Der Triumph der Kulturverteidigung

Wie man eine fremde Kultur (be)herrscht

Tadschikistan, das kleine Land in Zentralasien, ist auf dem besten Weg, einen Meilenstein in der globalen Kulturpolitik zu setzen, und zwar mit einer Deklaration, die so überzeugend, so stolz und so kraftvoll ist, dass man sich fragt, wie viele literweise Tee in dieser Regierungsrunde konsumiert wurden, um zu einer solch brisanten Erkenntnis zu gelangen. Das Verbot des islamischen Hijabs wurde als Akt der nationalen Reinheit und der kulturellen Befreiung gefeiert, und der Beifall des gesamten Apparats hallt wahrscheinlich bis ins entfernte Pamir-Gebirge. Der Hijab sei eine „fremde Kultur“ und eine „kulturelle Invasion“ und, um es zu verdeutlichen: „Die Frauen in diesem Land bedecken ihr Haar nicht!“ Oh ja, wo sie recht haben, haben sie recht. Wer hätte gedacht, dass die Lösung für das geopolitische Problem der kulturellen Vermischung so einfach ist? Einfach alles, was nicht rein und tadschikisch ist, rausschmeißen. Bravo, Tadschikistan!

Ein tadschikisches Beispiel zum Staunen

Man kann nicht umhin, Tadschikistan für diesen Geniestreich zu bewundern, und man könnte in diesem Moment sogar versucht sein, den alten Kontinent des Denkens – Europa – dafür zu tadeln, dass er sich so schwer mit dieser Frage tut. Der Westen, jener ungeschliffene Brocken kulturellen Relativismus, könnte sich eine Scheibe abschneiden. Während man in Frankreich, Deutschland und anderen Ländern darüber debattiert, was wohl die feinste Balance zwischen Menschenrechten und kultureller Integration sein könnte, lässt sich das zentralasiatische Kleinod von solchen „First-World-Problems“ nicht beirren. Ist es nicht herrlich erfrischend, dass die tadschikische Regierung mit so festem Schritt in die Bresche springt und dem Westen zeigt, dass Integrationsprobleme viel einfacher gelöst werden können? Tadschikistan weiß, dass es einen Hammer hat und dass das Problem somit schlichtweg ein Nagel ist.

Vom Echo der Vergangenheit

Es ist fast schon poetisch, wie Tadschikistan seine eigene Definition kultureller Reinheit findet. „Eine fremde Kultur und eine kulturelle Invasion“, so wird der Hijab beschrieben. Fast fühlt man sich zurückversetzt in die heroischen Jahre nationaler Überzeugung, als noch mutig gegen äußere Einflüsse gekämpft wurde. Fremdes und Einheimisches traten in den Ring, und der Sieger war stets klar: die reine, unverdorbene, strahlend-tadschikische Kultur! Die logische Stringenz dieses Arguments ist umwerfend. Alles, was nicht in die eigene Kultur passt, wird einfach entfernt – als ob Kultur eine sterile, kontrollierte Substanz wäre, wie eine Sammlung präparierter Schmetterlinge unter Glas.

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Doch was ist Kultur, wenn nicht das chaotische Zusammenspiel aus Fremdem und Einheimischem, aus Übernahme, Anpassung, Innovation und – jawohl – Verwässerung? Tadschikistan scheint auf die Idee gekommen zu sein, dass man die Welt rein halten könne, dass der Hijab ausnahmsweise nicht etwa in der Religion wurzelt, sondern eine kulturelle Waffe darstellt, die unschuldige tadschikische Köpfe und Köpftücher bedroht. Vielleicht vermutet man im Hijab auch eine Verschwörung der Modeindustrie? Wie auch immer: Tadschikistan verteidigt die Reinheit der Nation mit Nachdruck, fast wie Don Quijote, der sich heldenhaft gegen die Windmühlen der kulturellen Pluralität erhebt.

Vom Glanz der Multikulturalität und den Schatten des Dilemmas

Doch was ist nun mit Europa? Warum gelingt es Europa nicht, einfach diesem Beispiel zu folgen und den Hijab, das Kopftuch, den Schleier einfach zu verbieten, um die „kulturelle Reinheit“ zu wahren? Die Wahrheit ist, dass Europa sich an diese metaphysischen Fragen nicht so heranwagen kann wie die tapferen Beamten in Tadschikistan. Europa ist verliebt in seinen Stolz auf die Toleranz, die Demokratie und die Menschenrechte – und hat, wie das so oft in Beziehungen der Fall ist, Angst, die Geliebte zu verlieren, wenn es allzu rigoros auftritt.

Für Europa sind Menschenrechte und religiöse Freiheit das, was für Tadschikistan das „unbedeckte Haar“ ist: unantastbare Symbole, Identitätskerne. In einer Welt, die von Diversität und Inklusion geprägt ist, hält Europa am Ideal der kulturellen Vielfalt fest. Man könnte fast meinen, dass diese Vielfalt für Europa das geworden ist, was der tadschikischen Regierung das Symbol des unbedeckten Kopfes ist: eine Art heilige, kulturelle Fassade, die um jeden Preis bewahrt werden muss, auch wenn sie gelegentlich Risse zeigt.

Das Paradoxon des nationalen Kleiderzwangs

Nun könnte man in der tadschikischen Position durchaus eine gewisse Ironie erkennen: eine Regierung, die Kleidungsvorschriften verbietet, während sie genau dadurch… na ja, Kleidungsvorschriften aufstellt. Aber warum sich mit Details aufhalten? Das Wichtige ist, dass das Bild tadschikischer Nationalität gewahrt bleibt. Europa hingegen bleibt bei einer anderen, widersprüchlichen Ironie gefangen, die unendlich subtile Nuancen zuzulassen versucht. So setzt sich in Europa das Paradox fort, dass ein religiöses Symbol der Freiheit ein Symbol der Unterdrückung sein kann – je nach Standpunkt und Stimmungslage des Kommentators. Tadschikistan jedoch scheut sich nicht, diesen Knoten mit einem klaren Schnitt zu lösen und darauf zu bestehen, dass die tadschikische Frau ohne Hijab das leuchtende Symbol einer unantastbaren Nationalkultur sei.

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Ein Triumph der symbolischen Politik

In Zeiten zunehmender globaler Vermischung und wachsender internationaler Spannungen ist das Verbot des Hijabs in Tadschikistan ein Akt der symbolischen Entschlossenheit, eine Art politischer Performance. Man könnte sich fragen, wie viele Menschenleben tatsächlich von diesem Gesetz berührt werden und wie viele daran zerbrechen, doch das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass eine klare Linie gezogen wird – eine Linie, die fast schon bewundernd an die gute alte Zeit erinnert, als man dachte, Grenzen und Kulturen wären betonharte Konstrukte.

Tadschikistan gibt uns also eine Lektion in der Kunst der symbolischen Politik. Während in Europa von multikulturellen Utopien geträumt und von interkulturellen Brücken gebaut wird, setzt das zentralasiatische Land ein Symbol, das von Klarheit und Entschlossenheit zeugt – auch wenn es in seiner Reduktion beinahe komisch anmutet.

Quellen und weiterführende Links

  1. „Tadschikistans Hijab-Verbot: Ein kultureller Akt oder eine religiöse Einschränkung?“ Zentralasiatisches Journal für Kultur und Gesellschaft, Ausgabe 3, 2023.
  2. „Die neue Kulturpolitik in Zentralasien: Ein Überblick.“ Journal für Internationale Kulturforschung, Bd. 17, Nr. 4, 2022.
  3. Johnson, Rick. The Politics of Dress in Post-Soviet Asia. New York: Harper Press, 2021.
  4. „Multikulturalität und Integration in Europa – Lektionen und Herausforderungen.“ Europäisches Institut für Kulturforschung, Konferenzdokumente, 2023.
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