Die Kriegstreiber in den Komfortzonen

Krieg ist Frieden, Wohlstand ist Entbehrung, und Sicherheit ist der Tod

Sie rufen laut nach Wehrhaftigkeit, nach Entschlossenheit, nach mehr Milliarden für Panzer, Drohnen und Marschflugkörper. Sie fordern Einsatzbereitschaft, Härte, Entschlossenheit, ein „neues Mindset“. Sie predigen den Krieg als Notwendigkeit, als historische Pflicht, als moralisches Gebot. Doch wo sitzen sie? Am heimischen Schreibtisch, mit einer Tasse Bio-Kaffee neben sich und der sicheren Gewissheit, dass die Schlachtfelder dieser Welt für sie nichts weiter sein werden als ein Punkt auf der Landkarte.

Der Feuilletonist, der sich über die „Weichheit“ der jungen Generation mokiert, schreibt seinen Appell auf einer Designer-Tastatur, sein Gesicht nur im Glanz des MacBook-Bildschirms beleuchtet. Der Minister, der von „unvermeidlichen Opfern“ spricht, kennt die Schrecken des Krieges bestenfalls aus Geschichtsbüchern oder aus der Heldengeschichte seines Urgroßvaters. Der Vorstandsvorsitzende, der den „Frieden nur durch Stärke“ sichern will, sorgt sich in Wahrheit vor allem um die Stabilität seiner Aktienoptionen.

Man stelle sich vor: Diese Herren müssten wirklich an die Front. Sie, die sich so sehr nach Wehrhaftigkeit sehnen. Sie, die von Härte faseln und moralisch vor Empörung über vermeintliche Feigheit erbeben. Vorstandsvorsitzende im Tarnanzug, Feuilletonisten mit Sturmgewehr, Minister mit Schlamm im Gesicht. Wie lange würde ihre Begeisterung wohl anhalten? Wie viele von ihnen hätten noch Kraft für große Reden, wenn sie die kalte Nacht in einem Schützengraben verbringen müssten?

Der Krieg als intellektuelles Planspiel

Es ist faszinierend zu beobachten, wie sich Menschen, die keinerlei persönliche Konsequenzen zu fürchten haben, in bellizistischem Eifer überschlagen. Die Sicherheit ihres Lebensumfeldes ist proportional zur Lautstärke ihrer Kriegsrhetorik. Die Logik ist einfach: Wer sich nie um sein eigenes Leben sorgen musste, hält es für eine gute Idee, das von anderen aufs Spiel zu setzen.

Der Krieg als abstraktes Planspiel, als ein intellektuelles Vergnügen, das sich in Think-Tank-Papieren, Feuilleton-Analysen und politischen Strategiepapiere entfaltet. Die Frage, ob „der Westen“ nun endlich „Härte“ zeigen müsse, wird verhandelt wie eine Debatte über den nächsten EU-Haushalt. Man diskutiert Krieg, als wäre er ein besonders komplexes Schachspiel. Nur sitzen diejenigen, die die Figuren bewegen, eben nicht auf dem Brett.

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Die Romantik des Todes – aber bitte ohne mich!

Haben Sie jemals einen Kriegstreiber erlebt, der selbst freiwillig nach vorne geht? Jemanden, der sich in den Reihen der kämpfenden Truppen einreiht, der mit seiner eigenen Haut für seine Überzeugungen bezahlt? Nein, natürlich nicht. Sie werden niemals sehen, wie der eifrige Kommentator, der „wehrhafte Demokratie“ fordert, sich freiwillig eine Waffe schnappt und in den Schützengraben springt. Die Pflicht, für Werte zu kämpfen, bleibt immer bei anderen: bei den jungen Männern aus strukturschwachen Regionen, bei denen, die keinen anderen Weg sehen als den Gang zur Armee.

Die Romantik des Todes ist eine bequeme Idee, solange es nicht der eigene ist. Die Verklärung des Soldatentodes als „Opfer für eine größere Sache“ bleibt immer eine Theorie, die nur so lange gilt, wie das eigene Leben davon unberührt bleibt. Sobald es persönlich wird, verflüchtigt sich der heroische Pathos erstaunlich schnell.

Der neue Militarismus als Wohlfühlpolitik

Kriegspolitik hat sich längst als eine Form der Wohlfühlpolitik für eine bestimmte gesellschaftliche Schicht etabliert. Es ist die ultimative Form der moralischen Selbstüberhöhung: Wer für „wehrhafte Demokratie“ plädiert, fühlt sich automatisch auf der richtigen Seite der Geschichte. Man kann sich als entschlossener Verteidiger von Freiheit und Werten inszenieren, ohne je eine Waffe in die Hand nehmen zu müssen.

Es ist ein grotesker Zynismus: Während Millionen von Menschen sich vor tatsächlichen Kriegen in Sicherheit bringen wollen, sitzen in klimatisierten Büros Männer und Frauen, die selbst nicht einmal bereit wären, zwei Wochen ohne Zimmerservice im Urlaub zu verbringen – und schreiben flammende Appelle für den Kampf bis zum letzten Mann. Natürlich nicht bis zum letzten von ihnen selbst.

Ein einfacher Vorschlag

Lassen Sie uns eine einfache Regel einführen: Jeder, der einen Krieg fordert, meldet sich automatisch freiwillig. Jeder, der den Krieg als unausweichlich, notwendig oder ehrenhaft bezeichnet, verpflichtet sich, persönlich mit anzupacken. Keine Ausreden. Keine Sonderregelungen. Keine Bürokraten, die sich mit „systemrelevanten Aufgaben“ herausreden.

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Und dann stellen wir uns einmal das Bild vor: Der Investmentbanker in Tarnkleidung, der mit einem Essenspaket in der Hand im Matsch liegt. Der Politiker, der gestern noch die „nationale Pflicht“ beschwor, mit einem Verband um den Kopf in einer Notunterkunft. Der Feuilletonist, der in seinen Kommentaren über „Standhaftigkeit“ schwadronierte, jetzt mit zittrigen Fingern eine Waffe hält.

Man stelle sich das vor – und frage sich dann noch einmal, wie groß die Begeisterung für Krieg wirklich ist.

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