
Wenn der Kapitalismus nicht einmal mehr Hoffnung verkauft
BlackRock zieht sich zurück. Nicht aus dem globalen Derivatehandel, nicht aus der Welt der algorithmischen Allmacht und schon gar nicht aus der Umarmung der politischen Eliten – nein, aus der Ukraine. Genauer gesagt: aus dem frommen Vorhaben, einen Wiederaufbaufonds für das im Krieg verheerte Land zu bewerben. Ein Fonds, der nicht weniger versprach als Erlösung im Dreiteiler – Infrastruktur, Landwirtschaft, Energie. Doch nun heißt es: keine Werbung mehr. Kein Glamour der globalen Rekonstruktion, keine PowerPoints mit Aufwärtskurven und Bruttorenditen im 10-Jahres-Schnitt. Die Börsenpriester von BlackRock, jahrzehntelang Apostel der monetären Transsubstantiation, haben plötzlich kein Interesse mehr an der Wüste der Trümmer und der Unsicherheit – und wo sich der Markt zurückzieht, eilt das moralisch verpflichtete Europa selbstverständlich zur Stelle: Merz wird sägen, Ursula wird lächeln, und wir, das moralisch hochgerüstete Wir, springen brav in die Bresche, schaufeln Milliarden in politisch korrekte Ödnis und nennen es Solidarität.
Der Orange Schmetterling – Wie Trump mit einem Flügelschlag die Investoren vertreibt
Es ist erstaunlich, wie schnell sich der Wind dreht, wenn ein Mann mit der Hautfarbe eines Florida-Sonnenuntergangs in einem Land mit 300 Millionen Schusswaffen gewählt wird. Donald Trump hat die Bühne wieder betreten, diesmal nicht als Clown, sondern als Dirigent geopolitischer Kakophonien. Und siehe da: Die Investoren hören genau hin. Wenn aus Washington nicht mehr das säuselnde Versprechen unbegrenzter Ukraine-Milliarden kommt, sondern das knirschende Geräusch nationalistischer Taschenrechner, wird das Kalkül plötzlich nüchtern. Ein Wiederaufbau ohne politische Rückversicherung aus den USA? Das ist wie ein Hochhaus auf Treibsand. BlackRock, gewieft wie eh und je, hat das Gras wachsen hören – oder vielmehr: den Beton bröckeln sehen – und stellt sich vorsorglich taub. Die geopolitische Landschaft ist nicht mehr das Terrain freundlicher Renditeflüsse, sondern eine unkartierte Geröllhalde voller Stolperfallen.
Wenn selbst die Gier zögert – Milliardenmärkte mit brüchiger Bodenplatte
Man hätte denken können, dass ein Wiederaufbaufonds für ein ganzes Land – inklusive schiefergelegter Stromtrassen, vernarbter Autobahnen, zerbombter Silos und verbrannter Felder – das feuchte Wall-Street-Traumbild vom perfekten Wachstumsmarkt wäre. Aber selbst die Gier, jene hartnäckigste Triebkraft des Spätkapitalismus, zeigt sich plötzlich zögerlich. 400 Milliarden bis 1 Billion Dollar, sagt man, koste das alles. Eine Zahl so monumental, dass sie eigentlich zum Einstieg animieren müsste. Doch die Risiken – politische Instabilität, Krieg, Rechtsunsicherheit – sind nicht mehr nur Randnotizen in Fußnoten juristischer Gutachten. Sie sind Hauptsache. Und so brechen die Verhandlungen ab, nicht wegen Moral, nicht wegen Anstand, sondern aus purem Eigeninteresse. Der Markt glaubt nicht mehr an das Wunder Ukraine. BlackRock stoppt Gespräche mit Investoren aus Deutschland, Italien, Polen – selbst die treusten Freunde des Euro-Atlantischen Projekts werden plötzlich zu Investitionsleprakranken. Die kalte Realität hat die rosaroten Excel-Tabellen aufgefressen.
Von Hoffnungsträgern zu Heuschrecken – Der ukrainische Ausverkauf im neoliberalen Hochglanz
Es ist schon eine Ironie, die der Lauf der Dinge nicht besser hätte schreiben können: Was als Wiederaufbau getarnt war, war immer auch ein Beutezug. Der Markt hatte längst gewittert, was es da zu holen gäbe – fruchtbare Schwarzerdeböden, strategische Pipelines, Energiesysteme mit Modernisierungsbedarf und politischen Lücken. Der ukrainische Wiederaufbau, so wurde gemunkelt, sei nicht nur ein Friedensprojekt, sondern auch ein Privatisierungskarussell – mit West-Label und neoliberaler Drehgeschwindigkeit. Dass nun ausgerechnet die Heilsbringer aus New York, Zürich und Frankfurt das Feld räumen, ist kein Zeichen von Reue, sondern ein Indiz: Es lohnt sich nicht (mehr). Der Krieg frisst die Margen, der Frieden bleibt Hypothese, und die Ukrainer – diese unbequemen, unberechenbaren Subjekte ihres eigenen Schicksals – könnten womöglich doch nicht als passive Anlageobjekte taugen. Die westlichen Heuschrecken fliegen weiter – nach Lateinamerika, nach Afrika, zu stabileren Albträumen.
Symbolpolitik statt Substanz – Der globale Finanzadel zeigt, wie wenig er glaubt
Wenn ein Unternehmen wie BlackRock aussteigt, ist das keine moralische Geste, sondern eine mathematische. Und wenn gleichzeitig Ursula von der Leyen mit staatsmännischem Dauerlächeln vor Trümmerlandschaften posiert und verspricht, dass „Europa helfen wird“, dann wissen alle Beteiligten: Jetzt wird’s teuer. Der symbolische Rückzug des globalen Kapitals ist das Eingeständnis, dass Hoffnung sich nur rechnet, wenn sie versilberbar ist. Was bleibt, ist das „Wir“ – das europa-europäische Pathosgebilde aus Sprechblasen, Schlagworten und Schulden. Es wird investiert, weil investiert werden muss, nicht weil es sich lohnt. Und es wird gerettet, was sich nicht selbst retten will, weil man an der Frontlinie der Moral keine ökonomischen Rückzüge dulden darf. Der Kapitalismus zieht sich zurück – der Etatismus marschiert vor. Und irgendwo in Brüssel wird wieder ein neuer Koordinator für Nachhaltigkeits-Monitoring-Mechanismen ernannt.
Vom Leo bezahlt – Die letzte Bastion der Unschuld
Vielleicht ist es auch das: eine letzte groteske Pointe im Theater der Selbsterlösung. Während sich die Fondsmanager zurückziehen und der Markt die Ukraine aufgibt, zahlt man in Berlin weiter Diäten und Titel. „Im Leo“ zu sein, ist längst mehr als ein Ort – es ist ein Zustand. Der bestbezahlte Zustand der Welt: institutionalisierte Weltverbesserung bei gleichzeitigem Realitätsverlust. Man glaubt, man handelt, man erklärt, man deutet, man beschließt – aber man verändert nichts. Und während Merz sich durch Bilanzen kämpft und Röschen durch Trümmerfelder tänzelt, bleibt die entscheidende Frage offen: Was bedeutet es, wenn selbst das Geld nicht mehr an uns glaubt?