Fußball und die Weltpolitik

Warum es plötzlich wichtig ist, was der Trainer von Crystal Palace über die Wahlen in Österreich denkt

Es ist eine dieser Szenen, die an unfreiwillige Komik kaum zu überbieten sind: Ein Fußballtrainer der englischen Premier League tritt vor die Presse, um die bevorstehende Partie gegen Liverpool zu besprechen. Eine Mammutaufgabe, schließlich rangieren die Jungs aus der Arbeiterstadt an der Tabellenspitze, während seine eigene Mannschaft irgendwo zwischen dem Abstiegsgespenst und der Bedeutungslosigkeit dahindümpelt. Crystal Palace – ein Verein, der so glanzvoll ist wie der Name eines schimmligen Nachtklubs.

Doch statt sich den drängenden Fragen der Journalisten zu stellen – Fragen wie: „Warum haben wir in sechs Spielen nur fünf Tore geschossen?“ oder „Wird Crystal Palace jemals wieder ein Fußballspiel gewinnen?“ – entscheidet sich der Trainer für einen Exkurs in die Weltpolitik. Nicht nur irgendein politisches Thema, nein, ausgerechnet die Wahl in Österreich scheint ihm auf der Seele zu brennen. Das kleine Alpenland mit weniger Einwohnern als London hat also die Aufmerksamkeit eines Fußballtrainers aus dem fernen Südlondon erregt. Man darf sich fragen: Warum?

Der Coach als Krisenmanager der Welt

„Der Rechtspopulismus ist ein weltweiter Trend geworden“, erklärt er mit ernster Miene und in diesem Moment wird klar: Dieser Mann hat einen Plan. Er wird nicht nur Liverpool schlagen, sondern auch den politischen Rechtsruck in Österreich eindämmen. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Man könnte fast glauben, er würde nach der Niederlage gegen die Reds direkt in den nächsten Flieger nach Wien steigen, um Sebastian Kurz in einem hitzigen Debattierduell niederzuringen. Oder vielleicht schreibt er auch lieber eine scharfe Twitter-Botschaft an Norbert Hofer. So oder so, eines ist klar: Wenn Crystal Palace schon nicht die Tore treffen kann, dann zumindest die wunden Punkte der europäischen Politik.

Dabei könnten die Sorgen des Trainers nicht weiter weg vom britischen Fußball sein. Seine Mannschaft hat drei Punkte in sechs Spielen geholt, das Torverhältnis erinnert eher an Handball als an Fußball, und doch scheint ihn nichts so sehr zu beschäftigen wie die Wahlen in Österreich. Vielleicht liegt das daran, dass es einfach angenehmer ist, über etwas zu reden, das noch mehr aus dem Ruder läuft als der eigene Job.

Ein Augenzwinkern Richtung Social Media

Doch der wahre Höhepunkt dieses Presseauftritts kommt erst, als es um die Kritik seiner Mannschaft in den sozialen Netzwerken geht. „Das ist Fußball, das ist Social Media, das ist die Welt, in der wir leben“, sagt der Trainer lapidar und zuckt mit den Schultern. Eine Meisterleistung der Lässigkeit. Fast möchte man meinen, es stünde ein Zen-Meister und nicht der Trainer von Crystal Palace vor der Kamera. Statt sich in Rechtfertigungen zu ergehen oder gar den Hauch eines Lösungsansatzes für das eigene Versagen anzudeuten, nimmt er das Leben – und vor allem die sozialen Medien – mit stoischer Ruhe hin. Der Shitstorm, der über seine Mannschaft hinwegfegt? Kein Problem. Schließlich gibt es größere Sorgen auf dieser Welt – wie zum Beispiel die Wahlen in Österreich.

Es wäre natürlich unfair zu behaupten, dass Social Media nichts mit Fußball zu tun hätte. Im Gegenteil, viele Karrieren sind heute untrennbar mit der Gunst von Twitter, Instagram und Co. verbunden. Doch während sich die Fans von Crystal Palace in endlosen Kommentarspalten um Kopf und Kragen schreiben, scheint ihr Trainer sich lieber Gedanken über den Zustand der Demokratie in Mitteleuropa zu machen. Ein interessanter Ansatz, gewiss, aber vielleicht nicht der effizienteste, wenn es darum geht, einen Premier-League-Klub auf die Beine zu bringen.

Fußball, Politik und die Kunst der Ablenkung

Es ist fast schon bewundernswert, wie geschickt dieser Trainer sich aus der Schusslinie manövriert hat. Die jüngste Formkrise seiner Mannschaft? Kein Thema. Die wachsende Kritik der Fans? Unwichtig. Stattdessen wirft er den Nebelvorhang der Weltpolitik auf und hofft, dass niemand mehr merkt, dass Crystal Palace den Ball gerade nicht trifft. Denn eines ist sicher: Wenn die Zeitungen am nächsten Tag über seinen Kommentar zur Wahl in Österreich berichten, dann wird zumindest nicht über die katastrophale Leistung seiner Mannschaft geschrieben.

Man könnte ihn fast für einen Genie halten. Wer würde es wagen, ihn zu kritisieren, wenn er sich doch so edlen Themen widmet? Der Rechtsruck, der die Welt in Atem hält – da verblasst doch jede Kritik an einer Mannschaft, die nach sechs Runden gerade einmal drei Punkte auf dem Konto hat. Es ist, als würde ein Restaurantkritiker, der ein völlig misslungenes Gericht serviert bekommt, den Koch dafür loben, dass er sich so ausführlich über die Klimakrise Gedanken gemacht hat. Charmant, aber nicht unbedingt zielführend.

Trainer, bleib bei deinen Leisten!

Am Ende bleibt nur die Frage, ob der Trainer von Crystal Palace sich vielleicht doch besser auf das konzentrieren sollte, wofür er bezahlt wird: Fußball. Man kann die Weltpolitik sicherlich in vielen Dingen sehen, doch die Wahl in Österreich wird Crystal Palace nicht helfen, den Klassenerhalt zu sichern. Es mag ja sein, dass der Trend des Rechtspopulismus beunruhigend ist, doch ein noch beunruhigenderer Trend ist, dass seine Mannschaft kaum Tore schießt und stattdessen beständig in die Bedeutungslosigkeit der Premier League abrutscht.

Letztlich wird wohl keiner der Fans darauf hoffen, dass der Trainer nach dem nächsten verlorenen Spiel eine tiefgehende Analyse der politischen Lage in Ungarn oder Polen liefert. Die einzige Analyse, die wirklich zählt, ist die des Spielfelds. Und bis er das versteht, bleibt nur ein Ratschlag, der schon seit Jahrhunderten Bestand hat: Schuster, bleib bei deinen Leisten – oder in diesem Fall: Trainer, bleib beim Fußball!


Weiterführende Links und Quellen:

  • Artikel über den Rechtspopulismus in Europa: [Link zum Artikel]
  • Analyse der Formschwäche von Crystal Palace: [Link zum Artikel]
  • Diskussion über die Rolle von Social Media im Fußball: [Link zum Artikel]

Pabst bleibt Pabst

Wie sehr sind wir eigentlich überrascht?

Es war einmal ein Papst, und dieser Papst war – wie sollte es anders sein – katholisch. Überraschend? Nein. Ungeheuerlich? Kaum. Es ist schließlich kaum revolutionär, wenn der Papst in der Luft – zwischen Gebet und Bordessen – die katholische Linie bezüglich Abtreibung wiederkäut wie ein alternder Rhetoriker. Mord sei es, das sagte er. Ärzt*innen, die Abtreibungen durchführen, seien nichts anderes als „Auftragsmörder“. Moment, Papst Franziskus, ist das alles, was du uns bietest? Eine Metapher aus dem „Godfather“? Klar, die italienische Kultur durchzieht das Papsttum. Aber diesen düsteren Pulp-Film-Charme hättest du uns doch ersparen können, lieber Heiliger Vater.

Es folgte die Entrüstung, das fassungslose Kopfschütteln, und – man kann sich fast die Augen verdrehen sehen – eine diplomatische Krise. Was passiert ist, fragen Sie? Nun, der belgische Ministerpräsident Alexander De Croo tat das, was man heutzutage so tut, wenn ein religiöser Anführer sich in das Heilige der Heiligen, die säkulare Gesetzgebung, einmischt: Er wurde empört. „Inakzeptabel“ nannte er die Aussagen des Papstes und ließ den vatikanischen Botschafter, den Erzbischof Franco Coppola, in sein Büro zitieren. Hier eine kleine Lektion in internationaler Diplomatie: Ein Gespräch dieser Art ist ungefähr so freundlich wie eine Grillparty im Schlachthaus.

Ein Papst tut papstiges

Man fragt sich unwillkürlich: Wie oft müssen wir uns das noch antun? Wie oft müssen sich Staatsoberhäupter von demokratischen Staaten über die völlig vorhersehbaren Aussagen eines alten Mannes in Weiß empören? Ist das nicht die Definition von Wahnsinn, immer wieder dasselbe zu tun und ein anderes Ergebnis zu erwarten? Papst Franziskus ist nicht dafür bekannt, auf der Welle des gesellschaftlichen Fortschritts zu reiten. Er ist nicht Greta Thunberg, er ist nicht einmal Justin Trudeau. Nein, er ist der Pontifex Maximus, der oberste Hirte der katholischen Schafe, und diese Schafe lieben es, wenn er „Mord“ ruft.

Belgien allerdings – das muss man zugestehen – ist in Sachen Abtreibungsgesetzgebung kein unschuldiges Land. Die historische Wunde, die der Papst aufreißt, ist alt und tief. König Baudouin, einst belgisches Staatsoberhaupt und katholisches Vorbild, weigerte sich 1990, ein Gesetz zur Liberalisierung der Abtreibung zu unterzeichnen. Die Konsequenz? Ein 36-stündiger Rücktritt, während das Parlament den König vorübergehend entmachtete, um das Gesetz durchzubringen. Die katholische Seele des Königs war gerettet, das Gesetz dennoch beschlossen. Ein historisches Drama, das so viel Pathos in sich trägt, dass selbst Shakespeares Tinte darunter trocknen würde.

Franziskus und der Totentanz der Worte

Doch die symbolische Bedeutung von Baudouins „Martyrium“ ist nichts im Vergleich zur rhetorischen Gewalt, mit der Franziskus seine Wortkanonade abfeuerte. „Auftragsmörder“, wiederholt er, als hätte er in einer Mafia-Serie mitgespielt. Doch was erwartet man? Dass der Papst den Ärzten Blumen überreicht, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen? Dass er mit einem süffisanten Lächeln sagt: „Macht mal, ich mische mich da nicht ein“? Natürlich nicht. Franziskus weiß, was seine Rolle ist, und die ist es, die ultrakonservativen Herzen in Schockstarre zu versetzen. Sein rhetorisches Trommelfeuer soll auch gar nicht den belgischen Premierminister überzeugen – der ist ohnehin längst vom Glauben abgefallen – nein, es geht darum, der Gläubigen-Basis zu zeigen, dass das Papsttum nicht aufgibt. Dass der Pabst bleibt, was er immer war: eine moralische Instanz mit dem Rückgrat eines Ambosses.

Alexander De Croo hätte das alles wissen müssen. Stattdessen antwortet er mit der Empörung eines Menschen, der plötzlich feststellt, dass die Erde rund ist. „Unakzeptabel“, tönt es aus Brüssel, als hätte der Papst das belgische Parlament mit einem Exorzismus belegt. Hat De Croo wirklich geglaubt, er könnte Franziskus davon überzeugen, dass Abtreibung nicht Mord ist? Oh, süßer Sommertraum der Rationalität.

Die ewige Rückkehr des ewig Gleichen

Warum eigentlich diese Aufregung? Die Kirche hat längst ihren Einfluss auf die Gesetzgebung verloren – zum Glück. Trotzdem hält sie den moralischen Zeigefinger so hoch wie die Glorie in einem Barockgemälde. Es ist die alte, zähe Debatte: Kirche versus Staat. Es ist so vorhersehbar wie der Sonnenaufgang, und doch fallen Politiker wie De Croo immer wieder auf die gleiche Falle herein. Vielleicht, weil es sich gut macht, vor dem Parlament ein bisschen aufzubegehren. Vielleicht, weil der Premierminister weiß, dass er nichts verliert, wenn er den Papst kritisiert. Die Zeiten, in denen die Kirche die Zügel der Macht in der Hand hielt, sind tatsächlich vorbei. Aber diese „Empörung“ ist auch eine Schattenspielerei. Das Publikum applaudiert, der Premierminister verbeugt sich – doch in den Hinterzimmern bleibt alles beim Alten.

Franziskus indes, im Brustton der Überzeugung, lobt Baudouin als Heiligen und fordert die Belgier auf, diesem royal-katholischen Vorbild zu folgen. Man fragt sich: Meint er das ernst? Will er wirklich, dass Belgien sich wieder in einen theokratischen Kleinstaat verwandelt? Wohl kaum. Der Papst weiß sehr wohl, dass er weder den Lauf der Geschichte ändern noch die demokratischen Errungenschaften rückgängig machen kann. Doch die Moralkeule schwingen – das kann er. Und das tut er in einer Art und Weise, die fast schon bewundernswert ist in ihrer sturköpfigen Beständigkeit. Wie ein alter Boxer, der weiß, dass er den Kampf längst verloren hat, aber trotzdem immer wieder aufsteht und ausholt.

Belgien und die moralische Absolution

Am Ende dieses absurden Spiels bleibt die Frage: Wer hat gewonnen? Hat Franziskus mit seinem Kampf gegen das „mörderische Gesetz“ etwas erreicht? Hat De Croo mit seiner Empörung die belgische Bevölkerung auf seine Seite gezogen? Die Antwort ist so simpel wie ernüchternd: Niemand. Die Debatte um Abtreibung wird weitergehen, die Kirche wird weiter den moralischen Zeigefinger schwingen, und Politiker werden weiterhin überrascht tun, wenn der Papst katholische Dinge sagt. Die Welt dreht sich weiter, der Papst bleibt Papst, und Belgien bleibt Belgien. Ein schönes Land, das sich schon lange von den Fesseln der katholischen Moral gelöst hat – und das nun trotzdem in einer absurden Beziehung mit einem Mann in Weiß verharrt, der seine Rolle perfekt spielt: als Wächter über eine längst vergessene Moralordnung.

Am Ende bleibt nur die resignierte Erkenntnis: Ja, der Pabst bleibt Pabst. Und ja, wir werden uns auch beim nächsten Mal über seine Worte empören. Doch insgeheim wissen wir alle: Es hat nichts mit uns zu tun. Es ist nur das alte Spiel, das weitergeht, bis der letzte Vorhang fällt.


Weiterführende Links:

Die Schlacht um E-Autos – Ein Debakel mit Ansage

Zölle auf E-Autos werden BMW & Co nicht retten!

In der Welt der internationalen Wirtschaftspolitik haben wir uns längst daran gewöhnt, dass vermeintliche Rettungsmaßnahmen in Wahrheit nichts anderes als strategisch verbrämte Flächenbombardements sind. Die neueste Eskalation im Handelskrieg, das Aufzwingen von Strafzöllen auf chinesische E-Autos, ist hier keine Ausnahme. Ganz nach dem Motto: Wenn es dem Konsumenten zu gut geht und er sich freut, ein preiswertes E-Auto aus China zu ergattern, dann wird es Zeit, ihm diese Freude zu vermiesen – und zwar mit einem Preisschild, das ihn schaudern lässt.

Die Rettung der Automobilindustrie – durch Teuerung?

Aber lassen Sie uns einmal die Prämisse dieser Maßnahme auf ihre Tauglichkeit hin abklopfen: Die europäischen Autohersteller – allen voran BMW, VW und Co. – bangen um ihre Marktvormacht. Und das nicht ohne Grund. Chinesische Hersteller drängen mit erschreckender Geschwindigkeit und Aggressivität auf den Markt, ihre Produkte sind billiger, technisch teils gleichwertig, wenn nicht gar überlegen, und vor allem: Sie sind da. Sofort lieferbar. Aber natürlich, der europäische Weg, die gute alte Tradition der Abschottung, muss gerettet werden. Ein protektionistischer Wall gegen die übermächtige, fremdländische Konkurrenz soll aufgezogen werden.

Und so wird uns die Geschichte verkauft: „China ist böse, weil es günstige Autos anbietet. Wir müssen unsere geliebte heimische Automobilindustrie vor diesem unfairen Wettbewerb schützen.“ Ach, wie schön klingt das. Wie edel. Wie uneigennützig.

Doch Moment mal, haben Sie schon einmal versucht, ein „billiges“ Elektroauto eines europäischen Herstellers zu kaufen?

Die Mär von den billigen E-Autos „Made in Europe“

Verzeihen Sie mir den Zynismus, aber diese Geschichte, die uns von Brüssel und den Konzernen erzählt wird, gleicht einer modernen Legende. So wie Robin Hood einst den Reichen nahm und den Armen gab, nehmen wir den Chinesen ihre günstigen Autos und schenken den europäischen Verbrauchern… was genau? Höhere Preise? Mehr Subventionen? Ein wachsendes Gefühl der Verzweiflung beim Blick auf das Konto?

Fakt ist: Die europäischen Autobauer haben in den letzten Jahren wahrlich keinen Goldstandard im Bereich des preiswerten, nachhaltigen Verkehrs gesetzt. Ein Blick auf die Preisliste von BMW oder Volkswagen genügt, um das Märchen von der kostengünstigen europäischen Alternative in seine Einzelteile zu zerlegen. Doch anstatt mit Innovation, Qualität und – Achtung – preislicher Konkurrenzfähigkeit zu glänzen, versucht man es lieber auf dem altbewährten Weg: Mit Bürokratie, Barrieren und – natürlich – Zöllen.

Der Trojaner der Zölle

Aber wer bezahlt am Ende die Rechnung? Natürlich der europäische Konsument. Sie, ich, wir alle. Die EU argumentiert, dass Strafzölle notwendig seien, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hersteller zu sichern. Was jedoch verschwiegen wird, ist, dass der Markt nicht plötzlich durch Zauberhand „fairer“ wird, nur weil man den Preis eines Importprodukts künstlich in die Höhe treibt. Der europäische Verbraucher zahlt am Ende die Differenz. Und was hat er davon? Ein überteuertes E-Auto, das er sich vielleicht irgendwann einmal leisten kann – wenn er denn genug spart.

Es erinnert fast an den fernen Cousin dieser Taktik: den Zoll auf Stahlimporte. Erinnern Sie sich noch an den Lärm, als die USA Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus China erhoben? Die nationale Stahlindustrie jubelte, doch die Preise für alle Güter, die Stahl enthielten – also quasi alles – stiegen an. Die Konsumenten zahlten die Rechnung, während die Industrie kaum merkliche Fortschritte machte. Dieselbe Geschichte wird nun bei den E-Autos aufgewärmt, und wie es aussieht, werden wir uns bald in ähnlichem Fahrwasser befinden.

Rache ist süß – und teuer

Doch was passiert, wenn China zurückschlägt? Glauben Sie wirklich, dass eine Nation wie China, die seit Jahren mit eiserner Präzision und strategischem Weitblick ihre Position im globalen Wirtschaftsgefüge aufbaut, tatenlos zusieht, während die EU ihre Produkte mit Zöllen belastet? Naiv wäre das – und gefährlich.

China hat seine Märkte ebenfalls mit gut gehüteten Schätzen gefüllt, die in der EU heiß begehrt sind. Insbesondere im Agrarbereich hat Europa in den letzten Jahren stark nach Osten exportiert. Was würde wohl passieren, wenn China beschließt, Strafzölle auf europäische Lebensmittel zu erheben? Sollen die europäischen Bauern dann mit genau jenen Subventionen gerettet werden, die die Chinesen in der Autoindustrie einsetzen? Lächerlich? Sicher. Möglich? Auf jeden Fall.

Und während die Politik sich in ihren Retorsionsmaßnahmen suhlt, bleibt nur eines sicher: Niemand gewinnt. Die Europäer nicht, die Chinesen nicht, und am allerwenigsten die Konsumenten, die sich plötzlich in einem Preisstrudel wiederfinden, der sich durch alle Wirtschaftszweige zieht.

Entwicklungsland mit Hightech-Vormachtstellung

Wenn man schon einen Kampf aufnehmen will, sollte man vielleicht erst einmal einen anderen Elefanten im Raum ansprechen: China wird in der WTO immer noch als „Entwicklungsland“ geführt, was ihm zahlreiche Handelsprivilegien gewährt. Ja, Sie haben richtig gelesen: Das Land, das im Bereich der E-Autos, KI und Telekommunikation führend ist, genießt den Status eines Entwicklungslandes. Während europäische Konzerne unter den Fesseln der Regularien leiden, fährt China mit dem Wind der WTO im Rücken.

Vielleicht wäre es an der Zeit, dieses Thema endlich einmal anzupacken, anstatt auf den kurzfristigen und kurzfristig denkenden Werkzeugkasten der Zölle zurückzugreifen.

Ein Spiel ohne Gewinner

Es ist eine tragische Ironie der Geschichte, dass Handelskriege selten jemandem nutzen, außer den wenigen Protektionisten, die kurzfristig Gewinne aus der Unsicherheit schlagen. Die Verbraucher zahlen am Ende die Zeche, während die geopolitischen Spannungen steigen. Die europäischen Autobauer werden von den Zöllen nicht gerettet werden, ebenso wenig wie der US-Stahlmarkt durch Trumps Zölle. Ein Handelskrieg wird keinen Gewinner haben, nur Verlierer.

Vielleicht wäre es an der Zeit, über echte Innovation, fairen Wettbewerb und nachhaltige industrielle Strategien nachzudenken – anstatt Zölle als ultima ratio zu sehen, um die eigene Schwäche zu kaschieren.


Quellen und weiterführende Links:

  1. [WTO und Chinas Status als Entwicklungsland]
  2. [Die Auswirkungen von Strafzöllen auf die Weltwirtschaft]
  3. [Chinas Automobilindustrie im globalen Vergleich]
  4. [Subventionen in der europäischen Landwirtschaft]

Luther – Zwischen Straße und Schande

Wenn man Straßennamen von antisemitischen Namensgebern säubert – was ist mit Martin Luther?

In den letzten Jahren hat sich eine Welle der moralischen Bereinigung über die Straßen Europas ausgebreitet. In vielen deutschen Städten werden mit festem Entschluss die Namen von Straßenschildern abgeschraubt, die nach Menschen benannt sind, deren Lebenswerk und Geisteshaltung heute als untragbar gelten. Antisemiten, Kolonialisten, Frauenfeinde – all jene, die einst als Helden gefeiert wurden, finden sich nun in der gesellschaftlichen Ausnüchterung und auf den Ersatzbänken der Geschichte wieder. Eine notwendige Geste, eine längst überfällige, moralische Hygienemaßnahme, so wird uns gesagt.

Doch während man die einen mit spitzen Fingern aus dem Stadtbild zupft, kleben die anderen förmlich an den Straßenschildern wie alte Kaugummireste. Besonders ein Name ragt inmitten dieser Debatte als Mahnmal grotesker Doppelmoral heraus: Martin Luther. Ein Mann, der im Laufe der Jahrhunderte Heiligenschein und Teufelshörner zugleich aufgesetzt bekam. Ein Mann, dessen rhetorische Ausfälle gegen Juden – freundlich formuliert – heute wohl als „verbaler Fehltritt“ und „unglückliche Entgleisung“ deklariert werden würden. Also, was nun? Was ist zu tun mit diesem problematischen Namenspatron unserer Lutherschen Alleen, Lutherstraßen und Lutherschulen? Ein Schweigen, das ohrenbetäubend ist.

Der Reformator mit der antijüdischen Ader

Luther, der große Reformator, der Vater der Reformation, der Aufrührer gegen die katholische Kirche und – wie sich im späten Verlauf seines Lebens offenbarte – der Protagonist eines aggressiven Antisemitismus. Wenn es nur um seine theologischen Errungenschaften ginge, könnte man ihm in der protestantischen Kirche sicherlich weiterhin einen Ehrenplatz im Pantheon der religiösen Vorbilder einräumen. Aber dann kam das Jahr 1543, in dem Luther die Schrift Von den Juden und ihren Lügen verfasste. Eine kurze Lektüre dieser Zeilen reicht aus, um selbst den glühendsten Verteidiger Luthers erbleichen zu lassen.

„Dass man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke“, schrieb Luther, „und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte.“

Aha. Und weiter?

„Dass man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre.“

Das könnte man wohl als eine frühe, vielleicht sogar prophetische Anleitung zur Kristallnacht deuten, nicht wahr? Luthers 1543er Pamphlet las sich so reißerisch und brutal, dass selbst die Redenschreiber von Goebbels kaum etwas hinzufügen mussten. Wenn es jemals Zweifel daran gab, dass der Pfarrer aus Wittenberg dem modernen Antisemitismus einen tragischen Weg bereitete, so sollten diese mit solchen Zitaten endgültig ausgeräumt sein.

Ja, aber…

Doch die Verteidiger des großen Reformators sind schnell zur Stelle. „Man muss Luther im Kontext seiner Zeit verstehen“, rufen sie uns zu. Ach, die Zeit! Immer wieder wird sie als Alibi hervorgekramt, als mildernder Umstand. Gewiss, das 16. Jahrhundert war ein Zeitalter, in dem Judenhass nicht die Ausnahme, sondern die Norm war. Doch macht das Luthers Hass besser, gerechter oder gar weniger schändlich? Sicherlich nicht. Die Frage bleibt: Wenn wir den Maßstab der Gegenwart an andere historische Persönlichkeiten anlegen, warum dann nicht auch an Martin Luther? Und wenn wir Straßen umbenennen, die nach anderen Antisemiten benannt sind, warum dürfen dann Lutherstraßen weiter ungestört bestehen?

Ist es, weil er die Bibel übersetzt hat? Weil er den Weg für den Protestantismus ebnete? Weil er dem Papst die Stirn bot? Sicherlich, das sind historische Errungenschaften, die nicht kleingeredet werden dürfen. Doch wenn wir bereit sind, ganze Straßenzüge von den Namen anderer umstrittenen Figuren zu „säubern“, dann darf auch Martin Luther nicht unangetastet bleiben. Es scheint fast, als hätten wir eine unsichtbare Linie gezogen: Hier die gewöhnlichen Antisemiten, die man aus dem Gedächtnis tilgt, und dort die „genialen“ Antisemiten, denen wir ihre Verbrechen in weiser Nachsicht verzeihen.

Die moralische Krux der Geschichte

Vielleicht liegt der Kern dieses Problems in der Komplexität des moralischen Urteilens über historische Persönlichkeiten. Luther ist nicht der einzige Fall, in dem sich die Öffentlichkeit schwer tut, einen klaren Schnitt zu machen. Da wäre auch ein Richard Wagner, der antisemitische Töne in seine Opern brachte und dessen Musik doch gleichzeitig als Meilenstein der deutschen Kultur gilt. Da wäre ein Immanuel Kant, dessen Aufklärungsphilosophie bis heute gefeiert wird, obwohl er nicht weniger rassistische Theorien über die „Minderwertigkeit“ nicht-europäischer Völker verbreitete. Und dann wäre da eben Luther – ein Mann, der in unseren Schulbüchern als Begründer des modernen Europas dargestellt wird, gleichzeitig aber als Wegbereiter des Judenhasses eine ebenso traurige Rolle spielt.

Diese Ambivalenz macht es den Städten und Gemeinden schwer, klare Entscheidungen zu treffen. Luther, so heißt es, war „ein Kind seiner Zeit“. Doch sind wir nicht alle Kinder unserer Zeit? Und haben wir nicht alle die Pflicht, die dunklen Seiten unserer Geschichte ebenso zu thematisieren wie die hellen? Was wir hier vor uns haben, ist ein moralisches Paradoxon: Können wir jemanden ehren, dessen Ideen in Teilen zu den größten Verbrechen der Menschheit geführt haben?

Der unerwartete Dialog

Nun, es wäre doch eine nette Idee, Martin Luther selbst zur Rede zu stellen. Stellen wir uns vor, er könnte in der heutigen Zeit aus seinem Wittenberger Grab auferstehen und sich zu den Vorwürfen äußern. Er könnte vielleicht sagen: „Ich habe meine Worte nicht so gemeint!“ Vielleicht würde er hinzufügen: „Die Umstände der Zeit, die Katholiken, der Papst – sie haben mich dazu getrieben!“ Und am Ende würde er wohl, in gewohnt provokativer Manier, die Schultern zucken und ausrufen: „Was soll’s? Wenn es euch nicht passt, dann reißt meine Statuen eben nieder. Ich habe ohnehin genug Stürme überstanden!“

Wir, die Nachgeborenen, müssten uns dann die Frage stellen: Haben wir die Integrität und den Mut, diesen Stürmen zu begegnen? Oder bleiben wir weiterhin stumm und dulden es, dass in unseren Städten Straßen und Plätze nach einem Mann benannt sind, dessen Worte zu Hass und Zerstörung führten?

Wohin mit Luther

Am Ende bleibt uns eine einfache Wahrheit: Wir können die Geschichte nicht ungeschehen machen, aber wir können entscheiden, wie wir mit ihrem Erbe umgehen. Wenn wir uns dazu entschließen, die Straßennamen von Antisemiten zu säubern, dann muss auch Martin Luther zur Diskussion stehen. Es reicht nicht, seine theologischen Errungenschaften zu feiern, ohne seine dunklen Seiten zu benennen.

Es wäre vielleicht an der Zeit, die Lutherstraßen in „Straßen der Reformation“ umzubenennen. So könnten wir seine historischen Verdienste ehren, ohne gleichzeitig einem Erben des Judenhasses Reverenz zu erweisen. Bis dahin jedoch bleibt Martin Luther als doppelbödige, moralisch zwiespältige Figur in unseren Städten präsent – als Mahnmal einer Geschichte, die noch immer darauf wartet, vollends verstanden zu werden.

Weiterführende Links und Literatur:

Wenn Geschlecht zum Freifahrtschein wird

Warum das höchste europäische Gericht für den Rest der Menschheit Recht spricht und Europa seine Daseinsberechtigung verliert

Richter sprechen Recht. Einverstanden, das ist ihre Aufgabe. Dafür wurden sie schließlich mit so viel Weisheit, Wissen und Unfehlbarkeit ausgestattet, dass man ihnen das letzte Wort überlassen sollte – zumindest, wenn man den Glauben an die Funktionalität eines Justizsystems noch nicht ganz verloren hat. Aber wenn diese tapferen Juristen aus ihren ehrwürdigen Hallen heraustreten und verkünden, dass sämtliche afghanische Frauen aufgrund ihres bloßen Frauseins Anspruch auf Asyl haben – ja, dann geraten selbst die standhaftesten Verfechter der Rechtsstaatlichkeit ins Grübeln.

Denn was bedeutet das in der Praxis? Oh, nur eine Kleinigkeit: Millionen. Nein, keine übertriebene Zahlenspielerei, sondern Millionen (!) von Menschen, die theoretisch quasi automatisch Anspruch auf Asyl in Europa haben. Wie schön wäre es doch, in einer idealen Welt zu leben, in der es keine Grenzen gibt, in der die Sonne immer scheint und die Menschen in bunten Kleidern in den Wiesen tanzen. Nur leider ist Europa kein gigantisches Hippie-Festival und Asylverfahren keine formlose Einladung zur großen Völkerwanderung.

Willkommen im Wunderland der politischen Kurzsichtigkeit

Nun gut, der EuGH hat also gesprochen. Jede Frau aus Afghanistan gilt als verfolgte Person. Diskriminierung durch das Taliban-Regime? Ja, klar, das reicht aus. Und sind wir ehrlich: Es ist tatsächlich ein Albtraum, was in Afghanistan passiert. Frauen haben keinerlei Rechte, sie sind Gefangene in ihrem eigenen Land, jede Art von Selbstbestimmung wird ihnen verwehrt. Doch diese Tatsache, so grausam sie ist, wird zur ideologischen Sprengfalle in einem System, das offenbar die Grundlagen des politischen Realismus längst hinter sich gelassen hat.

Aber wo bleibt die Diskussion über die Konsequenzen? Was machen wir mit dem kleinen Detail, dass sich das alles – gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich und auch in der Integrationsfähigkeit – hinten und vorne nicht ausgeht? Wer könnte uns verübeln, wenn wir hier eine gewisse Vorahnung spüren, dass die explosive Mischung aus gesetzlicher Gutmenschlichkeit und realitätsferner Rechtsprechung bald zur Detonation führen könnte? Denn wenn wir wirklich jeder afghanischen Frau Asyl gewähren (und ja, sie haben es verdient, versteht mich nicht falsch), dann kann der nächste logische Schritt nur der sein: Europa wird zum neuen Afghanistan – nicht wegen des Klimas oder der Taliban, sondern schlichtweg wegen der schieren Masse an Menschen, die plötzlich hierher strömen.

Wenn die Legislative den Schlaf der Gerechten schläft

Es ist die Aufgabe der Gerichte, das Gesetz anzuwenden. Schön und gut. Aber was ist, wenn das Gesetz, das sie anwenden, schlichtweg nicht für die komplexen Herausforderungen dieser Welt gemacht wurde? Ist es nicht dann die Aufgabe der Legislative, die Gesetze zu ändern, anzupassen, um das Fundament unseres Gemeinwesens zu sichern? Denn in dieser Tragödie wird die Exekutive zu einem hilflosen Statisten degradiert, während sich die Legislative in einen komatösen Tiefschlaf begeben hat. Der EuGH hebt den Hammer – und die Politiker nicken desinteressiert, wie Abiturienten, die sich bei einer Vorlesung in der vierten Stunde nicht länger wachhalten können.

Das ist keine Rechtsprechung, das ist blinde Gesetzesauslegung auf einem Schnellkurs in Richtung Abgrund. Es zeigt sich hier die Absurdität des derzeitigen Asylsystems in Europa in seiner vollsten Pracht: Ein System, das geschaffen wurde, um individuellen Schutzbedürftigen zu helfen, wird zum Spielball einer ideologischen Überhöhung, die eine ganze Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttern könnte.

Der Abschied von der Vernunft

Ja, Europa, was nun? Wenn jede afghanische Frau – und das ist die logische Konsequenz dieses Urteils – asylberechtigt ist, dann gibt es in einem nicht allzu fernen Morgen die Möglichkeit, dass über den Familiennachzug fast ganz Afghanistan nach Europa kommen kann. Eine Vorstellung, die an Absurdität kaum zu überbieten ist, und doch genau das ist, was die Realität uns bald präsentieren könnte. Und dabei handelt es sich nicht um fremdenfeindliche Polemik oder Panikmache, sondern schlichtweg um eine nüchterne Betrachtung der Zahlen. Afghanistan hat etwa 20 Millionen Frauen. Selbst wenn nur ein Bruchteil von ihnen die Flucht antritt, ist der Druck auf die Aufnahmeländer enorm. Aber Europa scheint derzeit fest entschlossen, sich auf dem Altar der moralischen Überlegenheit selbst zu opfern.

Wenn die Mühlen der Radikalisierung mahlen

Und das alles – die naive Weigerung, die Realität anzuerkennen, die kindliche Verklärung von „Recht und Ordnung“ ohne Rücksicht auf das, was kommen mag – spielt in die Hände der Rechten. Jene Kräfte, die schon immer mit dem Finger auf die Grenzen zeigten, die das Asylrecht als trojanisches Pferd für den Untergang der westlichen Zivilisation sahen, bekommen nun ein unerwartetes Geschenk. Jede irrationale Entscheidung der Mitte, jede blinde Rechtsprechung, die sich weigert, der Realität ins Gesicht zu sehen, stärkt die Radikalen weiter. Es dauert nicht mehr lange, und dann gibt es tatsächlich kein Asylrecht mehr – schlichtweg, weil die gesellschaftliche Akzeptanz und das Vertrauen in dieses System restlos zerstört wurden.

Die Lösung? Vielleicht gibt es keine, zumindest keine, die kurzfristig machbar wäre, ohne in moralischen Bankrott abzugleiten. Aber eines ist sicher: Die derzeitige Richtung, in die Europa steuert, führt nur in eine Sackgasse. Bald werden wir nicht mehr über Menschenrechte, Humanität oder Asylrechte diskutieren – sondern über das Ende eines Systems, das sich selbst überfordert hat.

Schluss mit naiver Moral

Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir, die europäische Gesellschaft, die Politik und ja, auch die Justiz, den gesunden Menschenverstand wiederentdecken. Denn es kann nicht das Ziel sein, mit gut gemeinten, aber schlecht durchdachten Entscheidungen Europa in die Selbstzerstörung zu treiben. Ein ausgewogenes Asylsystem, das zwischen wirklichem Schutzbedürfnis und realistischen Grenzen unterscheidet, ist möglich. Es erfordert jedoch Mut, sich der Komplexität der Lage zu stellen und Verantwortung zu übernehmen.

So notwendig es ist, Frauen aus Afghanistan Schutz zu gewähren, muss dies in einem Rahmen geschehen, der unsere eigene Gesellschaft nicht überfordert. Andernfalls gehen wir nicht nur das Risiko ein, das Asylrecht in seiner jetzigen Form zu verlieren, sondern auch die Grundlagen, auf denen Europa als Projekt der Menschlichkeit einst gegründet wurde.


Weiterführende Links und Quellen:

Ein Satz, der die Welt bewegte

Ein Auftakt in die Absurdität

In den unendlichen Weiten der politischen Rhetorik gibt es einige Sätze, die wie Schatten über der politischen Landschaft verweilen. Thomas de Maizière, ein Name, der wohl mehr in den Hallen des Vergessens als in der kollektiven Erinnerung verankert ist, bleibt uns mit einem Satz in Erinnerung, der, wie ein ungebetener Gast, nie ganz aus unserem Gedächtnis weichen will: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“ Ach, wie poetisch! In einem Land, in dem Transparenz und Aufklärung zu den höchsten Tugenden zählen sollten, entblößt dieser Satz nicht nur die Unzulänglichkeiten einer politischen Figur, sondern offenbart auch die Absurdität des politischen Diskurses in Deutschland.

Die Verunsicherung als politisches Konzept

Der Satz, so prägnant wie ein Schuss ins eigene Knie, ist das Manifest einer politischen Denkweise, die mit dem Staub der alten Politiker-Weisheiten behaftet ist: „Die Massen sind dumm, und wir müssen sie beschützen.“ Ein Schutzschild gegen die Unwägbarkeiten der Wahrheit! Die Wahrheit, so könnte man meinen, ist ein zerbrechlicher Kristall, den man besser im Schrank lässt, wenn die Kleinen zu Besuch kommen. Denn wer möchte schon die Unschuld der Bürger gefährden? Wer könnte es wagen, den deutschen Michel, der sich gemütlich im Sessel zurücklehnt, aus seinem selbstzufriedenen Dösen zu reißen?

Doch ist es nicht gerade die Aufklärung, die die Bürger mündig macht? Die Erkenntnis, dass wir nicht nur passive Konsumenten der Politik sind, sondern auch aktive Mitgestalter? De Maizières Bekenntnis zur Verunsicherung wird zum Synonym für eine Politik, die nicht bereit ist, ihren Bürgern die Wahrheit ins Gesicht zu sagen, egal wie schmerzhaft sie sein mag. Stattdessen wird die Verunsicherung zum politischen Konzept erhoben – ein cleverer Schachzug, um die Verantwortung auf die Schulter der Bevölkerung abzuwälzen. Denn wenn die Bevölkerung verunsichert ist, kann die Politik in der sicheren Höhle der Ignoranz verweilen, wo die schlechten Nachrichten nicht hinkommen.

Die Kunst des Versteckens

Im Theater der Politik hat de Maizière mit seinem Satz ein Stück inszeniert, das dem grotesken Genre der Absurdität alle Ehre macht. Die Vorstellung, dass die Bevölkerung mit unbequemen Wahrheiten überfordert sein könnte, ist ein hervorragendes Beispiel für die Kunst des Versteckens. Wir kennen das Spiel: Die Politiker stehen auf der Bühne, in prächtigen Kostümen, und verkünden eine Reihe von wohlformulierten Phrasen, während hinter ihnen die Realität in einem Chaos aus Informationen und Desinformationen versinkt. Es ist, als ob sie auf einem Seil tanzen, das über einem Abgrund schwingt, ohne einen Blick nach unten zu werfen.

Der Zuschauer, die Bevölkerung, wird in dieser Inszenierung nicht als Partner, sondern als passives Objekt betrachtet. Die Zuschauer sollen unterhalten, aber nicht erleuchtet werden. Die Wahrheit wird in den Schatten des politischen Theaters verbannt, wo sie sicher ist vor dem prüfenden Blick des Publikums. Und während de Maizière in seiner Funktion als Bundesinnenminister die Bühne der politischen Macht betritt, ruft er aus: „Schaut nicht hinter die Kulissen! Die Wahrheit könnte euch verunsichern!“ Eine absurde Vorstellung, die sich jedoch in der politischen Realität widerspiegelt.

Ein Hauch von Zynismus und Humor

Es ist eine bitterböse Ironie, dass gerade der, der für innere Sicherheit verantwortlich ist, es vorzieht, seine Bürger im Dunkeln zu lassen. Die Schizophrenie einer solchen Haltung könnte als tragikomische Komödie durchgehen, wenn sie nicht so ernsthafte Auswirkungen auf die Gesellschaft hätte. Zynismus und Humor vereinen sich hier in einer grotesken Symbiose, die einem aber auch ein schallendes Lachen entlocken könnte, wenn sie nicht so tragisch wäre.

Denkt man an de Maizières Satz, könnte man sich vorstellen, wie der Bundesinnenminister, gekleidet in einen glänzenden Anzug, mit einem feinen Glas Rotwein in der Hand an seinem Schreibtisch sitzt und über die schockierten Gesichter der Bürger lacht. „Verunsicherung? Ach, die Bevölkerung ist wie ein schüchterner Schüler, der sich nicht traut, die Hand zu heben, wenn der Lehrer eine Frage stellt.“ Und so denkt man bei sich, dass es doch eine wahre Kunst ist, die Bevölkerung mit einer Mischung aus Zynismus und Anmaßung zu behandeln.

Der Fluch der politischen Rhetorik

Politische Rhetorik ist ein schmaler Grat, der oft zwischen Wahrheit und Manipulation balanciert. De Maizière hat diesen Grat mit Bravour betreten und dabei die Kunst des Ausweichens perfektioniert. Der Satz „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie Politiker die Verantwortung für ihre Aussagen und Entscheidungen auf die Bürger abwälzen. Anstatt Lösungen zu präsentieren, zieht man es vor, mit nebulösen Andeutungen zu operieren und die Bevölkerung in einem Zustand der Unsicherheit zu belassen.

Diese Rhetorik erinnert an eine Art politisches Schattenspiel: die Puppen tanzen, die Bürger sehen zu, und niemand hinterfragt, warum die Schatten so viel größer sind als die Figuren, die sie darstellen. Und während die einen in der ersten Reihe klatschen, haben die anderen schon längst den Faden verloren und wissen nicht mehr, wer nun die Marionette und wer der Puppenspieler ist.

Eine schleichende Entmündigung

In einem weiteren Twist des Gedankens wird aus de Maizières Äußerung die Frage nach der Entmündigung der Bürger. Wenn die Bevölkerung nicht mit der Wahrheit umgehen kann, was sagt das über unsere Gesellschaft aus? Ist die Bürgergesellschaft wirklich so schwach, dass sie nicht in der Lage ist, mit unbequemen Wahrheiten umzugehen? De Maizière hat hier nicht nur eine Floskel geäußert, sondern einen gefährlichen Diskurs eröffnet.

Indem er die Bürger in eine passive Rolle drängt, wird nicht nur das Vertrauen in die Politik untergraben, sondern auch das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, mit Komplexität umzugehen. Es ist, als würde man den Bürgern das Spielzeug wegnehmen und sagen: „Das ist zu gefährlich für euch.“ Und während die einen darüber schmunzeln, bleibt der andere Teil der Bevölkerung in einer Art Schockstarre zurück.

Die Verantwortung des Sprechens

Der Satz von Thomas de Maizière mag auf den ersten Blick trivial erscheinen, doch in seiner Tiefe offenbart er eine besorgniserregende Haltung in der politischen Kommunikation. Die Verunsicherung der Bevölkerung wird zum Instrument der Macht, und die Verantwortung für eine informierte Gesellschaft wird delegiert.

Der Erbe, den de Maizière hinterlässt, ist ein komplizierter: Ein Satz, der nicht nur die Unzulänglichkeiten eines Politikers offenbart, sondern auch die Angst vor einer informierten und mündigen Gesellschaft. Die Verantwortung des Sprechens liegt nicht nur in der Kunst der Rhetorik, sondern auch im Mut, die unbequemen Wahrheiten zu benennen. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir als Gesellschaft uns dem Stellen, was uns verunsichert, und die Schatten der Absurdität hinter uns lassen.

Quellen und weiterführende Links

  1. Thomas de Maizière und die Verunsicherung der Bürger
  2. Politik der Verunsicherung: Ein Phänomen der Gegenwart
  3. Die Kunst des Ausweichens in der politischen Rhetorik
  4. Wie politische Rhetorik die Bürger beeinflusst
  5. Transparenz vs. Verunsicherung: Der Konflikt der modernen Politik

So etwas wie Palästina gibt es in der Geschichte nicht

Identität, Geschichtsklitterung und den schmalen Grat zwischen Realität und Fiktion

Die Geschichte ist oft ein schillerndes Spiel mit den Erzählungen, eine Art Theater, in dem die Protagonisten nicht immer die sind, die sie zu sein vorgeben. Und wenn es um das Thema Palästina geht, könnte man meinen, wir befänden uns in einer Aufführung des absurden Theaters, in der die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion immer mehr verschwommen. Die Frage „Gibt es Palästina?“ ist dabei nicht nur eine geografische oder politische, sondern vor allem eine identitätsstiftende Diskussion, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht – eine Geschichte, die oft von den Akteuren selbst neu geschrieben wird.

Die Erfindung einer Identität

Das Jahr 1967 markiert einen Wendepunkt in der Erzählung über Palästina. Der Sechs-Tage-Krieg brachte nicht nur eine militärische Niederlage für die arabischen Staaten, sondern auch eine Identitätskrise – oder vielleicht besser gesagt: eine Identitätserfindung. Vor diesem Konflikt war die Vorstellung eines „Palästinensers“ nicht nur nebulös, sie war praktisch nicht existent. Der Schriftsteller Walid Shoebat, ein einstiger Jordanier, fragt provokant: „Warum wurde ich über Nacht zum Palästinenser?“ Diese rhetorische Frage zeugt von der Absurdität der Geschichtsschreibung, in der die nationalen Zugehörigkeiten nicht nur relativ sind, sondern ganz nach Bedarf umgeschrieben werden können.

Die Konzeption eines palästinensischen Staates wird zunehmend als Werkzeug im fortgesetzten Kampf gegen Israel betrachtet. Dieser Kampf, der oft als legitimer Widerstand gegen die Besatzung deklariert wird, hat sich paradoxerweise in ein Narrativ verwandelt, das sich um das eigene Fehlen einer historischen Basis dreht. Die politische Bühne wird zur Kulisse für einen Identitätsdiebstahl, bei dem das Erbe der jüdischen Geschichte in ein palästinensisches Gewand gehüllt wird. So werden Kanaaniter und Jebusiter, die biblischen Völker, als „Urahnen“ der Palästinenser betrachtet, während die alte Geschichte der Region neu interpretiert wird, um ein imaginäres palästinensisches Narrativ zu stützen.

Ein absurder Vergleich

Es ist nicht nur das Geschichtsbewusstsein, das sich auf schillernde Weise wandelt, sondern auch die Erinnerungs- und Opferkultur. Die Nakba, das vermeintliche Trauma von 1948, wird grotesk in einen direkten Vergleich mit dem Holocaust gesetzt. Hier wird nicht nur das historische Leid der Juden verharmlost, sondern eine absurde Gleichsetzung hergestellt, die das Publikum schlichtweg verblüfft zurücklässt. Mahmud Abbas, der palästinensische Präsident, hat die Leugnung des Holocaust zu einem Kernpunkt seiner politischen Agenda gemacht und präsentiert die zionistischen Führer als „wesentliche Partner“ der Nazis.

Diese Kombination von Geschichtswissenschaft und politischem Opportunismus hat zu einer verstörenden Form der Geschichtsklitterung geführt. Die palästinensische Narrative, die von einer Katastrophe spricht, die den Arabern widerfahren sei, übersieht die Tatsache, dass dies in einem Kontext stattfand, in dem ein Vernichtungskrieg gegen die Juden geführt wurde – und verloren wurde. So entblößt sich die Absurdität, wenn man sieht, wie arabische Mädchen in Schulen lernen, ihre Notlage mit der von Anne Frank zu vergleichen.

Identität als Tauschhandel

Der Identitätsdiskurs wird im Lichte dieser historischen Konstrukte nur noch absurder. Ein Volk, das bis ins 20. Jahrhundert keine klare nationale Geschichte hatte, versucht nun, ein globales Publikum davon zu überzeugen, die rechtmäßigen Erben der jüdischen Geschichte und des jüdischen Landes zu sein. Die Verschiebung der Identität vom Jordanier zum Palästinenser ist nicht nur ein bloßer Zufall, sondern ein strategischer Schachzug im Spiel der internationalen Politik.

Ironischerweise bezieht sich sogar der Koran auf das Land Israel, das den „Kindern Israels“ als ewigen Bund gegeben wurde. In einem paradoxen Twist wird der Mord an Juden nicht erwähnt, während das Narrativ des palästinensischen Schmerzes und des Verlustes wie ein unaufhörlicher Strom aus der politischen Rhetorik fließt. Dara Horn hat es in ihrem Buch treffend auf den Punkt gebracht: „Die Menschen lieben tote Juden.“ Diese Aussage illustriert die düstere Ironie des Geschichtsdiskurses, in dem der Holocaust nicht nur verharmlost, sondern instrumentalisiert wird, um eine eigene Identität zu konstruieren.

Der schmale Grat zwischen Realität und Fiktion

Letztlich stehen wir vor der Frage: Was ist Realität, und was ist Fiktion in dieser Geschichtserzählung? Die palästinensische Identität ist ein Konstrukt, das mit einer Kombination aus historischer Revisionismus, politischem Opportunismus und der Kunst der Narrative kreiert wurde. Ohne eine solide historische Basis wird die Identität zu einem Spielball in den Händen derer, die das Geschichtsbewusstsein manipulieren.

Die Relevanz dieser Diskussion ist nicht nur akademischer Natur, sondern hat tiefgreifende Auswirkungen auf den politischen Diskurs und die internationale Politik. Während der Kampf um das Narrativ weiterhin tobt, bleibt die Frage nach der Identität der Palästinenser eine der brisantesten der modernen Geschichte. In dieser ständigen Neuschreibung der Geschichte sind wir alle Komplizen – ob wir es wollen oder nicht.

Die Unveränderlichkeit der Geschichte

So schließt sich der Kreis: In einer Welt, in der Identität, Geschichte und Politik untrennbar miteinander verwoben sind, bleibt die Erzählung von Palästina und den Palästinensern eine der komplexesten und umstrittensten Geschichten der Gegenwart. Und während die dramatischen Wendungen in der politischen Landschaft unaufhörlich weitergehen, wird das Publikum, gefangen zwischen Realität und Fiktion, zum ständigen Zeugen eines Theaters, in dem die Wahrheit ebenso flüchtig ist wie die Identität selbst.


Quellen und weiterführende Links

  1. Shoebat, Walid. Why I Am Not a Palestinian. New York: 2005.
  2. Muhsin, Zuhair. PLO’s Identity Politics. The Middle East Journal, 1980.
  3. Horn, Dara. People Love Dead Jews: Reports from a Haunted Present. New York: 2021.
  4. Abbas, Mahmud. Doktorarbeit zur Holocaustleugnung. 1980.
  5. Koran, Al-Baqarah (2:47).
  6. Historische Analysen zur Nakba und dem Holocaust.

Diese kritische Betrachtung der palästinensischen Identität und Geschichte erfordert ein offenes Ohr und eine Bereitschaft, sich mit den komplexen, oft schmerzhaften Realitäten der Region auseinanderzusetzen. In einer Welt, in der die Narrative oft mehr zählen als die Fakten, bleibt der diskursive Raum ein umkämpftes Terrain.

Die großen Philosophen der FPÖ

Von großen Denkern und noch größeren Denkern

Es gibt Philosophen, deren Namen sich über Jahrtausende in den Köpfen der Menschheit festsetzen. Platon, Aristoteles, Kant – sie alle haben unser Denken geformt und uns gelehrt, was es heißt, Mensch zu sein. Und dann gibt es die großen Denker der FPÖ, die uns mit ganz anderen Einsichten bereichern. Ihre Weisheiten entstammen einer Welt, die so tief in der österreichischen Identität verankert ist, dass man schon fast glauben könnte, sie wären die Wiedergeburt von Sokrates, bloß mit etwas mehr Almdudler im Blutkreislauf.

Von diesen großen Denkergrößen soll hier die Rede sein, auch wenn der Begriff „Denker“ hier sehr großzügig ausgelegt wird – schließlich müssen auch kleine Fische mal in einen Teich springen, der ihnen deutlich zu groß ist.

Muhammad Ali und das Kärntner Bier – Eine unvergessliche philosophische Lektion

Muhammad Ali, einst der größte Boxer der Welt, hat nicht nur Sportgeschichte geschrieben. Nein, er hat auch einen bescheidenen, aber ehrgeizigen FPÖ-Landeshauptmann aus Kärnten zu tiefgreifenden philosophischen Betrachtungen inspiriert. So geschehen im Jahr 2013, als die Kärntner Landtagswahl anstand und Gerhard Dörfler auf die Frage antwortete, wie man es schaffe, politische Fehden so meisterhaft zu führen und anschließend wieder zur Tagesordnung überzugehen. Dörfler, ein Mann von selten gesehener Geistesgröße, verglich diesen Vorgang mit den Boxkämpfen des Jahrhunderts zwischen Cassius Clay, alias Muhammad Ali, und seinen Widersachern.

„Cassius Clay und Muhammad Ali haben sich die wildesten Boxkämpfe des Jahrhunderts geliefert und danach ein Bier getrunken“, verkündete Dörfler mit einem Glanz in den Augen, der fast so hell war wie die rhetorische Leere hinter der Aussage. Es war eine jener unvergesslichen Momente, in denen einem klar wird, dass philosophische Tiefe nicht immer mit Klarheit einhergeht. Die frappierende Erkenntnis: Es ist völlig egal, ob man gerade politische Konkurrenten diffamiert, Xenophobie schürt oder tief in die rechtspopulistische Trickkiste greift – am Ende des Tages können wir alle ein Bier trinken. So einfach ist das. Dörfler hat es verstanden.

Strache, der neue Aristoteles

Wenn Aristoteles die „Polis“ als den Raum definierte, in dem der Mensch sein volles Potenzial als soziales Wesen entfalten kann, dann hat Heinz-Christian Strache – seines Zeichens Philosoph und ehemaliger Vizekanzler – diese Definition um ein paar entscheidende Facetten erweitert. In seiner visionären Weltanschauung nimmt die „Polis“ die Form einer Wiener Nobeldisko an, in der man mit russischen Oligarchennichten dubiose Geschäfte verhandelt. Doch während Aristoteles‘ Polis der Ort des Gemeinwohls war, steht Straches Version für etwas ganz anderes: das individuelle Wohl und vor allem das Wohlergehen des eigenen Bankkontos.

In einem denkwürdigen Moment sagte Strache in der Ibiza-Affäre, die mittlerweile mehr als nur legendär ist: „Ich will sofort alles haben.“ Was auf den ersten Blick wie die Äußerung eines schlecht erzogenen Kindes wirken könnte, entpuppt sich bei genauerer Analyse als tiefschürfende philosophische Maxime. „Alles“ steht hier für das absolute, uneingeschränkte Streben nach Macht und Einfluss – und das „sofort“ ist Ausdruck der postmodernen Ungeduld, in der Zeit ein dehnbarer Begriff ist und moralische Grundsätze sowieso nur hinderlich sind. Strache, der wahre Aristoteles unserer Zeit, hat es verstanden: Wenn die Gelegenheit da ist, muss man zugreifen – ob es um den Staat oder den Strandclub auf Ibiza geht.

Norbert Hofer – Der Stoiker im Tarnanzug

Die Stoiker glaubten, dass der Mensch durch Selbstbeherrschung und innere Ruhe die Widrigkeiten des Lebens überwinden könne. In unserer Zeit, die so oft von Unruhe, Unsicherheit und emotionalen Schwankungen geprägt ist, steht Norbert Hofer als lebendiges Beispiel für diese uralte Philosophie. Doch er hat der Lehre der Stoiker eine zusätzliche Dimension hinzugefügt: die perfekte Balance zwischen stoischer Gelassenheit und latentem Rechtspopulismus.

Hofer ist ein Mann, der es versteht, auch im größten Shitstorm zu lächeln – ein Markenzeichen, das man auch als masochistischen Optimismus bezeichnen könnte. Die berühmte Szene, als er 2016 bei einer Wahlkampfrede sagte, „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist“, gehört längst in die Annalen der politischen Philosophie. War es eine Drohung? Eine Prophezeiung? Oder doch nur der Hinweis auf seine gelassene Akzeptanz gegenüber der Unberechenbarkeit des Schicksals? Wahrscheinlich alles zusammen.

Hofer, der Philosoph in Tarnkleidung, hat es verstanden: Im tiefen Inneren bleibt der Mensch unbewegt, selbst wenn der populistische Wind von rechts aufzieht. Man darf nur nie vergessen, dabei freundlich zu lächeln.

Kickl – Der Meister des Hobbes’schen Naturzustands

Thomas Hobbes lehrte uns, dass das Leben im Naturzustand „einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz“ sei. Wenn es jemanden gibt, der dies voll und ganz verinnerlicht hat, dann ist es Herbert Kickl, der ehemalige Innenminister und heutige Parteichef der FPÖ. In seinen Reden schwingt die tiefe, hobbes’sche Überzeugung mit, dass der Mensch, wenn man ihn nur lässt, zum räudigen Tier wird, das vor nichts zurückschreckt. Die einzige Lösung: mehr Zäune, mehr Grenzen, mehr Polizei – kurzum: ein Leviathan, der mit eiserner Hand regiert und alles kontrolliert.

Kickl, der Meister der Rhetorik, hat keine Scheu, das Unaussprechliche auszusprechen und das Unbequeme salonfähig zu machen. Während Hobbes noch die Vorstellung hatte, dass der Staat den Menschen vor seiner eigenen Unberechenbarkeit schützen müsse, hat Kickl diese Idee konsequent weitergedacht: Der Mensch muss vor dem Fremden geschützt werden. Denn, wie er es so gerne predigt, das Fremde ist das Tierische, das Wilde, das Unkontrollierbare. Und wenn wir das nicht im Zaum halten, dann ist es um uns geschehen.

Es ist kein Zufall, dass Kickls politische Philosophie in ihrer Essenz an den düsteren Hobbes erinnert. Er weiß, was wir alle tief im Inneren längst erkannt haben: Ohne strenge Hand wäre Österreich ein einziger Tiergarten.

Die Dialektik des Boulevards – oder wie man es schafft, Recht und Unrecht zu vereinen

Was wäre die Philosophie der FPÖ ohne die unermüdliche Unterstützung des Boulevards? Diese geistige Einheit zwischen der FPÖ und gewissen Zeitungen, die den investigativen Journalismus längst gegen den investigativen Kaffeklatsch eingetauscht haben, stellt einen der wichtigsten Grundpfeiler der „freiheitlichen“ Denkschule dar. Hier wird in einer dialektischen Meisterleistung der Wahrheit auf den Grund gegangen – indem man sie kurzerhand durch gezielte Halb- und Unwahrheiten ersetzt.

Es ist eine dialektische Übung, die selbst Hegel schaudern lassen würde: Einerseits wettert man gegen die „Lügenpresse“, andererseits bedient man sich ihrer Mechanismen, um das eigene Weltbild in die Köpfe der Menschen zu hämmern. Es ist diese beständige Ambivalenz, diese simultane Anziehung und Abstoßung, die die Philosophen der FPÖ so besonders macht.

Eine zynische Zukunft voller Weisheit

Und so endet unser kleiner Ausflug in die tiefen Täler der freiheitlichen Philosophie. Eine Denkschule, die geprägt ist von Bier-Metaphern, Ibiza-Träumen und einem gesunden Maß an Ressentiment gegenüber allem, was nicht ins eigene Weltbild passt. Es bleibt zu hoffen, dass diese intellektuellen Schwergewichte auch in Zukunft ihre Weisheiten mit uns teilen – denn was wäre die politische Landschaft ohne die großen Philosophen der FPÖ?

Weiterführende Quellen und Links:

  • Kleine Zeitung: „Wie Muhammad Ali die Kärntner Landespolitik beeinflusste“ – Ein Interview mit Gerhard Dörfler
  • Der Standard: „Die Ibiza-Affäre und ihre philosophischen Implikationen“
  • Profil: „Norbert Hofer: Der Stoiker unter den Rechtspopulisten“
  • Die Presse: „Herbert Kickl und der Naturzustand – Ein Hobbes’scher Albtraum“

Das Comeback eines Untoten im Maßanzug

Faschismus in der Antifa-Tarnkappe

»Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ›Ich bin der Faschismus.‹ Nein, er wird sagen: ›Ich bin der Antifaschismus.‹« Ein Satz, der in den vergangenen Jahren zu einem Klassiker avanciert ist – vor allem unter jenen, die einen ausgeprägten Sinn für Paradoxien haben. Der moderne Faschismus also, der Wolf im Schafspelz, die düstere Antithese zum „Gutmenschen“. Silone, der einst selbst gegen Mussolini kämpfte, hat sich offenbar zu einem prophetischen Gewissen entwickelt, einem Orakel der postfaktischen Ära. Und wie es sich für ein gutes Orakel gehört, können seine Worte natürlich nach Belieben gedeutet werden. Wie eine philosophische Rorschach-Tinte: die einen sehen ein Monster, die anderen einen Spiegel.

Ach, der Faschismus. Wie eine besonders penetrante Motte scheint er sich in den Ecken der Geschichte eingenistet zu haben, bereit, jederzeit wieder hervorzuflattern – diesmal freilich in feinerer Kleidung. Wo er früher noch lautstark marschierte, mit erhobenem Arm und feuchten Träumen von einem nationalen Paradies, kommt er heutzutage subtiler daher, vielleicht sogar im Sakko, hinter einem Lächeln verborgen, das sich um die Lippen eines Antifaschisten kräuselt. Zumindest, wenn man Ignazio Silone, diesen alten italienischen Linken, beim Wort nimmt.

Vom Ritter in glänzender Rüstung zur nächsten Bedrohung

Wie absurd ist der Gedanke eigentlich, dass der Antifaschismus – diese heilige Kuh der progressiven Linken – selbst faschistoide Züge tragen könnte? Für jene, die sich in den Schützengräben des Kulturkampfes wähnen, ist diese Vorstellung nicht nur absurd, sondern gefährlich. Sie sehen in ihr die Entlarvung eines heimtückischen Plans, bei dem hinter jedem »Anti« das genaue Gegenteil lauert. „Antirassismus ist der wahre Rassismus!“, „Antifaschismus ist der wahre Faschismus!“ – Rhetorische Pirouetten dieser Art, so elegant wie peinlich, sind heute auf vielen politischen Bühnen zu sehen. Die Vorsilbe „Anti“ wird plötzlich zur Tarnung, eine Art intellektuelles Camouflage für das, was man gerade noch bekämpfen wollte. Das Böse trägt jetzt das Logo des Guten, und das Gute, nun ja, das Gute bleibt ein wenig ratlos am Rand stehen.

Man könnte fast meinen, wir lebten in einem Zeitalter, in dem Ideologien wie Marken wirken. Das Branding ist alles. Der Faschismus von heute, so die These, kommt nicht mehr mit Stiefeln und Fackeln, sondern mit freundlichen Slogans und Regenbogenfahnen. Der moderne Faschist betont, wie wichtig Vielfalt ist – allerdings nur, solange sie nicht zu vielfältig wird. Das Lächeln ist breit, die Rhetorik geschmeidig, doch am Ende steht wieder der Zwang zur Einheit, zur Uniformität, zu „unserer Art“ des Denkens. Und so wird der Antifaschismus plötzlich zur letzten Maske des Faschismus – zumindest in der Vorstellung derer, die hinter jedem Protestmarsch die Rückkehr Mussolinis wittern.

Wie man mit Silone einen Apfel in eine Birne verwandelt

Der Gedanke, dass Antifaschismus nur eine Verkleidung des Faschismus sei, ist in seiner Schlichtheit geradezu genial – oder besser gesagt: genial vereinfachend. Man braucht nicht viel mehr als eine Prise Zynismus und eine ordentliche Portion intellektueller Faulheit, um diese These ins Feld zu führen. Tatsächlich wird Ignazio Silone häufig als Kronzeuge für diese Behauptung zitiert, jedoch bleibt bei der zitierten Passage oft der Kontext außen vor. Silone war kein Feind des Antifaschismus, ganz im Gegenteil. Er war ein erbitterter Gegner des Faschismus, der sein Leben der Bekämpfung totalitärer Ideologien widmete. Was Silone meinte, war nicht, dass der Antifaschismus zwangsläufig in den Faschismus übergeht, sondern dass jeglicher Dogmatismus, egal aus welcher politischen Ecke er kommt, letztlich faschistoide Züge annehmen kann. Es ist nicht die Vorsilbe „Anti“, die den Unterschied macht, sondern das, was sich darunter verbirgt.

Doch der moderne Diskurs hat keine Zeit für solche feinsinnigen Unterscheidungen. Silone wird kurzerhand instrumentalisiert, sein Gedanke gekürzt, gestrafft und schließlich so zurechtgebogen, dass er bequem in die eigene politische Agenda passt. Aus der Warnung vor dem Totalitarismus wird eine Attacke auf den gesamten Antifaschismus. Die Gleichung wird simpel: Antifa = Faschismus. Dass dies ungefähr so intelligent ist, wie eine Banane mit einem Schraubenschlüssel gleichzusetzen, stört dabei nur wenige.

Von der braunen Vergangenheit zur bunten Zukunft?

Man könnte meinen, der Faschismus sei in den hinteren Regalen der Geschichte verstaubt und vergessen. Ein Relikt des 20. Jahrhunderts, das heute höchstens noch in Schulbüchern und alten Dokumentarfilmen auftaucht, begleitet von monotonem Kommentar und Schwarz-Weiß-Aufnahmen von marschierenden Soldaten. Aber so einfach lässt sich dieser Untote nicht abschütteln. Der Faschismus lebt. Er hat nur gelernt, sich anzupassen. Heute trägt er Maßanzug, hat einen Twitter-Account und weiß, wie man mediale Auftritte inszeniert. Der Faschismus ist der Chamäleon-Meister der Ideologiegeschichte. Er hat gelernt, sich zu tarnen – und manchmal hat man das Gefühl, er tarnt sich so gut, dass er selbst nicht mehr weiß, was er eigentlich ist.

Was der Faschismus jedenfalls nicht ist: ein fertiges, abgeschlossenes Phänomen. Der Faschismus war nie nur die braune Masse, die in den 1930er Jahren in Deutschland oder Italien durch die Straßen zog. Er war nie nur der Hitlergruß, die Schwarzhemden oder die Aufmärsche. Der Faschismus ist ein Prinzip, ein Gedankengut, das die Tür zum Autoritarismus immer wieder einen Spalt weit aufstößt. Er bleibt bestehen in den Momenten, in denen individuelle Freiheiten zugunsten einer vermeintlichen kollektiven Sicherheit geopfert werden. Und er feiert fröhliche Urstände, wenn Menschen anfangen zu glauben, dass politische Gegnerschaft nicht einfach nur bekämpft, sondern vernichtet werden muss.

Warum wir Faschismus heute nicht mehr erkennen

Die Wahrheit ist: Wir erkennen den Faschismus heute nicht mehr, weil wir nicht hinsehen wollen. Das Problem ist weniger, dass der Faschismus sich als Antifaschismus tarnt, sondern dass wir uns längst an den Gedanken gewöhnt haben, dass extreme Positionen immer nur bei den „anderen“ liegen. Faschisten, das sind immer die anderen. Die mit den Fahnen und den hässlichen Parolen. Doch Faschismus lebt nicht nur in den offensichtlichen Symbolen. Er lebt in jedem „Das wird man doch noch sagen dürfen!“ und in jeder Forderung nach mehr staatlicher Kontrolle, wenn sie dem eigenen Sicherheitsbedürfnis dient. Faschismus gedeiht in den Momenten, in denen man die Idee der Demokratie als störend, ineffizient oder schlicht unnötig empfindet. Er braucht keine Hakenkreuze, keine Märsche. Was er braucht, ist Angst. Angst vor dem Anderen. Angst vor dem Unbekannten.

Und hier, an dieser Stelle, kommt der Zynismus ins Spiel. Der Zyniker, der sich gerne für einen Realisten hält, erkennt im Antifaschismus keinen legitimen Kampf gegen autoritäre Tendenzen, sondern nur die nächste Form der Bedrohung. Der Zyniker lacht darüber, dass ausgerechnet die Kämpfer für die Freiheit als neue Faschisten gebrandmarkt werden. Aber insgeheim freut er sich auch, weil es ihm die Bestätigung gibt, die er braucht: „Siehste, ich hab’s doch immer gewusst, die da oben sind alle gleich.“

Der Antifaschismus, der Faschismus und das Spiel mit der Angst

Am Ende bleibt eine bittere Erkenntnis: Der Faschismus ist nicht besiegt. Er hat sich nur in den Strukturen der modernen Gesellschaft eingenistet und wartet geduldig auf seine nächste Gelegenheit. Ob er sich nun als Antifaschismus tarnt oder nicht, spielt letztlich kaum eine Rolle. Der eigentliche Feind ist nicht der Faschismus im klassischen Sinne, sondern die Bereitschaft der Menschen, immer wieder in die Falle der Einfachheit zu tappen. Die Sehnsucht nach klaren Antworten, nach starker Führung, nach einem Feindbild, das man gemeinsam bekämpfen kann – das ist der Nährboden des Faschismus. Und solange diese Sehnsucht besteht, wird auch der Faschismus weiterleben. Nur das Kostüm wechselt er von Zeit zu Zeit.

Quellen und weiterführende Links:

  1. Ignazio Silone, „Schriften zum Faschismus“ – Eine Sammlung von Essays, die Silones Denken zur Gefahr des Totalitarismus in allen Formen beleuchten.
  2. Rainer Zitelmann, „Faschismus: Eine Geschichte“ – Ein Buch, das die historische Entwicklung und Transformation des Faschismus behandelt.
  3. Roger Griffin, „Fascism: A Very Short Introduction“ – Eine knappe, aber tiefgehende Analyse des Faschismus und seiner modernen Spielarten.
  4. Kurt Flasch, „Die geistigen Voraussetzungen des Faschismus“ – Eine philosophische Betrachtung darüber, wie autoritäre Ideologien gedeihen.
  5. The Guardian, Artikel zur politischen Instrumentalisierung des Antifaschismus – Über den Missbrauch der Antifa-Bewegung als Feindbild in der öffentlichen Debatte.

Die Halbwertszeit der Wahrheit

Wie Verschwörungstheorien in 6–18 Monaten vom Spott zur Realität werden

Man kann sie belächeln, diese Menschen mit ihren Aluhüten, den wirren Aussagen und den verschwörerischen Andeutungen über geheime Mächte, die im Verborgenen die Fäden ziehen. „Schau dir den an!“, sagt man, wenn einer auf der Straße mit einem selbstgebastelten Schild steht, das in hastigen Lettern verkündet: „Die Regierung chippt uns alle!“ – und schmunzelt. Doch mit dem Schmunzeln ist es so eine Sache. In einer seltsamen Umkehrung des klassischen Komödien-Plots wandelt sich das Lachen oft nach einer Weile in ein nervöses Kichern, und schließlich ins große Schweigen. Das Schweigen derer, die vor 18 Monaten noch gewitzelt haben, inzwischen aber verstohlen ihre Corona-App deaktivieren und insgeheim überlegen, ob Bill Gates nicht doch irgendwie seine Finger im Spiel hatte. Die traurige Realität ist: Verschwörungstheorien haben eine Halbwertszeit – und in 6 bis 18 Monaten sind sie nicht mehr nur Theorien. Dann sind sie wahr.

Nichts ist, wie es scheint

Verschwörungstheorien entstehen nicht aus dem Nichts. Sie sind kein plötzliches Hirngespinst von verwirrten Geistern, sondern sie gedeihen auf einem Nährboden, der sorgsam und über Generationen hinweg kultiviert wurde: der Zweifel. Schon immer waren die Menschen der Macht gegenüber misstrauisch, und das aus gutem Grund. Geschichte wird bekanntlich von den Siegern geschrieben, doch was geschieht mit all den Fußnoten, den ungeschriebenen Wahrheiten, die niemals ans Licht kommen sollten? Verschwörungstheorien sind gewissermaßen die spekulativen Fußnoten der Geschichte, die erst mündlich, dann im Internet verbreitet werden. Die Dynamik, die sie dabei entfalten, ist unvergleichlich.

Anfangs sind sie noch absurd: Die Erde ist eine Scheibe, das Virus wurde in einem Labor gezüchtet, Chemtrails versprühen geheime Stoffe, die unser Hirn weichkochen sollen. Niemand nimmt sie ernst, außer vielleicht eine Handvoll Menschen, die lange YouTube-Videos konsumieren und sich bei Telegram austauschen. Sie sind die Außenseiter, die Skeptiker, die Unangepassten. Wir, die Mehrheit, sind die Vernünftigen. Wir, die Wissenden, lachen sie aus.

Doch Lachen, so wissen wir, hat eine kurze Halbwertszeit. Es ist das Prekäre am Spotten: Er entzieht sich schnell seiner eigenen Grundlage, wenn der Spott in der Realität Wurzeln schlägt. Und in der Zwischenzeit tut sich einiges im Untergrund, dort, wo Theorien zirkulieren, mutieren und wachsen.

Halbwertszeit der Wahrheit

Man könnte sagen, die Halbwertszeit einer Verschwörungstheorie lässt sich in ihrer wissenschaftlichen Verwertbarkeit messen. In den ersten sechs Monaten bleibt sie reine Spekulation, meistens an den Rand gedrängt und von der breiten Öffentlichkeit ignoriert. Doch ab diesem Punkt beginnt die Realität, aufzuholen. Es ist, als würde die Verschwörung selbst mit der Wahrheit einen Deal eingehen: „Gib mir sechs Monate, und ich werde mich dir annähern.“ Die Fakten, die zu Beginn noch als völlig absurd erschienen, werden schleichend akzeptiert.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die „Wuhan-Labor-Theorie“. Zuerst lautete der Konsens: Das Virus stammt von einem Tiermarkt, Punkt. Jede andere Vermutung wurde als unsinnig, ja gefährlich eingestuft. Diejenigen, die sich an die Theorie klammerten, dass das Virus aus einem Labor stammen könnte, wurden diskreditiert. Doch was geschah nach etwa einem Jahr? Der Verdacht wurde salonfähig. In 18 Monaten entwickelte sich aus einer Spinnerei eine durchaus plausible Hypothese, die von offiziellen Stellen geprüft wird. Man könnte fast meinen, die Zeit selbst spiele eine Art zynisches Spiel mit uns: Was gestern noch Unsinn war, wird morgen zur Schlagzeile.

Ich hab’s euch ja gesagt!

Der vielleicht befriedigendste Moment im Leben eines Verschwörungstheoretikers ist der Moment, in dem er triumphierend „Ich hab’s euch ja gesagt!“ rufen kann. Nachdem er monatelang als Spinner abgetan wurde, wird er nun zum Seher, zum Propheten wider Willen. Diejenigen, die ihn einst belächelt haben, verstummen, werfen betretene Blicke zu Boden und fragen sich, warum sie es nicht früher erkannt haben. Man könnte meinen, dieser Moment der Bestätigung sei der Höhepunkt eines jeden paranoiden Lebenswerks. Doch weit gefehlt! Die Wahrheit hat einen bitteren Beigeschmack, denn wenn sich die Theorie bewahrheitet, wird der Theoretiker in seiner Skepsis nur bestärkt.

Ein weiteres Beispiel: Die Diskussion um Überwachungsstaaten und den Einsatz von Technologie zur Kontrolle der Bevölkerung. Vor einigen Jahren hätte man diejenigen, die vor der Einführung von Überwachungssystemen wie Gesichtserkennung oder staatlichen Datenbanken warnten, als Paranoiker abgestempelt. Heute jedoch gehören diese Technologien zu unserem Alltag, und die Kritiker von einst fragen sich: „Was kommt als Nächstes?“

Es ist also nicht nur die Theorie selbst, die sich bewahrheitet. Es ist die ständige Bestätigung einer existenziellen, uralten Angst: Dass hinter den Kulissen etwas vor sich geht, das wir nicht durchschauen – bis es zu spät ist.

Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern

Die wahre Meisterleistung unserer Gesellschaft ist nicht etwa das Fortschreiten von Wissenschaft oder das Herausfinden neuer Erkenntnisse. Nein, es ist unsere kollektive Fähigkeit, unser eigenes Lachen zu vergessen. Nachdem sich die Verschwörungstheorie als Wahrheit herausgestellt hat, geht man nahtlos in den nächsten Bewusstseinszustand über: Man tut so, als hätte man nie daran gezweifelt. Natürlich war es immer offensichtlich, dass das Virus aus dem Labor stammt. Natürlich wussten wir alle, dass die Regierung den Standort unserer Handys überwacht. „Es war doch klar!“ – so lautet die Parole.

Diese kollektive Amnesie erlaubt uns, von einer Verschwörungstheorie zur nächsten zu springen, immer in der Gewissheit, dass wir am Ende auf der richtigen Seite der Geschichte stehen werden. Es ist, als ob wir die Theorie nur so lange belächeln, bis sie wahr wird. Dann belächeln wir sie nicht mehr, sondern tun so, als wären wir immer schon im Bilde gewesen.

Die nächste Verschwörung wartet schon

Man könnte fast meinen, wir hätten nichts aus der Geschichte gelernt. Oder vielleicht haben wir es doch, und das Gelernte lautet: Skepsis ist nicht nur gesund, sondern überlebensnotwendig. Wer einmal verstanden hat, dass Verschwörungstheorien eine Halbwertszeit haben, wird sich hüten, sie sofort als Unsinn abzutun. Die Frage ist nur: Welche Theorie von heute wird in 6–18 Monaten als Wahrheit dastehen? Wird es der große Plan zur totalen Überwachung sein, oder doch die Manipulation unserer Gedanken durch geheime, subatomare Strahlen?

Man kann es sich nur zu gemütlich auf dem Sofa machen, sich die neueste Folge eines Dystopie-Thrillers ansehen und darüber nachdenken, wie nahe uns die Fiktion inzwischen gekommen ist. Die Halbwertszeit der Wahrheit tickt, und mit ihr die Uhr, bis zur nächsten Enthüllung, die alle überraschen wird – außer die Verschwörungstheoretiker.


Quellen und weiterführende Links

  1. „The Evolution of Conspiracy Theories“ – Eine wissenschaftliche Untersuchung zur Dynamik von Verschwörungstheorien und ihrer Akzeptanz in der Gesellschaft. Journal of Social Psychology (2022).
  2. „Von der Verschwörung zur Wahrheit: Wie sich Theorien über die Zeit wandeln“ – Artikel von Max Mustermann, erschienen im Tagesspiegel (2023).
  3. „Halbwertszeit von Verschwörungstheorien“ – Studie der Universität Leipzig, Archiv für Zeitgeschichte (2021).
  4. Verschwörungstheorien und ihre Dynamik im digitalen Zeitalter, Artikel auf Verfassungsblog.
  5. Conspiracy Theories: Causes and Effects, Beitrag auf Psychology Today.

Der III. Weltkrieg kommt ungelegen

Der bunte Wertewesten hat sein Pulver bereits für den kleinen Schauspieler aus Kiew verpulvert

Es war einmal in einem fernen Land namens WerteWesten, wo Freiheit, Demokratie und das Recht auf Netflix heilig waren. In dieser bunten, pluralistischen Idylle schien alles möglich. Man konnte wählen, ob man an die Natur glaubte oder lieber der Klimakatastrophe frönte, sich zwischen gendersensibler Sprache und denglischen Phrasen entscheiden oder einfach alles ignorieren und Influencer werden. Eines Tages kam jedoch ein kleiner Schauspieler aus Kiew – ein Mann, dessen frühere Bühnenleistungen niemand so recht kannte, doch dessen gegenwärtige Rolle alle umso besser verstanden: Er war der Held in einem Drama, das der Welt den moralischen Spiegel vorhalten sollte.

Und der WerteWesten, stets mit einem Blick auf die Leinwand und den anderen auf die Aktienkurse, war sofort Feuer und Flamme. Die Bühnenbretter, die für Freiheit und Menschenrechte standen, wurden mit Bombenwerfern und Panzern ersetzt. Kein Preis war zu hoch, keine Unterstützung zu klein für den tapferen Kämpfer aus Kiew, der das Böse – ja, das wahrhaftig Böse – in Form eines bärigen Nachbarn aus dem Osten bekämpfte. Ein Mann, der seit Jahren im Schatten lauerte, um endlich das heilige Bündnis aus Markenwerten und Konsumfreiheit anzugreifen.

Doch da gab es ein klitzekleines Problem. Der WerteWesten hatte, wie es seine Natur ist, mal wieder etwas übertrieben. Mit einem Enthusiasmus, den man sonst nur beim Black Friday oder der neuesten Staffel einer Casting-Show erlebt, hatte er alles verpulvert, was in seinen Waffenkammern lag. Nicht für den Frieden, nein – denn das ist so 20. Jahrhundert – sondern für den Krieg. Für den kleinen Schauspieler aus Kiew. Und jetzt, wo das Pulver alle war, klopfte jemand anderes an die Tür. Jemand, den man seit Jahren nicht ernst genommen hatte, weil er eben nicht so schöne Filme machte oder den westlichen Diskurs mit exotischem Flair bereicherte. Es war das Kalifat. Und es wollte sein Stück vom Kuchen.

Der III. Weltkrieg kommt immer zur falschen Zeit

Was für ein Timing! Gerade jetzt, wo die letzte Rakete in Richtung des bärigen Nachbarn abgeschossen war, stellte sich heraus, dass die wahren Feinde nicht im Osten, sondern in den eigenen Städten lauerten. Der III. Weltkrieg, der sich aus den Trümmern der modernen Diplomatie erhebt, ist ein Krieg, der nicht mit Drohnen und High-Tech zu gewinnen ist, sondern in den Köpfen und Herzen der Menschen. Der Krieg zwischen Kalifat und Freiheit ist längst nicht mehr nur ein Hirngespinst verstaubter Geopolitiker oder populistischer Demagogen. Er tobt bereits. Und während der WerteWesten noch über die Definition von „Freiheit“ debattiert und Gender-Toiletten als revolutionären Fortschritt feiert, ziehen die Anhänger des Kalifats leise, aber zielstrebig ihre Kreise.

Das Problem? Der WerteWesten hat keinen Plan. Denn wer konnte schon ahnen, dass nach Jahren des Multikulturalismus, des offenen Dialogs und der grenzenlosen Toleranz plötzlich eine Kultur aufstehen würde, die sich nicht integrieren lassen will? Die statt bunter Vielfalt eine schwarz-weiße Weltsicht propagiert, in der es keine Netflix-Abonnements, dafür aber jede Menge Regeln gibt? Regeln, die mit der Freiheit des Westens so viel gemeinsam haben wie veganes Hackfleisch mit einem saftigen Steak.

Die Stadtviertel, die man so großzügig den „Neubürgern“ überlassen hatte, wurden zu No-Go-Areas, in denen die Sharia mehr Gewicht hat als das Grundgesetz. Aber wer will schon so kleinlich sein? Schließlich hat der WerteWesten weitaus Wichtigeres zu tun: Den Krieg des kleinen Schauspielers finanzieren, der längst zum Prestigeprojekt verkommen ist. Dass dabei das Pulver für den Kampf gegen den echten Feind ausgegangen ist, stört niemanden. Oder zumindest niemanden in den Redaktionsstuben der Leitmedien, die lieber über das nächste Gendersternchen diskutieren als über den Verlust der europäischen Städte.

Die Städte Europas fallen. Auf Einladung.

Aber kommen wir zum Wesentlichen: Die Städte Europas sind längst erobert. Auf Einladung, versteht sich. Es ist ja nicht so, als ob die Krieger des Kalifats mit Sturmgewehren und Panzerfäusten durch die Straßen ziehen würden. Nein, das ist viel subtiler. Sie kamen als Gäste. Sie kamen als Bereicherung. Sie kamen, weil der WerteWesten es so wollte. Und als sie ankamen, fanden sie eine Gesellschaft vor, die sich selbst nicht mehr verstand, die sich in einem bizarren Wettstreit um den moralisch korrektesten Standpunkt aufgerieben hatte. Eine Gesellschaft, die dermaßen mit sich selbst beschäftigt war, dass sie nicht merkte, wie ihre Werte langsam aber sicher unterwandert wurden.

Natürlich gab es Warnungen. Stimmen, die darauf hinwiesen, dass es vielleicht keine so gute Idee sei, unkontrolliert Menschenmassen aus Regionen aufzunehmen, in denen das Wort „Freiheit“ nicht denselben Klang hat wie in den Cafés von Paris oder Berlin. Aber diese Stimmen wurden schnell zum Schweigen gebracht. Es war nicht politisch korrekt. Es war nicht weltoffen. Und es passte vor allem nicht in das Narrativ der grenzenlosen Toleranz.

Nun aber ist der Tag gekommen, an dem der WerteWesten aufwachen muss – sofern er noch kann. Denn während er sich darauf konzentrierte, einen Krieg zu führen, der ihm Prestige und moralischen Glanz einbrachte, hat er den Krieg verloren, der wirklich zählt. Den Krieg um die eigene Kultur. Den Krieg um die eigene Identität. Den Krieg, der nicht in fernen Ländern, sondern in den eigenen Straßen tobt.

Das Kalifat und die Freiheit

Die Anhänger des Kalifats, die in den Städten des WerteWestens Fuß gefasst haben, sind nicht einfach nur Migranten. Sie sind auch nicht nur Menschen, die eine bessere Zukunft suchen. Sie sind die Vorboten einer Kultur, die mit der westlichen Idee von Freiheit und Individualismus nicht kompatibel ist. Das ist nicht unbedingt ihre Schuld. Sie tun nur das, was sie für richtig halten. Das Problem liegt im WerteWesten selbst, der so sehr an seine eigene Überlegenheit glaubt, dass er nicht merkt, wie diese Überzeugung ihn blind gemacht hat.

Denn was ist Freiheit wert, wenn sie nicht verteidigt wird? Was sind Rechte und Freiheiten wert, wenn man sie jedem, der kommt, bedingungslos gewährt, ohne zu hinterfragen, ob diese Person überhaupt daran interessiert ist, diese Rechte und Freiheiten zu respektieren? Der WerteWesten hat sich selbst entwaffnet, indem er seine Grenzen nicht nur physisch, sondern auch ideologisch geöffnet hat.

Die Anhänger des Kalifats haben das längst erkannt. Sie wissen, dass sie in einem Krieg stehen, den sie nicht mit Waffen gewinnen müssen. Sie gewinnen ihn, indem sie einfach da sind, indem sie sich vermehren, indem sie ihre Werte und Überzeugungen in die Lücken pflanzen, die der WerteWesten selbst geschaffen hat.

Ein Feuerwerk der Ignoranz

Es ist fast schon tragisch, wenn man darüber nachdenkt. Der III. Weltkrieg, dieser große Krieg zwischen Kalifat und Freiheit, tobt bereits – und der WerteWesten, der einst stolz darauf war, die Fackel der Freiheit hochzuhalten, hat sich entschieden, die Augen zu verschließen. Man ist zu beschäftigt, die nächste große moralische Kampagne zu planen oder den kleinen Schauspieler aus Kiew zu feiern, um zu merken, dass der wahre Feind längst in den eigenen Reihen steht.

Was wird also passieren, wenn der Pulverrauch sich verzogen hat und der WerteWesten merkt, dass er nicht nur sein Pulver, sondern auch seine Werte verpulvert hat? Wird es ein Aufwachen geben, ein Ruck durch die Gesellschaft, ein Moment der Erkenntnis? Oder wird man einfach weitermachen, wie bisher, den nächsten moralischen Schlachtzug planen und hoffen, dass alles irgendwie gut ausgeht?

Die Wahrheit ist: Der III. Weltkrieg kommt nicht. Er ist schon da. Aber der WerteWesten ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um es zu merken.

Quellen und weiterführende Links:

Gatestone Institute: Europe’s Islamization
Douglas Murray: Der Selbstmord Europas
Thilo Sarrazin: Feindliche Übernahme
Ian Buruma: Die zerbrochene Demokratie – Wie der Westen sich selbst zerlegt
Ralph Giordano: Die zweite Schuld

Eine Farce auf Leben und Tod

Wie das IV. Reich mit dem Rollator zur Macht rollt

Manchmal wünscht man sich, die Realität wäre ein schlechter Witz. Doch in einem Land, in dem die Bierkrüge größer als das Vertrauen in den Staat sind, nimmt die Groteske unheimliche Züge an. Man stelle sich vor: Im Schatten der verregneten Nachkriegsjahrzehnte, zwischen Schrebergärten und Seniorennachmittagen, braut sich eine Revolution zusammen. Nicht etwa durch dynamische, ideengetriebene Jugendbewegungen – nein, diesmal kommt der Umsturz auf den wackeligen Beinen der deutschen Rentnerschaft daher, bewaffnet mit dem Rollator und der Bundesadler-Symbolik von vorgestern.

Was wie eine Szene aus einem Kabarettabend in den düstersten Kneipen Berlins klingt, wurde am 6. Dezember 2022 zur schaurigen Realität. An diesem Tag erwachte Deutschland mit einem Schlag aus seinem postdemokratischen Halbschlaf. Eine großangelegte Anti-Terror-Razzia, quer durch die Republik und sogar im Ausland, förderte ein Bündnis zutage, das so altbacken wie ihre Protagonisten selbst war: Ein geplantes Putschversuch, angeführt von einer illustren Gruppe, die in ihrer Blase der Entfremdung eine neue Ordnung herbeiführen wollte – das IV. Reich.

Doch bevor man nun allzu ernsthaft darüber nachdenkt, was diese Möchtegern-Reichsgründung für das politische System bedeutet, lohnt sich ein Blick auf die Akteure. Denn dieser vermeintliche Rentnerputsch, wie er inzwischen in den Medien genannt wird, ist nicht nur eine Gefahr für den Staat, sondern vor allem eine Farce epischen Ausmaßes.

Der Kaiser in der Kompressionstrumpfhose

In den Hauptrollen dieses Stücks der politischen Satire findet sich niemand Geringeres als Heinrich XIII. Prinz Reuß. Ein Name, der auf den ersten Blick klingt wie die Träume eines Nostalgikers, der bei der Nationalhymne noch „Deutschland, Deutschland über alles“ singt. Doch Heinrich XIII. hat offenbar nie aufgehört, an die längst verblassten Fabeln von Monarchie und deutschem Großreich zu glauben. Und während andere Blaublüter sich mit Charity-Galas und Luxushotels begnügen, bastelt unser Prinz an nichts Geringerem als einem neuen deutschen Staat. Natürlich mit ihm selbst als Staatsoberhaupt – wer denn sonst?

Dieser „Staatsmann in spe“ präsentierte sich der Öffentlichkeit vor allem als eine Mischung aus tragikomischem Monarchisten und liebenswert verwirrtem Großvater. Seine Beteiligung an obskuren Firmenkonstrukten, fragwürdigen Netzwerken und das Sammeln von Oldtimern ließen ihn bisher nicht weiter als eine Randfigur der deutschen Exzentrik erscheinen. Doch offenbar hatte er höhere Ambitionen, die weit über den Erwerb von Rolls-Royce-Karossen hinausgingen. Vielleicht war es der Plan, seine Kaffeekränzchen im Schloss gleich zum Kabinettssitzungen zu erheben. Die Ernennung von Ex-Richterinnen und pensionierten Offizieren als Ministerkandidaten deutet jedenfalls darauf hin.

Birgit und der Traum vom Richterstuhl im Rentenpalast

Ein Staat braucht eine starke Justiz, und wer wäre da besser geeignet als eine pensionierte Richterin mit einer politischen Vergangenheit in der AfD? Birgit Malsack-Winkemann, einst ehrenwert im Bundestag, hätte in dieser neuen Ordnung über Recht und Ordnung gewacht – oder das, was in der Putschistenblase dafür durchgehen sollte. Mit ihrem Lebenslauf als langjährige Juristin hätte sie sich wohl gut geeignet gefühlt, den Kurs in dieser „verwirrten Republik“ zu setzen, die sich offenbar aus den Resten einer längst untergegangenen Weltordnung zusammensetzen sollte.

Doch was wäre ein Justizministerium ohne die passenden Fälle? Vielleicht hätte sie die anstehenden Klagen gegen Rollator-Raser auf dem Alexanderplatz in Berlin bearbeitet. Oder die Verfolgung von Rentner-Revoluzzern, die nach dem dritten Schoppen „die alte Ordnung“ heraufbeschwören. Ein Trauerspiel in zwei Akten, doch die Eintrittskarten waren bereits vergriffen.

Der Traum vom militärischen Rollbataillon

Wohlgemerkt: Ein Rentnerputsch kommt nicht ohne militärische Unterstützung aus. Wie es sich für einen Staat im Aufbruch gehört, hatte das IV. Reich bereits begonnen, ein Netzwerk von militärisch organisierten Verbänden aufzubauen – stolze 286 „Heimatschutzkompanien“. Man stelle sich das Bild vor: Ehemalige Offiziere des Kommandos Spezialkräfte (KSK), die ihre besten Tage hinter sich haben, nun in Tarnuniform mit orthopädischen Einlagen und Gehhilfen ausgestattet. Sie hätten den Aufstand bewaffnet durchsetzen sollen – ein Bild von fast schon apokalyptischer Komik.

Mit dem militärischen Teil der Gruppe beschäftigt sich nun das Oberlandesgericht Stuttgart. Es bleibt zu hoffen, dass es weniger um den Einsatz von Sturmgewehren und mehr um die Gefahren für die Hüftgelenke der Beteiligten geht. Doch in aller Ernsthaftigkeit: Dass ehemalige Soldaten und Polizisten bereit waren, ihr Leben für diesen Wahn aufs Spiel zu setzen, ist nicht weniger erschreckend als das Trauerspiel ihrer politischen Naivität.

Rentner vs. Rechtsstaat

700 Polizisten – das ist die Zahl, die nötig war, um diese Rentner-Revolte zu zerschlagen. Schweres Gerät, Kampfmittelräumdienste, Spezialeinheiten: Man hätte fast meinen können, man sei inmitten eines hollywoodreifen Actionfilms, bei dem die feindlichen Truppen schon bereitstehen, den letzten Angriff zu wagen. Doch nein, es war nur eine Razzia gegen Reichsbürger und andere verlorene Seelen, die von einer besseren, einfacheren Welt träumen.

Der letzte Akt des Rentnerputschs ist jedoch kein großes Finale, sondern eher eine Farce, die ihre eigenen Widersprüche aufzeigt. Eine Gruppe, die sich auf alten Ideologien und realitätsfernen Wunschvorstellungen aufbaut, wurde innerhalb weniger Monate von den Behörden gestoppt. Und während die Prozesse gegen die Hauptbeschuldigten an den Oberlandesgerichten Frankfurt, Stuttgart und München beginnen, bleibt uns als Gesellschaft eine wichtige Erkenntnis: Der Rollator ist nicht die geeignete Waffe für einen Umsturz.

Der IV. Rentner-Reich

Was bleibt, ist der Nachgeschmack einer politischen Posse, die sich zwischen Wahnsinn und Lächerlichkeit bewegt. Der „Rentnerputsch“ ist weniger ein ernsthaftes Aufbäumen gegen das politische System als vielmehr ein Symptom einer alternden, entwurzelten Gesellschaft, die in ihren Erinnerungen an eine vermeintlich „bessere Zeit“ lebt. Sie ist unfähig, sich der Gegenwart zu stellen, und greift stattdessen auf bizarre Fantasien zurück, die irgendwo zwischen Kaiserreich und Kaltem Krieg stagnieren.

Das IV. Reich kommt also nicht mit Panzern und Sturmgewehren. Es kommt mit Rollatoren und Prothesen, begleitet von einer verblassten Erinnerung an ein Land, das so nie existiert hat. Und während wir darüber lachen – und das sollten wir unbedingt –, dürfen wir den Ernst der Lage nicht verkennen. Denn der Weg von der Groteske zur Gewalt ist manchmal erschreckend kurz.

Weiterführende Links:

Ein Synonym für familiäre Harmonie

Clans in den Städten: Hochkriminell, aber ohne Clankriminalität

Worte sind mächtige Waffen. Sie können Schlachten entscheiden, Kriege auslösen und manchmal – ganz selten – die öffentliche Meinung verändern. Es ist daher besonders erstaunlich, wie feinsinnig und geradezu kunstvoll der Begriff „Clan“ in der deutschen Medien- und Politikwelt jongliert wird. Eine Präzisionsarbeit, die einem Chirurgen mit zittriger Hand und übermäßiger Empathie für seine Schnitte gleicht. Denn eines wissen wir sicher: Es gibt Clans in unseren Städten. Sie sind da, sie existieren, sie operieren. Aber wehe, man wagt es, von „Clankriminalität“ zu sprechen – das wäre ja stigmatisierend!

Wir bewegen uns also im semantischen Minenfeld. Während in den Kiezen dieser Nation „clanbasierte Familienbetriebe“ gedeihen, die vor wirtschaftlichem Eifer förmlich überlaufen, wird in den Debattensälen der Republik ein diskursiver Eiertanz vollzogen. Da wird geschwitzt, argumentiert, herumlaviert – und am Ende bleibt die Erkenntnis: Die bloße Existenz krimineller Clans ist nicht das Problem. Das wahre Verbrechen ist das Wort „Clankriminalität“. Denn Sprache ist Macht, und wo kämen wir hin, wenn wir uns erlaubten, Dinge beim Namen zu nennen?

Ein sprachliches Wunderwerk der Moderne

Betrachten wir die kriminellen Aktivitäten der Clans einmal nüchtern. Es gibt Schutzgelderpressungen, Drogenschmuggel, Menschenhandel und Geldwäsche. Das alles sind altbekannte Delikte, die über Jahrhunderte hinweg ihren festen Platz in den Chroniken der Kriminalität gefunden haben. Doch seit einigen Jahren haben wir es mit einem neuen Phänomen zu tun, das die Behörden vor eine nie dagewesene Herausforderung stellt: Kriminalität ohne Adjektiv.

Man stelle sich das vor: Hochkriminelle Strukturen, die es tatsächlich geschafft haben, sich von jeglicher beschreibenden Einordnung zu emanzipieren. „Clankriminalität“? Zu spezifisch! Zu belastend für jene ehrbaren Familien, die nur zufällig in Zusammenhang mit kriminellen Machenschaften stehen. „Organisierte Kriminalität“? Schon besser, aber auch hier schwingt ein unangenehmer Unterton mit, der vielleicht dazu führen könnte, dass sich Einzelne diskriminiert fühlen.

Der Wunsch der politisch Verantwortlichen, uns vor der Unanständigkeit der Wahrheit zu bewahren, hat daher zu einer erstaunlichen Sprachschöpfung geführt: Kriminalität ohne festem Kontext, ohne klares Subjekt, ohne greifbare Struktur. Die Verbrechen geschehen, ja. Aber wer sie begeht? Nun, das ist eine ganz andere Frage. Und es wäre wirklich unfair, hier vorschnelle Urteile zu fällen.

Familienbetriebe mit Tradition

Es wäre jedoch ungerecht, die Clans nur als kriminelle Netzwerke zu beschreiben. Schließlich ist das „Clanbusiness“ oft ein regelrechtes Erfolgsmodell der Integration. Wer würde sich sonst um die Sicherstellung von Steuervermeidungstechniken kümmern oder den Drogenmarkt mit derartiger Effizienz und Professionalität regulieren? In einer globalisierten Welt, die von Monopolen und Konzernkartellen dominiert wird, setzen die Clans ein starkes Zeichen für Familienbetriebe, Hand in Hand mit einer jahrzehntelangen Tradition der Selbstständigkeit.

Der Erfolg dieser Modelle liegt in ihrer Langlebigkeit und der Fähigkeit, generationenübergreifend zu funktionieren. Ein Clan ist nicht nur eine kriminelle Vereinigung, er ist eine Gemeinschaft von Familien, die gemeinsam gedeihen – und das unter Bedingungen, die für gewöhnliche Unternehmen in derart kurzen Zeiträumen nicht zu schaffen wären. Während der Bäcker von nebenan unter der Last der deutschen Bürokratie zusammenbricht, florieren diese „Familienunternehmen“ in der Schattenwirtschaft. Selbstständigkeit ist hier das Schlüsselwort – und ein Begriff, den man in die Erfolgsgeschichten deutscher Immigrantengruppen einordnen könnte, wenn man nur nicht auf so unschöne Nebensächlichkeiten wie das Strafgesetzbuch achten würde.

Der Tanz der Unschuldigen im Kreis der Verantwortungslosigkeit

Aber wie sieht es auf der anderen Seite der Medaille aus? Wie gehen Staat und Gesellschaft mit diesen agilen Familienbetrieben um? Nun, die Polizei spricht unermüdlich von „Einzelfällen“, die Justiz verliert sich in der schieren Masse an „Komplexitäten“ und der Rest der Bevölkerung zuckt bloß mit den Schultern, während die Stammtischdiskussionen mit verschwörerischen Mutmaßungen über „den Staat“ enden, der ja angeblich sowieso nichts gegen diese Clans unternimmt.

Da ist etwas Wahres dran: Man könnte sich fragen, warum die Polizei angesichts der offensichtlichen kriminellen Aktivitäten nicht durchgreift. Doch die Antwort ist ebenso einfach wie erbarmungslos: Es handelt sich ja nicht um Clankriminalität! Die Verbrechen geschehen in einem Vakuum. Sie sind wie Regenwolken, die über der Stadt hängen und ihren Unheil vergießen, ohne dass man so genau wüsste, wer die Regenwolke eigentlich in Auftrag gegeben hat.

So bewegt sich die Polizei wie ein verzweifelter Tänzer in einem überfüllten Club. Sie will greifen, will fassen, will handeln – aber der Soundtrack des politisch korrekten Diskurses lässt sie im Takt verharren. Immerhin: Bei jeder Razzia, die angekündigt und artig medienwirksam inszeniert wird, bleibt das Wort „Clan“ peinlichst ungenannt. Ein gewaltiger Fortschritt im Kampf gegen die Verbrechen, die nicht benannt werden dürfen.

Stigmatisierung durch Wahrheit

Und hier liegt der eigentliche Kern des Problems: das drohende Gespenst der „Stigmatisierung“. Wir leben schließlich in einer Gesellschaft, in der das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann, nicht das Begehen eines Verbrechens ist, sondern die öffentliche Zuschreibung dieses Verbrechens an eine klar definierte Gruppe. Niemand will stigmatisieren. Denn die Stigmatisierung ist der letzte Schritt, bevor der gesellschaftliche Frieden zerbricht, bevor die Gruppenzugehörigkeit über das Individuum siegt. Es ist daher umso lobenswerter, dass sich die Politik entschieden hat, das Problem der Clankriminalität durch eine einfache, aber geniale Lösung zu lösen: Es gibt sie nicht.

Ein Hoch auf die politische Korrektheit! Sie erlaubt es uns, die Realität so zu biegen, dass sie in die moralischen Schablonen passt, die wir uns über Jahre hinweg gebastelt haben. Kriminalität darf nur dann Kriminalität genannt werden, wenn sie uns keine sozialen oder politischen Unannehmlichkeiten beschert. Clans? Das klingt doch schon viel zu vorbelastet. Sagen wir doch einfach: „kulturell geprägte Großfamilien mit erweiterter Erwerbstätigkeit.“

Eine Zukunft ohne Clankriminalität

Wo führt uns das alles hin? In eine wunderschöne, politisch korrekte Zukunft, in der Verbrechen selbstverständlich weitergeschehen – aber niemand mehr darüber spricht. Zumindest nicht in einer Weise, die jemanden beleidigen könnte. Wir können uns auf die Schulter klopfen: Es gibt Clans, es gibt Kriminalität, aber keine Clankriminalität. Eine brilliante rhetorische Meisterleistung, die nur in einer Gesellschaft möglich ist, in der das Benennen von Problemen gefährlicher erscheint als die Probleme selbst.

Vielleicht, nur vielleicht, könnte es hilfreich sein, ab und zu doch die Dinge beim Namen zu nennen. Aber wer braucht schon Ehrlichkeit, wenn man stattdessen durch die zynischen Schleier des Nicht-benennens segeln kann? Lasst uns weiterhin im politischen Ballett der Unverbindlichkeit tanzen. Denn eines ist klar: In einer Welt, in der Stigmatisierung schlimmer ist als Kriminalität, gibt es nichts Wichtigeres, als den schönen Schein zu wahren.


Weiterführende Links:

Der Schatten der Worte

Antisemitismus mit internationalem Antlitz

Wenn die Weltpolitik eine Bühne ist, dann sind die Akteure nicht nur Schauspieler, sondern auch Regisseure ihrer eigenen Dramen. Im Zentrum dieses globalen Theaters steht der UN-Generalsekretär António Guterres, der mit seinen jüngsten Äußerungen zur Eskalation des Nahostkonflikts die Zuschauer spaltet. Seine Worte, die in der Abstraktion der Diplomatie schwingen, werfen nicht nur Fragen nach der Balance in den internationalen Beziehungen auf, sondern auch nach den grundlegenden moralischen Imperativen, die einem solchen Amt zugrunde liegen sollten. Was geschieht, wenn eine Stimme, die für Frieden und Sicherheit stehen sollte, in einem Meer von Relativismus und Unsicherheit ertrinkt?

Das Versagen der Worte

Es ist ein nicht zu übersehendes Versäumnis, dass Guterres in seiner Verurteilung der Gewalt im Nahen Osten nicht einmal das Wort „Israel“ in den Mund nimmt. Stattdessen verhüllt er seine Aussagen in eine undifferenzierte Sprache, die das Gefühl vermittelt, als sei die Realität ein schwammiges Konstrukt, das man nach Belieben formen kann. Was soll der Bürger, der auf der Suche nach Klarheit und Wahrheit ist, von einem solchen Ansatz halten? Ist dies nicht eine subtile Form des Antisemitismus, eine verzeihliche Häresie im großen Buch der internationalen Diplomatie? In einer Zeit, in der die Gewalt in den Straßen Jerusalems und Gaza die Luft zum Schneiden dick macht, wird die Stimme des Generalsekretärs zur Flüstertüte eines unentschlossenen Echos.

Täter und Opfer im gleichen Atemzug

Die Fähigkeit, Täter und Opfer zu benennen, ist der Schlüssel zur moralischen Integrität in der internationalen Politik. Wenn Guterres nun die Eskalation des Konflikts als ein allgemeines Übel anprangert, während er gleichzeitig das angegriffene Israel ignoriert, weicht er einer klaren Positionierung aus. Es scheint, als wolle er den Tätern und Opfern ein gemeinsames Narrativ zuordnen, was das Vertrauen in die UN und die in ihr enthaltenen Werte untergräbt. Der Historiker Simon Schama nannte es einst das „Syndrom der moralischen Gleichheit“, in dem die Geschichten von Unterdrückten und Unterdrückern als gleichwertig behandelt werden. In einer Welt, die von einer solch gefährlichen Relativierung geprägt ist, wo führt uns das hin?

Ein humanitäres Werkzeug oder ein Witz?

Der Artikel 99 der UN-Charta, den Guterres 2023 ins Spiel bringt, um einen humanitären Waffenstillstand zu erwirken, wird in einem Kontext verwendet, der Fragen aufwirft. Wo waren diese Bemühungen, als in Syrien Hunderttausende starben, in Kongo Millionen getötet wurden oder als der Konflikt in der Ukraine Tausende in den Tod riss? Aber wenn Israel sich verteidigt ist Feuer am Dach? Es ist, als würde man einen Feuerwehrmann nur dann zu einem Brand rufen, wenn die Flammen das eigene Haus bedrohen. Guterres’ plötzlicher Einsatz des Artikels 99 wirkt nicht nur heuchlerisch, sondern auch wie der verzweifelte Versuch, dem antisemitischen Druck von außen gerecht zu werden, während er gleichzeitig die Augen vor der langfristigen humanitären Katastrophe in anderen Teilen der Welt verschließt.

Ein unverblümter Blick

Woher weiß man, dass es sich um Antisemitismus handelt? Die Antwort könnte einfacher nicht sein: Wenn die Realität ignoriert wird, während die Narrative von Tätern und Opfern in einem Atemzug genannt werden, entsteht ein Klima, in dem Juden nicht nur als Bürger des Staates Israel, sondern auch als historische Opfer der Geschichte zu einem abstrakten Konzept werden. Wenn die Welt vergisst, dass es bei den jüngsten Konflikten um das Überleben eines Staates und seiner Bürger geht, und stattdessen die tief verwurzelte Geschichte des Antisemitismus nur als Fußnote in einem Buch über „internationale Beziehungen“ abhandelt, dann ist die Frage nach der Existenzberechtigung des jüdischen Staates nicht nur eine rhetorische, sondern wird zum Verhängnis für die gesamte Region.

Der Weg in die Irre

Die Äußerungen Guterres‘, die wie aus einem Drehbuch für ein Drama voller Wendungen und Unklarheiten wirken, sind symptomatisch für die gegenwärtige Verfassung der internationalen Diplomatie. Wenn das Wort zur Waffe wird und die Deutungshoheit über die Realität in den Händen derjenigen liegt, die sich weigern, klare Positionen zu beziehen, dann können wir nur in einen Abgrund blicken. Ein Abgrund, der nicht nur die Wahrnehmung des Nahostkonflikts betrifft, sondern auch das Verständnis für Antisemitismus in seiner internationalisierten Form. Es bleibt zu hoffen, dass die Welt sich aus dieser diplomatischen Trance befreit, bevor die nächste Runde der Gewalt unausweichlich wird.

Quellen und weiterführende Links

  1. Guterres, A. (2023). „Statement on the Middle East Conflict.“ United Nations Press Release.
  2. Schama, S. (2002). „The American Future: A History.“
  3. UN Charter, Article 99.
  4. Bialer, S. (2019). „Anti-Semitism: A History.“

Diese kritische Analyse mag polemisch sein, doch sie ist notwendig, um das Bewusstsein für die Gefahren der Relativierung von Gewalt und die Ignoranz gegenüber historischem Unrecht zu schärfen. Nur durch ehrliche und mutige Auseinandersetzung mit diesen Themen können wir hoffen, eine bessere Zukunft zu gestalten.

Straffreiheit war gestern

Warum wir froh sein können, dass Haldenwang und Faeser den Wahnsinn des Denkens beenden

Man könnte es kaum glauben: Es ist 2024, und bis vor Kurzem durfte man in diesem Land tatsächlich noch frei seine Meinung äußern, ohne dass der Staat direkt vor der Tür stand, um sich höflich mit einem Rammbock anzukündigen. Ein regelrechter Skandal! Doch Dank Innenministerin Nancy Faeser und dem stets wachsamen Präsidenten des Verfassungsschutzes Thomas Haldenwang wird dieser anarchistische Zustand endlich beendet. Denn mal ehrlich – was ist gefährlicher als ein Bürger, der öffentlich seine Zweifel am Staate äußert? Genau: Einer, der dabei nicht gleich vom SEK aus dem Bett geholt wird.

Es ist eine „Frechheit“ – und das ist hier durchaus anerkennend gemeint – dass jahrzehntelang eine merkwürdige Laissez-faire-Attitüde herrschte, als würde der Staat seinen Bürgern einfach zutrauen, selbstständig zu denken. Wie naiv! Nun endlich kommt die Erlösung: Wer den Staat „delegitimiert“, das heißt, wer ihn kritisiert, anzweifelt oder gar wagt, an der unantastbaren Regierungspolitik zu rütteln, wird nicht länger als mündiger Demokrat angesehen. Vielmehr droht ihm, der delegitimierenden Gedankenwelt verfallenen Person, endlich die Strafverfolgung. Eine Wohltat für alle, die schon immer das Gefühl hatten, wir hätten viel zu viele Freiheiten und viel zu wenig Durchsetzungskraft.

Der lange ersehnte Katalog der „ungenehmigten Gedanken

Doch kommen wir zur Sache: „Delegitimierung des Staates“ – endlich, endlich hat jemand diesen wunderschönen Euphemismus in die Welt gesetzt! Was bedeutet das? Dass wir endlich aufhören, den gefährlichen Pfad des „kritischen Denkens“ und der „Demokratie“ als vermeintlich schützenswerte Güter zu betrachten. Wie faul doch das Argumentieren geworden ist, wenn man alle Naselang seine Meinung frei herausposaunen kann! Kritik war doch immer der schmutzige, ungehobelte Cousin der konstruktiven Zusammenarbeit, und jetzt endlich wird dieser unerzogene Störenfried delegitimiert.

Und Hand aufs Herz, wer braucht schon eine offene Debattenkultur, wenn wir staatlich geprüfte Einheitsmeinungen haben könnten? Einigkeit ist doch das, was zählt! Nur eine zersplitterte Gesellschaft meint, Meinungsvielfalt sei ein Wert an sich. Delegitimierung sagt es ja schon: Jede Abweichung vom staatlich festgelegten Gedankengut wird zu einer Gefährdung der Ordnung, zu einem Akt, der, wenn nicht gleich kriminell, doch zumindest sehr, sehr ungemütlich für den Bürger enden könnte. Zwangsdurchsuchungen wegen missliebiger Äußerungen? Klar doch, was haben Sie denn gedacht? Schließlich kann man einem Gedankenverbrecher nicht einfach so freie Hand lassen!

Warum eigentlich mit Argumenten

Es war einmal, so heißt es, in einer längst vergangenen Zeit, da versuchten Regierungen ihre Kritiker mit Argumenten zu überzeugen. Welch‘ irrwitzige Idee! Haldenwang und Faeser sind da weitaus moderner unterwegs. Warum die kostbare Zeit mit anstrengenden, differenzierten Debatten vergeuden, wenn man die Meinungsäußerung potenziell staatskritischer Bürger doch direkt in die Nähe des Strafrechts rücken kann? Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – und Schweigen kann man notfalls mit einem gut platzierten Durchsuchungsbefehl erzwingen.

Natürlich, Kritiker könnten jetzt behaupten, das sei eine bequeme Möglichkeit, um lästige Debattenkultur im Keim zu ersticken und unliebsame Meinungen einfach per Gesetz als „staatsgefährdend“ zu brandmarken. Aber das ist doch der Punkt: Effizienz, Leute! Warum sich den mühsamen, langwierigen Prozess der Überzeugungsarbeit antun, wenn es doch viel schneller geht, indem man alles, was nicht linientreu ist, direkt als gefährliche „Delegitimierung“ abstempelt? Es ist wie der Drive-In für Demokratie: Kurz und schmerzlos, und am Ende gibt’s keine Fragen, nur klare Antworten – vom Staat.

Das Upgrade der Demokratie

Es ist eine alte Weisheit: Ein kleines bisschen Totalitarismus hat noch keiner Demokratie geschadet. Ja, natürlich, alle diese liberalen Naivlinge sprechen ständig von Freiheit und Pluralismus. Aber mal ehrlich, wer hat die Zeit dafür? Zu viele Meinungen führen nur zu Chaos, und ein bisschen Ordnung muss sein. Faeser und Haldenwang verstehen das, sie wissen, dass Freiheit ein zerbrechliches Gut ist, das vor allem dann verteidigt werden muss, wenn niemand es mehr gebrauchen kann. Es ist wie mit einem guten Anzug: Man trägt ihn nur zu besonderen Anlässen, und die freie Meinungsäußerung sollte genauso behandelt werden – als Ausnahme, nicht als Regel.

Schließlich ist es ein offenes Geheimnis, dass nicht jede Meinung gleich viel wert ist. Manche Gedanken sollten gar nicht erst geäußert werden. Besonders die unangenehmen. Die Delegitimierungskritiker mögen einwenden, dass es ein schmaler Grat sei zwischen der Verteidigung des Staates und der Überwachung seiner Bürger. Aber genau da liegt doch die Schönheit: Wer braucht schon einen schmalen Grat, wenn man stattdessen eine breite Autobahn der staatlich überwachten Harmonie haben kann?

Willkommen in der Ära der Harmonie

Kritik an der Regierung war schon immer eine dieser altmodischen Ideen aus dem 20. Jahrhundert. Wir leben heute in einer Zeit, in der solche überkommenen Konzepte wie Meinungsfreiheit auf den Prüfstand gehören. Die Idee, dass jeder Hans und Franz seinen Senf zu den großen Fragen der Nation abgeben soll, ist schlicht veraltet. Die Zukunft gehört der Einheitlichkeit – und Faeser und Haldenwang wissen das. Sie haben den Mut, zu tun, was sich bisher niemand getraut hat: Das freie Denken zu einem Luxus zu erklären, den wir uns nicht mehr leisten können.

Stattdessen wird die Ära der staatskonformen Harmonie eingeläutet, in der es nicht mehr darum geht, sich mit lästigen Bürgermeinungen auseinanderzusetzen, sondern schlicht darum, eine Meinung zu haben, die genehm ist. Und wer möchte nicht genehm sein? Es ist doch viel einfacher, sich in den Wohlklang staatlicher Harmonie einzufügen, als ständig anstrengende Fragen zu stellen. Fragen, die vielleicht unbequeme Antworten verlangen. Die Delegitimierungsgesetze sind also ein echter Gewinn für den inneren Frieden – und für den äußeren Frieden des Staates. Wir sollten uns einfach alle anpassen und ein bisschen stiller sein.

Ein bisschen Überwachung schadet nie

Natürlich wird jetzt der ein oder andere Paranoiker aufstehen und behaupten, dies sei der Anfang vom Ende. Der Staat, so sagen sie, könne die Bevölkerung nicht für harmlose Meinungen kriminalisieren. Doch was ist schon „harmlos“? Wenn die Corona-Kritiker uns eins gelehrt haben, dann doch, dass aus harmlosen Gedanken schnell gefährliche Ideologien werden können. Ein bisschen Überwachung hat schließlich noch nie geschadet – und wenn doch, dann nur denen, die etwas zu verbergen haben. Es ist ein klassisches Nullsummenspiel: Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten!


Quellen und weiterführende Links

Der Arbeiterführer 2.0

Babler, der österreichische Jeremy Corbyn

Österreich, das Land der gemütlichen Kaffeehäuser, der wunderschönen Alpenpanoramen und des schlagkräftigen Schmähs, hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte politisch kaum durch revolutionäre Umwälzungen hervorgetan. Es mag also auf den ersten Blick etwas seltsam erscheinen, dass Andreas Babler, Bürgermeister der niederösterreichischen Kleinstadt Traiskirchen und mittlerweile auch Bundesparteivorsitzender der SPÖ, in manchen Kreisen als „österreichischer Jeremy Corbyn“ gehandelt wird. Die Frage, die sich nun stellt: Handelt es sich bei dieser Zuschreibung um einen Ausdruck heimlichen Stolzes auf einen vermeintlichen linken Messias – oder schlicht um den hilflosen Versuch, einen Funken revolutionären Eifers in das graue Getriebe der österreichischen Politik zu injizieren?

Denn eines ist klar: In einem Land, in dem ein K.-u.-k.-Nostalgiker wie Sebastian Kurz zum politischen Superstar avancieren konnte, wirkt Babler wie ein Anachronismus, der sich seinen Platz in der Geschichte erst noch verdienen muss. Doch vielleicht ist es genau diese Unzeitgemäßheit, die Babler interessant macht. Seine Haltung ist unmissverständlich: Anti-Neoliberalismus, Kapitalismuskritik und die unermüdliche Betonung der Bedeutung des Wohlfahrtsstaates. Seine Rhetorik? Direkt, klar und manchmal charmant unbequem – vor allem für jene, die sich im politisch-mittigen Mainstream wohlfühlen.

Doch hier stellt sich die Gretchenfrage: Ist Andreas Babler ein ehrlicher Anwalt der Arbeiterklasse oder bloß der romantische Anführer einer verlorenen Sache? Die Parallelen zu Jeremy Corbyn sind nicht zu übersehen, aber lassen sie sich auch wirklich halten?

Populismus, aber bitte mit Niveau

Jeremy Corbyn war für viele Briten das, was Babler für die Österreicher sein könnte: eine Symbolfigur der „anderen Politik“, der Sehnsucht nach mehr sozialer Gerechtigkeit und einer konsequenten Ablehnung der neoliberalen Dominanz. Doch wo Corbyn eine breite Basis unter den jungen Linken aufbauen konnte, ist Babler bislang vor allem ein Nischenphänomen geblieben. Seine populistischen Ansätze – und machen wir uns nichts vor, sie sind populistisch – tragen zwar den Mantel der Sachlichkeit, doch darunter verbergen sich knallharte Parolen, die im besten Fall als progressiv-romantisch und im schlimmsten Fall als weltfremd-naiv abgetan werden.

Die Frage, die sich aufdrängt: Hat Andreas Babler verstanden, dass das linke Politikverständnis der letzten Jahrzehnte in einem zunehmend globalisierten und von Kapitalströmen getriebenen Europa keinen Platz mehr hat? Oder versucht er, eine nostalgische Version des Sozialismus zu verkaufen, die höchstens bei Alt-68ern oder verirrten Jungsozialisten Anklang findet?

Die Welt von heute dreht sich schneller. Die sozialen Medien haben das politische Spiel verändert und jede noch so kleine Fehlzündung wird sofort von einem aufgebrachten Mob zerfleischt. Babler, der sich oft gegen den marktkonformen Mainstream stellt, wirkt in dieser Dynamik oft wie ein aufrechter Ritter im Kampf gegen Windmühlen – allerdings in Rüstung aus den 1970er Jahren.

Traiskirchen als Corbyns Islington

Traiskirchen – eine Stadt, die vor allem durch ihr Flüchtlingslager traurige Berühmtheit erlangt hat, könnte als Bablers Islington herhalten. Doch die Parallelen enden dort abrupt. Wo Corbyn mit dem städtischen Multikulturalismus Londons und seiner linken Hochburg spielte, muss Babler in einer politischen Realität operieren, die von der ländlichen, konservativen Seele Österreichs geprägt ist. Sein Kampf gegen die Flüchtlingspolitik, seine Verteidigung der Schwachen und Entrechteten – das alles ist schön und gut, aber reicht es aus, um das Erbe eines europäischen Sozialismus fortzuschreiben, der selbst in seiner Blütezeit nicht mehr als ein Ideal war?

Andreas Bablers Ausgangslage mag vergleichbar sein, doch seine Bühne ist deutlich kleiner. Während Corbyn auf dem internationalen Parkett stand, blickt Babler von einem hügeligen Aussichtspunkt auf Wien – und muss dabei zusehen, wie der rechte Rand immer weiter ins Zentrum rückt. Seine wohlmeinenden Appelle gegen die unmenschliche Behandlung von Geflüchteten oder die Vernachlässigung sozial schwacher Schichten verhallen oft in den Ohren jener, die sich längst der simplen, aber verführerischen Rhetorik von Angst und Abschottung zugewandt haben.

Die Linke als Relikt – eine Renaissance der Roten?

Es bleibt die Frage: Kann Andreas Babler das österreichische Pendant zur linken Revolution darstellen, wie sie Corbyn in Großbritannien angestoßen hat? Zweifelsohne, die Linke hat im gesamten europäischen Kontext an Zugkraft verloren. Doch Andreas Babler versucht, eine Gegenbewegung zu etablieren. Seine vehemente Ablehnung des „real existierenden Neoliberalismus“, wie er es nennt, und seine sture Beharrlichkeit auf Solidarität, soziale Gerechtigkeit und Arbeitsrechte haben durchaus Charme.

Aber ehrlich gesagt – wie viel Platz ist in der österreichischen Seele wirklich noch für die Linke? Vielleicht liegt der Reiz, den Andreas Babler ausübt, in seiner Fähigkeit, eine politische Alternative in einer Zeit zu verkörpern, in der Alternativen rar geworden sind. Er spricht die Sprache der Enttäuschten, jener, die sich von den technokratischen Apparatschiks in Brüssel, Wien und darüber hinaus verraten fühlen.

Doch der Zyniker in mir fragt sich, ob es sich bei dieser „Renaissance der Roten“ nicht um eine Art nostalgisches Aufbäumen handelt. Eine letzte verzweifelte Umarmung alter Ideale, bevor man endgültig ins Reich der politischen Bedeutungslosigkeit abdriftet. Die Welt hat sich verändert, und es bleibt zu fragen, ob jemand wie Babler in der Lage ist, diese neuen Herausforderungen anzunehmen – oder ob er lediglich der letzte Mohikaner einer sterbenden politischen Gattung ist.

Eine Brücke zu weit?

Man könnte also sagen, Andreas Babler sei der österreichische Jeremy Corbyn – aber nur, wenn man den Realitätsverlust als Grundvoraussetzung dafür definiert. Denn es ist doch so: Corbyn wurde von der Welle der Enthusiasten getragen und stürzte dennoch an den Klippen der britischen politischen Realität. Babler steht vor einem ähnlichen Dilemma. Er wird von seinen Unterstützern für seine Unbeugsamkeit gefeiert, doch die kritische Masse, die es bräuchte, um eine echte politische Revolution auszulösen, bleibt aus. Österreich ist nicht das Vereinigte Königreich, und der politische Diskurs hier ist oft weniger auf Rebellion, sondern auf Stabilität ausgelegt.

Während Corbyn ein Momentum erlebte, das von der kollektiven Wut der britischen Jugend getragen wurde, scheint Babler in einem politischen Vakuum zu agieren, in dem das Aufbegehren eher als skurrile Marotte denn als ernsthafte Bedrohung wahrgenommen wird. Wer braucht schon Revolutionäre, wenn es ohnehin nur noch um die Verwaltung des Status quo geht?

Babler mag ein ehrenhafter Kämpfer sein, aber der Zynismus der politischen Realität wird ihn am Ende einholen. Die Menschen mögen seine Visionen bewundern, aber sie werden ihm kaum die Macht geben, diese umzusetzen. Ein tragisches Paradoxon, das jedem linken Politiker irgendwann widerfährt: Man möchte die Welt verändern, aber die Welt hat längst aufgehört, auf solche wie ihn zu hören.

Ein Held – aber nur in unseren Herzen?

Andreas Babler wird vielleicht nie das werden, was Jeremy Corbyn für viele in Großbritannien war: ein echter Hoffnungsträger der Linken. Dafür fehlt ihm die Bühne, das Momentum und – seien wir ehrlich – die Zeit. Während die britische Linke immerhin noch einen schwachen Impuls verspürt, scheint die österreichische Linke seit langem tot zu sein. Babler mag sie aufrütteln, aber ob er sie wirklich wiederbeleben kann, bleibt zweifelhaft.

Und doch, in der Stille eines langen politischen Winters, könnte es sein, dass die Ideen von Babler irgendwann auf fruchtbaren Boden fallen – wenn die Umstände es zulassen. Vielleicht ist es nicht Babler, der versagt, sondern die Zeit, die noch nicht reif ist für eine solche Rückkehr zu sozialistischen Idealen. Vielleicht.


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