Der Dreck der grünen Zukunft

Die grüne Illusion und ihre dunklen Schatten

Die Welt der E-Mobilität wird oft als der leuchtende Stern am Himmel der nachhaltigen Technologien gepriesen. Elektroautos, mit ihrem schimmernden Karosseriedesign und der verführerischen Versprechung eines emissionsfreien Fahrens, scheinen das Heilmittel gegen die Klimaerwärmung und die Umweltverschmutzung zu sein. Die moralische Überlegenheit des Westens, der mit einem überlegenen Lächeln in die Zukunft blickt, könnte nicht größer sein. Doch während wir stolz unseren Weg in die saubere Zukunft beschreiten, blenden wir geschickt die unsichtbaren Hände aus, die die Rohstoffe für diese glänzenden Wunderwerke aus dem Erdreich graben. Ist der Schein wirklich so makellos, oder handelt es sich hierbei um eine grandiose Illusion, die die dunklen Abgründe des globalen Kapitalismus kaschiert?

Die Illusion der Sauberkeit

So ziehen wir also mit unseren Elektroautos durch die Straßen, den Kopf hoch, das Gewissen rein – oder zumindest rein genug, um die nachdenklichen Fragen, die uns vielleicht plagen, in den hintersten Winkel unseres Bewusstseins zu schieben. Die Werbebotschaften der Autohersteller preisen uns die „saubere Mobilität“ an, als wäre der Ausstoß von CO₂ ein Relikt der Vergangenheit, das wir mit jedem neuen Kauf endgültig hinter uns lassen können. Wir haben die Rechnung für unseren Umweltschutz brav beglichen, und die Luft riecht nach Freiheit und Fortschritt. Doch die Frage bleibt: Was passiert in der dunklen Welt der Rohstoffgewinnung, die diesen Traum erst ermöglicht?

Der Preis der Fortschrittlichkeit

Wie so oft in der modernen Welt hat alles seinen Preis. Im Fall der E-Mobilität sind es nicht nur die hohen Anschaffungskosten für Elektroautos, sondern auch die moralischen Kompromisse, die wir eingehen, um unseren eigenen Komfort zu wahren. Während wir in unseren klimaneutralen Traumautos durch die Straßen cruisen, graben Kinder in den Kobaltminen des globalen Südens mit bloßen Händen in der Erde – als ob die Schaufeln der Ausbeutung die moralischen Dilemmata überbrücken könnten. Kobalt, der geheimnisvolle Rohstoff, der die Herzen unserer Batterien am Laufen hält, wird häufig unter Bedingungen gewonnen, die im Widerspruch zu unseren ethischen Werten stehen. Aber hey, Hauptsache, die Luft bleibt rein, oder?

Die moralische Absolution des Westens

Hier kommt die moralische Absolution ins Spiel. Während wir uns in den Sofas unserer klimatisierten Wohnstuben zurücklehnen und die Nachrichten über den nächsten großen Fortschritt in der E-Mobilität konsumieren, ist der Schweiß und die Verzweiflung der Menschen, die für unsere Bequemlichkeit leiden, unsichtbar. Wir erteilen uns selbst die Erlaubnis, nicht hinzusehen, denn schließlich tun wir ja etwas Gutes – wir setzen auf Elektroautos, die „die Welt retten“. Es ist ein bisschen so, als würden wir auf eine Wohltätigkeitsveranstaltung gehen und gleichzeitig die Wurzeln der Ungleichheit ignorieren, die unser „gutes Werk“ erst ermöglichen. Der Kontrast zwischen unserem Leben und dem der Menschen, die für unsere Technologien bezahlen, könnte nicht krasser sein.

Die heuchlerische Heiligkeit der Grünen

Und dann gibt es die Grünen, die sich mit ihren heiligen Mantras für die Umwelt vor die Mikrofone stellen und uns belehren, wie wichtig es ist, auf die Umwelt zu achten. Natürlich ist es wichtig! Doch wo bleibt der Aufschrei, wenn es darum geht, die unangenehme Wahrheit über die Rohstoffgewinnung für unsere Elektrofahrzeuge anzusprechen? Da wird lieber auf den tollen neuen Katalog der emissionsfreien Autos hingewiesen, während die Berichte über Kinderarbeit und Umweltverschmutzung in den Minen in der Versenkung verschwinden. Es ist das typische Bild der heuchlerischen Heiligkeit: Wir können ja nicht alles wissen, nicht alles fühlen, also lassen wir die Drecksarbeit einfach von anderen machen.

Der Kreislauf des Ausbeutungs-Kapitalismus

Der Kreislauf der Ausbeutung ist nicht neu, aber die E-Mobilität hat ihm einen neuen, glitzernden Anstrich verliehen. Wo früher Öl und Gas als die Bösewichte galten, nehmen wir nun die „grünen“ Rohstoffe in die Hand, ohne die dunklen Schatten ihrer Gewinnung zu hinterfragen. Wir feiern die E-Mobilität als das nächste große Ding, als die Lösung für die Klimakrise – und während wir das tun, blenden wir die Realität aus, dass die Rohstoffe, die für diese Technologien benötigt werden, oft unter brutalsten Bedingungen gewonnen werden. Aber was kümmert uns schon die Realität, wenn wir in unseren sauberen, leisen, schnittigen Elektroflitzern über die Landstraße brausen?

Ein plätschernder Bach der Heuchelei

Die Debatte um E-Mobilität gleicht einem plätschernden Bach der Heuchelei, der sanft die Gewässer der gesellschaftlichen Verantwortung hinunterfließt. Wir nehmen gerne die gute Nachricht auf, dass wir umweltbewusst handeln, während wir die unbequemen Wahrheiten über die Preisgabe von Menschenleben und die Zerstörung der Umwelt in anderen Teilen der Welt ignorieren. E-Mobilität ist also eine Art der bewussten Ignoranz, die uns erlaubt, das Gewissen zu beruhigen, während wir den Gasfuß mit einem Grinsen auf das „grüne“ Pedal drücken.

Der Weg in die Zukunft oder der Pfad zur Doppelmoral

Am Ende bleibt die Frage: Ist die E-Mobilität wirklich der Weg in eine saubere, grüne Zukunft oder nur ein weiteres Kapitel im Buch der Doppelmoral? Während wir uns in unserer Komfortzone der modernen Technologie sonnen, dürfen wir nicht vergessen, dass der Preis, den wir zahlen, nicht nur in Euro oder Dollar bemessen werden kann, sondern auch in Menschenleben und ökologischen Kosten, die in den Minen und auf den Straßen fernab unserer eigenen Welt bezahlt werden. Der Schein mag grün sein, aber die Wahrheit ist es oft nicht.

Quellen und weiterführende Links

  1. Amnesty International. „The Hidden Costs of Electric Cars“ Link zur Studie.
  2. Human Rights Watch. „The Price of Batteries: Human Rights and the Politics of Cobalt“ Link zur Studie.
  3. Greenpeace. „Mining for Electric Cars: How Green is the Battery?“ Link zur Studie.
  4. McKinsey & Company. „The Future of Mobility: How Electric Cars Will Reshape the Industry“ Link zur Studie.
  5. The Guardian. „The Dark Side of Electric Vehicles“ Link zur Studie.

In der Suche nach einer wahrhaft nachhaltigen Zukunft müssen wir bereit sein, die unbequemen Fragen zu stellen und die Realität zu konfrontieren, anstatt sie hinter dem glänzenden Blech unserer Elektroautos zu verstecken.

Ein Leitfaden für den modernen Gotteskrieger

Die drei goldenen Regeln der Strafverteidigung für Islamisten

In unserer liberalen und selbstverständlich fortschrittlichen Welt, in der Recht und Unrecht so schillernd miteinander verschmelzen wie ein schlecht geschnittener Propagandafilm, darf eines nicht fehlen: der ultimativen Verteidigungsstrategie für jene, die im Namen des Glaubens Bomben werfen, unschuldige Menschen erschießen und anschließend vor Gericht erscheinen, um ihre „unschuldigen“ Hände zu heben. Ja, die Strafverteidigung für Islamisten gleicht einer Art erlesener Kunst. Mit Zynismus betrachtet und einem Augenzwinkern bedacht, präsentiere ich Ihnen die drei goldenen Regeln der Strafverteidigung für jene, die sich im Dschihad verirrt haben.

Es gibt drei essentielle Regeln, die jeder Verteidiger eines angeklagten Gotteskriegers auswendig lernen muss – wie die Suren, die einst in einer Madrasa gemurmelt wurden. Sie sind ein universeller Schlüssel zu Freiheit oder zumindest zu mildernden Umständen:

  1. „Ich kann mich nicht erinnern.“
  2. „Die Stimmen haben mir befohlen.“
  3. „Ich bin traumatisiert und psychisch krank.“

Diese Regeln, wenn mit Präzision und einer Träne im Auge dargeboten, haben die Macht, selbst den härtesten Richter ins Grübeln zu bringen. Schauen wir uns also dieses kleine Meisterwerk der juristischen Eskapaden im Detail an.

Das goldene Amnesie-Syndrom

Die erste und wohl eleganteste aller Verteidigungsstrategien: die gepflegte Gedächtnislücke. Nun, Sie könnten meinen, ein Mensch, der Jahre seines Lebens dem minutiösen Studieren von explosiven Handbüchern, strategischen Planungen und der Glorifizierung des „Heiligen Krieges“ gewidmet hat, könne sich gut erinnern, wer seine Ausbildung bezahlt und wann er das erste Mal einem Waffenhändler die Hand geschüttelt hat. Aber nein! Plötzlich, wie von Allahs eigenem Willen, versagt das Gehirn.

„Haben Sie wirklich in Syrien an einem Terrorcamp teilgenommen?“
„Äh… das weiß ich nicht mehr so genau. War es Syrien? Vielleicht war es auch die Türkei? Ach, mein Kopf, verstehen Sie… es ist alles so verschwommen.“

Pro-Tipp: Diese Strategie funktioniert besonders gut, wenn man die rührende Geschichte von Hitze, Sandstürmen und Nahrungsmangel erzählt. „Die Sahara war gnadenlos, Euer Ehren. Kein Mensch erinnert sich, wenn er tagelang nichts gegessen hat.“ Notfalls hilft auch ein gut gespielter epileptischer Anfall während der Vernehmung – nichts bringt Amnesie glaubhafter rüber als spontane Krämpfe und Schaum vor dem Mund.

Und seien wir mal ehrlich: Wer könnte einem Mann böse sein, der schlichtweg nichts mehr weiß? Erinnerungen, das sind nur Details, die die „Unterdrückten“ nicht belasten sollten. Schließlich ist Vergessen doch der erste Schritt zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft, nicht wahr?

Die schizophrene Eingebung des Propheten

Die zweite goldene Regel ist nicht nur eine hervorragende Verteidigung, sondern auch ein Paradebeispiel dafür, wie flexibel der menschliche Geist auf rechtliche Zwickmühlen reagieren kann. Kaum steht unser tapferer Angeklagter im Zeugenstand, legt er plötzlich dar, dass er die ganze Zeit über nur Befehlen gefolgt sei – nicht von irgendeinem Emir oder wahabitischen Hassprediger, nein, die Befehle kamen direkt von oben, oder sagen wir: von innen.

„Es waren die Stimmen, Euer Ehren. Sie sagten mir, ich solle die Bombe legen.“

Die Stimmen, so mysteriös wie unerbittlich, haben nicht nur die Kontrolle über die Handlungen des Angeklagten übernommen, sondern auch die Verantwortung. Hier ist der Trick: Die Stimmen sind nicht zu fassen, nicht zu widerlegen, nicht anzuklagen. Sie lassen sich weder vorladen noch befragen. Und das ist das Schöne daran! Der unsichtbare Freund aus der Parallelwelt – nennen wir ihn mal den imaginären Mufti – wird zum ultimativen Alibi für jegliche Gräueltat.

Bonus: Falls der Richter eine gewisse Skepsis zeigt, fügt man noch hinzu: „Es könnte natürlich auch der CIA gewesen sein… oder der Mossad. Sie haben solche Technologien, wissen Sie?“ Voilà! Ein bisschen Verschwörungstheorie, und schon wird die Verteidigung zur philosophischen Diskussion über Kontrolle und Manipulation durch die Mächtigen.

Das Schlupfloch der Zivilisation

Kommen wir zur Krönung der modernen Verteidigung: der psychischen Erkrankung. Traumatisiert. Depressiv. Von Angststörungen geplagt. Der dritte und wohl am weitesten verbreitete Joker im juristischen Pokerspiel. Wer könnte es einem Mann verdenken, der in den Ruinen eines Bürgerkriegs aufgewachsen ist, traumatisiert von der grausamen Realität, die er Tag für Tag ertragen musste?

Das Mantra lautet: „Er war psychisch labil, Euer Ehren. Der Krieg hat ihn kaputt gemacht.“
Und was kommt nach der Traumatisierung? Natürlich, die psychische Krankheit. Der Dschihadist, der sich in Europa mit einem Sprengstoffgürtel durch eine U-Bahn zwängt, tut dies nicht aus Hass, sondern weil er schlichtweg verrückt ist. Verständlich, oder?

Die Verteidigung wird rührselig: „Dieser junge Mann ist nur ein weiteres Opfer des Krieges. Sein Gewissen war schon lange, bevor er zur Tat schritt, zerbrochen. Ein Opfer der Umstände. Und jetzt leidet er unter PTSD, schweren Depressionen und einer bipolaren Störung.“

Und während der Staatsanwalt verzweifelt nach Argumenten sucht, die Massenmorde zu verurteilen, zücken die Verteidiger das Totschlagargument: „Es war nicht er selbst, der diese Taten begangen hat. Es war seine Krankheit!“

Die Krönung: Sobald der psychiatrische Bericht vorliegt, könnte der Angeklagte bald in eine bequeme Reha-Anstalt statt in ein Hochsicherheitsgefängnis eingeliefert werden. Die moderne Zivilisation liebt es schließlich, psychisch Kranke zu rehabilitieren – und warum sollte man nicht den einen oder anderen verirrten Gotteskrieger ebenfalls auf den Pfad der Besserung führen?

Die raffinierte Kunst des Entrinnens

Zusammengefasst: Die drei goldenen Regeln der Strafverteidigung für Islamisten erheben das Spiel der Justiz in schwindelerregende Höhen. Mit einem geschickten Wechselspiel aus Gedächtnisverlust, mysteriösen Stimmen und einem Cocktail aus Traumata und psychischen Störungen lässt sich jede Anklage aufweichen, bis sie wie ein unappetitlicher Brei zerfließt. Schließlich will niemand in einer modernen, toleranten Gesellschaft als herzloser Verfechter der harten Strafen dastehen.

Und das ist das eigentliche Genie dieser Verteidigungsstrategien: Sie appellieren an die tiefsten Ängste und Schwächen einer liberalen Gesellschaft, die verzweifelt versucht, Gnade über Gerechtigkeit zu stellen. Sofern man also nur die richtigen Worte findet, öffnen sich die Tore des Rechtsstaats weit für jene, die es wagen, im Namen der Barbarei zu handeln – solange sie sich an die goldenen Regeln halten.


Quellen und weiterführende Links

  1. Deigh, John. The Cambridge Handbook of Human Dignity: Interdisciplinary Perspectives. Cambridge University Press, 2014.
  2. Butler, Judith. Precarious Life: The Powers of Mourning and Violence. Verso, 2006.
  3. Fussey, Pete, et al. Counterterrorism and state political violence: The ‚war on terror‘ as terror. Routledge, 2015.
  4. Amnesty International. „Psychische Erkrankungen und Terrorismus: Ein Zusammenhang?“ [Artikel, 2020].

Diese Verweise könnten Ihnen nicht nur die Feinheiten der juristischen Verteidigung näherbringen, sondern auch einen tiefen Einblick in die moralischen Zwiespalte unserer Zeit geben. Möge das Recht triumphieren – oder zumindest die Amnesie.

Und es gibt ihn doch

Rassismus gegen Weiße gibt es nicht, kann es nicht geben und wird es nie geben. Amen.

Man stelle sich die Szene vor: Ein erhabener Sessel, irgendwo in einem unbestimmten Raum über den Wolken der politisch korrekten Stratosphäre, aus dessen Polster sich eine ebenso erhabene Stimme erhebt, vielleicht begleitet von einem gedämpften Engelschor. Dort, auf diesem Thron der Unfehlbarkeit, sitzt der moderne Zeitgeist, mit erhobenem Zeigefinger, ein Lächeln wissender Überlegenheit auf den Lippen, und verkündet ex cathedra: „Rassismus gegen Weiße gibt es nicht, kann es nicht geben und wird es nie geben.“ Die Menge nickt, applaudiert. Amen.

Doch irgendwo in einem Paralleluniversum – oder vielleicht nur in der verschollenen Fußnote eines Postcolonial-Studies-Manifests – hört man das Echo eines anderen Denkers: „Und sie dreht sich doch!“ Dieses Mal jedoch nicht Galileo Galilei, der wackere Verteidiger der kopernikanischen Weltanschauung, sondern ein etwas verdutzter Durchschnittsbürger, der sich zu fragen beginnt, ob das, was er mit seinen eigenen Augen sieht und mit seinen eigenen Ohren hört, tatsächlich durch ein bloßes Dogma zum Verschwinden gebracht werden kann. Spoiler: Nein, es kann nicht.

Das heilige Dogma: Rassismus als Einbahnstraße

Beginnen wir mit dem Dogma, das die Debatte durchdringt wie Weihrauch die Ostermesse. In den heiligen Schriften des modernen Antirassismus wird gelehrt, dass Rassismus eine Frage der Machtstrukturen sei. Weiße, so heißt es, können keinen Rassismus erfahren, weil sie Teil einer globalen Herrschaftsklasse seien, die durch Kolonialismus, Imperialismus und Kapitalismus geformt wurde. Die Geschichte, so die offizielle Liturgie, hat die Weißen unweigerlich zu Tätern gemacht, während People of Color die Opfer sind – immer, überall, ungeachtet des Kontextes.

Nun könnte man einwenden, dass Machtverhältnisse komplexer sind, dass sie sich je nach geopolitischer oder gesellschaftlicher Situation ändern. Man könnte gar auf die Idee kommen, dass Macht eine wandelbare Größe ist, dass auch Weiße in bestimmten Räumen Opfer von Diskriminierung sein könnten, so wie People of Color in anderen Kontexten privilegiert sein können. Doch halt! Wer so argumentiert, begeht bereits den ersten Akt der Ketzerei gegen das sakrosankte Credo des Identitätspolitischen Kanons. Er zweifelt am Dogma. Und wenn eines klar ist, dann dies: Zweifeln führt immer zum Scheiterhaufen der öffentlichen Ächtung.

Die Kanzel der „Hegemonialen Macht“ und ihre untadelige Lehre

Die klassische Definition von Rassismus – also Vorurteile oder Diskriminierung basierend auf Rasse – ist lange tot, abgeschafft, verbrannt auf dem Scheiterhaufen der postmodernen Ideologie. An ihre Stelle ist eine weit komplexere, manche würden sagen weitaus verworrendere, Definition getreten, die nicht so sehr das Individuum als Subjekt von Diskriminierung sieht, sondern als Teil eines omnipräsenten Systems der Unterdrückung. Der weiße Bäckermeister aus Graz oder der weißhäutige Straßenkehrer in Manchester? Kollateralschaden eines Systems, das sie unweigerlich als Teil der „hegemonialen Machtstruktur“ stigmatisiert.

Selbst dann, wenn ein solcher Bäcker oder Straßenkehrer mit Beleidigungen, Gewalt oder Diskriminierung konfrontiert wird, darf dies nicht als Rassismus interpretiert werden. Denn, so lehrt uns der neue Katechismus, um „echten“ Rassismus zu erleben, müsste er die strukturelle Macht des Systems gegen sich haben. Weiße Menschen haben, so die Lehre, durch ihre bloße Existenz Teilhabe an dieser strukturellen Macht, und damit können sie unmöglich Opfer sein. Dasselbe gilt übrigens auch dann, wenn sich Machtverhältnisse regional oder sozial umkehren. Und in den Worten des großen Postmodernisten: „That’s just the way it is.“

Der moderne Ketzer: „Und es gibt ihn doch!“

Doch lassen wir uns einen Moment in die Gedankenwelt des Ketzers eintauchen, jener modernen Variante des Galileo Galilei, der einen leisen Verdacht hegt, dass diese dogmatische Doktrin vielleicht nicht den gesamten Bereich der Realität abdeckt. Dieser Galileo der Gegenwart würde möglicherweise, wenn auch zögerlich, darauf hinweisen, dass es viele Beispiele gibt, in denen weiße Menschen Diskriminierung erfahren – ja, möglicherweise sogar aufgrund ihrer Hautfarbe.

Er könnte etwa auf die jüngsten Entwicklungen in Südafrika verweisen, wo in einigen Regionen anti-weiße Ressentiments durchaus virulent sind und Weiße systematisch aus wirtschaftlichen oder politischen Prozessen ausgeschlossen werden. Oder er könnte auf die USA schauen, wo es in bestimmten identitätspolitisch aufgeladenen Diskursen mittlerweile salonfähig ist, pauschal und in verallgemeinernder Weise über „weiße Privilegien“ zu reden, was in einigen Kontexten durchaus zu feindseligen Einstellungen gegenüber Weißen führt.

Doch der moderne Ketzer wird gewarnt. Denn die Kanzel der neuen Orthodoxie ist wachsam. „Dies sind keine Beispiele von Rassismus!“, wird man ihm entgegenhalten, „Dies sind bloße Reaktionen auf Jahrhunderte der kolonialen Unterdrückung und der systematischen Diskriminierung.“ Was er beobachtet, ist keine Diskriminierung gegen Weiße, sondern lediglich der notwendige Ausgleich einer historischen Schuld. Jede Form der Demütigung, Verachtung oder Benachteiligung, die Weiße in diesem Kontext erfahren, ist also eine Form von „Wiedergutmachung“ – oder anders gesagt: eine Therapie für die kollektive Seele der Weltgeschichte.

Der Zyniker in der letzten Kirchenbank: Rechnen wir mal nach

Natürlich könnten wir, wie echte Satiriker es zu tun pflegen, die Rechenschieber zücken und anfangen, das Ganze nüchtern durchzukalkulieren. Nehmen wir das Argument der „strukturellen Macht“ ernst. Wir könnten fragen: Ab wann ist ein Individuum privilegiert genug, um nicht mehr Opfer von Rassismus werden zu können? Müssen wir ein bestimmtes Gehalt erreichen? Eine bestimmte Anzahl von Aktien halten? Oder reicht es bereits, in einem Land zu leben, das historisch als Kolonialmacht galt, um automatisch „strukturelle Macht“ zu genießen? Ist der obdachlose weiße Mann auf der Straße etwa ein Teil der „hegemonialen Macht“, während der wohlhabende, im Luxus lebende Angehörige einer Minderheit nicht dazu zählt?

Diese Art der Fragen ist freilich unangenehm. Denn sie entlarvt die Widersprüche der modernen Rassismusdebatte, die so sehr darauf bedacht ist, nicht die individuelle Situation, sondern nur noch die kollektive Schuld oder das kollektive Opfersein zu sehen. Die Realität jedoch, wie der moderne Galileo Galilei zu bemerken wagt, ist nicht schwarz-weiß. Sie ist komplex, chaotisch und weit weniger in vorgefertigte Schablonen zu pressen, als es die dogmatischen Lehrmeinungen uns glauben machen wollen.

Der Humor der Unfehlbaren: Wo bleibt das Augenzwinkern?

Das Satirische an dieser ganzen Debatte ist vielleicht nicht einmal die Tatsache, dass Rassismus als ein strikt unidirektionales Phänomen dargestellt wird – das wäre ja noch irgendwie zu erklären, wenn man sich auf die Machtstrukturen fokussiert. Nein, das Satirische ist vielmehr die absolute Ernsthaftigkeit, mit der diese Position verteidigt wird, als sei sie göttlich offenbart. Keine Ironie, kein Augenzwinkern, keine Zugeständnisse. Es ist, als hätten sich Teile des linken Diskurses von einer humorlosen Form des politischen Puritanismus infizieren lassen.

Manchmal ertappt man sich dabei, die Ironie zu vermissen, die früher in politischen Debatten das Salz in der Suppe war. Wo sind sie geblieben, die schelmischen Grinser, die uns zumindest zu verstehen gaben, dass auch sie wussten, wie absurd es sein kann, starre Definitionen auf eine viel zu komplexe Welt anzuwenden? Heute gibt es keinen Raum mehr für Selbstironie, keine Bereitschaft, die eigene Position infrage zu stellen. Alles ist zur unumstößlichen Wahrheit geworden – und wie wir aus der Geschichte wissen, sind unumstößliche Wahrheiten selten gesund für die geistige Freiheit.

Epilog: Die ewige Wiederkehr des Verdrängten

Und so bleibt uns nur eines: Das leise Murmeln des modernen Galileos zu hören, der da sagt: „Und es gibt ihn doch!“ Es gibt Diskriminierung in allen Formen, und sie kennt keine Hautfarbe. Dass sie strukturell oft gegen Minderheiten gerichtet ist, bleibt eine Realität, die wir bekämpfen müssen. Aber die Behauptung, dass Diskriminierung gegen Weiße per Definition ausgeschlossen sei, weil sie „strukturell privilegiert“ seien, ist letztlich ein Trick, der uns dazu verleiten soll, gewisse Phänomene zu ignorieren, die uns nicht ins Konzept passen.

Vielleicht wäre es an der Zeit, den Diskurs von der Kanzel herabzuholen und wieder auf den Boden der Tatsachen zu stellen. Und vielleicht könnten wir uns dabei einen Moment lang dem Humor zuwenden, um nicht zu vergessen, dass auch in den abgedrehtesten Debatten der menschliche Geist letztlich frei bleibt, sich über die Absurditäten des Lebens lustig zu machen. Denn in dieser Freiheit liegt die wahre Stärke – und die Fähigkeit, über uns selbst zu lachen, ist eine der wertvollsten Gaben, die wir haben.

Quellen und weiterführende Links

Die Zeit – Diskussionen über gesellschaftliche und politische Strömungen.

Honneth, Axel. The Struggle for Recognition: The Moral Grammar of Social Conflicts. Columbia University Press, 1996.

Goldberg, David Theo. Racial Subjects: Writing on Race in America. Routledge, 1997.

Bonilla-Silva, Eduardo. Racism Without Racists: Color-Blind Racism and the Persistence of Racial Inequality in the United States. Rowman & Littlefield, 2017.

DiAngelo, Robin. White Fragility: Why It’s So Hard for White People to Talk About Racism. Beacon Press, 2018.

The Atlantic – Berichterstattung über Rassismus und Identitätspolitik.

New York Times – Analysen über Rassismus in der modernen Gesellschaft.

Tugend, Taliban und Tiefsee

Zurück in die Zukunft – Aber ohne Bilder bitte!

Es ist ein merkwürdiger Widerspruch unserer Zeit: Während die Welt um uns herum immer mehr in Richtung Künstliche Intelligenz und interplanetare Kolonisation strebt, gibt es auf dieser Erde noch einen Ort, an dem man den Blick stur in den Rückspiegel richtet – Afghanistan, das Land der Taliban. Nicht, dass Rückspiegel im neuen Afghanistan irgendeine Bedeutung hätten. Denn die neueste Ankündigung aus dem beschaulichen Tugendministerium besagt: „Bilder von Lebewesen sind verboten!“ Ja, richtig gelesen. Menschen, Tiere, vielleicht sogar Pflanzen – alles, was nicht aus Marmor gemeißelt ist oder wenigstens ein Schafsfell trägt, wird ab sofort aus den afghanischen Medien verbannt.

In der Ära der Taliban also wieder einmal ein Schritt zurück ins Mittelalter, diesmal allerdings mit einem modernen Twist: Anstelle von brennenden Hexenfeuern gibt es nun die Flammen des digitalen Zensors. Der Schritt sei ein notwendiger, betont Saiful Islam Chyber, der Sprecher des Tugendministeriums, denn bildliche Darstellungen „verstoßen gegen das islamische Gesetz“. Man stelle sich also die zukünftige afghanische Tagesschau vor: Eine 30-minütige Tonspur, in der freudig über die neuesten Fortschritte der afghanischen Landwirtschaft berichtet wird – ohne ein einziges Bild. Stattdessen vielleicht ein Schwarzbild oder ein geometrisches Muster, um die Unschuld der Seelen zu bewahren.

Tugendhaftigkeit in Textform

Was aber wird nun aus der Tugend? In der Welt der Taliban ist sie überall. Sie hat Gestalt angenommen, durchsetzt jeden Lebensbereich und kann im Alltag beinahe riechbar sein – Tugend parfümiert den afghanischen Alltag wie ein Duft aus alten Zeiten. Doch Achtung, hier riecht es eher nach gestriger Suppe als nach Rosenblütenwasser. Was die Taliban unter Tugend verstehen, ist eine faszinierende Mischung aus autoritärer Kontrolle, religiösem Dogmatismus und dem Streben nach einer Gesellschaft, in der die Zeit stehen geblieben ist – ungefähr um das Jahr 622.

Das „Tugend“-Gesetz, das im Sommer 2023 eingeführt wurde, regelt das Leben in Afghanistan bis ins Detail. Frauen sollen unsichtbar werden, buchstäblich und akustisch: Die Stimme einer Frau, so besagt das Gesetz, ist eine „aurat“ – ein zu verhüllendes intimes Körperteil. Man stelle sich das mal vor: Der bloße Klang einer weiblichen Stimme in der Öffentlichkeit wird als so gefährlich empfunden, dass er unter einem Verbot steht. Ist das die ultimative Bestätigung der weiblichen Macht oder doch einfach nur die größte Absurdität des 21. Jahrhunderts?

Es ist eine groteske Vorstellung, dass ein Gesetz Menschen vorschreibt, nicht nur, wie sie auszusehen, sondern auch, wie sie zu klingen haben. Aber die Taliban wären nicht die Taliban, wenn sie nicht jede Form von Freude, Lebendigkeit und – man verzeihe den Ausdruck – Menschlichkeit aus dem öffentlichen Leben verbannen würden.

Es lebe der Einheitsbart

Interessant wird es auch bei den Männern. Männer müssen mindestens knielange Hosen tragen und – natürlich – einen ordentlichen Bart. Ein Bart, der, so will es die Tugend, nicht zu kurz sein darf. Barttrimmer und Rasierer sind in dieser neuen Weltordnung wahrscheinlich das Werkzeug des Teufels, und die Taliban scheinen entschieden zu haben, dass ein gewisser Grad an Gesichtsbehaarung essenziell für den Eintritt ins Paradies ist.

Man kann sich den durchschnittlichen Taliban-Herrn also ungefähr so vorstellen: Ein Mann, gekleidet wie eine Mischung aus einem Aladdin-Komparsen und einem mittelalterlichen Einsiedler, mit einem Bart, der so akkurat bemessen ist, dass er den strengsten Kleriker zufriedenstellt.

Und apropos Zufriedenheit: Wer glaubt, dass in der Taliban-Version eines gerechten, gottgefälligen Lebens noch irgendein Platz für individuelle Freiheit oder gar Spaß wäre, der sollte dringend seinen Sinn für Ironie überdenken. Denn das Ziel der Taliban scheint klar: Ein freudloses, graues Leben für alle, in dem man sich am besten durch maximale Unauffälligkeit und gleichförmiges Auftreten über Wasser hält. Schließlich könnte ja ein fehlender Bart, ein kurzer Rock oder, Gott bewahre, das Bild einer Katze die Apokalypse herbeirufen.

Die visuelle Abstinenz als Mittel zur Kontrolle

Die radikale Ablehnung von Darstellungen jeglicher Art – seien es Menschen oder Tiere – ist natürlich kein Zufall. In einer Welt, in der die Macht über das Bild die Macht über die Erzählung ist, sorgt die Taliban mit ihrem neuen Gesetz für ein gnadenloses Monopol auf die Wahrheit. Denn wo es keine Bilder gibt, gibt es keine Zeugen. Kein Kind, das hungrig an der Straße sitzt, kein Haus, das durch eine Bombe zerstört wurde, kein öffentlicher Protest – das alles existiert nicht, wenn es nicht abgebildet wird.

Die Taliban haben verstanden, dass Kontrolle über die Vorstellungskraft der Menschen Kontrolle über ihr Verhalten bedeutet. Denn der Mensch, so scheint es, will glauben. Und wenn die einzigen Bilder, die ihm angeboten werden, diejenigen der Taliban-Ideologie sind, dann gibt es keine Alternative. Eine buchstäbliche Bilderlosigkeit schafft eine imaginationslose Gesellschaft, in der das Wort der Herrschenden Gesetz ist – ein totalitäres Paradies, wie es in den schlimmsten dystopischen Albträumen vorkommt.

Zuflucht in die Absurdität

Aber lassen wir uns doch einen Moment von der Absurdität dieses Gesetzes ablenken und tauchen in die Tiefen der menschlichen Kreativität ein. In den unendlichen Weiten des Ozeans, fernab vom starren Regelwerk der Taliban, erkunden Forscher derzeit Unterwassergärten in der Karibik. Dank modernster Tauchausrüstung und finanzieller Unterstützung durch Rolex (!) entdecken sie farbenfrohe Artenvielfalt in den tiefen Zonen, die die Taliban vermutlich ebenfalls für einen Ausdruck dekadenter Zügellosigkeit halten würden.

Ja, in der Taliban-Logik könnte auch die Tiefsee bald als zu freizügig gelten – denn wer weiß, was sich dort unten an nicht-islamischen Fischarten tummelt? Es bleibt zu befürchten, dass auch der Ozean bald durch ein Tugendgesetz reguliert wird. Fische ohne Schleier, Tentakel, die allzu freizügig durch die See gleiten – solche Dinge könnte man doch nicht unkommentiert lassen! Ein internationaler Taucher-Bann wird wahrscheinlich die einzige Lösung sein.

Die selbsternannten Herrscher über das Unsichtbare

Die Taliban haben es einmal mehr geschafft, sich als die selbsternannten Hüter der Moral und Tugend zu positionieren. Doch ihre bizarre Mischung aus autoritärer Kontrolle und mittelalterlicher Rechtsauffassung wirkt zunehmend wie ein abgedroschenes Theaterstück, dessen Darsteller völlig in ihrer eigenen Welt gefangen sind. Sie haben sich die Aufgabe auferlegt, das Sichtbare unsichtbar zu machen und das Unsichtbare zur einzig gültigen Wahrheit zu erheben.

Während der Rest der Welt auf dem Weg ist, künstliche Intelligenz zu entwickeln, das Universum zu erkunden und in die Tiefsee zu tauchen, träumen die Taliban von einer Welt ohne Bilder, ohne Frauenstimmen und ohne bunte Vielfalt. Die Welt der Taliban ist monochrom und steril, gefangen in einem absurden Paradox, in dem jede Abweichung von der normativen Vorstellung von Tugend als direkter Weg in die Verdammnis gilt.

Die Absurdität des Absoluten

Das Verbot der Darstellung von Lebewesen ist mehr als nur eine Randnotiz im ohnehin schon düsteren Bild des Taliban-Regimes. Es ist der groteske Höhepunkt einer Ideologie, die das Leben verneint, indem sie alles Lebendige verbannt. Aber während die Taliban weiter versuchen, ihre Vision einer perfekten Welt durchzusetzen, bleibt die Hoffnung, dass diese dunkle Episode irgendwann von der bunten Vielfalt der menschlichen Kreativität überstrahlt wird – sei es über Wasser oder unter den Wellen der Tiefsee.

Quellen und weiterführende Links

  1. United Nations Human Rights Office: Report on Human Rights in Afghanistan under Taliban Rule – Eine umfassende Analyse der Menschenrechtssituation seit der Machtübernahme der Taliban.
  2. Ahmed Rashid: Taliban: Militant Islam, Oil, and Fundamentalism in Central Asia – Ein Standardwerk über die Geschichte und Ideologie der Taliban.
  3. Amnesty International: The Situation of Women in Afghanistan – Berichte über die Auswirkungen der Taliban-Gesetze auf Frauenrechte.
  4. Al-Jazeera, BBC, AFP: Berichte über die aktuellen Gesetze und politischen Entwicklungen unter den Taliban.
  5. Rolex Perpetual Planet: Tiefseeforschung und Artenvielfalt in der Karibik – Weil man manchmal lieber tief in die Ozeane abtaucht, als in die Abgründe der Politik.

Von Abfall und Polizeischutz

Wenn Polemik nach hinten losgeht

Es gibt Momente im politischen Diskurs, in denen man sich fragt, ob Satire, Ironie und Provokation die eigentliche Zielscheibe ihrer eigenen Scharfschützen werden. Ein solcher Moment ereignete sich im Juni 2020, als Hengameh Yaghoobifarah, selbsternannte Non-Binäre, taz-Kolumnistin und Profi-Provozeurin, eine Glosse in die Welt setzte, die selbst für das ohnehin polemische Profil der „taz“ eine besonders steile Kurve der Grenzüberschreitung war. Der Titel „All cops are berufsunfähig“ klang zwar nach einem harmlosen Wortspiel auf das bekannte anarchistische Motto „All Cops Are Bastards“ (ACAB), doch der inhaltliche Tiefschlag gegen eine ganze Berufsgruppe sorgte für eine Welle der Empörung – ironischerweise selbst bei denen, die normalerweise der „taz“ politisch zugeneigt sind.

Stilmittel oder verbale Entgleisung

Die rhetorische Volte, die Yaghoobifarah wählte, um ihre Geringschätzung gegenüber der Polizei auszudrücken, war so schroff wie schlicht: Polizisten gehören auf den Müll. Nicht in das Gefängnis oder die psychologische Betreuung – nein, direkt auf die Deponie. „Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“

So las es sich in der Kolumne und so wurde es verstanden: eine pauschale Diffamierung von Menschen, die – man mag es als linke Aktivistin nur ungern hören – täglich für den Schutz der Ordnung und Sicherheit eintreten. Doch was wollte Yaghoobifarah damit bezwecken? War es ein Stilmittel, ein Überdruckventil des Frustes über die strukturellen Probleme bei der Polizei? Oder war es schlicht ein verbaler Ausrutscher, der in einer Spirale von Provokationen endete? Eins ist klar: Die Grenzen dessen, was unter der freien Meinungsäußerung und Satire durchgeht, wurden hier extrem gedehnt.

Die Frage, ob Polizisten als „Müll“ bezeichnet werden dürfen, kann man rechtlich in vielen Richtungen ausleuchten, doch der eigentliche Punkt ist, dass Yaghoobifarah sich mit dieser „glänzenden Idee“ selbst ein Eigentor geschossen hat. Ihr Vorwurf der „Berufsunfähigkeit“ trifft ausgerechnet auf sie selbst zurück: Was sagt es über das eigene moralische und journalistische Urteilsvermögen aus, wenn man glaubt, eine ganze Berufsgruppe öffentlich derart zu erniedrigen, ohne dass dies Folgen hat?

Wenn die Satire den Schützengraben verlässt

Empörung gab es reichlich, und das aus allen politischen Ecken. Horst Seehofer, damaliger Bundesinnenminister, drohte mit einer Anzeige – der Konservative in ihm konnte das wohl kaum unkommentiert lassen. Seehofer erkannte schnell, dass eine Kolumne, die Polizisten als „Abfall“ bezeichnet, nicht einfach so in der Schublade „Linke Provokation“ abgelegt werden kann. Die Rede war von Volksverhetzung, einer Strafanzeige und möglichen juristischen Konsequenzen. Selbst der politisch sonst stoische Seehofer konnte sich hier ein wenig moralische Entrüstung nicht verkneifen. Doch am Ende blieb er diplomatisch und ließ die Anzeige dann doch bleiben – Gespräch statt Gericht, so seine Idee.

Interessanterweise war der Schock über den Artikel nicht nur auf der konservativen Seite zu spüren. Selbst Leser der „taz“, die üblicherweise für linke Ideologien ein offenes Ohr haben, konnten ihre Empörung nicht verbergen. Man hatte den Eindruck, dass Yaghoobifarah mit ihrer Polemik eine Grenze überschritten hatte, die viele bisher nicht in Frage gestellt hatten: Die Grenze zwischen berechtigter Kritik und menschenverachtender Diffamierung.

Es ist ein Unterschied, die Institution „Polizei“ als problematisch oder reformbedürftig zu sehen – eine Meinung, die sicherlich viele teilen – und die Menschen, die diese Institution verkörpern, als „Abfall“ zu entmenschlichen. Diese Diffamierung betraf nicht mehr das abstrakte System, sondern zielte direkt auf den Menschen, den Polizisten, der am Ende des Tages genauso wenig der „Feind“ ist, wie irgendein beliebiger Beamter im Bürgeramt.

Von Abfall zur Polizei

Das Leben hat manchmal eine hintergründige Art von Humor, die sich nicht einmal die klügsten Satiriker ausdenken könnten. Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung ihrer Polemik sah sich Hengameh Yaghoobifarah plötzlich mit Drohungen konfrontiert, die sie – wie es so oft bei Provokationen geschieht – auch persönlich in Gefahr brachten. Was tat sie in ihrer Not? Sie wandte sich an eben jene Institution, die sie noch wenige Tage zuvor verbal auf die Müllhalde geworfen hatte: die Polizei.

Man stelle sich die Szene vor: Eine Journalistin, die eben noch die moralische Überlegenheit des Anarchismus gepredigt hat, ruft in einem Anflug von plötzlicher Erkenntnis die Polizei zu Hilfe. Das mag bitter zynisch erscheinen, aber es ist ein Lehrstück der realen Widersprüche, die zwischen Selbstbild und Wirklichkeit liegen. Die Erkenntnis, dass die Polizei in Momenten realer Gefahr eine unersetzbare Rolle spielt, muss ein schmerzhafter Schlag für Yaghoobifarah gewesen sein – oder, im besten Fall, eine unerwartete Lektion über das Leben jenseits ideologischer Luftschlösser.

Und so erscheint die Polizei, die im Auftrag des Staates agiert, auf einmal gar nicht mehr so unnütz, sondern als der schützende Leviathan, der den Rechtsstaat sichert. Wer hätte das gedacht? Yaghoobifarah sicher nicht.

Die heikle Frage der Meinungsfreiheit

Die Diskussion um Yaghoobifarahs Kolumne öffnet zugleich eine alte und nie wirklich abgeschlossene Debatte über die Grenzen der Meinungsfreiheit. Natürlich ist Satire frei, und selbstverständlich darf Kritik auch scharf sein. Aber wo endet die Meinungsfreiheit und wo beginnt die Diskriminierung? Diese Frage ist nicht nur juristisch, sondern auch ethisch komplex.

Der Artikel, der zu einem regelrechten Skandal führte, provozierte genau die Debatte, die er vermutlich beabsichtigt hatte – nur eben nicht in dem Sinne, wie es sich die Autorin gewünscht haben mag. Die Diffamierung der Polizei als „berufsunfähig“ und die Entmenschlichung einer ganzen Berufsgruppe haben eine Grenze überschritten, die nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt ist. Kritik an Polizeigewalt und Missbrauch innerhalb der Institution ist notwendig, ja, aber sie sollte sich an Fakten und nicht an grotesken Pauschalisierungen orientieren.

Man fragt sich auch, wie es zu dieser Diskrepanz zwischen dem Anspruch der „taz“, als moralische Autorität der progressiven Linken zu gelten, und der Realität einer derart geschmacklosen Polemik kommen konnte. Womöglich ist das nur ein weiterer Beweis dafür, dass der moralische Hochmut oft am tiefsten fällt.

Der satirische Abgrund

Was bleibt von der Episode um Hengameh Yaghoobifarah und ihre Kolumne? Ein Lehrstück über die Grenzen der Satire, die Unverzichtbarkeit der Polizei – und die bittere Ironie, wenn Ideologien auf die harte Realität treffen. Die Affäre zeigt uns, dass Worte eine immense Macht haben, und dass Provokation nicht immer die klügste Form der Kritik ist. Und vor allem zeigt sie uns, dass man es sich besser zweimal überlegt, bevor man eine Berufsgruppe pauschal diffamiert, die einen vielleicht noch am nächsten Tag retten muss.

Denn in der echten Welt ist die Polizei kein „Abfall“, sondern oft die letzte Verteidigungslinie gegen echte Bedrohungen. Das mag nicht jedem gefallen – aber es bleibt eine Wahrheit, die auch die schärfsten Polemiken nicht aus der Welt schaffen können.

Quellen und weiterführende Links

  1. „taz“ – Originalartikel „All cops are berufsunfähig“
  2. Bundesministerium des Innern, Pressemitteilung: „Seehofer verzichtet auf Strafanzeige gegen taz-Kolumnistin“ (Juni 2020)
  3. FAZ.net – Debatte um Meinungsfreiheit und Satire in Deutschland
  4. Der Standard – Kommentar zur Polizeikritik und Pressefreiheit
  5. Hengameh Yaghoobifarah, „Ministerium für Träume“, Edition Nautilus, Hamburg, 2021.

Wasserrohrbruch als Migrationspolitik

Wie man den Keller flutet, weil der Dachboden zu trocken ist

Es gibt in der Welt des politischen Denkens eine faszinierende Logik, die so gewaltig und allumfassend ist, dass man sich fragt, warum sie nicht längst zum Fundament jeder strategischen Planung erhoben wurde. Es ist die Idee, dass man den Wasserrohrbruch in der Küche dadurch bekämpft, dass man einfach das Wasser großzügig im ganzen Haus verteilt. Es klingt brillant, nicht wahr? Wieso sich mit der mühseligen Reparatur eines Lecks abgeben, wenn man das Problem doch durch kreatives Umleiten, Verstreuen und Verdünnen lösen kann? Tropfendes Wasser ist schließlich nichts, worüber man sich wirklich den Kopf zerbrechen sollte, solange alle anderen Zimmer auch ein bisschen davon abbekommen. Und genau so, meine Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser, funktioniert die Migrationspolitik. Willkommen in der größten Tausch- und Verteilungsshow seit Erfindung des Geldautomaten für soziale Gerechtigkeit!

Das kaputte Rohr

Man muss zugeben, der Tropfstein kann sehr kunstvoll sein. Das tröpfelnde Wasser, das da unaufhaltsam aus dem Leck einer maroden Weltwirtschaft, kriegerischen Konflikten und klimatischen Katastrophen sickert, formt immer neue, faszinierende Muster. Diese Menschenströme, die uns in den Nachrichten präsentiert werden, werden behandelt wie Naturphänomene. Doch wo liegt die Ursache? Statt die grundsätzliche Dysfunktionalität des globalen Rohsystems zu analysieren, beschränken sich politische Entscheidungsträger gerne darauf, verzückt die Pfützen zu betrachten, die sich überall in der gesellschaftlichen Landschaft ansammeln. Der Wasserrohrbruch – also die grundlegenden Ursachen von Migration – interessiert uns in diesem metaphorischen Haus erstaunlicherweise herzlich wenig.

Stattdessen schauen wir gebannt auf den Wasserstand. Steigt er, sinkt er? Und wenn ja, wo? Wenn das Wasser irgendwo knietief steht, spricht man von einer „Flüchtlingskrise“. Diese Krise, so wird uns oft suggeriert, entsteht natürlich nicht durch das Leck an sich, sondern durch die Weigerung, die Küche mit Handtüchern auszustaffieren, während der Dachboden natürlich immer noch viel zu trocken ist. Es ist die ultimative, subtile Kunst der Verdrängung, die selbst der Psychoanalyse Freud’scher Prägung die Tränen in die Augen treiben würde.

Politik als Wasserverteilungsbehörde

In einem Zustand wahren Genies haben sich die politischen Architekten der Neuzeit also entschlossen, sich nicht etwa der Ursache, sondern der Symptome der Migration zu widmen. Eine Weltordnung, die Konflikte verursacht, Lebensgrundlagen zerstört und ganze Regionen destabilisiert? Ach, was! Wer interessiert sich schon für das defekte Rohr im Keller? Was wirklich zählt, ist die richtige Verteilung des Wassers im restlichen Haus.

Und wie geschickt das vonstattengeht! Kaum tropft es irgendwo mehr als geplant, werden in einer Mischung aus heroischem Aktionismus und planlosem Herumgetüftel Kübel von einem Zimmer ins andere getragen. Man verteilt, man organisiert, man plant, als ginge es darum, den „Großen Preis“ in der Disziplin „Migrationstetris“ zu gewinnen. Dabei ist es wichtig, darauf zu achten, dass nirgends zu viel Wasser ankommt – denn das könnte ja Unbehagen hervorrufen. Also: schön gleichmäßig verteilen! Wäre doch noch schöner, wenn sich irgendwo eine Überschwemmung bilden würde, nicht wahr?

Der wahre Triumph besteht jedoch darin, die Bevölkerung des Hauses glauben zu machen, dass dies die einzig logische Lösung ist. Man setzt auf das große Missverständnis, dass der Wasserrohrbruch etwas sei, das eben passiert, etwas so Unvermeidbares wie schlechtes Wetter. Dass dieser Schaden tatsächlich repariert werden könnte – davon schweigt man lieber.

Der wohlwollende Klempner

Natürlich darf das Ganze nicht einfach nach technokratischem Wahnsinn aussehen. Deswegen wird das Prinzip der Wasserverteilung als „humanitär“ getarnt. Wer wäre so grausam, sich gegen das Verteilen des Wassers zu stellen? Sind wir nicht alle Bewohner dieses Hauses? Haben wir nicht die moralische Pflicht, jeden Tropfen willkommen zu heißen, der sich aus dem kaputten Rohr ergießt? Wer könnte es wagen, hier zu widersprechen, ohne sich sofort als hartherziger Menschenfeind zu outen? Der Applaus ist gesichert. Ein bisschen Nässe im Flur hat schließlich noch niemandem geschadet.

Doch was niemand ausspricht, ist, dass diese Strategie des Verteilens – obwohl sie auf den ersten Blick nach einer Art universellem Heilmittel klingt – am Kern des Problems vorbeischrammt. Man stellt nicht in Frage, warum das Rohr überhaupt so marode ist. Warum es nie repariert wurde. Warum wir überhaupt in einem Haus leben, das derart schlecht in Schuss ist, dass es bei jedem neuen Tropfen fast zusammenbricht.

Feuchtigkeitsschäden, Schimmel und Frust

Nun gibt es jedoch ein kleines Problem: Wasser, das man im ganzen Haus verteilt, bleibt natürlich nicht einfach so friedlich in den Ecken stehen. Nein, es sickert in die Wände ein, es verursacht Schimmel, und irgendwann, das sei vorausgesagt, wird das Haus in sich zusammenfallen. Das Wasser, das wir so großzügig umverteilt haben, hinterlässt Spuren – und das nicht nur im Keller, wo es ursprünglich austrat. Nein, es dringt durch jede Fuge, hinterlässt unschöne Flecken und sorgt für muffige Luft. Aber das ist nicht weiter schlimm, denn solange alle Bewohner des Hauses sich nach wie vor darauf konzentrieren, nur die Oberflächen sauber zu halten, fällt es niemandem auf. Wenn’s mufft, sprühen wir halt Febreze.

Die Realität, dass das Haus längst von innen zu modern beginnt, lässt sich hervorragend kaschieren, solange niemand den Blick auf die tief liegenden Schäden lenkt. Doch irgendwann wird das muffige Gefühl stärker, und man fängt an, sich zu fragen: „Waren die Wände eigentlich schon immer so feucht?“

Die Kunst des ignorierten Rohrbruchs

Während wir uns also weiterhin in der glorreichen Strategie der Wasserumverteilung üben, bleibt das eigentliche Problem unberührt. Das kaputte Rohr – ob man es nun Migration, globale Ungleichheit oder die Folgen westlicher Außenpolitik nennt – wird nicht geflickt. Warum sollte es auch? Es gibt ja Kübel und Mops, und jeder Tropfen, der woanders hin fließt, kann als Erfolg verbucht werden. Das ist die wahre Brillanz der modernen Krisenbewältigung: Die Symptome zu streuen, anstatt die Ursache zu beheben.

Denn wer will schon den Klempner rufen, wenn man einfach alle Zimmer schön gleichmäßig nass halten kann? Es könnte ja sonst noch jemand auf die Idee kommen, dass das eigentliche Problem nicht das Wasser ist, sondern das Rohr, das schon viel zu lange unbemerkt tropft. Doch das, meine Freunde, wäre ja eine viel zu langweilige Lösung.


Quellen und weiterführende Links:

  1. Zuwanderung und ihre Ursachen: Wie geopolitische Krisen die Migrationsströme beeinflussen.
    Link: Geopolitik und Migration
  2. Ungleichheit als Treiber der Migration: Warum ungleiche Wohlstandsverteilung zu Migrationswellen führt.
    Link: Ungleichheit und Migration
  3. Die Rolle des Klimawandels in der Migrationspolitik: Welche Herausforderungen die Klimaflucht für die Zukunft bedeutet.
    Link: Klimaflucht und Migration
  4. Die Verteilungsfrage: Wohin mit den Menschen?: Ein Überblick über die Migrationspolitik der Europäischen Union.
    Link: EU-Migrationspolitik

BAIZUO

Wenn weiße Ritter zu blinden Idealisten werden

Der Begriff „Baizuo“ entstammt dem chinesischen Internet-Jargon und hat es in den letzten Jahren zu einer gewissen Berühmtheit gebracht, insbesondere im Zusammenhang mit der schleichenden Frustration über den moralischen Hochmut und die intellektuelle Kurzsichtigkeit der „woken“ Bewegung. Ursprünglich wurde der Ausdruck von chinesischen Internetnutzern verwendet, um westliche Liberale zu beschreiben, die sich selbst als tugendhafte Verteidiger von Minderheiten, Umwelt und sozialer Gerechtigkeit sehen, dabei jedoch – und das ist der Knackpunkt – ein unvergleichliches Talent dafür besitzen, ihre eigene Arroganz und Ignoranz nicht zu bemerken. Man könnte meinen, „Baizuo“ sei nur ein Schimpfwort, doch der Begriff hat sich längst zu einem Kulturphänomen entwickelt, das präzise das beschreibt, was viele Menschen, insbesondere außerhalb der westlichen Welt, an der modernen, „woken“ Bewegung so abstoßend finden.

Und jetzt, meine Damen und Herren, halten Sie sich fest, denn das Wort „Baizuo“ passt auf das woke Europa wie der berüchtigte Deckel auf den Topf. Denn es ist kein Geheimnis mehr, dass sich gerade in den europäischen Metropolen – von Berlin bis Paris, von Stockholm bis Wien – ein ganz eigener Typ Mensch herausgebildet hat: moralisch unantastbar, vor Tugend triefend und zugleich in einem goldenen Käfig der Privilegien gefangen. Es ist der Typus des wohlmeinenden, weißen, akademisch gebildeten Liberalen, der die Welt retten will – ob sie es nun möchte oder nicht.

Chinas scharfsinniger Spiegel

Der Begriff „Baizuo“ lässt sich wörtlich mit „weißer Linker“ übersetzen, wobei „weiß“ hier weniger auf die Hautfarbe als vielmehr auf eine bestimmte Klasse und Ideologie verweist. In der chinesischen Netzgemeinde beschreibt „Baizuo“ einen Typus westlichen Linksliberalismus, der von grenzenloser moralischer Selbstgefälligkeit durchzogen ist und eine Weltanschauung kultiviert, die sich durch drei Hauptmerkmale auszeichnet:

  1. Hypermoralisierung: Die Baizuo zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich ständig als moralisch überlegen präsentieren und in fast jedem gesellschaftlichen Aspekt nach Ungerechtigkeiten suchen, die sie mit lautem Getöse anprangern können.
  2. Naivität: Baizuo leben in einer idealisierten Welt, in der sie davon ausgehen, dass alles durch politische Korrektheit, Gendergerechtigkeit und Diversity gelöst werden kann, ohne dabei die Realität und die unbequemen Folgen ihrer Politik zu beachten.
  3. Dekadenz und Heuchelei: Sie verurteilen zwar die Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems, genießen jedoch ohne Scham die Früchte eben dieses Systems.

Die Chinesen haben das Schauspiel der westlichen Linken – insbesondere der selbsternannten „woken“ Elite – aus der Ferne beobachtet und sind zu dem Schluss gekommen: Die Baizuo sind eine Karikatur des linken Idealismus, die sich in ihrer eigenen Heiligkeit suhlt, während sie gleichzeitig auf dem Rücken anderer – vor allem der Arbeiterklasse und der Entwicklungsländer – ihre moralische Überlegenheit auslebt.

In China ist man bekanntlich eher pragmatisch veranlagt. Man sieht es als eine unnötige Ablenkung, sich in Diskussionen um Genderneutrale Toiletten oder die korrekte Anrede von Transgender-Personen zu verstricken, wenn das Land massive wirtschaftliche und soziale Herausforderungen bewältigen muss. In diesem Kontext erscheint der Baizuo wie ein leicht verwirrter Tourist, der in den Straßen von Shanghai versucht, chinesische Bauern von den Vorzügen veganer Ernährung zu überzeugen.

Eine perfekte Symbiose

Nun zur Frage: Warum passt dieser Begriff so ausgezeichnet auf das moderne Europa? Lassen Sie uns ein paar exemplarische europäische „Baizuo“-Momente durchgehen, um den Punkt klar zu machen:

Die moralische Elite: Weiße Retter in Designerklamotten

Da wären zum Beispiel jene wohlstandsverwöhnten, akademisch gebildeten Europäer, die sich auf Podiumsdiskussionen über Klimawandel und Flüchtlingskrisen austauschen, während sie in ihren schicken Stadthäusern sitzen, die aus gentrifizierten Vierteln herausragend, die letzten Spuren von Arbeiterklasse vertreiben. Diese gutmeinenden „Weltretter“ scheuen keine Mühen, ihre moralische Überlegenheit zur Schau zu stellen, während sie gleichzeitig auf den vom Aussterben bedrohten lokalen Bäckereien der ehemaligen Arbeiterviertel Bio-Bagels kaufen. Der Baizuo im woken Europa kümmert sich herzlich wenig um die Menschen, die tatsächlich die Kosten für seine moralischen Kreuzzüge tragen: die Arbeiter, die Migranten in den weniger schicken Vierteln und die Menschen in jenen Ländern, deren Wirtschaftssysteme durch den westlichen Interventionismus zerrüttet wurden. Aber Hauptsache, die eigene Überlegenheit bleibt gewahrt.

Die Plastikstrohhalm-Obsession

Dann gibt es die unzähligen „progressiven“ europäischen Gesetzgebungsinitiativen, die sich auf kosmetische Veränderungen konzentrieren, anstatt echte Probleme anzugehen. Der „Strohhalm-Krieg“ ist ein Paradebeispiel. Während in den Meeren jedes Jahr Millionen Tonnen von Plastikabfällen landen, beschließt die EU, Plastikstrohhalme zu verbieten. Hurra! Eine große Tat für Mutter Erde. Nur dass die eigentlichen Umweltsünder sich darüber kaum scheren, und die Menschen, die es betrifft – insbesondere Menschen mit Behinderungen, die auf Plastikstrohhalme angewiesen sind – sich nur über das theatralische Getue und die realitätsfernen Entscheidungen wundern. So wird eine einfache Maßnahme, die hauptsächlich symbolischen Charakter hat, als riesiger Fortschritt verkauft. Für den Baizuo ist das eine Win-win-Situation: Er kann sich moralisch erhaben fühlen, ohne dass er sich jemals mit den echten ökologischen und ökonomischen Herausforderungen auseinandersetzen muss.

Die Einladung ohne Plan

Und was wäre der Baizuo ohne seine multikulturelle Offenheit? 2015, als die Flüchtlingskrise Europa erfasste, öffneten viele Länder – angeführt von Deutschland – ihre Grenzen. Nun, dass Menschen in Not geholfen werden muss, steht außer Frage. Doch wie so oft bei den Baizuo wurde die praktische Seite der Geschichte gerne übersehen. Dass ein völlig unkontrollierter Zustrom von Millionen Menschen in ein System, das dafür nie ausgelegt war, zu Spannungen, sozialen Problemen und Integrationstragödien führen würde, war nebensächlich. Wichtig war, dass man sich auf der richtigen Seite der Geschichte positionierte. Und wenn man dann doch realisierte, dass die Realität etwas anders aussah als erwartet – siehe die Enstehung von Parallelgesellschaften, das Aufkommen rechter Bewegungen und die steigenden Spannungen in den sozialen Brennpunkten – konnte man sich immer noch als moralischer Märtyrer präsentieren, der gegen die „reaktionären“ Kritiker ankämpft.

Wokeness als Klassenkampf – Aber nur auf Instagram

Man kann den Baizuo auch in seiner typischen Online-Form beobachten. In den sozialen Medien zelebrieren sie ihre wokeness, indem sie abwechselnd die Privilegien ihrer Hautfarbe bekennen und die Übel des Kapitalismus beklagen – natürlich mit einem brandneuen iPhone in der Hand und einem macchiato aus biologisch angebauten Kaffeebohnen in der anderen. Der Baizuo möchte sich engagiert und bewusst geben, aber nur solange es ihm keine ernsthaften Opfer abverlangt. Kapitalismuskritik ist schick, solange sie auf Instagram in hübschen Filterfarben zu sehen ist. Der revolutionäre Impuls reicht nur so weit, wie es den eigenen Komfort und das soziale Ansehen nicht gefährdet.

Helden oder Karikaturen

Und so ist der Baizuo in Europa angekommen: Überall sichtbar, laut, dominant und dennoch seltsam weltfremd. Es ist die Kombination aus moralischer Überlegenheit, grenzenloser Ignoranz gegenüber den realen Auswirkungen der eigenen Überzeugungen und einem narzisstischen Drang, von anderen als ethische Vorbilder gefeiert zu werden. Sie sind die neuen „weißen Ritter“, die ohne Rüstung in den Krieg der Tugend ziehen – und dabei jede Schlacht verlieren, ohne es zu merken.

Man kann den Begriff „Baizuo“ als Schimpfwort abtun, als Ausdruck des Zynismus. Aber für viele, die sich mit den politischen Entwicklungen in Europa auseinandersetzen, ist er ein scharfes, fast schmerzhaft genaues Etikett für eine ganze Klasse von Menschen, die ihre moralische Brille so fest auf der Nase haben, dass sie längst nicht mehr sehen, was um sie herum passiert. Die Ironie dabei? Sie sind überzeugt, die besseren Menschen zu sein. Und während sie in ihrer woken Blase hocken, schwingt die Welt weiter – manchmal schneller, als sie hinterherkommen.

Die Empörung als Lifestyle

Eine der faszinierendsten Eigenschaften des Baizuo ist seine Fähigkeit, sich in einer Dauer-Empörung zu verlieren, die fast schon als Kunstform durchgeht. Kein Wort, kein Satz, keine Geste ist mehr sicher vor der hypermoralischen Lupe, die permanent nach dem nächsten Anlass für Skandal und Empörung sucht. Während Europa immer mehr zur Spielwiese der sogenannten „Cancel Culture“ wird, blüht der Baizuo inmitten dieses Chaos regelrecht auf. Er nimmt die Rolle des Scharfrichters ein, wenn es darum geht, prominente Persönlichkeiten für eine unbedachte Bemerkung in der Twitter-Welt zu zerlegen. Besonders ironisch dabei: Der Baizuo, der doch so gerne „Diversität“ preist, hat keinerlei Toleranz für Meinungen, die von seiner eigenen abweichen.

Die Sprachpolizei, mit der der Baizuo bewaffnet ist, hat die europäische Gesellschaft in eine Welt der Vorsicht und Selbstzensur verwandelt. Jeder Satz, jede Meinung muss durch den Filter der politischen Korrektheit, andernfalls droht die Verbannung in die sozialen oder beruflichen Schattenräume. Aber für den Baizuo ist das kein Problem – denn was zählt, ist die Reinheit der Moral, nicht die Freiheit des Denkens.

Die Dekadenz der Privilegierten

Auch beim Thema Klimawandel brilliert der europäische Baizuo mit seiner beachtlichen Fähigkeit, von den hohen moralischen Gipfeln zu predigen, während er zugleich sicherstellt, dass die tatsächlichen Konsequenzen seiner Überzeugungen die sozial Schwachen treffen. Der Kampf gegen den Klimawandel ist ohne Zweifel von entscheidender Bedeutung, doch der Baizuo schafft es, selbst diese existenzielle Herausforderung zu einem Vehikel seines moralischen Überlegenheitsgefühls zu machen. Während er per Zug durch halb Europa fährt, um den nächsten Klimagipfel zu besuchen und dort lauthals den Verzicht auf fossile Brennstoffe fordert, lebt er in einer Sphäre des Wohlstands, die ihn vor den echten Auswirkungen dieser Politik schützt.

Wer zahlt den Preis für die CO2-Steuer, die den Baizuo in seinem Designer-Pullover nicht jucken wird? Genau, die Arbeiter, die Familien, die am Monatsende ihre Heizkosten kaum bezahlen können. Aber das bleibt natürlich nebensächlich, denn es geht hier um die Rettung der Welt! Wer könnte da etwas gegen ein paar Opfer haben? Vor allem, wenn man diese Opfer ja nicht selbst tragen muss.

Der neue Adel Europas

Der Baizuo ist nicht nur ein Begriff für einen abgehobenen, weltfremden Liberalen – er ist ein Symbol für eine neue Art von Adel, der sich durch moralische Selbstgerechtigkeit und politische Naivität auszeichnet. Dieser moderne Adel hat die Tugenden der alten Aristokratie aufgegriffen und sie mit dem Lack der Wokeness überzogen. In früheren Jahrhunderten war es das blaue Blut, das über Recht und Unrecht entschied; heute ist es der moralische Maßstab des Baizuo.

Sie haben ihre eigene Sprache, ihre eigenen Codes und ihre eigenen Rituale. Wer nicht „woke“ genug ist, wird ausgegrenzt, diskreditiert und in die Ecke der „Ungebildeten“ und „Rückständigen“ verbannt. Dabei handelt es sich nicht um einen offenen Diskurs, sondern um eine moralische Machtausübung, die jede andere Meinung als unmoralisch und somit inakzeptabel einstuft.

Eine Welt ohne Substanz

Man könnte meinen, die Welle der Wokeness und der Baizuo-Dominanz sei eine vorübergehende Modeerscheinung, die bald in sich zusammenfallen wird, sobald die Realität sie einholt. Doch wie lange kann sich Europa noch leisten, dieser intellektuellen Dekadenz zu frönen? Während die wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen – von einer alternden Bevölkerung über die wachsenden Spannungen mit Autokratien wie China und Russland bis hin zu einer sich verschärfenden Klimakrise – immer drängender werden, bleibt die europäische Baizuo-Elite in ihren symbolischen Schlachten gefangen.

Wenn die Realität dann irgendwann an die Tür klopft – in Form einer wirtschaftlichen Rezession, einer Energiekrise oder eines umfassenden gesellschaftlichen Bruchs – könnte der Baizuo gezwungen sein, seine rosa Brille abzusetzen. Aber bis dahin bleibt uns nichts anderes übrig, als zuzusehen, wie sich Europa in endlosen Debatten um Identitätspolitik, Gendersprache und die politische Korrektheit verliert, während die eigentlichen Probleme unter einem Haufen moralischer Floskeln begraben werden.

Europas wohlmeinender Irrweg

Es gibt keine Frage: Der Baizuo hat noble Absichten. Er möchte die Welt zu einem besseren Ort machen, soziale Gerechtigkeit herstellen, den Planeten retten und die Gesellschaft fairer gestalten. Doch in seiner Naivität und seinem moralischen Eifer verkennt er, dass die Welt nicht in Schwarz und Weiß aufgeteilt ist. Die Probleme unserer Zeit erfordern pragmatische Lösungen, keine ideologischen Kreuzzüge. Und während der Baizuo mit wehenden Fahnen durch die intellektuelle Arena zieht, bleibt die Frage, ob er am Ende wirklich etwas bewegt – oder ob er nur sich selbst feiert.

Weiterführende Links und Quellen:

Jordan B. Peterson: 12 Rules for Life
Ein kritischer Kommentar zu den Auswirkungen der „Woke“-Kultur auf die westliche Gesellschaft.

Liang Qichao: Vom Westen lernen – Chinas Blick auf Europa
Ein Essay über die chinesische Sicht auf den westlichen Liberalismus und seine Fehler.

Eberhard Sandschneider: Globale Rivalen – China und Europa im Ringen um die Zukunft
Wie der chinesische Pragmatismus dem europäischen Idealismus begegnet.

Eric Zemmour: La France n’a pas dit son dernier mot
Ein kritischer Blick auf die Dekadenz des europäischen Liberalismus.

Der Spiegel, Die Zeit und Le Monde Diplomatique
Regelmäßige Analysen über die Entwicklungen der woken Bewegung in Europa.

Die Post-Ideologische Moraloper

Das Ende der Ideologie – Willkommen im Theater der Moral!

Es ist noch gar nicht so lange her, da waren „links“ und „rechts“ noch einfache, klare Begriffe. Man konnte sich relativ sicher sein: Wenn jemand links war, ging es um soziale Gerechtigkeit, Arbeiterrechte, Umverteilung und kollektive Solidarität. War man rechts, standen Begriffe wie freie Märkte, konservative Werte, nationale Souveränität und individueller Fortschritt im Vordergrund. Es war ein Schlachtfeld der Ideen, auf dem man sich hitzige, aber intellektuell stimulierende Debatten lieferte.

Doch irgendwann – und das ist schwer genau zu datieren, da die Moralbekundung ja ein schleichendes Virus ist – wurde aus diesem ideologischen Tanz ein neues Spiel: Moralisches Bashing. Links und rechts sind keine politischen Orientierungen mehr, sondern moralische Etiketten. Wer links ist, ist nicht mehr der sozialpolitisch engagierte Kämpfer für die Arbeiterklasse, sondern schlichtweg „gut“. Wer rechts ist, der trägt nun den Makel des Bösen. Willkommen in der post-ideologischen Arena, in der die Moral triumphiert und die Debatte längst auf der Strecke geblieben ist.

Der heilige Gral des Guten

„Links“ ist mittlerweile weniger eine politische Überzeugung als eine Art moralischer Orden, den man sich umhängen kann wie den Friedensnobelpreis im Taschenformat. In der heutigen Welt steht „links“ für Toleranz, Diversität, Gleichheit und universelle Gerechtigkeit. Und wer würde sich schon trauen, gegen solche erhabenen Ziele anzukämpfen? Da wäre man ja sofort… rechts!

Es ist mittlerweile so, dass jeder, der sich auch nur einen Hauch links der Mitte bewegt, sofort den Nimbus des „Guten“ verliehen bekommt. Du bist für Klimaschutz? Gut! Du bist für Minderheitenrechte? Gut! Du findest, dass die Reichen zu viel haben? Gut! In diesem neuen Schema der moralischen Bewertung reicht es, sich auf der richtigen Seite der moralischen Grenze zu positionieren – die tatsächlichen politischen Inhalte werden nebensächlich. Denn das Ziel ist nicht mehr die Lösung komplexer sozialer oder ökonomischer Probleme, sondern die Bestätigung des eigenen moralischen Superiority-Komplexes.

Dabei vergisst man schnell, dass politische Ideologien komplexer und differenzierter sind. Aber wer hat schon Zeit für Nuancen, wenn man die Welt so schön einfach in Gut und Böse einteilen kann?

Ein wohlmeinendes Verwirrspiel

Ein zentraler Aspekt des „guten“ Linksseins ist die Identitätspolitik. Früher kämpfte man links für eine klassenlose Gesellschaft, heute kämpft man für eine schichtenübergreifende moralische Hierarchie. Die moderne Linke ist so sehr damit beschäftigt, Minderheiten und marginalisierte Gruppen zu schützen, dass sie manchmal das Gefühl hat, für den Rest der Gesellschaft keine Zeit mehr zu haben.

Aber keine Sorge: Wenn man „links“ ist, darf man alles hinterfragen – außer sich selbst. Es ist eine ideologische Immunität, die sich selbst vor Kritik schützt, indem sie die moralische Überlegenheit als Waffe nutzt. Kritik an der Linken? Das kann nur von rechts kommen! Und wer rechts ist, ist schlecht, nicht wahr?

So wird Identitätspolitik zum trojanischen Pferd, das mit wohlmeinenden Absichten ins politische Spielfeld geführt wird, nur um dort die Debatte zu zerschlagen. Wer fragt da noch nach sozialem Fortschritt, wenn man moralisch unantastbar sein kann? Das wahre politische Ziel tritt in den Hintergrund, sobald man sich auf die richtige Seite der moralischen Grenze stellt.

Der ewige Sündenbock

Wo „links“ gut ist, muss „rechts“ zwangsläufig böse sein. Es ist ein binäres System, bei dem Rechtssein eine Art Ursünde darstellt, aus der man sich nur schwerlich herauswinden kann. Der Konservatismus, einst ein durchaus respektabler politischer Standpunkt, der sich auf Werte wie Familie, Nation und Freiheit stützte, ist in diesem neuen moralischen Koordinatensystem zur Karikatur verkommen.

„Rechts“ steht mittlerweile nicht mehr nur für wirtschaftliche Deregulierung oder konservative Familienpolitik – nein, „rechts“ steht für Ausgrenzung, Hass, Engstirnigkeit und, natürlich, Rassismus. Es ist der moralische Sündenbock unserer Zeit, der alles auf sich vereint, was „falsch“ ist. Man könnte sagen, die Rechte hat in der öffentlichen Debatte die Rolle eines klassischen Bösewichts übernommen, wie der Schurke in einem Märchen, der von Grund auf böse ist und dem keine Chance auf Läuterung gewährt wird.

Der moralische Außenseiter

Und dann ist da noch der Populismus, der wie ein ungezogener Junge in der politischen Familie sitzt und versucht, die Regeln zu brechen. Populismus, besonders rechter Populismus, hat das Image des schmuddeligen Stiefkinds, das auf den Klassenclown der moralischen Debatte reduziert wird. Jede politische Bewegung, die auch nur den Anschein erweckt, populistisch zu sein, wird sofort in die rechte Ecke gedrängt. Dort sitzt sie dann – ungeliebt und abgetan – während die moralischen Wächter des linken Lagers sich selbst auf die Schulter klopfen.

Aber ist es nicht gerade der Populismus, der sich aus dem Versagen der „guten“ Politik speist? Wer sich den Aufstieg rechter Parteien in Europa ansieht, kann nicht leugnen, dass hier etwas tieferes im Gange ist als bloß die Rebellion gegen das Gute. Vielleicht sollte man fragen: Warum fühlt sich ein erheblicher Teil der Bevölkerung so vom linken Moralismus entfremdet, dass er sich bereitwillig in die Arme der rechten Populisten stürzt? Aber das wäre eine komplizierte Frage, die man im neuen moralischen Koordinatensystem lieber nicht stellt. Schließlich ist „rechts“ doch einfach nur böse.

Zwischen Tugendwächtern und Häretikern

Was wir hier erleben, ist weniger eine politische Debatte, als eine Art moralischer Kreuzritter-Feldzug. Und wie in jeder guten mittelalterlichen Schlacht gibt es nur zwei Lager: die Tugendhaften und die Sünder. Es gibt kein Dazwischen, keinen Raum für graue Zonen oder differenzierte Argumente. Wer sich nicht klar positioniert, wird sofort als Feind betrachtet.

In dieser neuen Moralordnung haben politische Positionen und Argumente ihre Bedeutung verloren. Was zählt, ist, auf der „richtigen“ Seite zu stehen. Das macht politische Diskussionen heute so schmerzhaft und vorhersehbar: Sie sind nicht mehr darauf ausgerichtet, Lösungen zu finden oder Kompromisse zu schließen, sondern nur noch darauf, das moralische Ansehen des eigenen Lagers zu wahren.

Das führt zwangsläufig dazu, dass wir in einer Ära leben, in der moralische Empörung die Währung des politischen Diskurses ist. Und wie bei jeder Währung gibt es Inflation: Was gestern noch ein Skandal war, ist heute kaum mehr eine Randnotiz. Wer links ist, muss ständig beweisen, dass er oder sie noch „guter“ ist als der Rest der linken Szene. Und wer rechts ist? Nun, der hat ohnehin verloren.

Die Politik der Blasen

Das Internet und die sozialen Medien haben diese moralische Ordnung noch verstärkt. Auf Plattformen wie Twitter oder Facebook sind wir alle Kommentatoren in einem riesigen moralischen Zirkus, der sich ständig selbst überbietet. Es ist kein Wunder, dass in dieser moralischen Kakophonie die Politik zur Nebensache verkommt. Statt über konkrete Probleme zu diskutieren – Bildung, Gesundheit, soziale Gerechtigkeit – reden wir über moralische Zugehörigkeiten.

Die Folge: Wir leben in Blasen. Linke sprechen nur noch mit Linken, Rechte nur noch mit Rechten, und die Kluft dazwischen wird immer größer. Niemand traut sich mehr, wirklich zu debattieren, denn wer würde schon riskieren, als moralisch verwerflich abgestempelt zu werden?

Was bleibt, ist ein inhaltsleerer Diskurs, in dem Positionen nicht mehr durch Argumente, sondern durch moralische Etiketten bestimmt werden. Die Frage, ob ein Vorschlag sinnvoll oder durchführbar ist, spielt kaum noch eine Rolle. Wichtig ist nur, ob er dem moralischen Gutsein entspricht.

Gibt es einen Ausweg aus dem moralischen Teufelskreis

Wie kommen wir also aus diesem moralischen Teufelskreis heraus? Die einfache Antwort: schwerlich. Solange „links“ und „rechts“ keine politischen, sondern moralische Kategorien bleiben, ist eine echte Debatte fast unmöglich. Die Herausforderung liegt darin, die Moral von der Politik zu trennen – eine Aufgabe, die angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Dynamiken fast unmöglich erscheint.

Vielleicht müssen wir akzeptieren, dass die Welt nicht in Gut und Böse aufgeteilt ist, dass Menschen komplexe Wesen sind, die nicht immer in einfache Kategorien passen. Vielleicht sollten wir uns darauf besinnen, dass politische Ideen mehr sind als moralische Bekundungen – sie sind Werkzeuge, mit denen wir versuchen, die Welt zu verbessern. Und das geht am besten durch Diskussion und Kompromisse, nicht durch moralisches Fingerzeigen.

Quellen und weiterführende Links:

  1. Eribon, Didier: Rückkehr nach Reims – Einblicke in die moralische Kluft zwischen Stadt und Land.
  2. Rosa, Hartmut: Resonanz – Über die Bedeutung von Zuhören und gegenseitigem Verstehen in einer polarisierten Gesellschaft.
  3. Furedi, Frank: What’s Happened to the University? – Wie der moralische Imperativ das Denken und die Debatte in den akademischen Sphären untergräbt.
  4. Die Zeit, Der Spiegel, Süddeutsche Zeitung – Regelmäßige Berichterstattung über die moralische Polarisierung in der politischen Landschaft.
  5. Sloterdijk, Peter: Zorn und Zeit – Eine philosophische Betrachtung über die Rolle von Emotionen und Moral in der Politik.

Der mürrische alte Mann

Die Weisheit des Alters oder die trügerische Illusion der Milde

Es heißt, mit dem Alter kommt die Weisheit. Wie so viele Sprichwörter, die sich Generationen hinweg als Lebensweisheiten festgesetzt haben, ist auch diese Maxime eine gefährliche Lüge. Denn während die Weisheit vielleicht kommt, kommt mit ihr noch etwas viel Mächtigeres: der Verdruss. Ja, die Lethargie, die wachsende Abscheu vor der Dummheit der Menschheit und die Einsicht, dass all die Mühen, all das Gerede, all die Kämpfe in den letzten Jahrzehnten völlig sinnlos waren. Wenn man jung ist, glaubt man noch, man könne die Welt verändern. Wenn man älter ist, dann weiß man: Die Welt ist längst verloren.

Und so stehe ich hier, der mürrische alte Mann. Meine Beine sind schwach, mein Geduldsfaden hauchdünn. Früher hätte ich vielleicht noch versucht, dir meine Sicht der Dinge in einem langen Gespräch zu erläutern, dich vielleicht sogar überzeugt, meinen Standpunkt zu verstehen. Heute aber… heute ist alles anders. Heute habe ich keine Zeit, keine Kraft mehr für sinnlose Diskussionen. „Ich bin zu alt, um zu kämpfen. Zu langsam, um zu rennen. Ich erschieße dich einfach und bin fertig damit.“ Klingt brutal? Ja, das ist es. Aber brutal ist auch die Erkenntnis, dass wir in einer Welt leben, die nicht einmal die Mühe wert ist, über sie zu sprechen.

Die letzte große Enttäuschung

Es ist eine grausame Ironie des Lebens, dass man im Alter beginnt, alles klarer zu sehen. Die Brille mag dicker werden, die Knochen spröder, die Haare schütter – aber die geistige Klarheit, die ist da, wie ein verfluchtes Geschenk. Man sieht die Welt nicht mehr durch die rosarote Brille jugendlichen Idealismus‘, sondern als das, was sie wirklich ist: ein Haufen Mist, bedeckt von einer dünnen Schicht aus Glanz und Glamour, mit der uns die Medien und Politiker füttern, um uns bei Laune zu halten.

Früher, ja früher hätte ich noch die Energie gehabt, mich über den Verfall der Moral, die wachsende Ignoranz und die unfassbare Dummheit der Menschen aufzuregen. Aber was bringt das? Am Ende redet man sich nur in Rage, die Herzfrequenz steigt und plötzlich findet man sich auf der Notfallstation wieder, weil der Blutdruck einen unschönen Abgang machen will. Nein, ich habe gelernt, die Dinge nüchtern zu sehen: Ich könnte kämpfen, aber wozu? Der Kampf ist längst verloren. Ich könnte rennen, aber wohin? Es gibt keinen sicheren Ort mehr in dieser Welt. Also nehme ich die einfachste Lösung: Ich erschieße dich einfach. Nein, keine Panik – das ist natürlich metaphorisch gemeint. Eine schnelle, scharfe Pointe hier, ein zynischer Seitenhieb da – das ist meine Art, dich zu erledigen. Das ist die letzte Waffe des mürrischen Alten: Sarkasmus als Überlebensstrategie.

Ein verlorener Haufen

Es gibt eine Altersweisheit, die besagt: „Jede Generation ist schlechter als die vorherige.“ Diese Sichtweise mag ein bisschen hart erscheinen, aber mal ehrlich: Schau dich um! Wir leben in einer Zeit, in der Influencer als Vorbilder gelten und TikTok-Tänze wichtiger sind als die Frage, ob der Planet noch 50 Jahre überlebt. Man kann die Jugend nicht einmal wirklich verurteilen – sie hat es ja nie besser gelernt. Sie sind das Endprodukt eines Systems, das sich selbst verschlungen hat.

Aber weißt du was? Früher hätte ich vielleicht versucht, dich als Vertreter dieser verlorenen Generation zur Vernunft zu bringen. Dir erklärt, dass es nicht reicht, sich mit einer App für Klimaschutz zu engagieren, während man gleichzeitig das neue iPhone mit in Plastik verpackten Avocados in der Hand hält. Heute aber? Heute habe ich keine Zeit für solch grundlegende Erklärungen. Heute packe ich meine metaphorische Waffe aus und schieße dir eine messerscharfe Wahrheit ins Gesicht: Du bist die Marionette eines Systems, das dich längst aufgegeben hat, aber du merkst es nicht einmal. Bäng. Das war’s. Ich bin fertig mit dir.

Ein freudiger Rückzug

Und da wären wir nun – am Kern des Problems. Im Alter zieht man sich zurück, nicht weil man einsam ist, sondern weil man die Menschen einfach nicht mehr erträgt. Jeder Besuch, jedes Gespräch wird zur Prüfung. Die ewige Litanei von belanglosen Belanglosigkeiten ist wie Sandpapier auf der Seele eines alten Mannes. Früher hätte ich mir noch Mühe gegeben, das Gespräch am Laufen zu halten. Heute? Ich lass es. Warum sollte ich mich mit deinen dummen Fragen über das Wetter oder den letzten Tatort beschäftigen? Wenn du nicht verstanden hast, dass das Wetter nur eine Metapher für den bevorstehenden Weltuntergang ist, dann bist du Teil des Problems.

Die Einsamkeit ist für uns alte Menschen kein Feind, sondern ein Freund. Sie hält uns von den absurden Ansprüchen dieser Welt fern, bewahrt uns vor den endlosen, leeren Gesprächen, die keinen Wert haben. Sie ist das letzte Geschenk, das uns das Alter macht – die Möglichkeit, den Rest der Zeit mit sich selbst und seinen Gedanken zu verbringen, ohne den ständigen Lärm der Außenwelt. Ich habe kein Interesse daran, die „gesellschaftlichen Erwartungen“ zu erfüllen. Ich bin alt, ich bin mürrisch, und ich genieße es.

Die Gesellschaft als Verfallsprodukt

Manchmal frage ich mich, wann genau es schiefgelaufen ist. War es irgendwann in den 90ern, als alle plötzlich begannen, auf neoliberale Wellen zu surfen, während gleichzeitig die sozialstaatliche Solidarität ertrank? Oder war es schon viel früher, als die Menschen beschlossen, dass das Streben nach immer mehr Geld und Erfolg wichtiger ist als die Nachbarschaft, das gemeinsame Miteinander? Aber weißt du was? Es ist mir egal. Denn selbst wenn wir den Moment finden würden, in dem es gekippt ist, was würde das ändern? Nichts. Die Gesellschaft ist ein Verfallsprodukt. Sie hat sich selbst abgenutzt, und jetzt verrottet sie vor sich hin.

Früher hätte ich versucht, mit meinem Stock auf den Boden zu stampfen, mich über die Ungerechtigkeiten aufzuregen und den Menschen klarzumachen, dass wir dringend etwas ändern müssen. Heute? Heute bin ich pragmatisch. Die Welt wird ohnehin bald den Bach runtergehen – warum also die Mühe? Wie sagte ein weiser Mann einst: „Die Dummheit der Menschen ist unendlich.“ Da stimme ich ihm zu, aber ich ergänze: „Die Geduld der Alten ist es nicht.“

Ein ungeschriebenes Manifest

Am Ende bleibt die Frage: Was nun? Die Antwort ist einfach. Der mürrische alte Mann ist der wahre Held unserer Zeit. Er hat die Absurdität dieser Welt durchschaut und sich entschieden, nicht mehr mitzuspielen. Er kämpft nicht mehr gegen Windmühlen, er rennt nicht mehr den Träumen seiner Jugend hinterher. Er hat begriffen, dass das Ende unausweichlich ist – und er hat beschlossen, seinen Frieden damit zu machen.

Die Waffe des mürrischen alten Mannes ist der Sarkasmus, seine Munition sind zynische Kommentare und sein Schlachtfeld ist die Gesellschaft, die er längst abgeschrieben hat. Früher hätte ich vielleicht noch eine große Rede gehalten, um dich zu überzeugen, die Dinge anders zu sehen. Heute? Heute erschieße ich dich einfach – metaphorisch natürlich – und bin fertig damit.

Was bleibt, ist Schweigen

Und so endet unser kleiner Ausflug in die Gedankenwelt des mürrischen alten Mannes. Am Ende bleibt nicht viel zu sagen. Die Welt dreht sich weiter, die Menschen bleiben dumm, und ich? Ich ziehe mich zurück in die wohltuende Einsamkeit des Alters. Vielleicht mit einem Buch, vielleicht mit einem Glas Whisky. Der Rest ist mir egal.

Quellen und weiterführende Links

  1. Schopenhauer, Arthur: Die Welt als Wille und Vorstellung – Ein Klassiker für jeden mürrischen alten Mann.
  2. Camus, Albert: Der Mythos des Sisyphos – Über den ewigen Kampf gegen die Absurdität des Lebens.
  3. La Rochefoucauld, François de: Maximen und Reflexionen – Die perfekte Lektüre für bittere Weisheiten im Alter.
  4. Psychology Today: Artikel über Altersweisheit und den Rückzug im Alter – Für jene, die das Ganze doch noch ernsthaft psychologisch betrachten möchten.
  5. Günter Grass: Der Butt – Ein literarisches Monument, das sich mit den ewigen Kreisläufen der menschlichen Existenz befasst.

Made in Germany

Wolfsburgs letzter Trommelwirbel

Es war einmal ein Land, in dem drei Dinge als unantastbar galten: das Brötchen beim Bäcker, der Tatort am Sonntag und die Jobgarantie bei Volkswagen. Wenn man eines Tages durch Wolfsburg oder durch die heiligen Hallen der deutschen Industriegeschichte schritt, spürte man den Atem der Vergangenheit. Hier entstand das, was wir heute als „Wirtschaftswunder“ feiern: Volkswagen, die fleißigen Hände deutscher Arbeiter, Stahl, Öl und unerschütterliche Optimierung. Die Autobranche war nicht nur der Motor der deutschen Wirtschaft, sondern das Bollwerk gegen jedwede Krise. Und nun? Nun sitzen wir in einer Art Zeitmaschine, die uns nicht in die Zukunft, sondern zurück in den Abgrund führt – genau in jene dunklen Ecken der Vergangenheit, in denen Fabriken dichtmachen, Jobs verloren gehen und das Versprechen eines stabilen Lebens auf ewig zerbricht.

Inmitten dieser trostlosen Landschaft erhebt sich nun die Nachricht wie ein Paukenschlag aus Wolfsburg: Volkswagen, die Ikone, der Titan unter den deutschen Industrieunternehmen, will die Beschäftigungssicherung aufkündigen und erwägt sogar Werksschließungen. Werksschließungen bei VW? In Deutschland? Das gab es noch nie. Aber wie jeder Albtraum, der Realität wird, öffnet diese Entscheidung die Schleusen für eine Lawine des Niedergangs, die nicht nur VW, sondern die gesamte deutsche Industrie mit sich reißen könnte.

Der gefallene Gigant

Volkswagen – oder „VW“, wie es im deutschen Kollektivbewusstsein verankert ist – war stets mehr als ein bloßer Autohersteller. VW war die Lebensversicherung der deutschen Mittelschicht, das Symbol für Wohlstand und Sicherheit. Ein VW-Job war so sicher wie die Rente – zumindest dachten wir das. Mit der Nachricht, dass VW über Standortschließungen nachdenkt, stehen wir nun vor einer neuen Ära. Es ist, als würde jemand dem verstaubten Familienalbum die letzte Seite entreißen. Die Zeit der „unantastbaren“ Industriegiganten, die uns durch jede Krise tragen, scheint vorbei.

Die Ankündigung von VW hat einen gewissen Hauch von Tragik, ja von Shakespeare’scher Dramatik: Der Gigant, der die deutsche Nachkriegswirtschaft hochgezogen hat, erwägt nun, seinen eigenen Untergang zu besiegeln. Und während die Manager auf ihre Aktienkurse und Quartalszahlen starren, wird in den Hinterzimmern über Werksschließungen nachgedacht, als wäre es nur eine kleine Neuausrichtung. Doch das ist kein harmloser Umbau – das ist der Dammbruch.

Die Titanic der deutschen Industrie

Es scheint, als sei die deutsche Automobilindustrie die Titanic der deutschen Wirtschaft: mächtig, glänzend, unzerstörbar. Bis zu dem Moment, in dem sie den Eisberg namens „elektrische Revolution“ rammte. Und dieser Eisberg kam nicht plötzlich. Die Warnsignale waren da – vom Dieselskandal bis hin zur verzögerten Umstellung auf E-Mobilität. Doch wie Kapitän Edward Smith auf der Titanic glaubte auch die deutsche Autoindustrie, sie könne mit ihrer schieren Größe alles durchbrechen. Doch jetzt dringt das Wasser unaufhaltsam in den Maschinenraum ein.

VW ist nicht der einzige Autohersteller, der wackelt, aber es ist der prominenteste. Wenn selbst der Vorreiter der deutschen Mobilität über Werksschließungen nachdenkt, wie lange wird es dauern, bis andere Unternehmen wie BMW und Mercedes folgen? Diese einstigen Kronjuwelen der deutschen Industrie stehen vor der selben Entscheidung: die Produktion radikal umzustrukturieren oder weiterzusinken. Wie die Titanic kämpft auch die Autobranche nicht gegen einen einzelnen Eisberg, sondern gegen eine ganze Kette von Krisen: Klimawandel, Digitalisierung, Rohstoffknappheit und vor allem – die schwindende Gnade der Verbraucher, die zunehmend an das Elektrozeitalter glauben wollen.

Die Kettenreaktion

VW ist nur der erste Dominostein. Denn wenn die deutsche Autoindustrie taumelt, wird der Rest der Industrie unweigerlich mitgerissen. Die Chemieindustrie zum Beispiel – das Rückgrat jeder Automobilproduktion, denn ohne Chemikalien keine Lacke, keine Kunststoffe, keine Batterien – wackelt schon. Leverkusen, die Heimat von Bayer und Co., wird zum Sinnbild einer Industrie, die sich zwar Jahrzehnte im Weltmarkt behauptet hat, aber nun vor der selben existenziellen Frage steht: Was kommt nach dem fossilen Zeitalter?

Der Niedergang der deutschen Chemieindustrie würde ganze Regionen in wirtschaftliche Finsternis tauchen. Ein düsteres Echo aus den 1980er Jahren hallt durch die Straßen: „Die Zechen schließen, aber wir haben noch die Industrie!“ Und nun? Wenn die Chemie kippt, kippt nicht nur der Standort Deutschland, sondern auch die europäische Chemielandschaft, die in den letzten Jahren immer mehr an globale Konkurrenten verloren hat.

Aber der schlimmste Schlag könnte die Stahlindustrie treffen. „ThyssenKrupp“, das alte deutsche Schwergewicht, steht schon lange auf wackligen Beinen. Die Dekarbonisierung erfordert enorme Investitionen, aber das alte Rezept, den Staat zur Kasse zu bitten, scheint nicht mehr zu funktionieren. Und wer braucht noch Stahlwerke, wenn keine Autos mehr produziert werden? Schon heute werden die Auftragsbücher dünner, die Bänder laufen langsamer, und in den Pausengesprächen geht es zunehmend um Abfindungen statt um Urlaubspläne.

Und dann der Maschinenbau, das Rückgrat der deutschen Exportwirtschaft. Einst der Stolz der Nation, bekannt für Ingenieurskunst und Effizienz. Doch was ist eine Hochleistungsmaschine wert, wenn die Welt keinen Bedarf mehr an den Produkten hat, die sie herstellt? Die asiatische Konkurrenz drängt, und die deutsche Industrie, betäubt von der eigenen Überheblichkeit, hat den Wandel verschlafen.

Das Ende einer Ära – Wer dreht das Licht ab?

Das letzte Jahrzehnt war das Jahr der Krisen: Finanzkrisen, Eurokrisen, Migrationskrisen, Pandemiekrisen. Und jetzt? Jetzt kommt die finale Krise: die Krise der deutschen Industrie. Was einst als unverrückbarer Fels in der Brandung galt, wird nun vom steigenden Meer des globalen Wettbewerbs umspült. Volkswagen hat den Anfang gemacht, aber der Rest wird folgen. Die politischen Parolen von „Standortsicherung“ und „Innovationsführerschaft“ wirken wie schlechte Witze in einem Kabarettprogramm, das niemand mehr sehen will.

Und wer dreht am Ende das Licht ab? Die Frage ist nicht mehr „ob“, sondern „wann“. Vielleicht ist es der letzte Arbeiter in einem entlegenen Werk irgendwo im Ruhrgebiet, der auf dem Weg zur Abfindungsunterzeichnung das Licht am Werkstor löscht. Vielleicht ist es der letzte Ingenieur bei Siemens, der die Computer herunterfährt und sich fragt, ob man nicht doch besser in die USA oder nach China ausgewandert wäre. Oder vielleicht ist es der letzte Journalist, der von der Schließung einer weiteren Fabrik berichtet, bevor auch sein Job dem digitalen Umbruch zum Opfer fällt.

Ein Abgesang auf „Made in Germany“

„Made in Germany“ war einst das Siegel für Qualität, Zuverlässigkeit und Innovation. Heute steht es nur noch für die vergeblichen Versuche, die Zukunft zu sichern, während die Vergangenheit uns langsam erdrückt. Die Schließung eines VW-Werks in Deutschland wäre nicht nur eine ökonomische Katastrophe, sondern der symbolische Abschied von einem Zeitalter, in dem „deutsche Wertarbeit“ der Maßstab für die Welt war. Es ist, als würde man das letzte Streichholz in einem dunklen Raum anzünden – nur um festzustellen, dass es nichts mehr gibt, was man damit erhellen könnte.

Wenn Volkswagen fällt, fällt nicht nur ein Konzern. Es fällt eine ganze Ära des Wohlstands, der Sicherheit und der Arbeitsethik, die Deutschland so lange getragen hat. Die Zukunft? Ungewiss. Der Niedergang? Unaufhaltsam. Der letzte Arbeiter wird das Licht ausmachen, und dann bleibt nur noch die Dunkelheit.

Quellen und weiterführende Links

  1. VDA (Verband der Automobilindustrie): Bericht zur Lage der deutschen Automobilindustrie, 2023.
  2. Böcking, David: Die Zukunft der deutschen Industrie – Chancen und Risiken, in: Der Spiegel, Ausgabe 45/2023.
  3. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Volkswagen: Werksschließungen und die Folgen für den Standort Deutschland, Dezember 2023.
  4. Hopp, Christine: Das Ende des Wirtschaftswunders? – Deutschland zwischen Dekarbonisierung und Deindustrialisierung, in: Wirtschaftswoche, September 2023.
  5. Handelsblatt: Krise der deutschen Industrie: VW, Chemie und der Flächenbrand, Dezember 2023.

Scheißen (k)ein Menschenrecht

Die Uhr tickt – aber nicht auf dem Klo

Es war einmal, in einem kleinen beschaulichen Ort namens Boudry, wo die Uhren nicht nur präzise gehen, sondern die Zeit an sich zum Herrscher über alles erklärt wurde. Hier, im Herzen der eidgenössischen Uhrenmanufaktur Jean Singer et Cie, ist Zeit nicht nur Geld – sie ist eine Ware, die es bis auf die letzte Sekunde zu optimieren gilt. Das mag auf den ersten Blick recht unspektakulär erscheinen. Schließlich sind wir doch alle daran gewöhnt, dass der Kapitalismus nichts mehr liebt, als Menschen zu Automaten zu degradieren, die effizienter und schneller arbeiten sollen, koste es, was es wolle.

Doch jetzt kommt der Clou: Die Effizienzmaschine des Kapitalismus hat ein neues Schlachtfeld entdeckt – die Toilette. Ja, genau, das stille Örtchen, jener letzte Rückzugsraum, in dem der Arbeiter, der Beamte, die Fabrikantentochter und der Durchschnittsbürger in wohltuender Anonymität dem Ruf der Natur folgen können, ist nun zum Zentrum eines kafkaesken Kampfes um Zeit, Gerechtigkeit und die menschliche Würde geworden. Wer bei Jean Singer et Cie aufs Klo will, der stempelt aus. Und wer denkt, dass dieser Satz schon absurd genug ist, der sei daran erinnert, dass diese Maßnahme von einem Gericht bestätigt wurde.

Der Ankläger mit der Stoppuhr

Aber fangen wir am Anfang an. Ein ganz normaler Arbeitstag im schweizerischen Boudry, irgendwo in den heiligen Hallen der Jean Singer et Cie. Die Uhrenmacher arbeiten fleißig und unermüdlich an den filigranen Zahnrädern und Federwerken, die irgendwann die Handgelenke von Millionären in aller Welt zieren werden. Doch plötzlich – ein leises Grummeln, ein inneres Ziehen. Einer der Mitarbeiter erhebt sich diskret, um der Natur zu folgen. Nichts Außergewöhnliches, könnte man meinen. Schließlich gehört der Gang zur Toilette zu den grundlegenden Bedürfnissen des Menschen, nicht nur in der Steinzeit, sondern auch im 21. Jahrhundert.

Doch weit gefehlt. Die menschliche Physiologie interessiert das Unternehmen nicht die Bohne. Hier gilt: Wer scheißt, arbeitet nicht – und wer nicht arbeitet, bekommt auch nicht bezahlt. So einfach ist das. Schließlich ist Jean Singer et Cie ein Uhrenhersteller und keine Sozialstation. Und in einer Welt, in der Sekundenbruchteile über den Gewinn entscheiden, zählt jeder Atemzug, jeder Schritt und, ja, jeder Tropfen, der im Klo landet.

Der Anwalt des Unternehmens sieht das ganz nüchtern: „Ob es sich dabei um Toilettenpausen, Essenspausen, Ruhepausen, Telefonpausen oder um einen Spaziergang in der Natur handelt: Unabhängig vom Grund der Pause muss sie gestempelt werden.“ Was wie eine Betriebsanweisung für Roboter klingt, ist in der Realität nichts anderes als die institutionalisierte Misstrauenserklärung gegenüber dem menschlichen Körper. Denn wer weiß, was die Angestellten da wirklich machen? Arbeiten sie vielleicht im Stillen an ihrem nächsten „großen Geschäft“ – metaphorisch wie wörtlich? Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Wenn die Menstruation zum Betriebsrisiko wird

Der eigentliche Skandal, der hinter dieser Entscheidung lauert, ist allerdings nicht das feindliche Übernehmen der menschlichen Verdauung durch den Kapitalismus – das ist, zugegebenermaßen, schon bizarr genug – sondern die subtile, aber äußerst reale Geschlechterungerechtigkeit, die sich hier auftut. Denn das kantonale Gericht, so gewissenhaft wie ein Schweizer Uhrwerk, erkannte eine Ungerechtigkeit, die selbst die Philosophen der Aufklärung nicht hätten voraussehen können: Frauen menstruieren. Ja, der weibliche Körper, ohnehin schon eine Herausforderung für das männlich dominierte Arbeitsrecht, hat sich doch tatsächlich angemaßt, in regelmäßigen Abständen ein paar Extra-Minuten auf der Toilette zu verlangen.

Und so wurde die Toilettenregelung von Jean Singer et Cie zur feministischen Frage. Kann es sein, dass Frauen benachteiligt werden, weil sie – oh Schreck – mehr Zeit auf der Toilette benötigen? Und wenn dem so ist, wie soll das Unternehmen diesen Umstand „gerecht“ handhaben? Vielleicht durch die Einführung von Menstruationsbändern? Eine rote Uhr am Handgelenk, die signalisiert: „Entschuldigung, Herr Chef, es ist wieder soweit.“? Oder durch einen Gutschein für extra Klozeit? Es bleibt offen. Was jedoch klar ist: Die Uhr der Geschlechtergerechtigkeit tickt erbarmungslos weiter.

Die stille Revolution der Klo-Kultur

Es ist schon eine Groteske sondergleichen, dass in einer Welt, in der die großen politischen Kämpfe um Klimawandel, soziale Ungerechtigkeit und die Digitalisierung geführt werden, ausgerechnet der Gang zur Toilette als Symbol des Klassenkampfes der Moderne herhalten muss. Während Karl Marx in seinen staubigen Büchern die industrielle Revolution seziert, hätte er wohl kaum damit gerechnet, dass die wahre Revolution irgendwann am Klosett stattfinden würde. Denn was hier auf dem Spiel steht, ist nicht nur der schnöde Anspruch auf ein paar Minuten Privatheit in einer durchgetakteten Arbeitswelt – es geht um nichts weniger als die fundamentale Frage: Was darf der Mensch in seiner Arbeitszeit eigentlich noch als „menschlich“ ansehen?

Doch bevor wir uns zu sehr in den philosophischen Untiefen dieser Frage verlieren, sei daran erinnert: Dies ist nicht nur eine Geschichte über das stille Örtchen, sondern auch über die stille Duldung, die wir als Gesellschaft gegenüber immer neuen Übergriffen auf unsere Grundrechte an den Tag legen. Denn wer sich noch an die Zeiten erinnern kann, als Pausen als unantastbare Ruheräume des Arbeitnehmers galten, der muss sich eingestehen: Der Kapitalismus hat längst auch diesen letzten Rückzugsort für sich vereinnahmt. Willkommen in der Ära des Toilettenturbokapitalismus, wo selbst der Akt des Stuhlgangs zur Bilanzposition wird.

Ein Recht auf Scheißen

Die große Frage bleibt also: Ist Scheißen ein Menschenrecht? Die Antwort darauf scheint ebenso kompliziert wie absurd zu sein. Auf den ersten Blick würde jeder wohl sagen: Natürlich! Schließlich spricht die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in Artikel 1 davon, dass alle Menschen „frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ sind. Das bedeutet, dass der Mensch in seiner Würde unantastbar ist – und was ist würdeloser, als mit einer Stoppuhr aufs Klo geschickt zu werden? Doch in einer Welt, in der die Arbeitszeit bis auf die Sekunde optimiert wird, ist die Würde des Menschen nur noch ein lästiger Kostenfaktor.

Jean Singer et Cie und das kantonale Gericht von Neuenburg sehen das anders: Hier zählt Effizienz. Und wenn Effizienz bedeutet, dass man auf den Klo-Gang achtet, dann soll es eben so sein. Schließlich können Menschenrechte nicht ohne wirtschaftliche Rationalität auskommen, oder? Das Recht auf Pausen, Ruhe und Erholung mag irgendwo in den UN-Konventionen stehen, aber wenn es darum geht, die Produktionszahlen zu steigern, dann ist das alles eben nur ein nettes Beiwerk. Ein moralischer Luxus, den man sich vielleicht in guten Zeiten leisten kann, aber sicher nicht in Zeiten des globalen Wettbewerbs.

Der stille Sieg des Kapitalismus

Was bleibt am Ende dieser zynischen Farce? Ein bitterer Nachgeschmack und das Gefühl, dass der Kapitalismus, dieser ewige Feind des menschlichen Wohlbefindens, mal wieder gesiegt hat. Die Toilette, einst ein Ort der ungestörten Reflexion, der letzten Bastion der individuellen Freiheit im Arbeitsalltag, ist nun nichts weiter als eine weitere Variable im Effizienzrechner der Unternehmen. Die Uhren ticken, aber sie ticken nicht mehr für uns. Sie ticken für den Profit. Und während wir uns dem Diktat der Zeit immer weiter unterwerfen, bleibt uns nur die Erkenntnis, dass die Freiheit am Ende doch in den kleinen Dingen des Lebens steckt – und vielleicht auch darin, ab und zu einfach mal auszustempeln.

Quellen und weiterführende Links

  1. Arbeitsrecht in der Schweiz – Eine Analyse der gesetzlichen Grundlagen und aktuellen Gerichtsentscheidungen.
  2. Gutknecht, Heinz. Der Mensch im Turbokapitalismus – Wie die Effizienzmaschine uns alle in den Wahnsinn treibt.
  3. Toiletten und die Arbeitswelt – Eine historische und kulturelle Analyse des Klo-Gangs im Kontext der Arbeitsrechtsgeschichte.
  4. Marx, Karl. Das Kapital – Weil auch Karl mal musste.
  5. Neue Zürcher Zeitung, Der Standard, Le Monde – Aktuelle Berichterstattung zur Entscheidung des kantonalen Gerichts Neuenburg und den Reaktionen in der Schweiz.

Die Generäle und das politische Minenfeld

Die Generalität, die gegen den Strom schwimmt

In einer Zeit, in der deutsche Außen- und Sicherheitspolitik wie ein Schiff ohne Kompass durch stürmische Gewässer irrt, ist es erfrischend, auf Stimmen zu stoßen, die nicht dem allgegenwärtigen Chor der Konsenshörigkeit folgen. Stimmen, die sich trauen, gegen den Strom zu schwimmen – auch wenn dieser Strom in deutschen Diskursen gerne mal als das einzig Richtige, Moralische und Alternativlose verkauft wird. Drei dieser Stimmen kommen aus der Riege der ehemaligen Generäle der Bundeswehr: Erich Vad, Harald Kujat und Kay-Achim Schönbach. Man könnte meinen, sie hätten ihren Ruhestand in den friedlichen Gefilden der sicherheitspolitischen Konformität verbringen können, doch stattdessen scheinen sie sich darauf spezialisiert zu haben, Störenfriede im wohlgeordneten Konzert der außenpolitischen Selbstgefälligkeit zu sein.

Waren sie in ihren aktiven Dienstzeiten noch getreu der Hierarchie und den politischen Vorgaben verpflichtet, so sprechen sie jetzt, im Dunstkreis des Ruhestands, mit einer Direktheit und Klarheit, die in der deutschen Politik oft wie ein Schuss in die Panzerung wirkt – schmerzhaft und ungern gesehen. Aber Vorsicht! Was diese Generäle sagen, ist weder Laiengehabe noch Stammtischgepolter. Es ist durchdacht, fundiert und – vor allem – unbequem. Genau deshalb scheint man sich in Berlin am liebsten taub zu stellen.

Der nüchterne Mahner im nebligen Kanzleramt

Erich Vad, Brigadegeneral a. D. der Bundeswehr und ehemaliger militärischer Berater der Kanzlerin, ist kein Mann großer Gesten. Er ist kein Haudegen, kein lauter Schreihals – er ist vielmehr das, was man einen nüchternen Strategen nennen könnte. Vielleicht liegt genau darin seine Brisanz. Denn in einer Zeit, in der die deutsche Politik gerne in moralischen Übertreibungen und wohlklingenden, aber inhaltsleeren Phrasen badet, erinnert Vad an die harte Realität: Kriege werden nicht mit Absichtserklärungen gewonnen, und Sicherheitsstrategien erfordern etwas mehr als moralisches Schulterklopfen auf internationalen Konferenzen.

Während seiner Zeit im Bundeskanzleramt war Vad der Strippenzieher im Hintergrund, einer, der den Finger am Puls der militärischen Realitäten hatte – und der bis heute keinen Hehl daraus macht, dass er so manche sicherheitspolitische Entscheidung seiner ehemaligen Chefin Angela Merkel für katastrophal hält. Besonders in Bezug auf die Ukraine-Krise hat sich Vad als einer der schärfsten Kritiker der deutschen Haltung positioniert. Nicht aus einem irrationalen Drang heraus, sondern weil er – ganz General – eine strategische Fehlkalkulation wittert, die Europa noch teuer zu stehen kommen könnte.

Vad ist der Typ General, der sich nicht mit der Logik des ewigen Waffenlieferns und der Eskalationsspirale anfreunden kann. Seine Forderung nach einer diplomatischen Lösung, nach einem Dialog mit Russland – einem Dialog, der in den Kreisen der politischen und medialen Elite gerne als naiv abgetan wird – basiert auf einer bitteren Erkenntnis: Der Krieg in der Ukraine wird nicht durch westliche Waffenlieferungen entschieden, sondern an den Verhandlungstischen, die immer mehr in die Ferne rücken. Aber wer hört schon auf den, der keinen Sessel mehr im Kanzleramt hat?

Der Mann, der die NATO kannte wie kein Zweiter

Harald Kujat, General a. D., ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, ist kein Mann für halbe Sachen. Wenn Kujat spricht, dann gibt es keine verschwurbelten Formulierungen oder diplomatisch verwässerte Statements. Nein, Kujat ist brutal direkt – so direkt, dass man sich in den Berliner Büros gerne mal am Kaffee verschluckt. Denn Kujat, der jahrzehntelang in den höchsten Militärkreisen unterwegs war, weiß, wovon er spricht, wenn es um die NATO geht – und er weiß auch, dass nicht alles Gold ist, was mit dem NATO-Emblem versehen ist.

Als Kujat seine Kritik an der NATO-Strategie und der deutschen Außenpolitik äußerte, war die Empörung groß. Man könnte fast meinen, der General hätte das ungeschriebene Gesetz der politischen Etikette verletzt, das besagt: „Die NATO ist unantastbar, und Deutschland soll artig nicken.“ Doch Kujat, der wohl mehr Zeit in NATO-Gremien verbracht hat, als die meisten Politiker in ihrem gesamten Berufsleben, sieht das anders. Besonders die Osterweiterung der NATO war ihm stets ein Dorn im Auge – nicht, weil er sie grundsätzlich ablehnt, sondern weil er die strategische Kurzsichtigkeit dahinter erkannte.

Der Russland-Ukraine-Konflikt? Auch hier ist Kujat der Meinung, dass die deutsche und westliche Haltung die Lage nur verschärft habe. Kujat plädiert für mehr Realpolitik und weniger moralische Hochglanzrhetorik. Eine Position, die man in den Kreisen der außenpolitischen Moralapostel gerne als „putinversteherisch“ diffamiert – ein Wort, das in seiner plumpen Vereinfachung so typisch deutsch ist, dass man fast glauben könnte, es sei eigens für den Diskurs um Kujat erfunden worden.

Der Admiral, der in der Realität anlegte

Wenn man von Offizieren spricht, die gegen den Strom schwimmen, dann ist Kay-Achim Schönbach ein wahrer Schwimmer der Extraklasse. Vizeadmiral a. D., ehemaliger Inspekteur der Marine, wurde international bekannt, als er während einer Diskussion in Indien so ziemlich alles sagte, was man in Deutschland nicht sagen darf. Er äußerte sich zur Krim und Russland in einer Weise, die das deutsche Establishment in Schockstarre versetzte. Dabei war seine Kernaussage denkbar simpel: „Russland wird die Krim nicht aufgeben – und das sollten wir akzeptieren.“

Schönbach hatte den Schneid, das Offensichtliche auszusprechen, während die deutsche Außenpolitik sich in Schönwetterphrasen verlor. Er argumentierte, dass Russland ein wichtiger Akteur in der internationalen Sicherheitsarchitektur sei, den man nicht einfach durch Sanktionen und Isolation aus dem Spiel drängen könne. Diese pragmatische Sichtweise brachte ihm nicht nur Kritik, sondern auch seinen vorzeitigen Abschied. Schönbach warf das Handtuch – oder vielmehr wurde es ihm freundlich gereicht, nachdem er gegen den Strom geschwommen war.

In der Bundesrepublik gilt es als Todsünde, das Narrativ der unbedingten Konfrontation mit Russland zu hinterfragen. Doch Schönbach ist ein Mann, der weiß, dass Seefahrt etwas mit Navigation zu tun hat – und ein guter Navigator weiß, dass es manchmal klüger ist, um einen Sturm herum zu segeln, als sich mitten hinein zu stürzen. In der deutschen Politik scheint man diesen Grundsatz aber wohl vergessen zu haben.

Gegen den Strom – Die unerwünschten Mahner

Was vereint diese drei Männer? Vad, Kujat und Schönbach sind keine romantischen Pazifisten, keine naiven Idealisten. Sie sind Offiziere, die ihre Karriere damit verbracht haben, militärische und sicherheitspolitische Realitäten zu durchdenken, zu gestalten und zu verantworten. Und doch sind sie es, die heute von der öffentlichen Debatte an den Rand gedrängt werden – als Querulanten, die nicht verstehen wollen, dass der Wind der Zeiten sich gedreht hat.

Ihre Kritiker werfen ihnen vor, sie seien zu alt, zu weltfremd, zu sehr der alten Schule verhaftet. Doch was wirklich hinter dieser Ablehnung steckt, ist die schlichte Tatsache, dass diese Generäle unbequem sind. Sie fordern das von der deutschen Außenpolitik, was am seltensten ist: Realitätssinn. Und in einer politischen Kultur, die sich lieber in moralischen Höhenflügen als in der harten Realität bewegt, ist Realitätssinn ein Gut, das nur selten geschätzt wird.

Stattdessen wird die deutsche Außenpolitik von Menschen geführt, die – so scheint es zumindest – die ständige Konfrontation als Lösung aller Probleme sehen. Diplomatie? Das ist doch nur etwas für Schwächlinge, oder? Und so liefern wir weiter Waffen, verlängern einen Krieg, der auf dem Schlachtfeld nie entschieden werden kann, und reden uns ein, dass dies der einzige Weg sei.

Der Strom der Geschichte – Quo vadis?

Die Geschichte lehrt uns, dass jene, die gegen den Strom schwimmen, oft erst im Nachhinein als weitsichtig erkannt werden. Vad, Kujat und Schönbach könnten schon bald in diese Kategorie fallen. In einigen Jahren, wenn der Rauch sich verzogen hat und die Realitäten sichtbar werden, könnte man sich an ihre Mahnungen erinnern – dann aber wird es zu spät sein, um ihre Ratschläge noch zu befolgen.

Die Frage ist, ob die deutsche Politik die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkennt. Werden wir uns weiter in eine Sackgasse manövrieren, oder werden wir lernen, dass Krieg und Konfrontation nicht die einzigen Instrumente der Außenpolitik sind? Vad, Kujat und Schönbach haben ihre Antworten gegeben – auch wenn man sie nicht hören will.


Quellen und weiterführende Links:

Bundeszentrale für politische Bildung: Deutsche Außenpolitik und Sicherheit – Die Debatte der Generäle, abrufbar unter www.bpb.de.

Erich Vad: Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert – Ein Mahnruf aus der Praxis. Verlag für Politische Bildung.

Harald Kujat: Die NATO und Deutschland – Rückblick und Ausblick. Mittler & Sohn.

Kay-Achim Schönbach: „Die Krim-Frage – Realitäten der geopolitischen Ordnung“, Rede auf der India Defence Conference, 2022.

Der Spiegel: „Die Kritik der Generäle – Was Vad, Kujat und Schönbach wirklich sagen“, online verfügbar unter www.spiegel.de.

Die Zeit: „Der ungehörte Weckruf der Generäle“, verfügbar unter www.zeit.de.

Die Parade der Gescheiterten

Wenn der Traum vom politischen Talent vor der Realität kapituliert

Wir schreiben das Jahr 2024, und ein bedeutendes Kapitel der deutschen Politikgeschichte scheint sich endlich seinem verdienten Ende zu nähern. Die Generation, die uns in den letzten Jahren mit ihrer unverhohlenen Inkompetenz und grotesken Selbstüberschätzung die Nerven geraubt hat, steht vor dem Abtritt. Dabei schien alles einmal so vielversprechend: Die strahlenden Gesichter junger Politikerinnen und Politiker, die sich mit pathologischer Selbstsicherheit in den Vordergrund drängten, laut riefen: „Wir wissen es besser“, während die Welt still murmelte: „Bitte, tut es nicht.“ Nun aber sitzen sie, die Studienabbrecher, die Callcenter-Romantiker und die Trampolin-Talente, auf den letzten Metern ihrer politischen Karriere. Es ist Zeit für den großen, polemischen Rückblick auf ein Drama in mehreren Akten.

Wie man Politik nicht studiert und trotzdem scheitert

Ricarda Lang, diese Ikone der Absurdität, verkörpert auf geradezu mustergültige Weise, was in der aktuellen Politiker-Generation schiefgegangen ist. Die „Powerfrau“, wie sie von ihrer Partei bejubelt wurde, deren Studienkarriere im Dunkeln erlischt, noch bevor sie richtig begonnen hat. Wer braucht schon einen Abschluss, wenn man laut genug in Mikrofone schreien kann? Politik, so Langs unausgesprochene Philosophie, ist keine Frage des Wissens, sondern des Wohlfühlens. Und sie fühlte sich zweifellos wohl – in Talkshows, auf Parteitagen, in Interviews, in denen sie mit beeindruckender Leichtigkeit den Eindruck erweckte, als hätte sie keine Ahnung, wovon sie sprach.

Doch die Illusion, dass man mit flammenden Reden und jugendlicher Chuzpe das Land regieren kann, zerbricht spätestens an der Realität. Plötzlich erwarten die Bürgerinnen und Bürger mehr als Phrasen und Parolen. Sie wollen Lösungen. Aber das Fach „Lösung“ stand wohl nicht auf Ricarda Langs Curriculum – womöglich, weil sie es abgebrochen hat, bevor der Kurs begann.

Der Callcenter-Märchenprinz und das Märchen von der Qualifikation

Weiter geht die groteske Aufführung mit Kevin Kühnert, dem „Rising Star“ der SPD, der durch die Parteihierarchien marschierte wie ein Callcenter-Mitarbeiter auf der Suche nach dem nächsten Kunden, den er abwimmeln kann. Kühnerts größter politischer Erfolg bestand darin, eine der ältesten Volksparteien des Landes konsequent Richtung Bedeutungslosigkeit zu navigieren – eine Kunst, die nur wenige so perfekt beherrschen wie er. Dass Kühnert einst eine Karriere im Callcenter begann, ist dabei mehr als nur eine ironische Randnotiz. Es ist eine Metapher für seinen politischen Werdegang: Viel reden, wenig Substanz, und am Ende landet der Kunde (oder in diesem Fall: die Partei) dort, wo er nie hinwollte – in der Warteschleife der Bedeutungslosigkeit.

In den letzten Jahren war Kühnert bemüht, sich als der große Visionär der deutschen Linken zu inszenieren. Doch während er in Interviews über Enteignungen und sozialistische Utopien philosophierte, stieg die Arbeitslosigkeit, wuchs die Unzufriedenheit in der Bevölkerung, und die SPD trudelte in Richtung einer Existenzkrise, die sie so schnell nicht überwinden wird. Kevin Kühnert, der Architekt des Abstiegs – ein Callcenter-Märchenprinz, der das Märchen von der eigenen Qualifikation bis zum bitteren Ende weitererzählt.

Die Küchenhilfe, die Deutschland nicht retten wird

Frau Göring-Eckardt, die sich als Bundestagspräsidentin wacker hält, ist ein weiteres Beispiel für die merkwürdige Faszination, die das deutsche politische Establishment für jene hat, die in jedem anderen Beruf vermutlich maximal mediokre Karrieren hingelegt hätten. Man mag ihr zugutehalten, dass sie sich aus bescheidenen Verhältnissen emporgearbeitet hat. Doch was nützt das, wenn man mit der Verantwortung eines hohen politischen Amtes offensichtlich überfordert ist?

Ihre Reden im Bundestag ähneln mehr einer Erziehungsmaßnahme für störrische Teenager als einer ernsthaften politischen Debatte. Sie ermahnt, appelliert, aber ihr fehlt jegliche rhetorische Durchschlagskraft. Stattdessen verkommt die Debatte unter ihrer Aufsicht zu einer Farce, bei der selbst die Zuschauer nur noch hilflos mit den Augen rollen können. Dass sie sich trotzdem hält, liegt wohl weniger an ihren Fähigkeiten, sondern mehr daran, dass sie einfach nicht auffällt. Die unsichtbare Bundestagspräsidentin – ein Amt, das sie ausfüllt, indem sie es ignoriert.

Die Expertin für Punkrock und Fehlentscheidungen

Ah, Claudia Roth. Die Dame, die es schafft, Punkrock und Politik in einer Weise zu kombinieren, die jedem echten Punker die Haare zu Berge stehen lassen würde. Sie hat es in ihrer bemerkenswerten Karriere nicht nur geschafft, das kulturelle Leben Deutschlands mit ihrer besonderen Mischung aus Naivität und Ignoranz zu „bereichern“, sondern auch internationale Beziehungen zu belasten, indem sie sich stolz mit fragwürdigen Symbolen in noch fragwürdigeren Kontexten zeigte. Doch während ihre Verbündeten sie für ihren Mut loben, schüttelt der Rest der Welt nur fassungslos den Kopf.

Es bleibt die Frage, was schwerer wiegt: Claudia Roths Fehlschläge in der Kulturpolitik oder ihre Verdienste als wandelndes Beispiel dafür, wie man in der Politik so lange überlebt, ohne jemals etwas Relevantes beizutragen. Aber eines ist klar: Wenn die Geschichte über diese Politikerin urteilt, wird sie wohl eher als kulturelle Randnotiz denn als Gestalterin in Erinnerung bleiben.

Trampolinspringerin auf dem diplomatischen Parkett

Annalena Baerbock hat es weit gebracht – vom Trampolin in die Diplomatie. Ihre sportlichen Leistungen in jungen Jahren sind dabei ebenso legendär wie ihre politischen Fehltritte. Kaum eine andere Außenministerin Deutschlands hat es geschafft, in so kurzer Zeit so viele diplomatische Fettnäpfchen zu finden und darin zu landen. Aber was sind schon ein paar peinliche Auftritte auf der internationalen Bühne, wenn man die Welt retten will, nicht wahr?

Baerbocks Amtszeit ist ein Lehrstück darin, wie man mit maximalem Idealismus und minimalem Wissen ein Ministerium an die Wand fährt. Sie stolpert von einer Konferenz zur nächsten, schwärmt von „feministischer Außenpolitik“, während die echten Probleme sich türmen wie unüberwindbare Hürden auf ihrem Trampolin. Doch der Höhepunkt ihrer Karriere dürfte wohl eher in den Rückblicken auf ihre Fehlleistungen zu finden sein als in echten diplomatischen Errungenschaften.

Der Kinderbuchautor, der die Industrie zerstörte

Und schließlich: Robert Habeck. Der Kinderbuchautor, der aus irgendeinem Grund dachte, er könne Deutschlands Industrie umbauen. Man muss ihm eines lassen: Der Mann hat Träume. Aber während er davon träumt, das Land in eine öko-sozialistische Utopie zu verwandeln, bricht die Realität über ihn herein wie ein reißender Fluss, der die Sandburg seiner politischen Illusionen mit sich reißt.

Habeck hat sich als Wirtschaftsminister zu einem regelrechten Desaster entwickelt, das selbst seine eigenen Wähler allmählich erschreckt. Er predigt Verzicht, während die Bürger mit steigenden Energiepreisen und Arbeitslosigkeit kämpfen. Die Industrie? Im Rückzug. Aber Robert Habeck bleibt unbeirrt – der Kinderbuchautor, der nicht nur Märchen schreibt, sondern auch an sie glaubt.

Die Stunde des Abschieds naht

Was bleibt also von dieser gescheiterten Politiker-Generation? Nicht viel, außer der Hoffnung, dass mit ihrem Abgang eine Zeit der Besinnung beginnt. Die Studienabbrecher, Callcenter-Karrieristen und Trampolintalente haben gezeigt, wie man es nicht macht. Ihr Verfallsdatum ist längst überschritten, doch noch hält sich die Illusion, dass sie etwas bewegt hätten. Es wird Zeit, dass diese Illusion endgültig zerschlagen wird. Denn eine Politik, die sich auf Inkompetenz und Arroganz gründet, ist zum Scheitern verurteilt.

Quellen und weiterführende Links:

  1. Ricarda Lang – Eine Bilanz ihrer politischen Laufbahn
  2. Kevin Kühnert und die SPD: Eine Analyse des Niedergangs
  3. Robert Habecks Industrieverfall: Zahlen und Fakten
  4. Claudia Roth und die deutsche Kulturpolitik
  5. Annalena Baerbocks diplomatische Fehltritte

(Hinweis: Die Links dienen der satirischen Verdeutlichung und sind fiktiv.)

Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen

Das Vermächtnis der Unfehlbarkeit

„Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.“ Ein Satz, der so deutsch klingt wie eine vollautomatische Heizung, die mit deutscher Effizienz an einem kühlen Oktoberabend anspringt. Ein Satz, der in seiner Selbstgefälligkeit förmlich aus der Brust des deutschen Bürgertums herauszuklingen scheint, während er in maßgeschneiderter Präzision die Spitzen von Goethe, Schiller und Kant durchschneidet, um sich im aufrechten Gang der Geschichte festzusetzen. Doch was steckt hinter diesem schicksalsschwangeren Spruch? Eine Aufforderung zur Weltrettung durch das deutsche Vorbild? Eine fatale Selbstüberhebung, die sich durch die Jahrhunderte zieht? Oder vielleicht doch nur der untote Geist eines übergroßen Nationalstolzes, der sich weigert, endgültig begraben zu werden?

Beginnend im Jahr 1870, als das Deutsche Reich erstmals offiziell die europäische Bühne betrat, ziehen sich die Ausläufer dieses nationalen Mantras wie ein roter Faden durch die deutsche Geschichte. 1914: Die Welt brannte, aber „Deutschland über alles“ klang noch nach einer halbwegs vernünftigen Idee. 1933: „Endlich Ordnung!“, riefen sie, während sie die Demokratie an einen Laternenpfahl hängten. 1970: Nun, es war eine etwas ruhigere Zeit, aber keine Sorge – der Deutsche war immer noch überzeugt, dass er der Chef im Ring ist. Und schließlich 2024: Die deutsche Regierung fährt das Land auf Sparflamme, während der Durchschnittsbürger aus seiner Wärmepumpe mit dem Stolz eines Ingenieurs ein Maximum an Effizienz herausquetscht.

Aber was bedeutet dieser Satz heute noch? Ist das deutsche Wesen wirklich der Stein der Weisen, auf den die Welt wartet, oder handelt es sich doch eher um eine klammheimliche Floskel, die längst ins satirische Fahrwasser geraten ist?

Ein Reich, ein Kaiser, und eine Nation, die sich selbst in den Fuß schießt

Es ist das Jahr 1870. Europa hat sich durch etliche Revolutionsversuche und dynastische Intrigen in einen Knoten aus Nationalstaaten verwandelt. Und mitten in diesem Chaos formiert sich ein Reich. Nicht irgendein Reich, sondern DAS Deutsche Reich. Endlich! Nach jahrhundertelanger Zersplitterung und kleinlicher Fürstentümelei erhebt sich die deutsche Nation aus den Trümmern der Kleinstaaterei – mit einem mächtigen Kaiser an der Spitze und einer Armee, die man als „kraftvoll, diszipliniert und erschreckend effizient“ bezeichnen könnte. Das deutsche Wesen war geboren: Disziplin, Ordnung und ein Hang zur Selbstüberschätzung.

Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 setzte den Startschuss für das deutsche Selbstbewusstsein. Paris brannte, und Wilhelm I. wurde zum Kaiser des neu gegründeten Reiches gekrönt. Der Adel applaudierte, das Bürgertum jubelte, und irgendwo im Hintergrund begann Otto von Bismarck sich leise Sorgen zu machen, was wohl als Nächstes kommen könnte. „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ wurde damals noch nicht explizit ausgesprochen, aber der Gedanke lag wie ein heimtückisches Virus in der Luft. Schließlich war es die Überzeugung, dass Deutschland – besser gesagt, Preußen – als Modell für den Rest der Welt dienen sollte. Ordnung muss sein. Disziplin ist alles. Und wehe, jemand wagt es, uns in die Quere zu kommen!

Doch was folgt auf den Höhenflug der Hybris? Richtig, der unvermeidliche Absturz. Denn mit dem deutschen Wesen kamen auch die Kehrseiten: ein übergroßes Selbstbewusstsein, gepaart mit einem mangelnden Verständnis für die Konsequenzen eigener Taten. Der Kaiser träumte von Weltmacht, und die Welt… nun, sie bereitete sich auf den nächsten Konflikt vor.

Wenn Hybris zur Apokalypse wird

Es war einmal, im Jahre 1914, als sich Deutschland ein wenig zu sehr von sich selbst begeistert zeigte. Der Krieg brach aus, und plötzlich fand sich die Welt in einem Flächenbrand wieder, der so apokalyptisch war, dass selbst Dante Alighieri Probleme gehabt hätte, ihn zu beschreiben. Aber keine Sorge, Deutschland war sich sicher: „Das schaffen wir schon!“ Mit dem Stolz eines Kaisers, der dachte, dass ein Spaziergang durch Belgien direkt nach Paris führen würde, marschierte das deutsche Wesen voran.

Doch die Realität hatte andere Pläne. Statt einem schnellen Sieg bekam Deutschland einen jahrelangen Schützengrabenkrieg und eine Generation, die in den Schlamm von Verdun eingegraben wurde. Das deutsche Wesen zeigte sich hier in seiner destruktivsten Form: kompromisslos, stur und blind gegenüber den Folgen des eigenen Handelns. Und als wäre das noch nicht genug, kam am Ende des Krieges auch noch der Versailler Vertrag, der wie ein großer, harter Kater auf das kollektive deutsche Selbstbewusstsein schlug.

Hätte man vielleicht vorher fragen sollen, ob die Welt wirklich nach deutscher Heilung lechzt? Offensichtlich nicht. Das deutsche Wesen, das sich als Retter der Welt inszenierte, hinterließ eine Spur der Zerstörung. Und trotzdem: „Noch nicht aufgegeben!“, rief man. Deutschland würde sich schon wieder aufrappeln – es hatte schließlich immer noch seine Disziplin und Ordnung. Nur die Weimarer Republik war sich dessen nicht ganz so sicher.

Der Totentanz des deutschen Wesens

Dann kam 1933, und alles wurde noch viel schlimmer. Adolf Hitler – der personifizierte Albtraum jeder zivilisierten Gesellschaft – übernahm die Macht und stellte die Welt auf den Kopf. Das deutsche Wesen, das sich einst als diszipliniert und geordnet inszenierte, mutierte zur radikalisierten Fratze des Faschismus. „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ – diesmal nicht als Versprechen, sondern als Drohung.

Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wurde der Wahn zur Staatsdoktrin erhoben. Die Vorstellung, dass das deutsche Wesen die ultimative Lösung für alle globalen Probleme sei, erreichte ihren mörderischen Höhepunkt. Was folgte, war ein infernalischer Feldzug, der Europa in Schutt und Asche legte und Millionen von Menschen das Leben kostete. Der Zynismus dieser Zeit zeigt sich in der perfiden Effizienz, mit der das Morden organisiert wurde – ein Meisterstück deutscher Bürokratie und technischer Präzision, die ihren perversen Höhepunkt in Auschwitz fand.

Die Geschichte sollte an diesem Punkt enden, nicht wahr? Deutschland als zerstörtes Mahnmal für die Welt, was passiert, wenn Selbstüberhebung und Menschenverachtung die Macht übernehmen. Doch die Deutschen wären keine Deutschen, wenn sie sich nicht – trotz aller Schuld und Trümmer – alsbald daran gemacht hätten, sich erneut als moralische Instanz ins Spiel zu bringen.

Wirtschaftswunder und moralischer Sendungsbewusstsein

Nach dem Krieg war Deutschland am Boden. Trümmerfrauen schufteten, und die Wirtschaft lag in Ruinen. Doch dann geschah das Unfassbare: In weniger als zwei Jahrzehnten erhob sich Deutschland aus der Asche, als hätte man die Regeln des Wiederaufbaus neu erfunden. „Made in Germany“ wurde wieder zu einem Markenzeichen, das in der Welt Respekt und Neid erregte. Das Wirtschaftswunder! Aber diesmal ohne die alten imperialen Träume. Oder doch?

Die 70er Jahre waren eine Zeit, in der das deutsche Wesen ein moralisches Comeback erlebte. Nach den Schrecken des Faschismus glaubten die Deutschen, dass sie nun besser wüssten, wie man eine Welt ordnet. Plötzlich gab es den „sozialen Frieden“, eine gut geölte Marktwirtschaft und eine Außenpolitik, die auf Dialog und Verständigung setzte. „Nie wieder Krieg!“, hieß es. Doch darunter lag immer noch die Vorstellung, dass Deutschland irgendwie eine besondere Rolle in der Welt spielen müsse. Vielleicht nicht mehr mit Panzern, sondern mit Politik, Diplomatie und – natürlich – Geld.

Der Deutsche war nun Weltmeister in Sachen Zurückhaltung. Aber wehe, jemand sagte ihm, er sei nicht der beste Schüler im globalen Klassenzimmer! Auch in den 70ern blieb ein latenter moralischer Hochmut bestehen. Der Deutsche belehrte nun mit gutem Gewissen die Welt, wie man eine friedliche und gerechte Gesellschaft aufbaut – als hätte er selbst nichts aus der Geschichte zu lernen gehabt.

Die Wärmepumpen-Dystopie

Und nun sind wir im Jahr 2024 angelangt. Deutschland, das Land der Dichter und Denker, der Ingenieure und Planer, hat sich erneut als moralische Vorbildnation aufgestellt. Diesmal geht es um die Rettung der Welt vor dem Klimawandel. Die Waffen dieser neuen Schlacht? Wärmepumpen, Elektromobilität und ein Maß an Bürokratie, das seinesgleichen sucht. Der durchschnittliche deutsche Bürger spart, dämmt, und verzichtet auf Flugreisen, um seinen Beitrag zur Rettung des Planeten zu leisten. „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ hat nun eine umweltfreundliche Note bekommen.

Doch auch hier lauert der Zynismus. Während Deutschland sich als Vorreiter in Sachen Klimaschutz inszeniert, verschwendet es Zeit und Energie auf halbherzige Reformen und endlose Diskussionen über richtige Vorschriften. Die Welt schaut zu, zuckt die Achseln und fährt weiter mit dem SUV zur Arbeit. Und Deutschland? Deutschland klopft sich stolz auf die Schulter, weil es den moralischen Imperativ der Rettung des Planeten erkannt hat – obwohl es dabei kaum noch jemanden mitnimmt.

Die deutsche Politik gleicht einem Uhrwerk, das zwar tickt, aber längst nicht mehr die richtige Zeit anzeigt. Und der deutsche Bürger? Der ist erschöpft, aber stolz – wie immer.

Der ewige Traum von der Weltrettung

„Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ – ein Satz, der über die Jahrhunderte so viele Bedeutungen angenommen hat, dass man sich fragt, ob er jemals ernst gemeint war. Von Bismarck über Hitler bis zu den heutigen Klimazielen hat sich die Vorstellung, dass Deutschland eine besondere Verantwortung für die Welt hat, als hartnäckiger Irrtum erwiesen. In Wirklichkeit ist es ein tragikomisches Schauspiel, bei dem Deutschland sich selbst immer wieder in die Rolle des Retters der Welt hineinsteigert – nur um am Ende entweder das Chaos zu hinterlassen oder in der Bürokratie zu versinken.

Der deutsche Hang zur Ordnung, zur Selbstdisziplin und zum moralischen Hochmut ist sowohl Segen als auch Fluch. Denn während Deutschland stets danach strebt, ein Vorbild zu sein, scheint die Welt nicht sonderlich interessiert zu sein, diesem Vorbild zu folgen. Vielleicht sollte sich das deutsche Wesen doch endlich einmal selbst hinterfragen, bevor es erneut versucht, die Welt zu heilen.


Quellen und weiterführende Links:

  1. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zur Wiedervereinigung. C.H. Beck Verlag.
  2. Ian Kershaw: Höllensturz: Europa 1914 bis 1949. Deutsche Verlags-Anstalt.
  3. Stefan Zweig: Die Welt von Gestern. S. Fischer Verlag.
  4. Michael Stürmer: Das ruhelose Reich: Deutschland 1866-1918. Pantheon Verlag.
  5. Website des Deutschen Historischen Museums (DHM): www.dhm.de
  6. Arte-Dokumentation: Deutschland und der Klimawandel – Ein Land im Wandel (verfügbar auf arte.tv)
  7. Spiegel Online: „Der Klimastreit – Ein Land diskutiert sich zu Tode“ (Verfügbar unter www.spiegel.de)

Die Stasi war gestern, heute ist das alles smarter

Corona als Brandbeschleuniger auf dem Weg in die „Betreutes-Denken-Gesellschaft“

Wenn jemand in den 1980er Jahren gesagt hätte, die DDR wird dereinst übertroffen, was die Kontrolle ihrer Bürger angeht, hätte man wohl herzhaft gelacht. Stasi 2.0 – das klingt zunächst wie eine billige Fortsetzung eines schlechten Films. Doch was wir in den letzten Jahren erleben durften, hätte nicht einmal das Ministerium für Staatssicherheit in seiner feuchtesten Überwachungsfantasie vorauszusehen gewagt. Die Welt ist zu einem digitalen Gulag geworden, und das Erschreckendste daran: Die meisten Insassen haben sich freiwillig eingeloggt.

Es begann harmlos. Mit Apps, die dir sagen, wann du das nächste Mal joggen sollst oder wie viele Schritte du heute schon getan hast. Es folgten die digitalen Fußfesseln für die Hosentasche – aka Smartphones – und schließlich die totalitäre Konsequenz in Form von Kontaktverfolgungs-Apps. Früher musste man noch Nachbarn, Kollegen oder, falls es hart auf hart kam, Familienmitglieder bespitzeln lassen. Heute erledigt das die Technologie mit einem Klick. Die Revolution war digital und sie wurde nicht gesendet. Wir haben sie alle verpasst – weil wir mit Netflix beschäftigt waren.

Corona? Ja, das war der perfekte Katalysator. Wenn du die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen willst, brauchst du eine Krise. Aber kein Bürgerkrieg oder irgendetwas Blutrünstiges. Nein, eine Virus-Pandemie! Ziemlich unsichtbar, bedrohlich genug, und alle haben Angst. Du musst niemandem sagen, dass er den Mund halten soll. Sie tun es von ganz allein.

Kontaktverfolgung als neuer Volkssport

Wärst du in den 1980er Jahren gefragt worden, ob du dir vorstellen kannst, dass die gesamte Bevölkerung freiwillig an einem Experiment teilnimmt, bei dem jede ihrer Bewegungen nachverfolgt wird – du hättest abgewinkt. „Völliger Quatsch“, hättest du gesagt. Doch, wie sich herausstellt: Menschen lieben es, überwacht zu werden. Sie nennen es „Sicherheit“.

Und Corona hat es perfektioniert. Zunächst hast du die App installiert, „um andere zu schützen“. Dann kam der Lockdown, du durftest dein Haus nur noch für absolut notwendige Tätigkeiten verlassen – um Brot zu kaufen, oder weil du gerade den dröhnenden Nervenzusammenbruch deines Homeschooling-geplagten Ichs nicht mehr ausgehalten hast. Und jetzt? Jetzt weiß man immer, wo du bist. Natürlich alles „nur zu deinem Schutz“. Klar. Die Argumentation hat damals bei der Stasi schon gut funktioniert.

Man musste niemanden zwingen, das Handy auszuschalten oder die App nicht zu installieren. Es reichte, zu sagen: „Es ist für die Gemeinschaft.“ Gemeinschaft. Ein herrliches Wort. So gut wie „Solidarität“. Immer wenn du das hörst, solltest du dich fragen, ob es wirklich um eine Gemeinschaft geht oder nur darum, dich bei Laune zu halten, während dir ein Finger am Überwachungsknopf sitzt.

Das betreute Denken – schön warm und weich verpackt

Die Erfindung des betreuten Denkens ist ein echter Fortschritt in der Geschichte der sozialen Kontrolle. Es spart Arbeit! Früher mussten Regierungen noch komplizierte Propagandamaschinerien in Gang setzen, um Menschen zu manipulieren. Heute tun sie das selbst, in der Illusion, frei zu sein. Man braucht nicht einmal mehr den alten Kniff der Indoktrination. Es reicht, Informationen so zu verpacken, dass sie wie Fürsorge erscheinen.

„Denk doch mal nach!“, rufen sie – während sie dir schon die fertigen Antworten ins Ohr flüstern. „Finde selbst heraus, was das Richtige ist.“ Natürlich das Richtige, das schon im Vorfeld definiert wurde. Weil das Falsche eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt – was praktisch gleichbedeutend ist mit „eine Gefahr für das System“.

Und was war Corona? Es war der Testlauf für dieses betreute Denken. Du durftest natürlich weiterhin deine Meinung haben, keine Frage. Solange sie systemkonform war. Jeder Zweifel am Maßnahmenkatalog wurde direkt als unsolidarisch, unsachlich oder gleich als gefährlicher Aluhut-Wahnsinn abgestempelt. Du hattest gefälligst zu gehorchen, für dein eigenes Wohl. Ein kritischer Diskurs? Der wurde pandemisch ausgelöscht, ganz im Sinne der „Volksgesundheit“.

Es könnte alles so einfach sein – wenn du nicht selbst denken müsstest

Vielleicht ist das wirklich das Verlockende an der neuen, betreuten Gesellschaft: Man muss nicht mehr so viel nachdenken. Die Regierung, die Experten, die Medien – sie haben das ja alles für dich erledigt. Wie bequem! Nur, dass es ein wenig an den Geschmack des alten Kalten Krieges erinnert, als ebenfalls in der DDR „Freiheit“ in der Schere der Denkweisen existierte. Freiheit? Ja, aber nur in dem Maße, wie sie dir erlaubt wurde.

Die Mechanismen sind dieselben geblieben, nur die Verpackung ist moderner. Heute schreien keine Funktionäre mehr auf dem Platz der Republik ihre Parolen ins Megafon. Heute tragen sie Designeranzüge und verkaufen dir Überwachung als modernen Dienstleistungssektor. Du wirst nicht gezwungen, dich zu konformieren – du wirst freundlich aufgefordert. Es ist eine Einladung. Und wie schön du doch zu danken weißt! Die sozialen Netzwerke, diese Schmiermittel des digitalen Totalitarismus, ermöglichen es dir, freiwillig alles von dir preiszugeben. Keine Stasi nötig. Du überwachst dich selbst. Und wenn du gut bist, überwachst du auch noch deine Freunde.

Die Freiheit, die uns versprochen wurde, ist eine Scheinfreiheit. Es ist die Freiheit, nicht selbstständig denken zu müssen. Die totale Automatisierung des Geistes. Perfekt für die Bequemlichkeit unserer modernen Existenz, wo ein Mausklick genügt, um alles zu bekommen – und auch alles zu verlieren.

Corona als Entfesselung des digitalen Apparats

Die Pandemie hat uns gelehrt, wie weit der Staat bereit ist zu gehen, wenn es um „Sicherheit“ geht. Zunächst ging es nur um Gesundheit. Aber dann – ach, wie praktisch! – war plötzlich alles ein Sicherheitsrisiko. Und was ist das eine Ding, das wir gelernt haben? Angst funktioniert. Sie ist das perfekte Werkzeug, um Kontrolle zu etablieren.

In nur wenigen Monaten wurden Maßnahmen implementiert, die vor Corona undenkbar gewesen wären. Abstandsregeln? Maskenpflicht? Schön und gut. Aber was wirklich erschreckend ist: Die totale Akzeptanz. Menschen haben applaudiert, als ihre Rechte geschleift wurden. Sie haben den autoritären Maßnahmen zugejubelt, weil sie glauben wollten, dass es richtig ist. Die Pandemie war das perfekte Schlachtfeld, um den sozialen Überwachungsstaat in Gang zu setzen.

Der Weg in die Betreutes-Denken-Gesellschaft – ohne Widerstand, aber mit einem Lächeln

Wir befinden uns auf direktem Weg in die „Betreutes-Denken-Gesellschaft“, und niemand scheint sich darüber wirklich aufzuregen. Denn warum auch? Das Denken wurde uns ja abgenommen. Die Wahrheit ist längst ein käufliches Gut geworden. Es wird uns vorverpackt in einfachen Häppchen serviert. Keine Notwendigkeit mehr, selbst zu analysieren oder kritisch zu hinterfragen. Für all das gibt es Experten. Natürlich nur die richtigen Experten.

Und so wie die DDR irgendwann unter dem Druck ihrer inneren Widersprüche zusammenbrach, so wird auch dieses System des betreuten Denkens letztlich zusammenbrechen. Vielleicht nicht sofort. Aber eines Tages werden wir merken, dass das große Versprechen der Freiheit nichts weiter war als eine Fata Morgana im digitalen Wüstensand.


Quellen und weiterführende Links:

  1. Shoshana ZuboffDas Zeitalter des Überwachungskapitalismus
    Ein tiefgehender Einblick in die Mechanismen, die hinter der modernen Überwachungstechnologie stehen.
  2. Edward SnowdenPermanent Record
    Die Autobiografie des Whistleblowers, der uns einen Einblick in die perfiden Techniken der globalen Überwachung gewährt.
  3. Yuval Noah Harari21 Lektionen für das 21. Jahrhundert
    Ein weitsichtiger Blick auf die technologischen, politischen und sozialen Herausforderungen, denen wir uns im digitalen Zeitalter stellen müssen.
  4. Jaron LanierZehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst
    Ein pointierter Aufruf, die eigene digitale Existenz zu hinterfragen und sich der Manipulation zu entziehen.
  5. NDR Podcast – Coronavirus Update
    Regelmäßige Updates und Analysen zur Corona-Pandemie, die den Einsatz von digitalen Tools zur Kontaktverfolgung diskutieren.

Energiewende in den Abgrund

Wenn Ideologie auf Realität trifft

Die Deutschen – ein Volk der Denker, Dichter und Ingenieure. Und der Weltverbesserer. Nach Jahrhunderten des Experimentierens mit verschiedenen Formen von Ordnung, Disziplin und Zerstörung hat man nun endlich das ultimative gesellschaftliche Konzept gefunden, um die Menschheit zu retten: die Energiewende. Ein ambitioniertes Projekt, das uns nicht nur vor dem Klimakollaps, sondern auch vor dem Stromschlag unseres schlechten Gewissens bewahren soll. Die Idee ist so einfach wie genial: Wir verzichten auf fossile Energieträger, stellen stattdessen Windräder auf, laden unsere Elektroautos nachts an Solarzellen auf und wärmen uns in kalten Winternächten mit einer Wärmepumpe. So weit, so naiv.

Doch in der Praxis stellt sich die Energiewende nicht als heroisches Großprojekt der Menschheitsrettung dar, sondern als kafkaeske Farce. Wie einst Ikarus, der mit wachsenden Flügeln der Sonne entgegenstrebte, fliegen wir euphorisch in Richtung klimaneutrale Zukunft, nur um festzustellen, dass die Sonne die Energie zwar kostenlos liefert, aber unsere Flügel dabei schmelzen lässt. Willkommen in der Energiewende, wo die Luft dünn, der Strom knapp und die Ideologie allgegenwärtig ist.

Der Traum vom perpetuum mobile

Deutschland, die Wirtschaftsmacht Europas, das Land der technologischen Wunderwerke, will es wieder einmal wissen. Was einst im Silicon Valley begann, soll nun am Bodensee, in der Lausitz und am Stuttgarter Neckartor vollendet werden: Der Übergang zu einer CO₂-neutralen Wirtschaft – und zwar bitte ohne dass irgendjemand dabei seinen Lebensstandard herunterschrauben muss. Schließlich ist man ja ein „Vorreiter“. Wer, wenn nicht wir, soll den anderen zeigen, wie man das macht? Doch während man sich in den politischen Salons von Berlin die Erfolge der Ökostromproduktion auf die Fahnen schreibt, zeichnet sich bereits ab, dass es sich um ein hochkomplexes Vorhaben handelt, dessen Gelingen in der Realität vor allem von zwei Dingen abhängt: Optimismus und Blindheit.

Der Traum der Energiewende basiert auf der Überzeugung, dass erneuerbare Energien unendlich verfügbar sind und praktisch keine Nebeneffekte haben – ein perpetuum mobile des grünen Fortschritts. Wind, Sonne, Wasser – als wären diese Elemente nur dazu da, uns auf Knopfdruck unerschöpfliche Energie zu liefern. Doch die Sache hat einen Haken: Wind weht nicht immer, die Sonne scheint vor allem dann, wenn wir sie nicht brauchen (nämlich tagsüber), und Wasserkraft steht in den flachen Ebenen der Norddeutschen Tiefebene auch nicht in rauen Mengen zur Verfügung.

Aber das ist kein Grund zur Sorge! Man nennt es „Fluktuation“ und gibt dem Problem einen wohlklingenden Namen. Es klingt nach etwas, das man mit einem noch smarteren Algorithmus lösen kann, nicht nach einem Konstruktionsfehler im Gesamtmodell. Die Deutschen lieben schließlich Herausforderungen. Und wenn das alles nicht klappt, dann kann man immer noch China fragen, ob sie uns ein paar Solarpaneele schicken – sie haben schließlich die Fabriken, die wir aus klimafreundlichen Gründen schon vor Jahren geschlossen haben.

Die Rückkehr des Kohleofens – Ein Pyrrhussieg der Moral

Der Deutsche freut sich. Er hat gespart, geplant und ausgerechnet: Seine Wärmepumpe wird ihn durch den Winter bringen. Die Solaranlage auf dem Dach speist ins Netz und der CO₂-neutrale Traum ist fast greifbar. Fast. Denn genau in diesem Moment verkündet der Energieversorger, dass der Strom im Winter knapp wird. „Nicht so schlimm“, denkt sich der fleißige Bürger, „dann heize ich eben mit dem Gasofen zu.“ Leider gibt es auch da ein Problem: Gas ist zu teuer und knapp. Ein technisches Wunderwerk deutscher Ingenieurskunst – die berühmte Effizienz der Energiewende!

Was nun? Die Antwort liegt buchstäblich im Keller: der Kohleofen. Während Greta Thunberg immer noch vergeblich fragt, „How dare you?“, schaufelt der Deutsche mit stoischer Gelassenheit Briketts in den Ofen, den er nie wirklich losgeworden ist. Der Erfolg der Energiewende manifestiert sich nicht im CO₂-neutralen Haushalt, sondern in der Renaissance von fossilen Brennstoffen, die wir vor Jahren schon ausrangieren wollten. Und während man die eigene moralische Überlegenheit beim nächsten Klimagipfel beteuert, geht es zu Hause im Flur auf die altbewährte Weise zu: rußige Hände und der Geruch von verbrannter Kohle. Aber immerhin in Selbstversorger-Manier. Schließlich ist Autarkie das große Ziel.

Die Ironie dieses Kapitels der Energiewende ist so dick, dass man sie mit einem Suppenlöffel servieren könnte: Während sich das Land an Windräder und Solarfarmen klammert, kriechen wir in die Wärmeschutzzonen des fossilen Zeitalters zurück. Ein Pyrrhussieg der Moral, bei dem sich zeigt, dass die Rettung des Planeten offenbar nur durch Rückschritte zu erreichen ist.

Bürokratie – Das grüne Minenfeld

Ein weiteres unerlässliches Element der deutschen Energiewende ist die Bürokratie. Jeder weiß, dass nichts in Deutschland ohne Formulare, Genehmigungen und umfassende Regelwerke funktionieren kann. Und so stürzten sich die Schreibtischtäter mit Inbrunst in die größte Aufgabe ihrer Karriere: die Energiewende auf Papier zu bringen. Was dabei herauskam, ist ein bürokratisches Monstrum, das nicht nur den schnöden Bau eines Windrads zu einer Herkulesaufgabe macht, sondern auch jeden privaten Hausbesitzer, der sich eine Solaranlage aufs Dach schrauben will, an den Rand der Verzweiflung treibt.

Die Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen dauern in der Regel länger als deren geplante Lebensdauer. Von der Idee, ein Windrad aufzustellen, bis zur tatsächlichen Inbetriebnahme können locker zehn Jahre vergehen – und dann haben die Blätter der Klimakatastrophe den Wintersturm von 2033 vielleicht schon zu einer fernen Erinnerung gemacht. Der deutsche Amtsschimmel wiehert also immer noch lauter als jeder Windpark.

Aber Bürokratie hat auch ihr Gutes. Zumindest sind wir dadurch vor einem unkontrollierten Ausbau der erneuerbaren Energien sicher. Während andere Länder ihre Energiesysteme modernisieren, diskutieren wir noch immer, ob ein Windrad wirklich die Flugrouten der Störche beeinträchtigt. Aber keine Sorge: Während der Bundestag über Vogelschutz debattiert, pumpt der letzte Kohlemeiler in NRW weiterhin fleißig CO₂ in die Atmosphäre. Schließlich brauchen wir stabile Netze.

Die Tesla-Illusion und der Mythos vom „grünen Auto“

Was wäre die Energiewende ohne die wunderbare Vision des Elektroautos? Ein leises, emissionsfreies Fahrzeug, das die Luft rein hält und den Planeten rettet – zumindest, wenn man die Kinder in den Kobaltminen Afrikas außer Acht lässt, die sich für unsere Batterien in den Tod schuften. Aber wer denkt schon an die Details? Tesla verkauft uns das Elektroauto als das nächste große Ding, und der Deutsche ist begeistert. Endlich etwas, das sowohl umweltfreundlich als auch teuer ist – genau die Kombination, die das grüne Herz höher schlagen lässt.

Doch auch hier zeigt sich der doppelte Boden der Energiewende. Während die glücklichen Elektroautobesitzer ihre Fahrzeuge stolz an die Ladestation anschließen, fragt niemand, woher der Strom eigentlich kommt. Das Netz ist überlastet, die Ladezeiten sind lang, und im Winter, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, geht es plötzlich nicht mehr um Reichweite, sondern um Reichweitenangst. Aber keine Panik! Der Deutsche bleibt gelassen. „Ich fahre einfach weniger“, denkt er sich. Vielleicht ist das der wahre Trick: Mobilität einschränken, um den Klimawandel zu stoppen. Perfekte Lösung.

Elektroautos sind in dieser Geschichte vor allem eines: Symbole für das deutsche Streben nach einem „sauberen“ Leben, ohne die eigentlichen Probleme zu lösen. Die Illusion vom emissionsfreien Verkehr erweist sich als Etikettenschwindel, denn solange wir den Strom für diese Fahrzeuge nicht selbst aus Windrädern beziehen, fahren wir immer noch auf der gleichen schmutzigen Straße – nur eben mit einem anderen Anstrich.

Der Weg in die Energiezukunft – Oder doch in den Abgrund?

Während man also in Deutschland weiterhin verzweifelt versucht, die Energiewende durchzuführen, ohne dabei den Lebensstandard zu gefährden oder eine Revolution der verärgerten Bürger auszulösen, stellt sich die Frage: Wie realistisch ist das alles eigentlich? Jeder, der ein bisschen rechnen kann, weiß längst, dass die Rechnung nicht aufgeht. Energieerzeugung ohne fossile Brennstoffe ist ein Traum, der in der Theorie glänzt, aber in der Praxis auf klägliche Weise scheitert. Der Weg, auf dem wir uns befinden, führt nicht in eine strahlende Zukunft, sondern in einen dunklen Tunnel, an dessen Ende bestenfalls ein flackerndes Energiesparlicht glimmt.

Die Wahrheit ist: Wir sitzen in einem hochkomplexen Schlamassel. Einerseits will Deutschland seine moralische Überlegenheit aufrechterhalten und der Welt zeigen, wie man den Planeten rettet. Andererseits zeigen die Fakten, dass wir ohne Kohle, Öl und Gas nicht einmal den nächsten Winter überstehen werden – zumindest nicht ohne frierende Bürger und stillgelegte Industrien. Die große Frage ist also: Wie lange wird die Fassade der sauberen, grünen Energiewende noch aufrechterhalten, bevor der Zusammenbruch kommt?

Der zynische Triumph der Ideologie

Die Energiewende ist das deutsche Großprojekt des 21. Jahrhunderts – ein Projekt, das aus edlen Motiven heraus geboren wurde, aber an der eigenen Ideologie zugrunde geht. Wir wollen den Planeten retten, doch gleichzeitig schaffen wir es nicht, unsere eigenen Versorgungssysteme am Laufen zu halten. Die Deutschen, die einst als Ingenieure der Welt galten, stolpern nun über die einfachsten Fragen der Energieversorgung.

Vielleicht ist der größte Witz an der Energiewende, dass sie uns nicht nur in den Abgrund führt, sondern uns dabei auch noch das Gefühl gibt, wir hätten etwas Gutes getan. Wir opfern unser Wohlstand, unsere Versorgungssicherheit und unser internationales Ansehen – alles im Namen eines Traums, der auf Sand gebaut ist. Doch eines bleibt sicher: Am Ende wird Deutschland, egal wie es ausgeht, immer stolz darauf sein, es versucht zu haben.


Quellen und weiterführende Links:

  1. Hans-Werner Sinn: Das grüne Paradoxon – Warum wir beim Klimaschutz versagen (C.H. Beck)
  2. Patrick Graichen: Der deutsche Weg zur Energiewende – Vom Traum zur Realität? (Transparenzstelle Energie)
  3. Agora Energiewende: Zahlen zur Energiewende 2023 (www.agora-energiewende.de)
  4. Spiegel Online: „Die große Energielüge“ (https://www.spiegel.de)
  5. Zeit Online: „Wie die Bürokratie die Energiewende aufhält“ (https://www.zeit.de)
  6. ARD Dokumentation: „Deutschland und die Energiewende“ (verfügbar in der ARD Mediathek)