Der Luxus der Meinungslosgkeit

Es gibt Momente in der politischen Landschaft, da kann man entweder lachen oder weinen. Oder beides. Und doch stellt sich beim jüngsten Coup des ehemaligen österreichischen Bundeskanzlers, der nun seine Fähigkeiten als EU-Banker ausleben soll, die Frage: Warum eigentlich nicht? Schließlich ist der Weg von der politischen Führungsetage auf den internationalen Bankenmarkt so schmal wie der Grat zwischen ambitionierter Karriere und systemischer Verrottung. Der Schritt von der Machtpolitik zum Finanzimperium wirkt fast natürlich, wenn man den Lebenslauf des Ex-Kanzlers in Augenschein nimmt – und dabei das Bauchgefühl des geneigten Bürgers ins Auge fasst. „Es hat doch immer gut funktioniert, oder?“

Nach Jahren in der österreichischen Politik hätte dieser Mann alles – aber warum sollte man sich in seiner zweiten Karriere nicht die Taschen mit dem Geld füllen, das nicht mehr von den Steuerzahlern, sondern von den Steuervermeidern stammt? Die EU als Finanzinstitution ist ja nun nicht gerade ein Ponyhof für das Wohl der Weltwirtschaft – und wer könnte dieses Geschäft besser führen als jemand, der seine politische Karriere mit der geradezu meisterhaften Kombination aus Intransparenz und Interessenvertreter-Wissen verbracht hat? Der Ex-Kanzler hat schon immer dafür gesorgt, dass das Spiel mit den finanziellen Unsicherheiten funktioniert – es wäre fast eine Ironie, ihn nicht für solch ein Amt zu gewinnen. Die Frage bleibt nur, ob er bei seinem Job als EU-Banker den gleichen „Politik-Ausschnitt“ verfolgen wird wie in seiner Amtszeit als Kanzler. Aber wer weiß? Vielleicht hat er ja einen gewissen Plan.

Was es bedeutet, „keine Meinung“ zu haben

An dieser Stelle kann man sich gut fragen: Was würde wohl Beate Meinl-Riesinger zu dieser bemerkenswerten Wendung des Ex-Kanzlers sagen? Sie, die sich selbst als souveräne Vertretung einer Meinungsfreiheit im absoluten Vakuum versteht, hat nunmehr das politische Bürokraten-Motto für sich entdeckt: „Ich erlaube mir, dazu keine Meinung zu haben.“ Punkt. Ein Satz so prägnant wie die leeren Worthülsen, die allmorgendlich auf den Frühstückstischen dieser Welt verzehrt werden – vielleicht in einer formschönen Schüssel, die einem auslaufenden EU-Begrüßungsgeld in einem nachlassenden Stil gerecht wird.

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Frau Meinl-Riesinger, die wahrlich von allem eine Meinung zu haben scheint – zumindest immer dann, wenn es um etwas geht, das sie selbst nicht betrifft – hat durch ihre Aussage ein absolutes Meisterwerk der politischen Abkehr geschaffen. Ihr „Ich erlaube mir, keine Meinung zu haben“ ist die neue olympische Disziplin im politischen Sprechakt. Kein Bekenntnis, keine Verantwortung, keine Ahnung. Der „Punkt“, den sie nach dieser tiefgründigen Erkenntnis setzt, könnte nicht klarer sein: Sie ist „neutral“ – und wie sehr das die politische Landschaft bereichert! Es ist, als ob man einem Hund beigebracht hätte, Gitarre zu spielen: faszinierend und unnötig zugleich.

Der Wahnsinn, den sie in ihrer glänzenden Abwesenheit von jeglichem Commitment zur Schau stellt, ist nicht nur eine persönliche Lebensentscheidung, sondern ein veritabler Triumph der politischen Elite, die es geschafft hat, in einem Satz sämtliche komplexen Fragestellungen zu umgehen. Bei einer so feinsinnigen Ansprache könnte man glatt vergessen, dass hier eine Politikerin spricht, deren einzige Leistung es ist, sich dem politischen Diskurs mit der Präzision eines Pappkartons zu entziehen. „Ich erlaube mir keine Meinung zu haben“ – wie tröstlich! Was für ein Statement der Unverbindlichkeit in einer Zeit, die nach felsenfesten Standpunkten schreit. Und was ist das Resultat dieses genialen Zugriffs? Nichts anderes als eine Exekutive, die sich der Verantwortung entzieht und der Welt mit einem Schulterzucken und einem „ich habe nichts zu sagen“ begegnet.

Posten als Belohnungssystem

Kommen wir zurück zum ehemaligen Kanzler, der jetzt EU-Banker ist. Was bedeutet dieser Schritt für die europäische politische Kultur? Die Antwort ist erschreckend einfach: Nichts. Oder vielmehr: Alles. Die Beförderung von Politikern in hochbezahlte Posten in internationalen Banken ist inzwischen ein gewohnter Teil des Systems, das die politische Klasse über Jahre hinweg erfolgreich zur Kunstform erhoben hat. Wir sprechen hier von einem elitären Club, in dem die Verleihung von Posten nicht nach Können, sondern nach politischer Zugehörigkeit und/oder der Bereitschaft zur stillen Kooperation erfolgt. In diesem Club gibt es keine Türen – es gibt nur Durchgänge, die im besten Fall einen Hauch von Verdunkelung erhaschen.

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Der neue EU-Banker bringt zweifellos keine frischen Ideen oder revolutionären Reformen mit sich – er ist ein weiteres Rad im Getriebe des Finanzimperiums, das auf stabilem Stillstand basiert. Aber das Schöne an der politischen Kaste ist, dass die Postenvergabe kein Wettbewerb ist, sondern ein Belohnungssystem für diejenigen, die sich im Spiel der Macht bestens zurechtfinden. Jeder dieser Aufstiege ist der Triumph des Opportunismus über die Moral. Und das wird, da sind wir uns einig, niemanden wirklich überraschen.

Politische Selbstbedienung

Die tragische Ironie, die sich hier abzeichnet, ist von solch einer atemberaubenden Wucht, dass selbst der Bundespräsident bei seiner nächsten Neujahrsansprache leicht ins Stolpern geraten dürfte. Ein Ex-Kanzler wird EU-Banker, weil er es kann – und die Politiker, die ihn dabei unterstützen, tun dies aus einem simplen, wenn auch nicht besonders sympathischen Grund: Es gibt einen Job zu vergeben, und derjenige, der ihn am meisten verdient hat, ist derjenige, der es versteht, alle anderen in diesem verrückten Spiel hinter sich zu lassen. Wer schon als Kanzler von der Korruption des Systems profitierte, bekommt nun die Gelegenheit, sich als Hüter des europäischen Finanzwesens zu inszenieren. Ein politisches Pendant zum „Bananenrepublik-Syndrom“, bei dem Macht immer nur an die übergeht, die im richtigen Moment die richtigen Türen offen halten.

Doch der wahre Witz an der Sache ist, dass all diese Akteure von der „Glaubwürdigkeit“ der Institutionen sprechen, während sie selbst als wandelnde Exempel für den moralischen Niedergang innerhalb dieser Institutionen fungieren. Das politische Establishment hat sich längst zum Selbstbedienungsladen entwickelt, in dem die wahren Gewinner nicht die Bürger sind, sondern diejenigen, die den Weg von der Macht in den Wohlstand so geschickt kennen wie das ABC der Bürokratie. Und an dieser Stelle sei nochmals erinnert: Der wahre Wahnsinn ist nicht der, der ex-Kanzler als EU-Banker sieht, sondern der Wahnsinn, dass dieser Schritt so nahtlos in die politische Landschaft passt, als wäre er das Unvermeidliche.

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Ein Kontinent im Schatten des Puffs

„Ich erlaube mir dazu keine Meinung zu haben.“ Punkt. Mehr gibt es nicht zu sagen, oder vielleicht doch? Der Wahnsinn hat Methode, und die Methode ist einfach: Das Spiel der Macht wird nicht mehr von politischen Idealen oder gesellschaftlichen Bedürfnissen bestimmt, sondern von einem Kalkül der Verwertbarkeit. Politiker werden zu Bankern, Banker zu Politikern, und die Bürger? Sie sitzen in ihren Wohnzimmern, die eine Hand am Controller, die andere am Bier – und versuchen, dieses Spiel zu verstehen, das sie ohnehin nicht gewonnen haben.

Die politische Landschaft hat sich längst in eine Bühne verwandelt, auf der die Schauspieler ihre Rollen wechseln, wie sie es für richtig halten. Doch das Stück bleibt immer das gleiche. Der wahre Wahnsinn, der uns alle betreffen könnte, liegt in der Tatsache, dass niemand mehr weiß, wann der Vorhang fällt – oder ob er überhaupt noch fällt.

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