
Wenn zehn Staatschefs Kriegspläne schmieden
Es gibt in diesen Tagen eine bemerkenswerte Erscheinung: Demokratie ist nicht mehr das, was sie einmal war. Nein, sie ist inzwischen eher ein Zierkissen im politischen Wohnzimmer, auf dem man sich sonntags gerne ausruht, während man werktags unbequeme Entscheidungen trifft, ohne den Wähler überhaupt zu befragen. Zehn Staaten – oder sollte man ehrlicher sagen: zehn Regierungschefs, deren Mandate sich manchmal eher wie Abonnements auf Lebenszeit anfühlen – wollen Truppen in die Ukraine entsenden. Dass die Mehrheit ihrer Bürger das nicht will, ist dabei so nebensächlich wie der Wetterbericht in Timbuktu für den Berliner S-Bahn-Fahrer.
Man könnte fast meinen, Demokratie sei ein Buffet: Jeder Politiker pickt sich das heraus, was ihm passt – das Mandat fürs Amt natürlich, aber bitte nicht die lästigen Verpflichtungen zur Rücksprache mit den Leuten, die ihn dorthin gesetzt haben.
Die wundersame Stärkung der Verhandlungsposition
Offiziell heißt es, man wolle die Position von Präsident Selenskyj stärken. Ach, welch noble Geste! Das klingt nach diplomatischem Fitnessstudio, in dem man mit ein paar Divisionen als Hantelset die Muskeln für den nächsten Verhandlungstisch aufpumpt. Doch wer glaubt ernsthaft, dass ein Putin, der sich ohnehin schon seit Jahren in seiner selbstgebauten Parallelwelt verschanzt, plötzlich Lust verspürt, mit einem militärisch hochgerüsteten Selenskyj am Kamin Tee zu trinken?
Eher wird er, so die nüchterne Prognose, bei diesem Anblick die Tasse in die Ecke schleudern und verkünden, dass mit „Marionetten des Westens“ sowieso nicht mehr zu reden sei. Verhandlungen brauchen nun mal zwei Partner, die miteinander reden wollen. Hier aber will die eine Seite reden – und die andere Seite lieber nachladen.
Deutsche Truppen auf altem Boden
Und dann wäre da noch das kleine, kaum zu übersehende historische Detail: deutsche Truppen, wieder einmal auf ukrainischem und russischem Boden. Geschichte wiederholt sich nicht, sagt man – sie reimt sich höchstens. Nun, dieser Reim klingt verdächtig nach einer Strophe aus dem dunkelsten Kapitel des 20. Jahrhunderts.
Man muss kein Historiker sein, um zu ahnen, dass die Bilder deutscher Panzer auf ehemals sowjetischem Boden in Moskau nicht gerade nostalgische Heimatgefühle hervorrufen. Wer kann das wollen? Offenbar jene Politiker, die so gerne die eigene Geschichtsbewältigung wie ein abgelaufenes Haltbarkeitsdatum behandeln: Das ist doch alles lange her, nicht wahr? Als könne man die Erinnerung an 27 Millionen sowjetische Kriegstote einfach mit einer Gedenkminute auf dem Bundestagsparkett erledigen.
Moralisches Muskelspiel und politisches Muskelzucken
Die Idee, mit noch mehr Waffen und Soldaten einen Frieden herbeizubomben, ist in ihrer Logik so schlüssig wie der Versuch, ein Feuer mit Benzin zu löschen. Aber wer Politik macht, lebt von Symbolen. Und Soldaten sind, in den Augen mancher Staatenlenker, eben die eindrucksvollsten Symbole überhaupt: laufende Wahlplakate in Uniform, die demonstrieren, dass man etwas tut.
Dabei wäre es für die Bürger dieser zehn Länder vielleicht beruhigender, wenn ihre Regierungen mal etwas nicht täten – beispielsweise keinen Krieg riskieren, der in einer nuklearen Eskalation münden könnte. Aber das wäre ja langweilig, und Langeweile ist bekanntlich tödlich für Karrieren.
Fazit: Ein Zirkus ohne Clowns, aber mit Kanonen
So stehen wir also da, Zuschauer eines grotesken Schauspiels. Zehn Staaten wollen mitspielen, zehn Regierungschefs wollen ihre Namen in die Geschichtsbücher meißeln – koste es, was es wolle. Und wenn man die Bürger fragt? Nun ja, die dürfen applaudieren, klatschen, vielleicht auch pfeifen. Aber mitreden? Lieber nicht, Demokratie ist schließlich kein Mitmachtheater.
Und so marschiert Europa mit einem schiefen Lächeln Richtung Abgrund – begleitet von der satirischen Pointe, dass dieser Abgrund in den Reden stets als „Friedenslösung“ bezeichnet wird.