Der große Sonnenkredit, der niemals fällig wird

Es begann einst als heitere Hymne der techno-optimistischen Frühökologie: „Die Sonne schickt uns keine Rechnung.“ Ein Satz wie ein Wellness-Mantra, für Balkonien und Zukunftskongresse gleichermaßen geeignet. Franz Alt, damals publizistischer Hohepriester wohlsortierter Empörung und später Wanderprediger der erneuerbaren Seligkeit, veredelte den Spruch zum Kulturgut. „Wind und Sonne stellen keine Rechnung“ – womit er allerdings unterschlug, dass der Postbote vielleicht nichts verlangt, am Ende aber doch irgendein Finanzminister mit strengem Blick und spitzen Fingern die Hand aufhält. Es war die Zeit, als man glaubte, der Himmel sei eine Art kosmisches All-Inclusive-Paket, das sich selbst reinigt, selbst amortisiert und selbstverständlich klimaneutral lächelt. Wer solchem Optimismus widersprach, galt als Ketzer der Zukunftsromantik. Dabei war schon damals klar: Wenn die Sonne keine Rechnung schickt, dann übernehmen das andere sehr gerne. Und sie schicken gleich eine ganze Serie — monatlich, jährlich, mit Zins, Tilgung und dem freundlichen Hinweis: „Bitte nicht knicken.“

Der Eisbecher der Wahrheit

Irgendwann, zwischen Wahlkampfplakaten und talkshowtauglichen Milde-Bekundungen, sprach ein Umweltminister den legendären Satz: Die Energiewende werde den Durchschnittsbürger „nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat“ kosten. Ein charmantes Bild – das jedoch den fatalen Fehler hatte, metaphorisch zu treffend zu sein. Denn während sich die Eispreise im Laufe der Jahre exorbitant vervielfachten, erhielten die Bürger nicht etwa eine klimatisierte Gratisgondel dazu, sondern durften feststellen, wie ihre Stromrechnungen das Niveau ambitionierter Feinschmeckerrestaurants erreichten. Entweder ist die Inflation schuld, oder die Politik hat sich schlicht geirrt. Wobei „geirrt“ ein Wort so mild wie Vanille ist; realistischer wäre „sich in der Stratosphäre der Wunschvorstellungen festgefahren“, während unten auf der Erde der Stromzähler rotiert wie ein überdrehter Dervisch.

Dann ziehen Sie sich warm an

Wind- und Solaranlagen haben etwas von launischen Künstlern: Wenn sie liefern, liefern sie grandios – wenn sie nicht liefern, herrscht Schweigen im Saal. Der Wind verstummt ohne Vorwarnung wie ein beleidigter Opernstar, die Sonne verschwindet hinter Wolkenformationen, die aussehen, als hätten sie persönlich etwas gegen photovoltaische Ambitionen. In solchen Momenten empfehlen manche Politiker pragmatisch: Man müsse eben den Alltag flexibler gestalten. Warum nicht nachts kochen, wenn der Wind günstig steht? Warum nicht bügeln, wenn die Sonne kräftig lacht? Und wenn die Heizung streikt, könne man einfach „einen Pullover anziehen“. Ein Ratschlag, der zwar menschliche Wärme simuliert, aber keinerlei Industriebetrieb überzeugt, der seine Maschinen nicht an Wetterberichte delegieren möchte. Hochöfen sind nicht gut gelaunt, wenn sie spontan pausieren müssen, und Chemieanlagen haben es weniger mit Geduld als mit thermodynamischer Präzision. Während der Durchschnittshaushalt also mit Strickware experimentieren darf, bleibt der Industrie nur die Frage: Wer bezahlt uns den Stillstand – und wann?

TIP:  Für alle, die immer noch glauben, es sei ein Religionskonflikt

Die romantische Idee der grundlastlosen Zukunft

Einst waren Kraftwerke verlässliche Genossen: Man konnte sie hochfahren, runterfahren, sogar abschalten, ohne dass sie sich beleidigt zurückzogen. Kohle, Gas, Kernkraft – sie boten Grundlast wie ein altmodischer Butler, der nie fragt, warum man mitten in der Nacht noch Tee möchte. Mit der neuen Energiearchitektur hingegen werden Backup-Kraftwerke zu einer Art ewiger Bereitschaftspolizei verdammt: Sie stehen herum, dürfen aber selten handeln – außer wenn Wind und Sonne gemeinsam siesta machen. Der Staat will nun zahlen, damit sie bloß jederzeit bereit sind, ohne dass sie etwas leisten müssen. Ein Geschäftsmodell, das sich anhört, als hätte Kafka einen Wirtschaftskrimi geschrieben. Und wie immer bei kafkaesken Arrangements entsteht ein Parallelsystem, das so teuer ist wie ein Palast, der nur dafür gebaut wurde, leer zu stehen, aber ständig beheizt und bewacht werden muss.

Der Markt im Korsett

Das EEG war einmal gedacht als Geburtshelfer für eine neue, grüne Industrie – ein freundlicher Anschub, ein sanftes „Los, du kannst das!“. Doch wie es mit gut gemeinten Hilfen oft ist, wurden sie nicht abgeschafft, als das Kind laufen konnte. Stattdessen verwandelte sich der Markt allmählich in ein Subventions-Diorama. Die Vorrang-Einspeisung tat ihr Übriges: In einem System, in dem politisch ausgewählte Technologien stets zuerst ans Netz dürfen, fühlt sich die Marktwirtschaft nicht wohl, sondern ähnlich wie ein Rennpferd, das plötzlich im Ponyhof antreten soll. Wenn nun noch ein Kapazitätsmarkt folgt, der den Betreibern Geld fürs bloße Bereithalten überweist, ist das Ende jeglichen Wettbewerbs endgültig erreicht. Man könnte fast meinen, die Politik habe ein Herz für ökonomische Kuschelzonen – solange jemand anderes dafür bezahlt.

Das große Rückgrat und seine Kosten

Der notwendige Netzausbau gleicht einem ehrgeizigen Infrastruktur-Epos, das mit dem klassischen Satz beginnt: „Das wird alles gar nicht so teuer.“ Danach folgen Kapitel um Kapitel, in denen jede neue Kostenschätzung die vorherige wie eine nostalgische Erinnerung erscheinen lässt. Was einst als überschaubar galt, mutierte binnen weniger Jahre zu einer finanziellen Himalaya-Expedition. Kupferpreise steigen, Lithium wird zum neuen Gold der Energiewende, und die geschätzten Gesamtkosten erreichen astronomische Höhen, die in ihrer Dimension nur noch von Raumfahrtprogrammen übertroffen werden. Der Bürger erfährt davon zumeist nebenbei – vielleicht beim Frühstück, zwischen Marmelade und Morgenzeitung –, dass wieder einmal eine dreistellige Milliardensumme hinzugekommen ist. Es hat ein bisschen den Charme eines Haushalts, in dem jedes Zimmer renoviert werden muss, aber der Handwerker nie fertig wird und stets lächelt: „Es wird großartig – aber leider teurer.“

TIP:  Wenn Argumente fehlen ...

Das Paradox des Überflusses

An wind- und sonnendurchfluteten Tagen geschieht das Absurde: Es gibt zu viel Strom. Dann wird er verschenkt, verschenkt unter der Voraussetzung, dass man dafür zahlt. Ein Geschäftsmodell, das in jedem anderen Lebensbereich als paraphysikalische Satire durchginge. Während Verbraucher hohe Preise schultern, fließen überschüssige Megawatt ins Ausland – fröhlich subventioniert, als wären sie diplomatische Gastgeschenke. Es ist ein Energiesystem, das sich in selten dagewesener Konsequenz selbst widerspricht: Zu wenig Strom ist teuer, zu viel Strom ist ebenfalls teuer. Man könnte fast von einem harmonischen Gleichgewicht der Unrentabilität sprechen.

Die große Rechnung der Zukunft

Ein rein auf Wind und Sonne basierendes System erfordert Flächen, Speicher, Netze, Reservekapazitäten – ein gigantisches Bauteilesammelsurium, dessen Preisetiketten nur ungern öffentlich ausgestellt werden. Die Berechnungen einiger Institutionen führen zu Zahlen, die selbst abgeklärte Haushaltspolitiker an ihrem Kaffee ersticken lassen. Gleichzeitig gibt es Technologien, etwa aus dem Bereich moderner Kernkraft, die mit deutlich geringeren Gesamtkosten auskämen – doch sie führen im öffentlichen Diskurs häufig ein Schattendasein, als wären sie gesellschaftlich geächtete Cousins, die man nicht zu Familienfeiern einlädt. Dabei wäre es gerade in Zeiten großer fiskalischer Herausforderungen sinnvoll, nüchtern zu fragen: Welche Technik liefert am verlässlichsten, günstigsten und saubersten? Und nicht: Welche Technik gefällt gerade den lautesten Akteuren?

Energiepolitik als Frage der Vernunft

Wenn Wirtschaft, Infrastruktur, demografische Entwicklung und öffentliche Haushalte in den kommenden Jahren unter Druck geraten, dann wird die Energiefrage zum ultimativen Belastungstest. Energiepolitik ist kein romantisches Hobby, kein naturpädagogischer Ausflug, sondern das Fundament von Produktivität, Wohlstand und gesellschaftlicher Stabilität. Unternehmer sprechen oft schlichter als Politiker: „Wir brauchen konkurrenzfähige Energiepreise.“ Dieser Satz klingt banal, ist aber in seiner Wahrheit so schwer, dass ganze Nationen daran scheitern oder gedeihen. Wenn ein Mittelständler den Strompreis nicht mehr tragen kann, hilft ihm kein moralisches Schulterklopfen – er braucht Energie zu einem Preis, der es ihm erlaubt, zu produzieren, zu investieren, zu wachsen.

TIP:  Der Traum von Europa

Der Weg liegt bereit

Die Lösungen liegen keineswegs im Nebel, sondern klar sichtbar: Technologieoffenheit statt Dogma, Wettbewerb statt Subventionskarussell, Rationalität statt Wetterabhängigkeit. Eine Energiepolitik, die den Mut hat, alle Optionen zu prüfen, statt sich ideologisch zu binden, könnte enorme Kosten sparen und gleichzeitig für Versorgungssicherheit sorgen. Die Frage ist nicht, ob der Weg existiert – sondern ob man bereit ist, ihn zu gehen. Wer die Zukunft gestalten will, braucht keine Wohlfühlmetaphern mehr, keine Eiscreme-Vergleiche und keine himmelsblauen Versprechen. Er braucht die Bereitschaft, Kosten ehrlich zu benennen, Nutzen sauber abzuwägen und Entscheidungen nicht nach Applaus, sondern nach Vernunft zu treffen.

Please follow and like us:
Pin Share