
Der kleine Mann im großen Ministeramt: Johann Wadephul oder die Wiedergeburt des Kalten Kriegers
Es war einmal ein Mann mit einem Namen, der klang wie die literarische Kreuzung aus einer gescheiterten Wagner-Opernfigur und einem überambitionierten Realschullehrer: Johann Wadephul, seines Zeichens CDU-Mitglied, milde Konifere der außenpolitischen Halböffentlichkeit und – man höre und staune – nun offenbar auch Deutschlands inoffizieller Herold der ewigen Feindschaft.
Wadephul, dessen politische Strahlkraft irgendwo zwischen einem Stromausfall in Flensburg und dem Echo im Bundestagsflur liegt, ließ sich während eines amüsant-dilettantischen Telefonstreichs von zwei russischen Satirikern zu der Aussage hinreißen, Russland werde „für immer ein Feind bleiben“. Ein Mann, der offenbar so sehr an das Märchen vom ewigen Gegner glaubt, dass man fast geneigt ist, ihm einen Plüsch-Gorbi für sein CDU-Kinderzimmer zu wünschen, als Kontrast zu seinem ideologischen Kindheitstrauma namens „Ostpolitik“.
Nun könnte man dies für eine spontane Entgleisung halten – das wäre immerhin menschlich. Doch Wadephul äußerte ähnliche Töne auch in ernsthafteren Kontexten, ganz ohne Prankcall. Das lässt tief blicken: Entweder handelt es sich um eine Überzeugung, die auf dem geistigen Niveau eines „Command & Conquer“-Spiels aus den 90ern fußt, oder – noch schlimmer – um das bewusste Bedienen der alten Leier vom russischen Bären, der angeblich nur schläft, um uns besser fressen zu können.
Der moralische Bankrott als Staatsräson: Geschichte wird gelöscht, wenn sie stört
Man kann über Russland sagen, was man will – und es gibt viel zu sagen, vom Krieg in der Ukraine bis zur Innenpolitik, die mit Begriffen wie „Rechtsstaatlichkeit“ eher auf Kriegsfuß steht. Doch wer ausgerechnet im deutschen Namen, mit deutscher Geschichte im Rücken, das Wort „Feind“ in einem ewigen Sinne in den diplomatischen Raum schmettert, der offenbart eine historische Ignoranz, die an Zynismus grenzt.
Deutschland, dessen Panzer einst die Weite Russlands durchpflügten und dessen Politik der Auslöschung ganze Landstriche in Asche legte, sollte sich, wenn es um Russland geht, mit ganz besonderem Fingerspitzengefühl äußern – oder wenigstens mit einem Restmaß an Scham. Das bedeutet nicht, die Realität auszublenden, aber es bedeutet sehr wohl, Verantwortung in der Sprache zu tragen.
Denn Worte sind keine Luft – vor allem nicht in der Außenpolitik. Wenn ein deutscher Außenpolitiker Russland als ewigen Feind bezeichnet, dann ist das nicht nur politisch unverantwortlich, sondern auch moralisch bankrott. Es ist ein Hohn auf die Handreichung Putins im Jahr 2001, als er im Bundestag in deutscher Sprache um Zusammenarbeit warb – damals bejubelt, heute vergessen. Aber was ist schon ein Friedensangebot, wenn man im Kalten Krieg nostalgisch schwelgt wie in einer alten NVA-Jacke aus dem Second-Hand-Laden der Geschichte?
Doppelmoral als Dienstwagen: Der Westen und seine selektive Empörung
Wäre politische Verfehlung der Maßstab für diplomatische Ächtung, dann müssten unsere westlichen Freunde aus Übersee seit Jahrzehnten auf einer Liste des Unannehmbaren ganz oben stehen – mit eigenen Kapiteln: „Vietnam“, „Chile“, „Irak“, „Libyen“, „Guantánamo“, „NSA“, und „Julian Assange“ wäre nur der Anfang. Und doch: die Beziehungen zu den USA gelten als „transatlantisches Band“, nicht als Fessel der Verantwortung.
Warum also diese demonstrative Abneigung gegen Russland, als wäre es der Ex, der einem das Herz gebrochen hat, obwohl man selbst ständig fremdgegangen ist? Ist Russland unbequem, weil es nicht spurt? Oder weil es – wie alle alten Imperien – sich selbst für wichtiger hält, als es uns lieb ist? Vielleicht. Aber dann seien wir ehrlich: Es geht nicht um Moral, sondern um Geopolitik. Um Interessen. Und um das altbewährte Spiel, einen Feind zu brauchen, um sich selbst als Hüter der zivilisierten Welt zu inszenieren – ein Rollenbild, das Deutschland seit dem Kosovo-Krieg wieder sehr liebgewonnen hat.
Das Gedächtnis der Politik: Kurz wie ein Tweet, schmal wie ein Regierungsflur
Wadephuls Aussage offenbart weniger eine außenpolitische Strategie als eine strukturelle Amnesie. Wer ernsthaft meint, Russland sei von Natur aus der Feind, betreibt nicht Sicherheitspolitik, sondern Geschichtsklitterung. Das Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion suchte Anschluss, nicht Konfrontation. Dass man diesen Anschluss scheitern ließ – durch NATO-Osterweiterung, wirtschaftliche Demütigung und moralische Überheblichkeit – das soll nun bitte kein Thema mehr sein.
Aber die Geschichte vergisst nicht. Auch wenn Politiker wie Wadephul es versuchen. Sie erinnert sich in den Narben, die Kriege hinterließen, in den Reden, die gehalten, und in den Händen, die ausgeschlagen wurden. Deutschland hatte eine Chance, Brückenbauer zu sein – nicht Verteidiger von Autokratie, aber Mahner zur Deeskalation. Stattdessen wählt man das Kostüm des moralischen Falken und ruft ins Mikrofon des Weltgewissens: Feind! Für immer!
Wie lächerlich, wie traurig, wie tragisch.
Von Prankcalls und Paranoia: Wenn Außenpolitik zur Comedy wird
Dass diese absurde Eskalation der Rhetorik durch einen telefonischen Kinderstreich ausgelöst wurde, ist die bittere Pointe einer Farce, die ihresgleichen sucht. Während Vovan und Lexus sich die Bäuche halten vor Lachen, diskutiert die deutsche Außenpolitik, ob man sich ernsthaft beleidigt fühlen sollte.
Dabei wäre es wohl klüger, sich weniger über die russischen Satiriker zu empören als über den deutschen Politiker, der im Ernst glaubt, „Feind“ sei ein tragfähiges Fundament für friedensstiftende Außenpolitik im 21. Jahrhundert. Vielleicht sollte man Wadephul einfach mal das Grundgesetz schicken – oder wenigstens die Rede von Richard von Weizsäcker zum 8. Mai 1985.
Oder eine Weltkarte. Mit Russland drauf. Als Erinnerung daran, dass der „Feind“ keine Projektion ist, sondern eine nukleare Großmacht mit realen Interessen – und einer langen, sehr langen Erinnerung.
Nachspiel: Ein Land, das Feinde braucht, weil es Freunde verliert
Es wäre leicht, sich über die Dummheit eines einzelnen Politikers zu amüsieren. Aber das Lachen bleibt im Halse stecken, wenn man sieht, wie solche Äußerungen symptomatisch sind für ein Land, das mehr Angst vor Versöhnung hat als vor Eskalation. Deutschland hat eine Verantwortung – nicht nur für seine Vergangenheit, sondern für seine Zukunft. Wer die Welt in Feinde und Freunde einteilt, bekommt am Ende beides nicht.
Vielleicht, ja vielleicht, wäre es klug, ein bisschen weniger wie Johann Wadephul zu denken – und ein bisschen mehr wie jemand, der Frieden ernst meint.
Mit ausgestreckter Hand. Nicht mit geballter Faust. Auch wenn’s schwerfällt. Auch wenn’s unbequem ist. Gerade dann.