
Ein satirischer Leitfaden zur archäologischen Selbstfindung
Neulich erklärte mir ein junger Mann mit Che-Guevara-T-Shirt und MacBook, er fühle sich den „Ureinwohnern Palästinas“ tief verbunden.
Ich fragte höflich, ob er schon einmal dort gewesen sei.
„Nein“, sagte er, „aber ich habe Gefühle.“
Nun ja. Gefühle sind ja das neue Wissen. Früher musste man noch Bücher lesen, heute reicht Empörung. Und kaum jemand ist so gründlich empört wie der westliche Intellektuelle, der sich als Verteidiger der „Ureinwohner“ entdeckt.
Das Problem ist nur: Die vermeintlichen Ureinwohner wissen gar nicht, dass sie welche sind. Und die, die es wissen, wissen nicht, woher sie kommen.
Der Name, der vom Himmel fiel (bzw. von Kaiser Hadrian)
Beginnen wir mit einer kleinen Anekdote aus dem Jahre 135 nach Christus – das war noch vor Twitter.
Ein römischer Kaiser namens Hadrian, dem man wegen eines gewissen jüdischen Aufstandes die Laune verdorben hatte, beschloss: Wenn die Juden sich nicht benehmen, dann nennen wir ihr Land einfach um!
Das war sozusagen die erste historische „Cancel Culture“.
Aus „Judaea“ wurde „Syria Palaestina“ – benannt nach den Philistern, die ihrerseits aus dem griechischen Raum kamen. Also: Griechen taufen ein jüdisches Land nach einem untergegangenen Volk, und 1900 Jahre später erklären sich arabische Nachfahren zu dessen „Ureinwohnern“.
Wenn das kein Weltkulturerbe des Missverständnisses ist!
Seitdem klebt der Name „Palästina“ an allem, was zwischen Mittelmeer und Jordan atmet, egal ob Jude, Grieche, Türke oder Beduine. Ein geographisches Sammelsurium, in dem sich alles und jeder tummelte – nur kein homogenes „Volk Palästina“.
Die Geburt des Palästinensers aus dem Geiste der Bürokratie
Bis ins 20. Jahrhundert hinein war „Palästinenser“ ein geografischer Begriff. So wie „Bayer“, „Sauerländer“ oder „Wiener“ – wobei der Wiener ja bekanntlich kein Volk, sondern ein Zustand ist.
Dann kam die PLO, und man dachte sich: Wir brauchen ein Volk, das uns gehört!
Also wurde beschlossen, dass alle Muslime, die nicht in Israel leben, ab sofort „Palästinenser“ heißen.
Einfach, oder? So erschafft man Identität: per Dekret.
Man stelle sich vor, jemand gründet morgen die „Organisation zur Befreiung von Oberbayern“ und erklärt alle Münchner zu einem unterdrückten Urvolk. Ich bin sicher, Brüssel würde binnen 48 Stunden Solidarität bekunden.
Die DNA – das unbestechliche Orakel
In Zeiten, in denen jeder seine Identität aus dem Reagenzglas zieht, wird natürlich auch die DNA befragt.
Und sie antwortet, wie immer, trocken und unbeeindruckt: „Palästinenser? Nie gehört.“
Stattdessen meldet sie: Ägypten, Syrien, Irak, Marokko. Eine Art arabische UNESCO-Konferenz im Blutbild.
Das ist schön, zeigt es doch, wie bunt diese Region immer war. Aber Vielfalt ist in identitätspolitischen Kreisen leider ein Makel. Man möchte lieber „rein“ sein – kulturell natürlich, nicht hygienisch.
Ein wütender TikTok-Kommentator erklärte mir einmal, das sei alles eine jüdische DNA-Verschwörung. Ich gratulierte ihm zu seiner Originalität – solche Ideen hatten wir schon in den 30er-Jahren, bloß in anderer Besetzung.
Der Staat, den es nie gab
Man fragt sich: Wenn Palästina wirklich ein uralter Staat war, warum taucht er dann auf keiner Karte auf – nicht einmal auf den osmanischen?
Vielleicht, weil es ihn nicht gab.
Die Region war 400 Jahre lang ein osmanischer Verwaltungsdistrikt – ungefähr so individuell wie eine Filiale der Finanzbehörde. Kein Staat, keine Grenzen, keine Hymne, keine Briefmarke. Nur Menschen, die dort lebten.
Erst als Israel gegründet wurde, entdeckte man plötzlich das Konzept des „palästinensischen Volkes“. Offenbar braucht man manchmal einen Feind, um eine Identität zu finden.
Der Westen und seine sentimentale Kolonialromantik
Nun könnte man das alles mit Humor nehmen, wenn nicht ausgerechnet die Europäer, die einst den halben Globus kolonisierten, sich nun als Anwälte der „Ureinwohner“ aufführen würden.
Man hat ja sonst nichts mehr zu kolonisieren – also kolonialisiert man jetzt moralisch.
Im Berliner Café diskutieren dann Soziologiestudentinnen über „die indigene palästinensische Erfahrung“, während sie Soja-Latte trinken, der übrigens aus Südamerika stammt.
Der moderne Gutmensch liebt das Exotische – solange es weit weg bleibt und sich dankbar opfern lässt.
Die vier Fragen zum Selbsttest
Wenn also das nächste Mal jemand behauptet, die Palästinenser seien die „Ureinwohner“ des Landes, probieren Sie diesen einfachen Test:
- Wie heißen sie selbst?
(Antwort: Sie wissen’s nicht, sie sagen „Falestine“, weil’s kein P im Arabischen gibt.) - Seit wann heißen sie so?
(Seit etwa 50 Jahren. Früher hießen sie Jordanier, Syrer, Ägypter oder einfach „Menschen“.) - Was sagt ihre DNA?
(Sie sagt: „Verwechslungsgefahr mit sämtlichen Nachbarn!“) - Gab es je einen Staat Palästina?
(Nein. Nur Land, Leute und jede Menge Kaiser, Kalifen und Kolonialbeamte.)
Wenn Ihr Gesprächspartner daraufhin errötet, Hände ringt und von „westlicher Schuld“ zu sprechen beginnt – gratuliere! Sie haben das Level „Historische Realität“ erreicht.