Das Fairness-Abkommen: Ein Stück kölsche Folklore

Von der Kunst, Probleme in den Giftschrank zu sperren

Knapp drei Wochen vor der Kommunalwahl – jenem alle fünf Jahre wiederkehrenden demokratischen Hochamt, bei dem das Volk so tun darf, als habe es etwas zu melden – haben sich die großen und mittelgroßen Parteien in Köln zu einem Pakt der politisch-korrekten Ritterlichkeit verschworen. CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke und Volt unterzeichneten ein „Fairness-Abkommen“. Allein der Begriff klingt, als habe man ihn in der Abteilung für Kindergartenpädagogik und Yogaseminar-Rhetorik entworfen. Im Kern lautet die Abmachung: Wir sprechen nicht über Migration. Punkt. Schluss. Vorhang.

Das ist ungefähr so, als würde man in Venedig vor einer Wahl beschließen: „Bitte, über Wasser reden wir nicht, das könnte den Gondolieri auf komische Ideen bringen.“ Oder als ob man in Köln den Karneval abschaffen, aber das Wort „Kamelle“ für Wahlkampfzwecke sperren würde.

Köln, die schönste Müllhalde am Rhein

Man darf es ja kaum laut sagen, ohne gleich der Schwarzmalerei verdächtigt zu werden: Köln ist dreckig. Nicht im liebevoll-lokalen Sinne von „schmuddelig“, sondern im wortwörtlichen: klebrige Bahnhöfe, stinkende Unterführungen, vermüllte Plätze. Wer abends über den Neumarkt geht, erlebt ein Potpourri aus Drogenelend, Aggression und Müllbergen. Der Dom, einst stolzes Weltkulturerbe, steht wie ein verschandelter Mahner inmitten dieses urbanen Chaos – ein gotisches Denkmal, das zu den Tauben spricht, weil sonst keiner mehr zuhören will.

Und wer trägt die Verantwortung? Eine grün-schwarze Stadtregierung, die in ihrer bizarren Harmonie so tut, als sei Köln ein „Leuchtturm der Vielfalt“, während sie längst zum Moloch verkommen ist. Der rheinische Pragmatismus, einst Garant dafür, dass man wenigstens über das Schlimmste noch lachen konnte, ist erdrückt unter einem Teppich aus Phrasen, Programmen und Projektgruppen.

Migration als Elefant im kölschen Wohnzimmer

Es ist eine Binsenweisheit: Migration ist kein abstraktes Thema, sondern Realität im Alltag der Städte. Köln ist dafür Paradebeispiel. Wer morgens mit der KVB fährt, sieht die gescheiterte Integrationspolitik im Nahverkehrsformat: Aggression, Sprachlosigkeit, Ausweglosigkeit. Natürlich gibt es auch gelungene Geschichten, gelungene Biografien, lebendige Kulturvielfalt. Aber die Probleme sind real – Kriminalität, Parallelgesellschaften, ein völlig überlastetes Sozialsystem.

TIP:  Willkommen in der absurden Realität

Und nun haben sich die Parteien feierlich dazu verpflichtet, darüber zu schweigen. Als hätte man sich kollektiv entschlossen, die Realität mit Tesafilm zuzukleben. Doch das Absurde ist: Schweigen bedeutet nicht, dass das Problem verschwindet – es bedeutet, dass man das Feld dem einzigen politischen Akteur überlässt, der gierig darauf wartet, es auszuschlachten: der AfD. Eine strategische Meisterleistung! Man könnte auch beschließen, in einem brennenden Haus einfach nicht über Feuer zu sprechen – schließlich soll das die Feuerwehr nicht instrumentalisieren.

Die Dialektik der Dummheit

Man fragt sich: Wie dumm kann man eigentlich sein? Ist das noch Naivität oder schon Hochmut? Wer ernsthaft glaubt, man könne die AfD schwächen, indem man ihr das Monopol auf ein zentrales Thema überlässt, hat den Mechanismus politischer Kommunikation nicht verstanden. Politik funktioniert nicht nach dem Prinzip „Das verschweigen wir mal, dann verschwindet es“. Politik funktioniert nach der alten Regel: Wer schweigt, verliert.

Das Fairness-Abkommen ist also nichts anderes als eine Einladung: „Liebe AfD, bitte übernehmen Sie die Deutungshoheit. Wir setzen uns derweil in einen Kreis, halten Händchen und singen kölsche Lieder.“ Satire? Nein. Realität. Und sie ist grotesker, als es jeder Kabarettist zu schreiben wagt.

Kölsche Pointe mit bitterem Beigeschmack

Natürlich kann man sich über all das amüsieren. Köln ist ja schließlich die Stadt, in der das Lachen Teil der DNA ist. Aber das Gelächter bleibt einem im Hals stecken, wenn man sich klar macht, dass die etablierten Parteien ihre größte Schwäche demonstrieren: die Unfähigkeit, Probleme beim Namen zu nennen. Wer Probleme ausklammert, macht sie nicht kleiner – er macht sie größer. Wer den Elefanten im Raum ignoriert, wird irgendwann von ihm zertrampelt.

Das Fairness-Abkommen ist damit weniger ein Zeichen von Fairness als ein Ausweis von Feigheit. Es ist nicht die noble Geste einer zivilisierten Demokratie, sondern das feige Wegducken vor einer Realität, die längst alle betrifft. Köln hätte etwas Besseres verdient – und bekommt wieder einmal nur den faulen Kompromiss, hübsch verpackt in moralischer Rhetorik.

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