Das Kind der Elite und die Moral der Gerechten

I. Der Bürgermeister als Paradox

New York hat wieder Geschichte geschrieben – diesmal in Versalien der Ironie. Ein muslimischer Sozialist, Sohn einer Weltregisseurin und eines postkolonialen Professors, zieht ins Rathaus ein. Zohran Mamdani: globaler Nomade, marxistisch eingefärbt, ästhetisch irgendwo zwischen Marx-Zitat und Vintage-Hemd. Der Mann, der vom System alles bekam, triumphiert, indem er es verachtet.

Das Kind der Elite tritt auf wie ihr Ankläger. Das Publikum liebt ihn dafür. Er verspricht, was jede saturierte Gesellschaft hören will: moralische Erlösung ohne persönlichen Verzicht. Mamdani verkauft Buße als Lifestyle.

II. Die Heiligkeit des Widerstands

Mamdani ist kein Politiker, er ist ein moralischer Aggregatzustand. Seine Kampagne war weniger Wahlkampf als Exorzismus – das Austreiben westlicher Schuld, hübsch verpackt in den Dialekt des „Dekolonialen“. Er spricht vom Süden der Welt, wohnt im Norden der Stadt. Er predigt Antiimperialismus, finanziert von Stiftungen aus Manhattan.

Seine Rhetorik ist vertraut: Kolonialismus, Kapital, Gerechtigkeit. Alles richtig, alles folgenlos. Denn die neue Linke glaubt nicht mehr an Veränderung, sondern an Erlösung – eine Politik der reinen Herzen, nicht der klaren Köpfe.

III. Die seltsame Allianz

Dass ausgerechnet die chassidische Satmar-Gemeinde, jene ultraorthodoxe Sekte, die den Staat Israel als Gotteslästerung betrachtet, Mamdani unterstützte, ist die Pointe, die sich kein Satiriker auszudenken traut. Hier marschieren linke Idealisten und religiöse Fundamentalisten Seite an Seite – geeint durch den gemeinsamen Feind: den jüdischen Staat.

Die einen sehen in Israel ein koloniales Verbrechen, die anderen ein theologisches Sakrileg. Es ist die Hochzeit zweier Absolutismen – des linken Heils und des religiösen Dogmas. Dass beide sich hassen müssten, spielt keine Rolle. In der moralischen Ökonomie der Gegenwart zählt nicht, was trennt, sondern wen man verachtet.

IV. Der neue Antizionismus

Antizionismus ist in diesem Milieu längst keine Belastung mehr, sondern ein Karrierevorteil. Wer Israel kritisiert, beweist Haltung; wer es verteidigt, gilt als reaktionär. Das ist der neue Code moralischer Distinktion.

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Dass Zionismus kein Kolonialprojekt war, sondern die verzweifelte Selbstrettung einer verfolgten Minderheit, ist in den Hörsälen längst vergessen. Geschichte stört die Reinheit der Pose. „Nächstes Jahr in Jerusalem“ war einmal ein Gebet, heute ist es eine Zumutung.

Mamdani verkörpert diesen Paradigmenwechsel. Sein Schweigen nach den Massakern vom 7. Oktober war kein Versehen, sondern Strategie: In einer Welt, in der Empathie politisch dosiert wird, ist Schweigen oft die lauteste Parole.

V. Die Utopie als Gefahr

Jede Epoche hat ihre Versuchung. Unsere heißt: Utopie. Mamdani ist ihr Missionar. Er glaubt an die gereinigte Welt, die perfekte Gesellschaft, das Ende der Ambivalenz. Das klingt groß, riecht aber nach Dogma.

Karl Popper, der alte Skeptiker, wusste es besser: Wer die Welt erlösen will, wird sie knechten. Utopien dulden keine Widersprüche; sie brauchen Reinheit, nicht Realität. Und Reinheit endet immer in Ausschluss.

Mamdani verkörpert jene neue politische Klasse, die Freiheit für ein Privileg hält und Komplexität für Verrat. Ihre Sprache ist moralisch, ihr Denken binär. Sie ruft nach Gerechtigkeit – und meint Gleichschaltung.

VI. Die Religion der Identität

Die Linke der Gegenwart hat ihre Universalismen verloren. Was bleibt, ist Identität. Sie spricht von Vielfalt, meint aber die Verwaltung von Herkunft. Mamdani ist ihr Hohepriester: Wer anders denkt, sündigt; wer sich schuldig fühlt, ist erlöst.

Die alte Linke kämpfte gegen Ungleichheit, die neue misst sie. Opferstatus ist zur Währung geworden. Die moralische Buchhaltung ersetzt die politische Analyse. Wo früher Klassen standen, stehen jetzt Kategorien: Gender, Race, Religion.

Diese neue Moral duldet keine Ironie – und genau deshalb braucht sie sie am dringendsten. Denn wer alles ernst meint, landet zwangsläufig im Fanatismus.

VII. Das westliche Fieber

Mamdani ist kein New Yorker Phänomen, er ist ein Symptom globaler Selbsterschöpfung. Der Westen, satt von seiner Geschichte, sucht Buße im Anderen. Er will nicht mehr führen, er will bereuen. Er hält Reue für Tugend und Schuld für Tiefe.

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In diesem Klima gedeiht eine Gestalt wie Mamdani prächtig: kosmopolitisch, gebildet, moralisch unanfechtbar – ein Produkt der Elite, das sie verachtet, weil es sich nur so authentisch fühlen kann. Er ist der Sohn des Globalismus, der als sein Ankläger auftritt.

Und New York, diese nervöse Weltstadt, wählt ihn, weil sie sich selbst nicht mehr traut.

VIII. Nach der Revolution: Stille

Am Ende bleibt eine bittere Einsicht: Die moderne Moral ist kein Fortschritt, sondern eine Ersatzreligion. Sie ersetzt Denken durch Glauben, Kritik durch Bekenntnis. Mamdanis Sieg ist nicht die Revolution der Entrechteten, sondern der moralisch Privilegierten.

Vielleicht wird man eines Tages sagen: Hier begann das neue Jahrhundert der Heiligen – jene Zeit, in der sich die Gerechten gegenseitig mit Reinheit erschlugen.

Bis dahin wird New York weiter applaudieren. Denn nichts liebt die westliche Seele so sehr wie den Anblick ihrer eigenen Verdammnis – solange sie dabei gut aussieht.

Ende.

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