaft

Es ist doch so: Die Ukrainer, die zu uns gekommen sind, haben ja ihre Gründe. Krieg ist nun mal laut, ungemütlich und, ja, im schlimmsten Fall sogar tödlich. Verständlich, dass man lieber in einer deutschen Großstadt als in einem Schützengraben wohnt. Aber Deutschland, dieses Land von Effizienz, Gerechtigkeit und sauber durchgerechneter Lastenverteilung, lässt natürlich niemanden so einfach davonkommen. Man stelle sich nur einmal vor, wie es in deutschen Amtsstuben brodelt: „Wenn die nicht kämpfen, muss halt jemand anders ran!“ Und da der deutsche Bürger ohnehin gelernt hat, dass Solidarität bedeutet, mehr Strompreis zu zahlen, mehr Heizungskosten zu tragen und mehr Bürokratie zu lieben – warum nicht gleich auch mehr Krieg führen? Solidarität auf höchstem Niveau eben. Wir nehmen die Ukrainer auf, und im Gegenzug schicken wir Deutsche dorthin, wo sie eigentlich hingehören. Win-win, sozusagen.

Vom Sofa in den Schützengraben – endlich wieder ein Abenteuer!

Viele werden es gar nicht glauben wollen, aber es gibt sie noch, die unterschwellige Sehnsucht nach dem großen Abenteuer. Die Bundeswehr, lange Zeit als sanftes Beschäftigungstherapie-Projekt für gelangweilte 18-Jährige betrachtet, bekommt endlich wieder Sinn und Zweck. Die deutschen Soldaten, die bisher in Afghanistan lernten, wie man Brunnen bohrt, dürfen nun zeigen, was ein „Wertewesten“ so kann, wenn er mal richtig Lust auf Pyrotechnik hat. Und seien wir ehrlich: Was wäre der deutsche Staat ohne seine Fähigkeit, aus der Not eine Tugend und aus einer Farce eine Doktrin zu machen? Da wir ohnehin nicht mehr wissen, wie man Krieg nicht führt, kann es ja nur konsequent sein, sich direkt auf die nächste Front zu stürzen. Wir können den Ukrainern also mit bestem Gewissen zurufen: „Legt die Kalaschnikows beiseite, Leute, wir machen das schon für euch. Ihr habt jetzt Wichtigeres zu tun – Netflix durchschauen, bei TikTok tanzen, in Cafés sitzen. Krieg? Das machen die Deutschen.“

TIP:  Ein Modeschöpfer als Chronist der Absurdität

Die große moralische Überhöhung: Opferbereitschaft als Exportgut

Deutschland liebt es, moralischer Vorreiter zu sein. Früher haben wir Mülltrennung erfunden, heute erfinden wir die Stellvertretungs-Militanz. Wir gehen in den Krieg, damit andere den Frieden genießen können. Eine geniale Idee, die sich künftig exportieren ließe. Italiener nicht bereit, in Libyen einzuschreiten? Kein Problem, deutsche Divisionen übernehmen! Franzosen keine Lust auf Mali? Wir sind schon da! Und überhaupt: Warum sollten Ukrainer für ihre Heimat sterben, wenn Deutsche diese noble Aufgabe ebenso gut erledigen können – mit der geballten Disziplin, mit der wir sonst nur Steuererklärungen ausfüllen? Wir haben ja Tradition in diesem Geschäft: Immer schon haben Deutsche im Ausland Dinge erledigt, die besser niemand erledigt hätte. Nun eben mal wieder mit gutem Gewissen.

Ein Ausblick in die glänzende Zukunft: Europa, das neue Söldnerkollektiv

Es ist absehbar, wohin das Ganze führt: Ein Europa, in dem die Völker untereinander die Unannehmlichkeiten verteilen wie Abwasch im WG-Plan. Polen putzt für Griechenland, Spanier fahren Taxi für Schweden, Deutsche kämpfen für Ukrainer. Und eines Tages vielleicht, wenn uns die Ironie nicht längst erschlagen hat, werden Ukrainer zurückkehren, um in deutschen Behörden die Anträge der verwitweten Soldatenwitwen zu stempeln. So schließt sich der Kreis. Dann wird man feierlich verkünden, es sei die „größte Leistung europäischer Solidarität seit der Erfindung der Einweg-Euro-Palette“.

Fazit:

Und so schreitet Deutschland, stahlhelmbehütet, tugendschwer und moralisch überhöht, der Welt voran: endlich wieder Krieg, endlich wieder auf der richtigen Seite der Geschichte, endlich wieder ein Beitrag, der sich gewaschen hat. Nur eines sollte man nicht vergessen: Wer für andere kämpft, muss am Ende auch für andere sterben. Aber was macht das schon, solange die Pointe sitzt und das Gewissen sauber bleibt?

Please follow and like us:
Pin Share