Der 20. Juli 1944

Das Attentat auf Hitler und die Tragik seines Scheiterns

Der 20. Juli 1944 markiert eines der bekanntesten, aber zugleich widersprüchlichsten Kapitel des Zweiten Weltkriegs. Der Versuch, Adolf Hitler durch ein Attentat zu töten und das nationalsozialistische Regime zu stürzen, ist zu einem Symbol des deutschen Widerstands geworden. Doch bei aller Würdigung des Mutes der Verschwörer darf nicht übersehen werden: Das Scheitern des Attentats führte dazu, dass die blutigste Phase des Krieges erst danach begann. Die größten Opferzahlen des Zweiten Weltkriegs und der Holocaust in seiner brutalsten Endphase sind untrennbar mit dem Zeitraum nach dem 20. Juli 1944 verbunden.

Die Ausgangslage: Ein Krieg, der längst verloren war

Im Sommer 1944 war die militärische Lage des Deutschen Reiches bereits hoffnungslos. In der Normandie waren alliierte Truppen gelandet und hatten einen zweiten Kriegsschauplatz in Westeuropa eröffnet. Im Osten hatte die Rote Armee mit der Operation Bagration die deutsche Heeresgruppe Mitte vernichtet – eine der schwersten militärischen Niederlagen der Wehrmacht im gesamten Krieg.

Die deutsche Führung wusste, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Doch anstatt einen Waffenstillstand zu suchen, setzte das nationalsozialistische Regime auf totale Mobilisierung und Durchhalteparolen. Der Glaube an den „Endsieg“ war nicht nur Propaganda, sondern eine Form ideologischer Verblendung, die jede realistische Lageeinschätzung ausschloss.

Vor diesem Hintergrund wuchs innerhalb der Wehrmacht und des Staatsapparates die Überzeugung, dass nur die Ausschaltung Hitlers den Krieg beenden könne. Der militärische Widerstand, der sich seit 1938 in verschiedenen Zirkeln organisiert hatte, entschloss sich deshalb zum Attentat.

Das Attentat: Operation Walküre

Am 20. Juli 1944 platzierte Claus Schenk Graf von Stauffenberg in der „Wolfsschanze“ bei Rastenburg einen Sprengsatz unter dem Kartentisch, an dem Hitler mit seinen Generälen eine Lagebesprechung abhielt. Der Plan sah vor, nach der Ermordung Hitlers den Ersatzheer-Befehl „Walküre“ auszulösen, um das Reich von innen zu übernehmen, die SS zu entmachten und Friedensverhandlungen mit den Alliierten einzuleiten.

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Doch der Anschlag scheiterte. Die Aktentasche mit dem Sprengsatz wurde unglücklich umplatziert, ein massiver Eichentisch schirmte die Druckwelle ab. Hitler überlebte mit leichten Verletzungen.

Die Nachricht von seinem Überleben verbreitete sich schnell. Der Staatsstreichversuch brach in sich zusammen, noch bevor er richtig begonnen hatte. Stauffenberg und weitere Verschwörer wurden in der Nacht auf den 21. Juli im Berliner Bendlerblock erschossen.

Die Folgen des Scheiterns: Eskalation der Gewalt

Die gescheiterte Tat hatte dramatische Konsequenzen. Hitler und seine Gefolgsleute nutzten das Attentat, um den Staatsapparat noch stärker zu zentralisieren und die verbliebenen Reste unabhängiger Militärführung auszuschalten. Die Gestapo und der Reichssicherheitsdienst gingen mit brutaler Effizienz gegen alle tatsächlichen und vermeintlichen Gegner des Regimes vor.

Über 7.000 Menschen wurden im Zusammenhang mit dem Attentat verhaftet. Rund 200 von ihnen wurden hingerichtet, oft nach Schnellverfahren vor dem Volksgerichtshof unter Roland Freisler, der Schauprozesse in grotesker Form inszenierte. Das Strafmaß war meist von vornherein festgelegt: der Tod durch Erhängen, vielfach mit dem besonderen Ziel der öffentlichen Demütigung.

Hitler verstärkte zudem den Zugriff auf die Wehrmacht. Das eigenständige Handeln der Offiziere wurde massiv eingeschränkt, viele von ihnen wurden aus dem Dienst entfernt oder liquidiert. Die „Säuberung“ des Offizierskorps war nicht nur eine politische Abrechnung, sondern ein weiterer Schritt zur Militarisierung des Fanatismus. Die Wehrmacht wurde ab diesem Zeitpunkt zunehmend zur willenlosen Exekutive der nationalsozialistischen Führung.

Die Opferzahlen: Der Krieg nach dem 20. Juli

In den neun Monaten nach dem gescheiterten Attentat starben mehr Menschen als in den gesamten Jahren zuvor. Die letzten Kriegsmonate forderten die höchsten Verluste – auf allen Seiten.

  • An der Ostfront rückte die Rote Armee unaufhaltsam vor. Städte wie Königsberg, Breslau und Budapest wurden in blutigen Kesselschlachten verteidigt, obwohl ihre Einnahme militärisch längst beschlossene Sache war. Das bedeutete hunderttausende Tote unter Soldaten und Zivilisten.
  • Im Westen führten alliierte Luftangriffe zu den verheerendsten Bombardierungen des Krieges. Dresden, Pforzheim, Würzburg, Hildesheim – Städte gingen in Flammen auf, Hunderttausende verloren ihr Leben.
  • Die Wehrmacht führte den Krieg weiter, obwohl alle militärischen Analysen bereits im Sommer 1944 einen Sieg ausgeschlossen hatten. Der Volkssturm wurde aufgestellt, Kinder und Alte wurden bewaffnet, um den Vormarsch der Alliierten zu verlangsamen. Der Begriff vom „Krieg bis zum Untergang“ war keine Prophezeiung, sondern Praxis.
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Der Holocaust nach dem 20. Juli

Auch die Vernichtung der europäischen Juden wurde nach dem gescheiterten Attentat nicht gestoppt, sondern beschleunigt. Insbesondere in Ungarn eskalierte der Holocaust in dieser Spätphase des Krieges:

  • Zwischen Mai und Juli 1944 wurden ca. 437.000 ungarische Juden in kürzester Zeit nach Auschwitz deportiert – viele von ihnen wurden sofort nach der Ankunft ermordet.
  • Auschwitz-Birkenau arbeitete im Sommer und Herbst 1944 im Akkordbetrieb. Der Mord an den europäischen Juden war längst industriell organisiert, aber nach dem 20. Juli nahm er eine neue Dringlichkeit an: Die Nazis wollten ihre „Endlösung“ vollenden, bevor der Krieg verloren war.

Die grausame Logik: Das Überleben Hitlers führte nicht nur zum Weiterführen des Krieges, sondern auch zum Vollenden des Völkermordes.

Der Blick auf den Widerstand

Heute wird der 20. Juli 1944 als Gedenktag für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus begangen. Der Mut der Verschwörer steht außer Frage. Doch der Widerstand war – nüchtern betrachtet – isoliert, spät und militärisch unprofessionell umgesetzt.

Viele der Beteiligten handelten weniger aus grundsätzlicher Opposition gegen den Nationalsozialismus, sondern aus der Überzeugung, dass Deutschland vor dem totalen Untergang bewahrt werden müsse. Auch das muss zur historischen Einordnung gehören.

Dennoch bleibt der 20. Juli ein bedeutsames Datum. Er zeigt, dass es auch im totalitären System Menschen gab, die bereit waren, ihr Leben für den Sturz des Tyrannen zu opfern.

Fazit: Ein tragischer Wendepunkt

Der 20. Juli 1944 war kein Wendepunkt im Sinne einer Wende zum Besseren – sondern ein Moment der gescheiterten Chance. Das Attentat hätte den Krieg erheblich verkürzen können. Sein Scheitern führte hingegen dazu, dass die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs die brutalsten und verlustreichsten wurden.

Der Widerstand gegen Hitler war notwendig, aber er war zu spät, zu schwach und zu isoliert. Der Preis des Scheiterns war nicht nur der Tod der Verschwörer, sondern das Weiterdrehen der Mordmaschine bis zum bitteren Ende.

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