Die frohe Kunde vom fröhlichen Feldzug

Es gibt Tage, da traut man seinen Ohren nicht – und andere, da traut man seinen Hirnzellen nicht mehr, weil sie offenbar kollektiv beschlossen haben, in den Streik zu treten, sobald jemand mit Krawatte und Mikrofon vom „Gewinnen eines Krieges“ spricht, als handle es sich um ein Kickerturnier im Ministerium. Krieg, so erfährt man jetzt in gewissen Kreisen, sei nicht mehr nur ein letztes Mittel, ein düsterer Ausnahmezustand der Geschichte, sondern: eine Option. Eine Strategie. Ein Weg. Vielleicht sogar – man raunt es ehrfürchtig – eine Chance zur Identitätsstiftung.

Der politische Diskurs, einst die Domäne der Besonnenen, hat sich nun in eine Mischung aus Propagandawerkstatt und motivationalem Coaching-Seminar verwandelt. Man redet nicht mehr vom Tod, sondern vom Einsatz. Nicht vom Morden, sondern vom Verteidigen. Und am Ende lächeln die Soldaten. Sagt man. Vielleicht winken sie auch aus dem Hubschrauber. Und man stelle sich vor, sie posten noch ein Selfie mit dem Hashtag #kriegsgewinn.

Pazifismus ist das neue Appeasement

Wer heute Zweifel äußert, ist kein Mahner mehr, sondern ein Feigling. Wer an die UNO glaubt, ist weltfremd. Wer fragt, was nach dem Sieg kommt, gilt als zersetzend. Es scheint, als habe sich eine neue Elite gebildet: die Kriegsverständigen. Sie sitzen in Thinktanks, moderieren Talkshows, twittern aus sicheren Redaktionsstuben. Und sie sind sich einig: Frieden? Schön und gut. Aber bitte erst, wenn er durch den Sieg definiert ist.

Früher nannte man solche Haltung zynisch. Heute nennt man sie realpolitisch. Es ist die Umkehr der Werte in Echtzeit: Diplomatie gilt als Schwäche, Reflexion als Verrat. Der moralische Imperativ wurde durch einen strategischen ersetzt, und wer dabei stirbt, tut dies – so hofft man – mit Würde. Oder zumindest ohne öffentliches Aufsehen.

Bilderbuchheimkehrer mit Kriegsgewinnlächeln

Ja, reden wir darüber, wie unsere Soldaten siegreich heimkehren. Vielleicht auf E-Bikes, klimaneutral. Vielleicht werden ihnen Rosen gestreut, wie einst im Hollywoodkino, wo die Heimkehrer immer gut rasiert, etwas nachdenklich, aber tief im Inneren doch zufrieden waren. Ihre Kameraden sind gefallen, ja, aber für eine gute Sache – für die Freiheit, für unsere Werte, für… na ja, irgendwas halt.

TIP:  16% ist das neue 51%

Die Vorstellung, man könne einen Krieg mit einem emotionalen Happy End abschließen, gehört in die Werbebroschüre des postheroischen Nationalstolzes. Oder ins Drehbuch eines Netflix-Dramas mit moralischem Leitnarrativ und ausgewogener Diversitätsquote. Aber nicht in den ernsthaften Diskurs einer Nation, die vorgibt, aus ihrer Geschichte gelernt zu haben. Oder haben wir das etwa doch nicht?

Historische Alzheimer oder die Wiederentdeckung des Endsiegs

Es gab einmal eine Zeit, da klang der Begriff „Endsieg“ so toxisch, dass selbst rechte Kreise ihn mieden wie ein offenes Mikrofon auf einer Gedenkveranstaltung. Heute jedoch scheint sich eine sprachliche Renaissance des militärischen Optimismus breitzumachen. Man wolle nicht nur bestehen, nein: man wolle siegen. Und das natürlich moralisch einwandfrei, menschenrechtskonform, vielleicht sogar inklusiv. Der neue Krieg ist gewaschen, zertifiziert und von der Ethikkommission gebilligt.

Es ist ein wenig wie beim Veganismus: Niemand will mehr schuld sein, aber alle wollen mitmachen – sofern es andere ausführen. Die Gewalt wird ausgelagert, der Krieg als Notwendigkeit umetikettiert, die Toten zu tragischen, aber notwendigen Fußnoten der Geschichte. Und so stehen wir da, mit tränenerstickter Stimme, aber militärstrategisch entschlossen.

Der Menschenfreund in Camouflage

Wie tröstlich, dass man den Krieg heute wieder lieben darf – vorausgesetzt, er ist der richtige. Wenn nur die böse Seite leidet. Wenn nur die Guten schießen. Und wenn am Ende ein internationaler Preis für „mutige politische Führung“ vergeben wird. Vielleicht gibt’s bald auch eine Reality-Show dazu: Germany’s Next Top-War – mit Voting aus dem Publikum! Der Sieger erhält ein Interview bei „Maischberger“ und ein Treffen mit dem Verteidigungsminister.

Aber wehe dem, der fragt, ob man Gewalt wirklich mit Gewalt aufheben kann. Der gilt dann als naiv. Oder schlimmer: als Putin-Versteher, Systemgegner, Nestbeschmutzer. Die Reflexe sitzen. Wer die Logik des Krieges hinterfragt, wird moralisch exkommuniziert – selbst wenn er nichts weiter will als das, was einmal Staatsraison war: nie wieder Krieg.

TIP:  Der große Austausch

Der Wahnsinn trägt Uniform – und ein Lächeln

So reden wir also über das Siegen. Über glückliche Heimkehrer. Über „unsere Jungs“, die Heldentaten vollbringen sollen, damit wir uns wieder sicher fühlen dürfen. Was für eine Farce. Was für eine gefährliche, sentimentale, medienkompatible Farce. Die Sprache ist längst korrumpiert, die Realität in Narrative verpackt, und die Wahrheit liegt irgendwo unter Trümmern begraben – in einem Ort, dessen Namen man nicht mehr korrekt aussprechen kann, aber für den man mit viel Pathos eine Fahne hisst.

Schlusspunkt mit bitterem Nachgeschmack

Ja, reden wir darüber, wie wir einen Krieg gewinnen. Und vielleicht schreiben wir dazu ein Kinderbuch. „Max und Moritz im Einsatz – Wie kleine Helden große Werte verteidigen“. Oder wir drehen einen Werbespot: ein Sonnenuntergang, ein Heimkehrer mit Hund, dazu ein Voice-over: „Mut. Ehre. Heimat. Und jetzt: zurück ins Leben.“ Der Wahnsinn wird nicht nur gelebt, er wird produziert, inszeniert, verkauft.

Doch der einzige Krieg, den wir wirklich gewinnen müssten, wäre der gegen die eigene Gedankenlosigkeit. Und den verlieren wir – jeden Tag ein bisschen mehr. Lächelnd. Und mit besten Absichten.

Please follow and like us:
Pin Share