Bitte um Kenntnisnahme:

Ich scheiß auf einen Platz in eurer demokratischen Mitte

Präludium der gepflegten Verachtung

Es gibt wohl nichts Langweiligeres als die vielbeschworene „demokratische Mitte“ – dieser bräsige Wohlfühlkonsens, in dem man sich gegenseitig auf die Schulter klopft, weil man es geschafft hat, sich weder rechts noch links, weder oben noch unten, weder denkend noch fühlend zu positionieren. Eine politisch-ideologische Knautschzone, weich gepolstert mit leeren Worthülsen und moralischer Selbstbeweihräucherung, in der man sich mit einer Tasse Fairtrade-Kaffee in der Hand für den Erhalt des Status quo feiert, als wäre das schon Revolution genug. Die demokratische Mitte ist kein Ort, es ist ein Zustand – ein Zustand der geistigen Verdauungsstörung, in dem man zwar alles irgendwie akzeptiert, aber nichts mehr hinterfragt, weil es ja die „Mitte“ ist. Und wer will schon radikal wirken, wenn man auch einfach irrelevante Kompromisse feiern kann?

Die moderaten Monster

Die Gefahr geht heute nicht mehr von den brüllenden Populisten aus – deren Fratzen sind so deutlich, dass selbst der durchschnittlich desinteressierte Netflix-Zombie sich bei den Abendnachrichten kurz verschluckt. Nein, die wahre Bedrohung wohnt in gepflegten Reihenhäusern, sitzt in Ethikräten, schreibt Leitartikel und spricht mit jener aalglatten Stimme, die alle Empörung schon im Ansatz neutralisiert. Es sind die netten Monster im Maßanzug, die sich für die „Stabilität des Systems“ einsetzen, während sie mit stoischer Miene die Verarmung von Millionen verwalten, die Umweltzerstörung mit „technologieoffenen Lösungen“ lobpreisen und den globalen Süden mit paternalistischer Arroganz „entwickeln“ wollen. Diese Typen – nennen wir sie ruhig beim Namen: Politiker, Intellektuelle, Journalisten, Thinktank-Therapeuten – sind keine Verschwörer, sondern Verwalter. Verwalter der Verwahrlosung. Sie sind der Ikea-Kleiderschrank, in den man die hässlichen Wahrheiten unserer Zeit verstaut, damit sie im Wohnzimmer der gepflegten Meinungskultur nicht stören.

Demokratie als Dekoartikel

Man darf wählen. Ja, das darf man. Zwischen Pest in Blau, Cholera in Grau und einem veganen Durchfall in Pastellgrün. Wer heute an demokratische Teilhabe glaubt, glaubt vermutlich auch, dass man durch Online-Petitionen den Kapitalismus abschaffen kann oder dass eine Instagram-Story gegen Kinderarbeit hilft. Der Wahnsinn liegt nicht mehr draußen, er ist längst integriert, systemkompatibel, gesetzlich reguliert – und von einem parteiübergreifenden Konsens abgesegnet. Wenn Demokratie bedeutet, alle vier Jahre ein Kreuz zu machen, um danach von Koalitions-Pantomimen regiert zu werden, die sich gegenseitig beteuern, „das Beste für das Land“ zu wollen, dann ist Demokratie ein verdammt schlechter Witz mit einem sehr langen Aufbau und keiner Pointe.

Gesellschaft als Selbstbetrug

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Armut als individuelles Versagen gilt, Reichtum als Gottesbeweis und Burnout als modischer Persönlichkeitsakzent. Wer nicht mehr mitkommt, bekommt Therapien, Coachings, Achtsamkeitstrainings – aber keine Umverteilung. Die gesellschaftliche Mitte hat sich längst damit abgefunden, dass soziale Gerechtigkeit ein romantisches Märchen aus der SPÖ-Werbung der 70er war. Heute ist man pragmatisch. Man duzt sich im Elend, lächelt auf LinkedIn beim 19. unbezahlten Praktikum und postet zum Trost ein Zitat von Bukowski – falsch zugeordnet, versteht sich.

Ich scheiß auf euren Konsens

Nein, ich will nicht Teil eures Wohlfühl-Konsenses sein, der sich wie eine warme Decke über alles legt, was stört, kratzt, beißt oder schreit. Ich will keine Einladung in eure Talkshows, keine Einordnung in euer Hufeisen, keine Argumentation im Dienste der „Zivilgesellschaft“. Ich will euch nicht versöhnen. Ich will euch ärgern. Ich will euren Diskurs mit der rhetorischen Motorsäge zerlegen und auf dem Trümmerhaufen eine Fahne aus Wut und Spott hissen. Eure „gesellschaftliche Mitte“ ist kein Zentrum, sondern ein stillgelegtes Karussell, das sich nur noch in den Köpfen derer dreht, die zu feige sind, auszusteigen und zu sagen: „Das hier ist krank.“

Abgesang auf die Anständigen

Ach, und bevor wieder einer kommt mit der Mahnung, man solle doch „respektvoll bleiben“, „die Demokratie stärken“ und „das Miteinander fördern“: Nein. Einfach nein. Wenn Anstand bedeutet, sich dem strukturellen Irrsinn unterzuordnen, dann bin ich lieber unanständig. Wenn „Verantwortung“ heißt, die katastrophalen Verhältnisse zu moderieren, statt sie zu ändern, dann bin ich lieber verantwortungslos. Und wenn „Mitte“ heißt, sich in einer Welt des Elends als vernünftig zu inszenieren, während man auf den Trümmern tanzt – dann scheiß ich auf eure Mitte.

Im Namen der Demokratie

oder wie ich lernte, die Kündigung zu lieben“

„Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, können aus dem Dienst entlassen werden. Auf die Dauer von drei Monaten nach der Entlassung werden ihnen ihre bisherigen Bezüge belassen. „
§4, Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, vom 7. April 1933.

Der Staat bin ich – aber bitte mit Sicherheitsüberprüfung

Man stelle sich einen durchschnittlich engagierten Verwaltungsbeamten vor, sagen wir: Fachbereich Wirtschaftsförderung in Klein-Kleckerstedt. Sorgfältig frisiert, mit Krawatte in Landesfarben, stets bemüht, den kommunalen Haushalt mit der Contenance eines mittelalten Revisoren zu führen. Dieser Mensch, der morgens in seine Filzpantoffeln schlüpft, während er gedankenverloren den öffentlich-rechtlichen Wetterbericht hört, ist, so sagt es das neue Gesetz, plötzlich verdächtig. Nicht, weil er etwas getan hätte, sondern weil er nicht ausreichend geglaubt hat. Und das ist bekanntlich schlimmer.

Denn 2025, das ist das Jahr, in dem die Demokratie den autoritären Stil für sich entdeckt hat – natürlich mit bester Absicht. Schließlich muss man die Feinde der Freiheit mit den Mitteln der Unfreiheit bekämpfen. Logisch. Im Kampf gegen Extremismus reicht es nicht mehr, Gesetze zu befolgen – man muss sie lieben. Laut, mit Nachdruck, bestenfalls mit einem Aufkleber auf dem Firmenlaptop: „Unsere Demokratie. Unsere Regeln. Unser Personal.“

Und was passiert, wenn ein Beamter sich zu kritisch äußert, zu oft das Wort „Grundrechte“ buchstabiert oder gar die Kühnheit besitzt, in öffentlichen Sitzungen die Effizienz von Gesetzesvorhaben zu hinterfragen? Nun, er bietet „nicht die Gewähr“. Und schon klingelt das Verwaltungsgericht. Drei Monate Schonfrist – man ist ja kein Unmensch – und dann: Raus. Demokratieförderung nach dem Vorbild gesäuberter Schreibtische.

Der Gesinnungskorridor: Jetzt mit Videoüberwachung

Wir kennen das aus vergangenen Zeiten: Früher suchte man nach „vaterlandslosen Gesellen“, heute nach „demokratiefernen Beamten“. Was das ist? Gute Frage. Die Antwort liegt im Auge des Betrachters – oder besser: des Amtsleiters mit erweitertem Mandat und Zugriff auf Social-Media-Profile.

Denn selbstverständlich sind Facebook-Likes heute relevanter als Verwaltungsrecht. Was nützt einem das Beamtenrecht, wenn ein Post von 2018 aufgedeckt wird, in dem man sich kritisch zur NATO, zur Energiepolitik oder – Gott bewahre – positiv zur AfD? Der Verfassungsschutz schaut mit, und plötzlich wird aus dem Fachangestellten ein Sicherheitsrisiko, aus dem Lehrer ein latent subversiver Pädagoge, aus der Archivarin eine potenzielle Demokratiesaboteurin. Kafka lacht im Grab, Orwell gibt Applaus.

In Ministerien wird hinter vorgehaltener Hand gemurmelt, manche trauen sich nicht mehr, in der Kantine über Bundespolitik zu sprechen. Der Humor? Abgeschafft, Satire? Verdächtig. Ironie? Subversiv. Die viel beschworene „wehrhafte Demokratie“ wird zur misstrauischen Tante, die selbst ihren Lieblingsneffen verhört, weil er im Freundeskreis über die Steigerung der Parlamentsdiäten witzelte.

Zynismus als Staatsbürgerpflicht

Ironischerweise ist die neue Sauberkeit der Verwaltung nicht sauberer geworden, nur glatter. Die Beamten sind angepasster, schweigsamer, fleißiger – aus Angst. Sie äußern sich nicht mehr politisch, auch nicht privat, schreiben keine Leserbriefe, sie „liken“ keine Kommentare, sie schweigen. Nicht aus Desinteresse, sondern aus purem Überlebensinstinkt.

Und was ist die Folge? Eine Demokratie, die sich ständig selbst auf die Schulter klopft, während sie im Hintergrund still ihre Kritiker entfernt – gesetzeskonform, versteht sich. Nur mit bester Absicht. Und immer mit dem Zusatz: „Das hat nichts mit Zensur zu tun.“ Natürlich nicht. Es ist ja nur eine „dienstrechtliche Maßnahme“. Im Namen der Demokratie. Die sich schützt, indem sie niemandem mehr traut, der sie nicht täglich aufs Neue bejubelt. Inklusive Formblatt 47b: „Eidesstattliche Erklärung zur gefühlten Verfassungstreue“.

Der große Gleichklang: Freiheit ist Gehorsam

Im Jahr 2025 klingt Demokratie oft wie eine Betriebsanleitung für ein autoritär verwaltetes Start-up. Mit freundlichem Logo, netten Slogans und der eindringlichen Warnung, „unsere Demokratie“ nicht zu gefährden. Aber was bedeutet dieses „unsere“? Wer ist das „wir“? Und wer entscheidet, wann jemand „uns“ nicht mehr gehört?

Fragen, die niemand mehr stellt. Denn wer fragt, dem traut man nicht. Und so wächst der Apparat – nicht nur in Größe, sondern auch in Reizbarkeit. Kritik wird zur Majestätsbeleidigung, Zweifel zur Gesinnungsschwäche. Und der Bürger zum Klatscher, der sich nur dann sicher fühlen darf, wenn er nickt.

Wohin das führt? Wir wissen es. Wir waren schon einmal dort. Nur hieß es damals nicht „Demokratie“, sondern „nationaler Staat“. Man tausche ein paar Begriffe aus, ersetze „völkisch“ durch „verfassungstreu“, und der Rest ist Systempflege mit Update-Garantie.

Zwischen Fazit und Farce: Das sanfte Kichern des Untergangs

Und so stehen wir also im Jahr 2025, mitten in einer Demokratie, die sich selbst zu ernst nimmt, um ernst genommen zu werden. Eine Demokratie, die nur dann funktioniert, wenn niemand ihr widerspricht. Eine Verwaltung, die Loyalität mit Devotion verwechselt. Und ein Beamtenapparat, der von innen verdampft, weil draußen jemand beschlossen hat, dass innere Haltung nun nach außen kontrolliert werden muss.

Natürlich – das alles ist notwendig, sagen sie. Wegen der Bedrohungen, wegen der Radikalen, wegen der Netzwerke. Und man möchte nicken. Man will glauben, dass man auf der sicheren Seite ist. Bis man merkt: Diese Seite wird jeden Tag neu gezeichnet. Und wer heute noch dazugehört, kann morgen schon als Risiko gelten.

Willkommen, also in der Demokratur – freundlich lächelnd, rückhaltlos gerecht, mit drei Monaten Lohnfortzahlung. Danach dürfen Sie gehen. Aber bitte ohne Kommentar.

Ende. Oder wie es heute heißt: Stellungnahme folgt.

Die Reinheitsprüfung

oder: Wie man mit Demokratie die Demokratie ausradiert

Prolog mit Preußenschwärze: Wenn der Staat Gesinnung schnüffelt

Man muss, ich wiederhole es mit allem Nachdruck, kein Freund der AfD sein. Man kann diese Partei für reaktionär, revisionistisch, gefährlich, dumm, opportunistisch, rassistisch, antieuropäisch, demokratiezersetzend und im Habitus latent faschistoid halten – was ohnehin schwerfällt, sich nicht irgendwann zu denken, wenn man sich einmal nüchtern mit ihrem Programm und ihren Protagonisten beschäftigt hat. Doch genau das ist der Prüfstein: „Nüchtern.“ Denn wer nüchtern bleibt in einem politischen Klima, das zunehmend nach Kaltverformung riecht, muss auch den kalten Hauch erkennen, der plötzlich aus einer anderen Richtung weht. Aus jener Richtung, die sich als die gute, richtige, aufrechte bezeichnet. Die Seite der Demokratie. Der Menschenrechte. Der Gerechtigkeit.

Und gerade dort, in dieser warm beleuchteten Zone des moralischen Bessermenschentums, brennt jetzt eine kalte Lampe.

Michael Ebling, Innenminister von Rheinland-Pfalz, hat beschlossen, dass die AfD ab sofort auf einer Liste steht. Einer Liste der extremistischen Organisationen. Und wer dort steht, ist raus. Raus aus dem Staatsdienst, raus aus der Chance, Lehrer, Polizist, Verwaltungsbeamter oder Zugbegleiter in Uniform zu werden.

Klingt nachvollziehbar, oder? Schließlich will man ja keine Demokratiefeinde im Staatsapparat haben.

Klingt vernünftig – wenn man gerade aus einem schlechten dystopischen Film kommt und das Popcorn noch zwischen den Zähnen knackt.

Die Logik der Gesinnungsprüfung: Wer nicht hüpft, ist kein Demokrat

Was hier eingeführt wird, ist keine banale Schutzmaßnahme. Es ist der Einstieg in ein Denken, das man längst überwunden glaubte: die amtliche Prüfung innerer Überzeugungen, die administrative Einordnung politischer Identität, die Verknüpfung staatlicher Loyalität mit weltanschaulicher Reinheit. Es ist – man muss es so sagen – eine zivilisierte Neuauflage dessen, was man früher „Unzuverlässigkeit“ nannte.

Willkommen im demokratischen McCarthyismus der BRD 2.0. Die Parole lautet: Du darfst wählen, was du willst, aber wehe, du willst das Falsche. Dann darfst du nicht mehr sein, was du willst. Schon gar nicht Staatsdiener.

Wer glaubt, das sei eine notwendige Abwehr gegen rechte Unterwanderung, der sollte kurz innehalten und sich fragen, warum man dann nicht einfach das Verbot dieser Partei vollzieht – mit ordentlichen Verfahren, mit gerichtlicher Kontrolle, mit Beweisen und nachvollziehbaren Schritten. Stattdessen macht man etwas viel Heimtückischeres: Man deklariert eine demokratisch legitimierte Partei zur Extremismusmarke und versieht sie mit einem stillen Berufsverbot.

Künftig soll jeder Bewerber eine Erklärung unterschreiben, dass er keiner extremistischen Organisation angehört – und die Definition, was extremistisch ist, liegt beim Ministerium. Dort steht jetzt eben auch die AfD. Morgen vielleicht die Linke. Übermorgen Fridays for Future oder Amnesty International. Wer weiß? Die Listen kann man erweitern. Irgendjemand wird schon klatschen.

Der Staat als Gesinnungsschnüffler – ein sozialdemokratischer Albtraum

Dass ausgerechnet die SPD diesen Schritt geht, ist eine besonders bittere Pointe. Dieselbe Partei, die in den 1970er Jahren mit dem sogenannten Radikalenerlass hunderttausende junge Menschen unter Generalverdacht stellte, weil sie Mitglied in der DKP oder nur Leser der konkret waren – sie führt nun die Gesinnungsliste wieder ein, diesmal unter dem Schutzschild des Antifaschismus. Das ist keine Ironie. Das ist Tragik.

Wer sich erinnert: Damals wurde lange nachgedacht, diskutiert, debattiert, gestritten. Heute reicht ein Tweet, ein Presserummel, eine ministeriale Mitteilung.

Der neue Puritanismus verlangt keine Argumente mehr, sondern Eide. Loyalität zur Verfassung soll nicht mehr in Haltung und Verhalten sichtbar werden, sondern in Form einer Selbstauskunft. Wer lügt, fliegt. Wer bekennt, darf bleiben – vielleicht. Denn auch der Bekenner kann im Zweifel verdächtig bleiben, falls das Parteibuch nicht gefällt. Und was ist mit ehemaligen Mitgliedern? Mit jenen, die „reumütig“ sind? Wird es ein Reintegrationsformular geben, ein Entnazifizierungsseminar, ein Demokratietreue-Screening beim Verfassungsschutz?

Man sieht: Das ist keine Linie mehr. Das ist ein Abgrund.

Vom Extremismus zur Exkommunikation: Die postliberale Demokratie

Was hier still und beinahe beiläufig vollzogen wird, ist nicht bloß ein Angriff auf eine Partei, sondern auf das Prinzip pluralistischer Demokratie. Wenn der Staat entscheidet, wer inhaltlich zur Demokratie gehört – und nicht mehr nur formal die Regeln ihrer Spielweise garantiert – dann kippt das System. Dann wird der demokratische Staat zur ideologischen Kirche, und die Exkommunikation zur Verwaltungsmaßnahme.

Man stelle sich das umgekehrt vor: Ein konservativer Innenminister erklärt, Mitglieder der Linkspartei dürften nicht mehr in den Staatsdienst, weil sie mit der DDR sympathisierten. Oder ein zukünftiger libertärer Populist verweigert Klimaaktivisten den Beamtenstatus, weil sie „staatsfeindlich“ agieren.

Wer nun sagt, das sei nicht vergleichbar – der beweist nur, dass er nicht bereit ist, das Prinzip zu verteidigen, sondern nur die eigene politische Hegemonie.

Und das Lächeln dabei – der neue autoritäre Humanismus

Was diese Entwicklung so perfide macht, ist ihr gutmenschlicher Gestus. Sie kommt nicht mit Panzern und Stahlhelmen, sondern mit gendergerechter Sprache und regenbogenfarbenen Logos. Sie tarnt ihre Exklusion als Schutzmaßnahme. Sie spricht nicht von Säuberung, sondern von „Verfassungstreue“. Und sie klatscht sich selbst Beifall, weil sie ja nur das Richtige will.

Dabei ist es ganz einfach: Wer anderen Menschen Berufsrechte entzieht, nicht wegen ihrer Tat, sondern wegen ihrer Mitgliedschaft – der betreibt Kollektivschuld. Wer Gesinnungen bewertet, bevor ein Mensch gehandelt hat – der betreibt Präventivjustiz. Wer Parteien ächtet, statt sie offen zu bekämpfen – der betreibt politische Willkür.

Und wer das alles mit einem Lächeln tut, mit dem Brustton moralischer Überlegenheit – der ist gefährlicher als jeder brüllende AfD-Stammtisch.

Epilog: Die Demokratie stirbt nicht durch ihre Feinde – sondern durch ihre Freunde

Wir leben in Zeiten, in denen die Demokratie zunehmend in Watte gepackt wird – aus Angst, sie könnte zerbrechen. Doch in Wahrheit wird sie durch diese Umarmung erstickt. Demokratie lebt nicht davon, dass nur Demokraten an ihr teilnehmen. Sondern dass auch ihre Gegner in ihr sichtbar, kontrollierbar und kritisierbar bleiben. Wer sie ausschließt, macht sie nur dunkler. Wer sie tabuisiert, macht sie nur attraktiver für jene, die sich als Verfolgte inszenieren wollen – mit leider wachsendem Erfolg.

Nein, man muss wahrlich kein Freund der AfD sein, um das, was hier geschieht, als gefährlich zu erkennen. Es reicht, ein Freund der Freiheit zu sein. Und ein Feind jeder Form von moralischem Autoritarismus – ganz gleich, welche Farbe er trägt.

Denn am Ende ist es immer gleich:

Wer Listen anlegt,
verliert zuerst das Vertrauen,
dann die Freiheit,
und schließlich –
die Demokratie selbst.

Der letzte Buchstabe – Ein Abgesang auf das „C“

Die Richtermacher tanzen den Spagat

Am 11. Juli 2025, einem Datum, das in die Annalen deutscher Demokratie eingehen wird wie eine warme Bierflasche in die Chronik sommerlicher Enttäuschungen, entscheidet der Bundestag über nichts Geringeres als die zivilreligiöse Weihe einer neuen Verfassungspriesterin: Frau Professorin Brosius-Gersdorf, deren Name bereits klingt wie eine Fußnote in einer Verwaltungsgerichtsentscheidung aus den 80er Jahren, soll zur Richterin am Bundesverfassungsgericht erhoben werden. Die höchste juristische Weihestufe der Republik – rot gewandet, über dem Gesetz stehend, dem Gewissen verpflichtet, aber meist einem Parteibuch näher als der objektiven Vernunft.

Nun könnte man sagen: Na gut, Richter kommen und gehen, aber was soll’s – der Rechtsstaat funktioniert doch, solange wenigstens das Wappen über dem Sitzungssaal noch adlerförmig bleibt. Doch halt! Diese Nominierung ist kein lauer Verwaltungsakt, keine Personalie unter vielen. Sie ist ein programmatischer Paukenschlag, ein verfassungsjuristischer Akt der Deutungshoheit – oder, um es mit einem anderen Wort zu sagen: ein Etikettenschwindel.

Menschenwürde light – der Fetisch der Definitionshoheit

Frau Brosius-Gersdorf, ihres Zeichens Professorin mit reichlich Publikationsvergangenheit, hat sich in der Vergangenheit nicht nur durch subtile juristische Ausdifferenzierung hervorgetan, sondern auch durch eine gewisse Bereitschaft, die Menschenwürde wie einen Mantel zu tragen, den man bei Bedarf ablegt, wenn es politisch zieht. Wer, wie sie, vorschlägt, dass ungeborenen Kindern im Mutterleib das Grundrecht auf Menschenwürde nicht automatisch zustehe, der stellt sich nicht nur gegen Jahrzehnte der verfassungsrechtlichen Dogmatik, sondern gegen den Kern dessen, was das „C“ im Parteinamen der CDU/CSU ursprünglich mal bedeutete – bevor es endgültig zu einer bloßen Glyphe verkommen ist, hübsch gerahmt im Parteilogo, aber ansonsten funktionslos wie ein Kirchturm in einem atheistischen Ferienpark.

Die Menschenwürde – jenes hochmoralische Versprechen der Verfassung, das als einziges Grundrecht nicht eingeschränkt werden darf – soll nun zur verhandelbaren Kategorie gemacht werden. Ein Fötus, ein Zellhaufen, ein rechtliches Nichts, solange er nicht atmet, schreit oder steuerlich veranlagt wird? Welch subversives Verständnis von Schutzbedürftigkeit – man möchte fast meinen, der Paragraph 1 GG sei neuerdings ein Antragsformular, kein Dogma.

Wehrhafte Demokratie als Illusionszauber

Man könnte vermuten, wer so locker die Menschenwürde für Ungeborene zur Disposition stellt wie eine schlecht begründete Seminarthese, würde staatlicher Macht mit Skepsis begegnen. Doch nein – Frau Brosius-Gersdorf zieht es vor, ihre juristische Energie auf ein anderes Lieblingsprojekt zu lenken: das Verbot der AfD. Nicht aus nüchterner Rechtsbetrachtung, sondern mit leuchtenden Augen und dem Brustton der Überzeugung. Ein AfD-Verbot sei ein „ganz starkes Signal“ – so nennt sie es. Signal! Welch schönes Wort, wenn man nichts verändern, aber dabei gut aussehen will.

Doch was dann folgt, ist der eigentlich aufschlussreiche Moment: Man müsse, so Brosius-Gersdorf, leider „bedenken, dass damit nicht die Anhängerschaft beseitigt“ werden könne. Beseitigt! Welch unglückliches Wort – oder war es vielleicht doch ganz bewusst gewählt? Man spürt beim Lesen förmlich das Bedauern, dass man sich zwar der Partei entledigen kann, aber nicht der Menschen, die sie wählen. Schade aber auch. Da hat man das Symptom endlich abgeschafft – und dann lebt die Krankheit einfach weiter. Diese Demokratie ist wirklich manchmal frustrierend.

Man wünscht sich fast, Frau Brosius-Gersdorf würde gleich ein Anschlussverfahren vorschlagen: nach dem Parteienverbot folgt das Wählerverbot. Ein „starkes Signal“ an all jene, die nicht richtig wählen wollen – oder schlimmer noch: überhaupt noch denken. Am besten mit rückwirkender Wirkung und digitaler Vollstreckung. Schließlich kann die Demokratie nicht wehrhaft sein, solange sie nicht auch sauber ist.

Was hier als staatsrechtliche Erwägung daherkommt, ist in Wahrheit der autoritäre Reflex der Besserwisserklasse: Man hätte sie so gern – diese radikalen Wähler, diese Störenfriede der Gesinnungshygiene – einfach aus dem Diskurs, dem Wahllokal, der Statistik. Und man sagt es auch. Fast beiläufig, fast nebenher. Als wäre es das Natürlichste der Welt: dass man sie nicht beseitigen kann. Leider.

Merz und das Orakel der Einfachheit

Und dann, als letzter Akt im moralischen Trauerspiel, tritt Friedrich Merz vor die Mikrofone – jener Mann, der als Kanzler der Selbstbehauptung inszeniert wurde, nun aber wirkt wie das museale Überbleibsel einer Partei, die einst vorgab, zwischen Soziallehre und Seelenheil zu balancieren. Die Frage, die ihm gestellt wird, ist keine banale. Keine technische. Keine taktische. Sie zielt ins Zentrum dessen, was einen Volksvertreter auszeichnen sollte: Kann er diese Entscheidung mit seinem Gewissen vereinbaren?

Die Antwort: ein schlichtes, ungerührtes, vollständig unreflektiertes „Ja“.

Kein Innehalten. Kein „Es war eine schwierige Abwägung“. Kein „Ich habe gerungen“. Kein „Ich vertraue auf die institutionelle Kraft unseres Rechtssystems“. Nein – nichts davon. Nur dieses eine, kalte, administrative Ja. Zwei Buchstaben, gesprochen mit der Emotionskraft eines Thermodruckers im Finanzamt.

Ein „Ja“ wie aus der Fabrik für politische Automatismen. Ein „Ja“ wie ein auswendig gelernter Schwur, den man längst nicht mehr versteht. Ein „Ja“, das nicht erklärt, nicht begründet, nicht verantwortet – sondern einfach nur abspult. Als sei das Gewissen ein Menüpunkt im Parteitagsprotokoll.

Vielleicht war es ein routiniertes Ja, wie man es sagt, wenn der eigene Kalender ein „Abnicken“ vorsieht. Oder ein innerlich längst entleertes Ja, das in Wahrheit ein „Ich will meine Ruhe“ meint. Vielleicht war es auch ein ironisches Ja – doch selbst dafür fehlte jede Spur von Zwinkern. So oder so: Dieses „Ja“ ist ein Totenschein. Für das Gewissen in der Politik. Für das Denken vor dem Entscheiden. Für eine Partei, die sich immer noch ein „C“ in den Namen schreibt, aber längst nicht mehr weiß, wofür es stehen sollte.

Merz sagt: Ja.

Und mit diesem Ja sagt er eigentlich alles – über sich, über seine Partei, über einen Zustand, in dem selbst das Gewissen nur noch eine lästige Nachfrage ist.

Das „C“ als Fossil – Grabrede auf ein christliches Phantom

CDU und CSU – jene Parteien, die einst den moralischen Kompass Deutschlands stellen wollten, wenn auch nicht immer treffsicher – sollten nun endlich das tun, was längst überfällig ist: das „C“ aus dem Parteinamen streichen. Nicht aus polemischer Lust, sondern aus intellektueller Redlichkeit. Denn wer einer Kandidatin zur höchsten moralischen Instanz der Republik verhilft, die ungeborenes Leben zur juristischen Fußnote erklärt, der kann sich das Christentum aus dem Namen meißeln wie man eine Heiligenstatue vom Giebel eines Bordells abnimmt. Es ist nur noch Dekoration – und niemand glaubt mehr daran.

Das „C“ ist heute nichts als rhetorisches Taxidermieprodukt – ausgestopft, poliert, an Feiertagen hervorgeholt. Die Realität sieht anders aus: Sie heißt Opportunismus, Anpassung, Machterhalt. Und mit Frau Brosius-Gersdorf als Verfassungsrichterin wird diese Realität einen roten Talar tragen.

Schlussakkord: Satire oder Prophetie?

Man fragt sich, ob das alles noch Satire ist oder schon dystopischer Realismus. Vielleicht ist es beides. Vielleicht leben wir längst in einem politischen Roman von Heinrich Böll, nur ohne Bölls Stilgefühl und Widerstandskraft. Vielleicht ist Frau Brosius-Gersdorf die logische Konsequenz eines Systems, das sich selbst als demokratisch verklärt, aber zunehmend technokratisch kastriert.

Der 11. Juli 2025 wird ein Test. Nicht für Frau Brosius-Gersdorf – die ist längst durch alle Instanzen der akademischen Selbstvergewisserung geprügelt worden. Sondern für das Parlament. Für die Parteien. Für das letzte Restgewissen einer politischen Klasse, die noch weiß, dass man über die Menschenwürde nicht abstimmen kann, ohne dabei sich selbst zur Disposition zu stellen.

Doch seien wir ehrlich: Wir kennen das Ergebnis bereits.

Merz sagt ja.

Und das „C“ stirbt schweigend.

POST N° 700

Die Zahl 700 – Eine Meditation über Struktur, Fülle und Grenze

In der Welt der Zahlen gibt es jene, die sich in den Vordergrund drängen – Primzahlen, transzendente Größen, irrationale Unikate –, und jene, die im Schatten stehen, scheinbar zu rund, zu glatt, zu ordentlich, um Aufmerksamkeit zu verlangen. Die Zahl 700 gehört zur letzteren Kategorie. Und doch, gerade in ihrer Unscheinbarkeit verbirgt sich eine komplexe Schönheit, ein mathematisches Echo aus verschiedenen Sphären der Ordnung, Struktur und kulturellen Konnotation.

I. Die arithmetische Maske der Vollkommenheit

700 – eine Zahl, so rund, dass sie fast trivial erscheint. Sie endet auf zwei Nullen, was sie augenblicklich als ein Vielfaches von 100 ausweist. Sie ist das Produkt von 7×100, selbst ein Ausdruck von Symbolkraft: Die Zahl 7, mit ihrer tiefen mythologischen, biblischen und naturwissenschaftlichen Bedeutung (sieben Tage der Schöpfung, sieben Farben des Regenbogens, sieben Töne der Oktave), multipliziert mit der Dezimalvollendung 100, dem Quadrat von 10, der Basis unseres Zahlensystems.

In diesem Sinne ist 700 keine bloße Größe, sondern ein struktureller Hybrid: Sie verbindet das Sakrale mit dem Rationalen, das Mystische mit dem Messbaren. Sie ist keine Primzahl, kein Baustein der Ursprünglichkeit, aber sie ist eine Mauer aus vielen Steinen – zusammengesetzt, stabil, segmentiert.

II. Die Teilbarkeit der Welt

Mathematisch gesehen ist 700 ein Paradebeispiel für Kompositität. Ihre Primfaktorzerlegung lautet:

700=2 x 2 x 5 x 5 x 7

Drei Basen: Eine geradzahlige, zwei ungerade. Zwei Potenzen, ein linearer Faktor. Diese Struktur ist nicht willkürlich. Sie offenbart eine Hierarchie der Teilbarkeit, ein Mikrosystem des Ordnens, eine kleine Zivilisation arithmetischer Diplomatie. Die 700 lässt sich teilen durch 1, 2, 4, 5, 7, 10, 14, 20, 25, 28, 35, 50, 70, 100, 140, 175, 350 und natürlich durch sich selbst. Achtzehn positive Teiler – sie ist gastfreundlich, diese Zahl, großzügig mit ihren Teilbarkeiten, eine Bühne für arithmetische Interaktionen.

Und dennoch: Keine Zahl teilt sie so, dass ein neuer Anfang daraus erwächst. Sie ist keine Potenz, keine Primzahl, kein Grenzwert. Sie ist eine Brücke.

III. Zahlensymbolik, oder: Die stille Kultur der 700

Abseits der mathematischen Struktur trägt die Zahl 700 auch kulturelle Spuren. Sie ist zu groß, um alltäglich zu sein, und zu klein, um unendlich zu wirken. Sie ist eine Zahl, die in Jahreszahlen als „Epoche“ auftaucht – das Jahr 700 nach Christus: tiefes Frühmittelalter, fern und neblig. Keine Zahl für Technik, keine für Ökonomie. Eher eine Zahl der Geschichte, der Distanz.

In manchen Systemen erscheint sie als Maß: 700 Meter, 700 Gramm – ein Bereich der Knappheit. Nicht genug, um monumental zu sein, aber doch mehr als ein Fragment. Es ist eine Zahl des „Beinahe“, des Unvollständig-Vollständigen, ein Grenzwert zwischen Kleinmaß und Masse, zwischen Einzelwert und Aggregat.

IV. Zwischen Linearität und Modularität

Was ist die Zahl 700 in einem modularen System? In der Arithmetik modulo 7 etwa ist 700 ≡ 0. In Modulo 9 ergibt 7 + 0 + 0 = 7. In Modulo 6 ist sie 700 ≡ 4. Hier entfaltet sich eine neue Identität, je nach Bezugsrahmen. Die 700 ist nicht absolut – sie ist relational, ihr mathematisches Wesen hängt vom Kontext ab. Sie ist wie eine Figur, die in verschiedenen Romanen verschiedene Rollen spielt, ohne ihre Form zu verlieren.

V. Die 700 als Schwellenzahl

Am Ende ist 700 eine Schwelle. Eine Schwelle zwischen klein und groß, zwischen bekannt und anonym. Sie ist keine magische Zahl, aber eine, die an vielen Orten nahe dran ist. Nahe an der 720 (der Anzahl der Winkelgrade eines Sechsecks), nahe an der 729 (dem Würfel von 9), nahe an der 701 (einer Primzahl).

700 ist eine Grenze ohne Mauer, eine Linie ohne Farbe. Sie ist das, was in der Mathematik am seltensten ist: eine bescheidene Zahl – und genau deshalb verdient sie Beachtung.


Epilog:
Die Zahl 700 ist wie ein Schatten in der Geometrie des Denkens. Kaum beachtet, selten gefeiert – und doch, wer ihr zuhört, entdeckt in ihr nicht weniger als eine kleine Philosophie: von der Teilbarkeit des Seins, von der Ordnung der Unspektakulären, von der Tiefe der runden Dinge.

Das Misstrauen als letzte Form der Zuneigung

Eine Elegie auf europäische Verantwortung

Es ist wieder einer dieser Tage, an dem der Lack der europäischen Idee unter dem institutionellen Alltag abblättert wie billige Farbe auf feuchtem Beton. Morgen also: das Misstrauensvotum gegen Ursula von der Leyen. Jene Dame, die sich in einer bemerkenswert nahtlosen Bewegung von der familienpolitischen Buntpapierwelt der Berliner Ministerien über das Datengrab verteilter Diensthandys bis zur goldverzierten Kanzel der Rüstungsglobalisierung emporgehoben hat. Wenn es einen politischen Lebenslauf gibt, der sich als seismografischer Ausdruck westlicher Dekadenz lesen lässt, dann ist es ihrer: Von der Verteidigung des Betreuungsgeldes zur Verteidigung der Interessen von Pfizer, Rheinmetall und geopolitischer Ambitionen – ein Kontinuum aus moralischer Akrobatik und PR-dichtem Nebel.

Man wird morgen also nicht über Europa abstimmen – dieser hermetischen, gläsernen Kathedrale der Kompromisse und Kommissionsposten –, sondern über das, was davon noch übrig ist: Demokratie, Transparenz, politische Verantwortung. Große Worte, deren Sinngehalt sich in Brüssel mittlerweile in Fußnoten, Ausschusssitzungen und grinsenden Lobbyisten auflöst. Und doch: ein Hauch von Gerechtigkeit liegt in der Luft, wie der letzte Rest Parfum in einem leeren Flakon. Das Misstrauensvotum ist kein Akt des Putsches – es ist ein politisches Placebo, das wenigstens noch versucht, Symptome zu benennen, wenn Heilung längst ausgeschlossen wurde.

Vom SMS-Schreddern zur Rüstungspäpstin – Eine Karriere wie aus dem Katalog der Unverfrorenheit

Was von der Leyen eint, ist nicht ihre Überzeugung, sondern ihre Elastizität. Eine Frau, die mit militärischer Strenge ihren eigenen Opportunismus verwaltet und dabei so tut, als sei dies europäische Staatskunst. Ihre berühmten „verschwundenen“ SMS zur milliardenschweren Impfstoffbeschaffung – 35 Milliarden Euro, irgendwo zwischen Daumen und Display verdampft – wären in jeder anderen Demokratie ein Skandal mit Rücktrittsfunktion. In der EU hingegen? Eine Fußnote. Eine unangenehme, aber eben keine folgenreiche. Korruption ist hier nicht das Problem – sie ist das System.

Und nun, mit martialischer Brillanz, lenkt sie Milliarden in die Taschen der Rüstungsindustrie, als wäre das Aufrüsten eine Art moralische Selbstreinigung. Die Ukraine wird zum Anlass, zur Bühne, zur historischen Chance – nicht für Frieden, sondern für Waffenexportstatistiken. Von der Leyen steht dort, wo einst Kommissionspräsidenten Diplomatie betrieben – und ruft nach Munition, mehr Waffen, mehr Milliarden. Aus der christdemokratischen Kinderstube ist längst ein militärindustrielles Planungsbüro geworden, inklusive PR-Kampagne für moralisch gereinigte Rüstung.

Feindbildpflege als Selbstschutz – Wenn Kritik zur Ketzerei wird

Dass Frau von der Leyen in der Kritik nun ausschließlich Impfgegner und Putin-Anhänger vermutet, ist nicht nur politisch schäbig – es ist ein intellektuelles Armutszeugnis. Denn was könnte entlarvender sein als die Reflexhaftigkeit, mit der legitime demokratische Kontrolle in die Nähe von Verschwörung und Vaterlandsverrat gerückt wird? Hier spricht keine Demokratin, sondern eine Funktionärin, die sich selbst mit der Institution verwechselt hat. Kritik an ihr? Das sei Kritik an Europa. Misstrauen gegen sie? Das sei Misstrauen gegen die Demokratie. Welch großartiger Taschenspielertrick!

In Wahrheit sind es genau solche Entgleisungen, die das Vertrauen in die europäische Idee untergraben. Denn wer politische Verantwortung durch moralische Immunisierung ersetzt, hat die Bühne der Demokratie längst verlassen. Frau von der Leyen lebt in einer Parallelwelt aus Buzzwords, Beratungsverträgen und politischer Unantastbarkeit. Sie regiert nicht, sie inszeniert – mit einer Mischung aus Selbstgewissheit und Weltfremdheit, die man sonst nur noch in Davos oder auf Rüstungskongressen findet.

Europa als Schattenkabinett – Zwischen Konzerninteressen und Rhetorikruinen

Die EU, so behaupten ihre Verteidiger, sei ein Friedensprojekt. Und tatsächlich: Frieden herrscht – vor allem zwischen Politik und Industrie. Zwischen Beratungshonoraren und Gesetzgebung. Zwischen Lobbyinteressen und intransparenten Entscheidungswegen. Wer Ursula von der Leyen beobachtet, bekommt eine Ahnung davon, was mit Europa geschieht, wenn es zur Behörde für globale Marktsteuerung verkommt. Die Kommission ist kein Ort der Vision mehr – sie ist ein Unternehmen mit angeschlossener PR-Abteilung. Frau von der Leyen ist nicht Präsidentin – sie ist CEO eines Konzerns namens Europäische Union.

Und doch: vielleicht ist dieses Misstrauensvotum mehr als ein Symbol. Vielleicht ist es der letzte Rest parlamentarischer Würde, der versucht, den Schein zu retten, wenn schon nicht die Substanz. Vielleicht ist es ein Aufbegehren gegen die Selbstermächtigung, gegen die politische Arroganz, gegen eine Form der Macht, die sich selbst nicht mehr erklären muss. Wenn man ihr morgen das Vertrauen entzieht, dann nicht, weil man gegen Europa ist – sondern weil man es retten will. Vor ihr.


Denn wer Misstrauen nicht erträgt, hat Vertrauen nicht verdient.

Der Trojaner reitet wieder

oder: Wie man mit einem digitalen Schnüffelwerkzeug die Republik zum Schweigen bringen will

Es ist ein eigenartig ranziger Geruch, der aus den Amtsstuben weht, wenn Innenminister Karner wieder einmal zum Mikrofon schreitet, mit jener betonten Sachlichkeit im Ton, die stets dann bemüht wird, wenn es um Dinge geht, die technokratisch klingen, aber autoritär riechen. Der #Bundestrojaner, verkündet er mit pflichtschuldiger Staatsmiene, sei „notwendig“ – ein Wort, das in der österreichischen Politiktradition zuverlässig Alarm auslösen sollte, besonders wenn es in Verbindung mit Überwachung, Polizei und der sanften Erosion des Rechtsstaats fällt.

Man müsse, so Karner, mit der Zeit gehen, aufrüsten gegen Terror, Cybercrime, gegen die abstrakten Bedrohungen dieser Zeit. Was er nicht sagt – aber alle hören – ist, dass der Trojaner weniger zur Bekämpfung von Kriminalität gedacht ist als zur Eindämmung von Kritik. Denn – machen wir uns nichts vor – niemand verhindert mit einem staatlich kontrollierten Trojaner eine Gewalttat in Villach oder Graz. Diese Attacken waren weder digital organisiert noch über Messengergruppen koordiniert, und der Versuch, sie als Begründung für die Totalüberwachung heranzuziehen, ist nichts weiter als ein zynischer Taschenspielertrick mit Beigeschmack: pietätlos, durchschaubar, gefährlich.

Digitale Dialektik: Zwischen Sicherheitsrhetorik und Demokratieabbau

Die Dialektik der politischen Lüge ist immer dieselbe: Wer gegen Überwachung ist, ist gegen Sicherheit. Wer Zweifel an der allumfassenden Abhörtechnik hat, misstraut der Polizei. So jedenfalls Karners Logik – oder besser gesagt: sein moralischer Erpressungsversuch. Denn wer die Ablehnung des #Bundestrojaners als Misstrauensvotum gegen die Polizei framen will, hat entweder kein besonders stabiles Demokratieverständnis – oder hält seine Bürger für derart naiv, dass sie diesen Taschentausch für bare Münze nehmen.

Es ist ein kläglicher Versuch, Kritik zu delegitimieren: Eine jämmerliche Weinerlichkeit, weil man dem Minister und seinen Apparatschiks auf die Schliche gekommen ist. Sie wollen nicht nur Terroristen überwachen – sie wollen Journalisten, Whistleblower, politische Gegner ins digitale Netz ziehen. Die Definition von „Gefährder“ ist dehnbar wie das Budget des Bundeskanzleramts für Imagepflege. Wer unbequem ist, könnte bald schon als „digital auffällig“ gelten. Und einmal am Haken der Behörden, fischt es sich gleich leichter: Chats, Kontakte, Netzwerke, alles schön sauber extrahiert – nicht für den Rechtsstaat, sondern für den Machterhalt.

Die Innenpolitik als dunkle Kunst der Verdächtigung

Karner, ein Mann, dessen Charisma in etwa der Ausdruckskraft eines Amtsstempels entspricht, weiß selbstverständlich, dass seine technischen Behauptungen nicht haltbar sind. Dass man mit einem #Bundestrojaner keine realen Taten im öffentlichen Raum verhindert. Dass Überwachung selten verhindert, sondern meist nur dokumentiert – und das auch nur, wenn man Glück hat. Aber die Wahrheit ist, in dieser Republik ist nicht entscheidend, was funktioniert, sondern was sich verkaufen lässt.

Und verkaufen lässt sich Überwachung immer – solange man genug Angst erzeugt. Terror, Kindesmissbrauch, organisierte Kriminalität – das sind die Joker im politischen Kartenspiel. Wer diese Karten spielt, muss keine sachliche Debatte mehr führen. Und wehe dem, der es dennoch versucht: Der wird umgehend in die Nähe der Kriminellen gerückt, der Verharmloser, der Naivling, der Nestbeschmutzer. Es ist die dunkle Kunst der Verdächtigung, die Karner betreibt – nicht als Innenminister, sondern als Verunsicherungsminister.

Von der ÖVP lernen heißt fürchten lernen

Die ÖVP, diese ehemals konservative Partei mit katholischem Stallgeruch und Wirtschaftsnähe, hat sich längst in eine staatsmonopolistische Kontrollmaschine verwandelt, die ihre Macht mit allen Mitteln zu sichern versucht. Und weil Skandale, Chats, Postenschacher und Untersuchungsausschüsse einfach nicht mehr aus dem medialen Dauerfeuer zu halten sind, versucht man es jetzt mit der totalen Kontrolle – der digitale Präventivschlag gegen jede Form von Opposition.

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Der Staat, wie ihn die ÖVP sich vorstellt, ist ein riesiger Raumüberwacher mit Trojanern, Kanzler-Sprechpuppen, Message-Control und einem hysterischen Verhältnis zur Pressefreiheit. Alles, was der Aufklärung dient, wird bekämpft, alles, was der Vertuschung nützt, wird gefördert. Das ist kein Schutz der Bürger – das ist ein Schutz der Macht. Und die Polizei, deren Arbeit wir im besten Sinne unterstützen sollten, wird in diesem System zum Mittel der politischen Kontrolle degradiert. Missbraucht für Parteizwecke, missverstanden als Werkzeug der Demokratie, missbraucht als moralisches Schutzschild für autoritäre Fantasien.

Fazit: Der Trojaner gehört in die griechische Mythologie, nicht ins Bundesgesetzblatt

Die Demokratie stirbt nicht mit einem Knall, sondern mit einem Software-Update. Und wenn der #Bundestrojaner kommt, dann nicht als Heldenwerkzeug, sondern als digitales Trojanisches Pferd: außen Sicherheit, innen Zersetzung. Wer glaubt, dass man damit Verbrechen verhindert, irrt. Wer weiß, dass man damit Kontrolle gewinnt, sagt es besser nicht laut. Und wer sich dagegen wehrt, wird zum Feind erklärt.

Karner hat also recht, wenn er sagt, dass der Trojaner notwendig ist – nur eben nicht für die Sicherheit der Bürger, sondern für die Sicherheit seiner eigenen politischen Haut. Doch wir sind nicht verpflichtet, seine Alpträume von Kontrolle mitzuträumen. Wir schulden der Polizei Respekt, nicht blinde Gefolgschaft. Wir schulden der Republik eine informierte Debatte, keine hündische Unterwerfung. Und wir schulden der Freiheit ihren Schutz – gerade gegen jene, die sie im Namen der Sicherheit abschaffen wollen.

Die einzige Software, die wir jetzt brauchen, ist ein Update der politischen Kultur.
Und zwar dringend.

Die Würde des Menschen beginnt – irgendwann. Vielleicht. Später. Mal sehen.

Es war einmal – so beginnen Märchen, und vielleicht sollte man auch diesen Fall als solchen behandeln – ein Land, das stolz darauf war, die „unantastbare Menschenwürde“ in den ersten Satz seines Grundgesetzes geschrieben zu haben. Eine Art metaphysisches Versprechen, ein Fundament der Zivilisation, errichtet auf den Trümmern der Barbarei. Und siehe da: Jahrzehnte später steht dort, fast unbemerkt, eine Professorin der Rechte und spricht, mit der sanften Autorität juristischer Glätte, einen folgenreichen Satz: Die Menschenwürde beginne erst mit der Geburt. Nicht mit der Empfängnis, nicht mit der Nidation, nicht mit der Entwicklung eines Nervensystems oder dem ersten Herzschlag – nein, mit der Geburt, exakt in jenem Moment, wenn das Kind den Mutterleib verlässt, der erste Atemzug, ein bürokratisch fassbares Ereignis. Voilà: Der Mensch tritt ein in die Arena der Würdeträgerschaft. Davor? Nur Zellhaufen, biologische Warteschleifen, möglicherweise zukünftiges Leben, das derzeit jedoch noch keine Einladung zum Club der Menschen erhalten hat.

Wie praktisch. Wie elegant. Wie erschütternd.

Diese Position ist kein bloßer juristischer Taschenspielertrick. Sie ist der Versuch, eine Grenze zu ziehen, wo eigentlich das Unverfügbare wohnt. Und wie alle Grenzziehungen dieser Art ist sie willkürlich, gefährlich und ethisch fragwürdig. Denn wer dem ungeborenen Menschen die Würde abspricht, der öffnet Türen – nein, der sprengt sie mit juristischer Dynamitstange – hin zu einer Welt, in der Nützlichkeit, Sichtbarkeit, Verfügbarkeit darüber entscheiden, ob ein Leben zählt. Willkommen im Feuilleton der biopolitischen Rentabilitätslogik.

Von der Macht der Worte und der Ohnmacht der Ethik

Nun mag man einwenden: Das ist doch juristisch korrekt! Und ja – die rechtliche Konstruktion ist formvollendet, fast schon kunstvoll in ihrer Präzision. Doch gerade hier liegt der Skandal: Es ist eine Perfektion, die nichts mehr mit Wahrheit zu tun hat. Eine sterile, normierte Makellosigkeit, die aus der Feder einer Juristin stammt, deren Aufgabe es wäre, Recht nicht nur zu deuten, sondern auch im Lichte der Ethik zu verteidigen. Brosius-Gersdorf jedoch wählt die Flucht in die kalte Technik des Rechts. Ihr Satz ist das juristische Äquivalent eines sezierenden Skalpells: sauber, scharf, und ohne jedes moralische Zucken.

Denn was bedeutet es, die Geburt zur Schwelle der Würde zu erklären? Es bedeutet, dass das ungeborene Kind bis zum letzten Moment verfügbar ist – ein Besitz, eine Option, ein „noch-nicht-Mensch“, der ohne Konsequenz geopfert, selektiert oder abgetrieben werden darf. In der Konsequenz heißt das: Der siebte, achte, gar neunte Monat? Solange der Geburtskanal nicht betreten wurde, bleibt das Leben eine juristische Grauzone, eine ethische Leerstelle.

Das ist keine Aufklärung. Das ist Regression – eine Rückkehr zu einem funktionalen Menschenbild, das an Nützlichkeit und Sichtbarkeit glaubt, nicht an Wesenhaftigkeit. Brosius-Gersdorfs Position ist kein Fortschritt. Sie ist das intellektuelle Kleid einer biopolitischen Ideologie, die vorgibt, modern zu sein, aber in Wahrheit der kalte Bruder des Utilitarismus ist. Mensch ist, wer funktioniert. Wer auf der Weltbühne erschienen ist. Wer Papiere hat. Und alle anderen? Noch nicht ganz da. Noch nicht ganz würdig. Vielleicht bald. Vielleicht nie.

Das Recht als Fata Morgana der Moral

Juristen – das muss man ihnen lassen – lieben die Konstruktion. Je abstrakter, desto besser. Die Menschenwürde, so sagen sie, ist „ein normativer Begriff“. Und normativ heißt: Man kann ihn definieren. Doch was passiert, wenn man beginnt, das Unverfügbare verfügbar zu machen? Wenn man das moralische Tabu des Lebensbeginns durch Definitionen ersetzt, die sich wunderbar in Kommentaren nachschlagen lassen, aber nichts mehr mit dem zu tun haben, was Menschen intuitiv als Leben erkennen?

Brosius-Gersdorf hat mit ihrem Satz nicht einfach eine Meinung geäußert. Sie hat einen Grundwert in Frage gestellt. Sie hat gesagt: Wir, die Juristen, entscheiden, wann Leben beginnt. Wann Würde zählt. Wann Menschsein beginnt. Und wir tun es auf Grundlage eines funktionalistischen Rationalismus, der sich selbst für objektiv hält – in Wahrheit aber tief ideologisch ist. Denn was ist ideologischer als die Behauptung, es gäbe eine Stunde Null der Menschenwürde, die exakt mit einem körperlichen Ereignis beginnt?

Es ist der größte Etikettenschwindel des modernen Rechts: Man redet von Würde, meint aber Verfügbarkeit. Man redet von Selbstbestimmung, meint aber Nutzbarmachung. Und man redet von Freiheit, meint aber die Freiheit, das Schwächste preiszugeben. Kein Wunder, dass diese juristische Brillanz so gerne von Technokraten und Biopolitikern zitiert wird. Sie brauchen ihre moralische Tarnung. Brosius-Gersdorf liefert sie frei Haus.

Das Kind als Projektionsfläche postmoderner Beliebigkeit

Natürlich ist diese Haltung in den progressiven Kreisen beliebt. Sie passt zum Zeitgeist. Autonomie! Selbstbestimmung! Reproduktive Rechte! Alles wunderbar. Doch wer genau hinschaut, erkennt: Der Preis für diese Freiheit wird von denen bezahlt, die keine Stimme haben. Die nicht geboren sind. Die auf den guten Willen anderer hoffen müssen. Und deren Dasein zur Disposition steht, solange eine Richterin behauptet, sie hätten noch keine Würde. Denn erst wenn die Nabelschnur durchtrennt ist, beginnt das Fest der Menschenrechte.

Die Ironie ist kaum zu überbieten: Ausgerechnet jene, die sich als Verteidigerinnen des Lebensrechts der Frauen verstehen, sprechen einem anderen Leben dieses Recht vollständig ab. Und nennen das Fortschritt. Man könnte fast lachen, wenn es nicht so tragisch wäre.

Fazit: Tragbar? Juristisch vielleicht. Ethisch ein Desaster.

Ist Frauke Brosius-Gersdorf als Verfassungsrichterin tragbar? Juristisch gesehen: zweifellos. Ihre Texte sind klar, ihre Argumentation ist kohärent, ihre Expertise unbestritten. Aber das allein darf nicht genügen. Denn Richter am Bundesverfassungsgericht tragen nicht nur schwarze Roben, sie tragen Verantwortung. Für Werte. Für Ethik. Für die Deutung dessen, was dieses Land im Innersten zusammenhält. Und wer den Begriff der Menschenwürde zu einem technischen Etikett macht, das man je nach Bedarf ankleben oder entfernen kann, disqualifiziert sich moralisch.

Man kann Brosius-Gersdorfs Haltung nur als das bezeichnen, was sie ist: eine intellektuelle Kapitulation vor der heiklen Frage, wann das Leben beginnt. Und eine juristisch verkleidete Verneinung der universellen Idee, dass Würde nicht verliehen wird, sondern mit dem Dasein beginnt – geboren oder nicht.

Wenn diese Frau über Menschenwürde richten soll, dann Gnade uns das Grundgesetz. Und die ungeborenen Kinder erst recht.

Vergib ihnen nicht, denn sie wissen, was sie tun

Einleitung ins Elend: Zwischen Zynismus und Zwangsoptimismus

Vergebung ist eine noble Tugend, predigt man uns – im Kindergarten, im Theater, auf Klimakonferenzen. Doch der Satz „Vergib ihnen nicht, denn sie wissen, was sie tun“ steht wie ein Grabstein über der Gegenwart. Er ist kein Akt der Rachsucht, sondern eine Zustandsbeschreibung einer saturierten Gesellschaft, die in voller Absicht auf die Sprengladung tritt – nicht aus Unwissen, sondern aus Überzeugung. Wer heute glaubt, wir taumelten schlafwandelnd in den Untergang, unterschätzt die Entschlossenheit, mit der sich politische Eliten, medial hofierte Heilsbringer und moralisch gestählte Aktivisten ihren eigenen Illusionen hingeben. Es ist keine Tragödie aus Unkenntnis – es ist eine Groteske in voller Beleuchtung, ein Kult der Katastrophe mit Förderbescheid.

Die Elite der Ahnungsvollen – Wenn Verantwortung zur Pose wird

Man muss es ihnen lassen: Noch nie hat eine Gesellschaft so entschieden, so flächendeckend und so gut dokumentiert gegen ihre eigenen Interessen gehandelt. Minister, die sich als Klima-Vorhut inszenieren und dabei das Netz destabilisieren, Journalisten, die zwischen moralischer Erregung und kognitiver Dissonanz pendeln, und eine Zivilgesellschaft, die sich in der Dekarbonisierung ihres Gewissens wärmt, während draußen die Industrie abschaltet – sie alle wissen sehr wohl, was sie tun. Und genau das macht es so unerträglich.

Verantwortung wurde zum Accessoire, zur Rhetorikverpackung in Talkshows und Tweets, während die Wirklichkeit draußen längst das Brennglas auf das legt, was aus den Laboren der postfaktischen Planwirtschaft kommt. Nein, es ist kein Unfall, dass unsere Infrastruktur zerbröckelt, während man Debatten über Gender-Toiletten und vegane Militärverpflegung führt. Es ist gewollt. Es ist die Logik einer Gesellschaft, die lieber Tugend performt als Wahrheit erträgt.

Die Romantik des Ruins – Vom grünen Gefühl zur grauen Realität

Der Untergang ist heute nicht mehr das, was er einmal war. Früher kam er als Katastrophe, als Krieg oder Seuche, heute kommt er als Gesetzesentwurf, als Maßnahmenpaket, als Paragraph im Bundesanzeiger. Er trägt Anzüge, hat Beratungsverträge und wird mit nachhaltigem Kaffee serviert. Wir romantisieren den Ruin, weil wir ihn selbst verursacht haben – mit Apps, Petitionen und Konferenzen. Der neue Totalitarismus ist weich gepolstert, lächelt divers und liefert in 24 Stunden. Die Bürokratie wächst wie Schimmel im Feuchtgebiet moralischer Überlegenheit, während Strompreise explodieren und Kinder lernen, dass „Verzicht“ ein Lifestyle ist.

Denn ja, sie wissen, was sie tun. Sie wollen den Menschen umerziehen, nicht überzeugen. Die Wärmepumpe ist kein technisches Gerät, sondern ein moralisches Statement. Der Veggie-Day ist keine Ernährungsempfehlung, sondern ein Symbol der sittlichen Kontrolle. Und wer widerspricht, wird nicht mehr argumentativ entkräftet, sondern identitätspolitisch exkommuniziert. Die neue Religion braucht keine Götter mehr – sie hat Ministerien.

Bildung als Brandbeschleuniger – Die Dressur der Denkverweigerung

Die Schule, einst Ort der Aufklärung, ist heute Durchlauferhitzer für Phrasen. Die Universität, einst Hort des kritischen Denkens, liefert jetzt Zertifikate für Konformität. Kinder lernen früh, dass es auf die richtige Haltung ankommt, nicht auf richtige Antworten. Der Klimawandel wird zur Ersatzmythologie, mit Aktivisten als Hohepriestern, und jeder Zweifel wird zur Blasphemie erklärt.

Vergib ihnen nicht. Denn sie drucken Schulbücher, sie entwerfen Lehrpläne, sie bauen die nächste Generation nach dem Maßstab ihrer eigenen Schwäche. Sie lehren Angst, wo Mut gefragt wäre. Sie kultivieren Opfermentalität, wo Eigenverantwortung nötig wäre. Sie erziehen nicht zum Handeln, sondern zur Haltung – und zwar zur einzig erlaubten. Die Jugend soll nicht rebellieren, sie soll zustimmen. Im Namen der Vielfalt – natürlich.

Finale Furioso: Das Ende als Erlösung?

Am Ende steht kein Aufschrei, kein Aufbruch, sondern ein weichgespülter Kollaps. Vielleicht wird das Netz schwarz, vielleicht der Diesel knapp, vielleicht bleibt einfach das warme Wasser kalt – und man nennt es Fortschritt. Vielleicht werden wir dastehen, frierend in designeroptimierten Tiny Houses, mit Biomüll in der Hand und Moral auf den Lippen, während draußen der Rest der Welt weitermacht – mit Rohstoffen, mit Industrie, mit Vernunft.

Aber wir werden stolz sein. Stolz, alles richtig gemacht zu haben – im falschen System, zur falschen Zeit, mit den falschen Mitteln. Und genau darum: Vergib ihnen nicht. Sie wussten, was sie taten. Sie wollten es genau so.

Die Regenbogen-Wattzahl – Wie Energiepolitik und Identität sich aufladen

Man stelle sich ein Land vor, in dem sich das Stromnetz im freien Fall befindet, aber auf jedem Umspannwerk eine Regenbogenfahne flattert. Willkommen in Deutschland, wo die Energiewende zur Bühne identitätspolitischer Ersatzhandlungen wird, weil man am Kupfer spart, aber am Gewissen nicht.

Die Sachlage ist absurd: Während Wärmepumpen mangels Netzkapazitäten nicht angeschlossen, E-Autos wegen fehlender Ladepunkte nur als Statussymbole vor dem Biomarkt geparkt und Windräder auf dem Papier schneller genehmigt als in der Realität gebaut werden, gibt es Arbeitsgruppen in Ministerien, die prüfen, ob Transformatorhäuschen geschlechtergerecht gestaltet sind. Der Fortschritt ist nicht messbar in Kilowattstunden, sondern in Symbolpolitik pro Diversity. Denn wenn schon die Leitung nicht liefert, dann wenigstens die Botschaft.

Die Veranstaltung „Queere Perspektiven auf die Energiewende“ im Rahmen eines Bundesförderprogramms für „klimafeministische Infrastruktur“ mag in einer rationalen Welt wie eine Kabarettnummer wirken – in der deutschen Gegenwart ist sie Strategie. Dort, wo man früher Leitungskapazitäten geplant hat, plant man heute Awareness-Workshops für Monteure, damit sich transidente Personen auch in einem Batteriespeicher-Projekt willkommen fühlen. Willkommen, aber bitte nicht angeschlossen – das dauert wegen Lieferengpässen.

Die groteske Ironie: Während in der Realität der Strom nachts nicht reicht, weil die Sonne ruht und der Wind Pause macht, strahlt das offizielle Deutschland in Pressemitteilungen über inklusiv formulierte Energiekonzepte, in denen die Diversität der Betroffenen inzwischen wichtiger ist als die Stabilität des Netzes. Der Stromausfall wird zur Chance, ein Gedichtband zum Thema „Dekarbonisierung als queere Befreiung“ zu veröffentlichen. Man heizt ideologisch, wo physikalisch nichts mehr geht.

Niemand will ernsthaft zurück in die fossile Vergangenheit. Aber wenn man statt Stromtrassen lieber Sprachtrassen verlegt, wenn man Energiepolitik durch die Brille von Gender-AGs betrachtet, dann entsteht eben kein Fortschritt, sondern ein bunter Blackout. Dann hat man zwar kein Gas, aber eine Parlamentsrede zum Thema „nicht-binäre Energierechtsprechung“. Dann hat man keine Energieautarkie, aber ein ausfinanziertes Festival zur „Dekolonialisierung der Steckdose“.

Und vergib ihnen nicht – sie wissen es. Sie tun es mit voller Absicht.

Vergib ihnen nicht, denn sie wissen, was sie tun

Ein Abgesang auf die Vernunft im Zeitalter der woken Wohlstandsapokalypse

Einleitung ins Elend: Zwischen Zynismus und Zwangsoptimismus

Vergebung ist eine noble Tugend, predigt man uns – im Kindergarten, im Theater, auf Klimakonferenzen. Doch der Satz „Vergib ihnen nicht, denn sie wissen, was sie tun“ steht wie ein Grabstein über der Gegenwart. Er ist kein Akt der Rachsucht, sondern eine Zustandsbeschreibung einer saturierten Gesellschaft, die in voller Absicht auf die Sprengladung tritt – nicht aus Unwissen, sondern aus Überzeugung. Wer heute glaubt, wir taumelten schlafwandelnd in den Untergang, unterschätzt die Entschlossenheit, mit der sich politische Eliten, medial hofierte Heilsbringer und moralisch gestählte Aktivisten ihren eigenen Illusionen hingeben. Es ist keine Tragödie aus Unkenntnis – es ist eine Groteske in voller Beleuchtung, ein Kult der Katastrophe mit Förderbescheid.

Die Elite der Ahnungsvollen – Wenn Verantwortung zur Pose wird

Man muss es ihnen lassen: Noch nie hat eine Gesellschaft so entschieden, so flächendeckend und so gut dokumentiert gegen ihre eigenen Interessen gehandelt. Minister, die sich als Klima-Vorhut inszenieren und dabei das Netz destabilisieren, Journalisten, die zwischen moralischer Erregung und kognitiver Dissonanz pendeln, und eine Zivilgesellschaft, die sich in der Dekarbonisierung ihres Gewissens wärmt, während draußen die Industrie abschaltet – sie alle wissen sehr wohl, was sie tun. Und genau das macht es so unerträglich.

Verantwortung wurde zum Accessoire, zur Rhetorikverpackung in Talkshows und Tweets, während die Wirklichkeit draußen längst das Brennglas auf das legt, was aus den Laboren der postfaktischen Planwirtschaft kommt. Nein, es ist kein Unfall, dass unsere Infrastruktur zerbröckelt, während man Debatten über Gender-Toiletten und vegane Militärverpflegung führt. Es ist gewollt. Es ist die Logik einer Gesellschaft, die lieber Tugend performt als Wahrheit erträgt.

Die Romantik des Ruins – Vom grünen Gefühl zur grauen Realität

Der Untergang ist heute nicht mehr das, was er einmal war. Früher kam er als Katastrophe, als Krieg oder Seuche, heute kommt er als Gesetzesentwurf, als Maßnahmenpaket, als Paragraph im Bundesanzeiger. Er trägt Anzüge, hat Beratungsverträge und wird mit nachhaltigem Kaffee serviert. Wir romantisieren den Ruin, weil wir ihn selbst verursacht haben – mit Apps, Petitionen und Konferenzen. Der neue Totalitarismus ist weich gepolstert, lächelt divers und liefert in 24 Stunden. Die Bürokratie wächst wie Schimmel im Feuchtgebiet moralischer Überlegenheit, während Strompreise explodieren und Kinder lernen, dass „Verzicht“ ein Lifestyle ist.

Denn ja, sie wissen, was sie tun. Sie wollen den Menschen umerziehen, nicht überzeugen. Die Wärmepumpe ist kein technisches Gerät, sondern ein moralisches Statement. Der Veggie-Day ist keine Ernährungsempfehlung, sondern ein Symbol der sittlichen Kontrolle. Und wer widerspricht, wird nicht mehr argumentativ entkräftet, sondern identitätspolitisch exkommuniziert. Die neue Religion braucht keine Götter mehr – sie hat Ministerien.

Bildung als Brandbeschleuniger – Die Dressur der Denkverweigerung

Die Schule, einst Ort der Aufklärung, ist heute Durchlauferhitzer für Phrasen. Die Universität, einst Hort des kritischen Denkens, liefert jetzt Zertifikate für Konformität. Kinder lernen früh, dass es auf die richtige Haltung ankommt, nicht auf richtige Antworten. Der Klimawandel wird zur Ersatzmythologie, mit Aktivisten als Hohepriestern, und jeder Zweifel wird zur Blasphemie erklärt.

Vergib ihnen nicht. Denn sie drucken Schulbücher, sie entwerfen Lehrpläne, sie bauen die nächste Generation nach dem Maßstab ihrer eigenen Schwäche. Sie lehren Angst, wo Mut gefragt wäre. Sie kultivieren Opfermentalität, wo Eigenverantwortung nötig wäre. Sie erziehen nicht zum Handeln, sondern zur Haltung – und zwar zur einzig erlaubten. Die Jugend soll nicht rebellieren, sie soll zustimmen. Im Namen der Vielfalt – natürlich.

Finale Furioso: Das Ende als Erlösung?

Am Ende steht kein Aufschrei, kein Aufbruch, sondern ein weichgespülter Kollaps. Vielleicht wird das Netz schwarz, vielleicht der Diesel knapp, vielleicht bleibt einfach das warme Wasser kalt – und man nennt es Fortschritt. Vielleicht werden wir dastehen, frierend in designeroptimierten Tiny Houses, mit Biomüll in der Hand und Moral auf den Lippen, während draußen der Rest der Welt weitermacht – mit Rohstoffen, mit Industrie, mit Vernunft.

Aber wir werden stolz sein. Stolz, alles richtig gemacht zu haben – im falschen System, zur falschen Zeit, mit den falschen Mitteln. Und genau darum: Vergib ihnen nicht. Sie wussten, was sie taten. Sie wollten es genau so.

Die Regenbogen-Wattzahl – Wie Energiepolitik und Identität sich aufladen

Man stelle sich ein Land vor, in dem sich das Stromnetz im freien Fall befindet, aber auf jedem Umspannwerk eine Regenbogenfahne flattert. Willkommen in Deutschland, wo die Energiewende zur Bühne identitätspolitischer Ersatzhandlungen wird, weil man am Kupfer spart, aber am Gewissen nicht.

Die Sachlage ist absurd: Während Wärmepumpen mangels Netzkapazitäten nicht angeschlossen, E-Autos wegen fehlender Ladepunkte nur als Statussymbole vor dem Biomarkt geparkt und Windräder auf dem Papier schneller genehmigt als in der Realität gebaut werden, gibt es Arbeitsgruppen in Ministerien, die prüfen, ob Transformatorhäuschen geschlechtergerecht gestaltet sind. Der Fortschritt ist nicht messbar in Kilowattstunden, sondern in Symbolpolitik pro Diversity. Denn wenn schon die Leitung nicht liefert, dann wenigstens die Botschaft.

Die Veranstaltung „Queere Perspektiven auf die Energiewende“ im Rahmen eines Bundesförderprogramms für „klimafeministische Infrastruktur“ mag in einer rationalen Welt wie eine Kabarettnummer wirken – in der deutschen Gegenwart ist sie Strategie. Dort, wo man früher Leitungskapazitäten geplant hat, plant man heute Awareness-Workshops für Monteure, damit sich transidente Personen auch in einem Batteriespeicher-Projekt willkommen fühlen. Willkommen, aber bitte nicht angeschlossen – das dauert wegen Lieferengpässen.

Die groteske Ironie: Während in der Realität der Strom nachts nicht reicht, weil die Sonne ruht und der Wind Pause macht, strahlt das offizielle Deutschland in Pressemitteilungen über inklusiv formulierte Energiekonzepte, in denen die Diversität der Betroffenen inzwischen wichtiger ist als die Stabilität des Netzes. Der Stromausfall wird zur Chance, ein Gedichtband zum Thema „Dekarbonisierung als queere Befreiung“ zu veröffentlichen. Man heizt ideologisch, wo physikalisch nichts mehr geht.

Niemand will ernsthaft zurück in die fossile Vergangenheit. Aber wenn man statt Stromtrassen lieber Sprachtrassen verlegt, wenn man Energiepolitik durch die Brille von Gender-AGs betrachtet, dann entsteht eben kein Fortschritt, sondern ein bunter Blackout. Dann hat man zwar kein Gas, aber eine Parlamentsrede zum Thema „nicht-binäre Energierechtsprechung“. Dann hat man keine Energieautarkie, aber ein ausfinanziertes Festival zur „Dekolonialisierung der Steckdose“.

Und vergib ihnen nicht – sie wissen es. Sie tun es mit voller Absicht.

Wenn Respekt vor Religion zum Maulkorb wird

Es ist schon eine eigentümliche Erscheinung in dieser späten Epoche der aufgeklärten Gesellschaften, dass ein Begriff wie Respekt vor der Religion in einen rhetorischen Tarnmantel gehüllt daherkommt – nicht als Ausdruck von Toleranz, sondern als verklausulierte Kapitulation. Eine höfliche Umschreibung für eine tiefsitzende, oft hysterisch verteidigte Angst. Eine Angst, die sich nicht auf Argumente stützt, sondern auf das dumpfe Gefühl, dass irgendwo jemand beleidigt sein könnte. Vielleicht. Möglicherweise. Im Namen eines transzendenten Konzepts, das sich nie persönlich äußert, aber dessen Stellvertreter auf Erden dafür umso lauter zetern. Wer „Respekt“ fordert, meint meist Unterwerfung. Und wer „Kritik“ übt, wird gern als Nestbeschmutzer, Islamophober, Christenhasser, Zionistenknecht oder alles zugleich beschimpft – je nachdem, welches Dogma gerade gekränkt ist. Das ironische Paradox: Die Religion, einst mächtig genug, Ketzer bei lebendigem Leib zu verbrennen, ist heute so zerbrechlich wie ein Porzellanteller im Kindertheater – aber wehe, man sagt das laut. Dann zerbricht nicht der Glaube, sondern das öffentliche Gespräch.

Glaubensbekenntnis als Identitätssurrogat – Die Rückkehr des Stammes im säkularen Gewand

Was früher metaphysisches Weltverstehen war, ist heute häufig identitätspolitisches Accessoire. Religion wird nicht mehr geglaubt – sie wird getragen, wie ein T-Shirt mit Statementdruck: „Don’t touch my god.“ Die spirituelle Dimension ist verkümmert zur Pose, zur Geste, zur Selbstvergewisserung im moralischen Schaufenster. Und wehe dem, der die Inszenierung stört. Dann wird aus der Harmlosigkeit der persönlichen Glaubensüberzeugung ein kollektives Mimimi der Beleidigten. Die Sakralität liegt längst nicht mehr im Göttlichen, sondern im Gefühl – und Gefühle sind bekanntlich das letzte absolute Dogma in einer Gesellschaft, die keine objektive Wahrheit mehr anerkennt, aber für jeden emotionalen Furz eine Triggerwarnung braucht. So kommt es, dass religiöse Ideen – einst Mittelpunkt existenzieller Reflexion – heute mit Glacéhandschuhen behandelt werden müssen, als handele es sich um ein Kind mit Hautausschlag. Nur: Wenn alles sakrosankt ist, ist am Ende nichts mehr sagbar. Dann wird jede Satire zur Blasphemie, jede Ironie zur Mikroaggression, jedes Argument zur strukturellen Gewalt.

Gott hat Humor. Seine Anhänger eher nicht.

Es ist eine bemerkenswerte anthropologische Konstante, dass die Mächtigen dieser Welt stets am humorärmsten sind. Diktatoren lachen selten. Und Religionsführer? Auch nicht viel öfter. Der Gedanke, dass ein allmächtiges, allwissendes, allgegenwärtiges Wesen beleidigt sein könnte, weil irgendwo ein Karikaturist einen Bart zu spitz oder einen Propheten zu menschlich gezeichnet hat, ist an sich schon ein Witz – nur leider keiner, über den man öffentlich lachen darf. Denn dann kommt die Empörungsmaschinerie in Gang: Shitstorm, Rücktrittsforderungen, Boykottaufrufe – und im schlimmsten Fall Morddrohungen. Der Religionshüter von heute ist kein weiser Mystiker, sondern ein auf Twitter radikalisierter Empfindlichkeitsmanager mit Hang zur selektiven Zensur. Dass er dabei oft selbst von einer säkularen Mehrheitsgesellschaft geduldet wird, die sich aus falsch verstandener Toleranz zur Selbstzensur zwingt, macht die Sache nicht besser. Der Preis für ein friedliches Nebeneinander scheint die geistige Verarmung zu sein. Wer Gott beleidigt, muss heute weniger mit göttlichem Zorn rechnen – sondern mit dem algorithmisch verstärkten Furor seiner PR-Abteilung auf Erden.

Die Freiheit der Kritik ist unteilbar – oder sie existiert nicht

Man kann keine halbe Meinungsfreiheit haben. Und doch versucht man es. Die eine Religion darf verspottet, die andere nur gestreichelt werden. Die einen dürfen Ziel von Ironie sein, bei den anderen ist Ironie gleich Islamophobie, Antisemitismus oder rassistische Entgleisung. Dabei sollte gerade der Glaube, der auf Wahrheit pocht, auch fähig sein, der Prüfung standzuhalten. Alles, was nicht kritisiert werden darf, wird zum Totem – und Totems gehören nicht in demokratische Diskurse, sondern in anthropologische Museen. Salman Rushdie wusste das. Dafür wurde er zur Zielscheibe eines fanatischen Fatwa-Systems, das den Unterschied zwischen Roman und Realität nie begreifen wollte. Und bis heute wird sein Name genannt wie ein Menetekel: „Man darf ja nichts sagen“, flüstert man, während man heimlich doch hofft, nicht als nächster Autor auf einer Todesliste zu landen. Das ist keine Zivilisation mehr – das ist Feigheit mit Fußnoten.

Respekt muss man sich verdienen. Heiligkeit schützt nicht vor Kritik.

Religion ist eine Idee – wie Liberalismus, Sozialismus, Kapitalismus oder Veganismus. Und jede Idee hat das Recht, kritisiert, verspottet, verworfen zu werden. Respekt vor der Religion darf nicht heißen, dass man den Verstand am Eingang der Moschee, Kirche oder Synagoge abgeben muss. Wer Respekt fordert, sollte auch Respekt geben – und der besteht nicht im Unterwerfungsgestus, sondern in der Bereitschaft zur offenen Debatte. Wer sagt: „Du darfst meinen Glauben nicht kritisieren“, sagt im Grunde: „Ich kann ihn nicht verteidigen.“ Das ist nicht Respekt – das ist intellektuelle Kapitulation.

Blasphemie – Die letzte Bastion des Heiligen in einer gottlosen Welt

Blasphemiegesetze sind die Jurassic-Park-Zäune der Theokratie – verrostet, anachronistisch, aber mit Strom geladen. Sie markieren jene ideologischen Schutzbereiche, in denen der Glaube nicht mehr überzeugen, sondern nur noch bestrafen kann. Dabei müsste man meinen, dass in einer Welt voller künstlicher Intelligenz, Quantenphysik und 5G-Implantatverschwörung auch Gott gelernt hätte, sich selbst zu verteidigen. Doch nein: Wo der Glaube wankt, schlägt das Gesetz zu. In Pakistan reicht ein Facebook-Kommentar für ein Todesurteil, in Indien genügt ein falscher Tweet zur Lynchstimmung, und in westlichen Demokratien reicht oft schon der Verdacht auf Beleidigung heiliger Gefühle, um Karrieren zu beenden.

Dass Blasphemie in säkularen Staaten überhaupt noch als juristischer Tatbestand geführt wird, ist eine Absurdität von kafkaesker Eleganz. Denn was schützt dieses Gesetz eigentlich? Die Würde Gottes? Die Gefühle seiner Anhänger? Oder schlicht die Ohnmacht einer Gesellschaft, die den Mut zur Konfrontation mit dem Religiösen längst verloren hat? Wenn Gott Allmächtigkeit beansprucht, braucht er keine Anwälte. Wer ihn verteidigen will, betreibt nicht Rechtsprechung, sondern Stellvertretungstheater mit inquisitorischem Bühnenbild.

Cancel Culture – Die moralische Inquisition im Twitterformat

Die Guillotine der Gegenwart ist nicht aus Stahl, sondern aus Likes und Empörung gebaut. Wer heute öffentlich über Religion spottet, wird nicht mehr verbrannt – er wird gelöscht. Cancel Culture ist das digitalisierte Pendant zur mittelalterlichen Ketzerverfolgung, nur effizienter, schneller, global. Die moralische Empörung ist dabei keineswegs beschränkt auf konservative Glaubenswächter – auch progressive Milieus zeigen eine fast religiöse Intoleranz gegenüber Abweichung vom jeweils gültigen Dogma. Der Gläubige zürnt über die Karikatur Mohammeds, der postmoderne Aktivist über den falschen Genderstern.

So entsteht eine neue Priesterkaste: Social-Media-Moralisten, die über Likes richten und über Karrieren urteilen. Ihre Liturgie besteht aus Hashtags, ihre Beichte aus Entschuldigungs-Statements im PR-Deutsch. Und während der Glaube an Gott vielerorts schwindet, wächst der Glaube an die eigene moralische Unfehlbarkeit ins Gigantische. Die Cancel-Culture ist die säkulare Variante religiöser Intoleranz – ein Kreuzzug gegen alles, was stört, provoziert, zum Denken zwingt. Und wie jede Form der Inquisition hinterlässt auch sie ein Trümmerfeld aus Angst, Selbstzensur und intellektuellem Stillstand.

Der säkulare Staat in der Defensive – Der Rückzug aus dem eigenen Territorium

Der säkulare Staat, einst stolze Errungenschaft der Aufklärung, hat sich zurückgezogen wie ein alternder Hausherr, der sich von seinen Mietern das Recht auf Hausordnung nehmen lässt. Aus Angst, intolerant zu erscheinen, wird Toleranz zur Selbstverleugnung. Aus Respekt vor Religion wird Demut – aus Demut Unterwerfung. Der Staat garantiert Glaubensfreiheit, traut sich aber nicht mehr, säkulare Prinzipien durchzusetzen. Kopftücher in der Justiz? Gebetsräume in Universitäten? Theologischer Einfluss auf Schulpläne? Alles eine Frage der „kulturellen Sensibilität“. Und während der Staat sich bemüht, jedem religiösen Gefühl gerecht zu werden, darf der Atheist zusehen, wie sein einst neutrales Gemeinwesen zum interreligiösen Wettstreitplatz verkommt.

Es ist die paradoxe Tragödie unserer Zeit: Der säkulare Staat verteidigt nicht mehr die Freiheit von Religion, sondern die Freiheit der Religion – und zwar so eifrig, dass er dabei seine ureigenen Grundlagen vergisst. Er schützt Glauben vor Kritik, statt Kritik vor Glaubensmacht. Und so mutiert die Republik zur neutralen Bühne eines metaphysischen Kasperletheaters, in dem Gott, Allah, Jahwe und das fliegende Spaghettimonster gleichberechtigt beleidigt sein dürfen – aber niemand mehr offen lachen darf.

Epilog: Die Freiheit der Lästerung ist der Stresstest der Demokratie

Man erkennt die Stärke einer offenen Gesellschaft nicht an ihren Gebetszeiten, sondern an ihrem Umgang mit Spott. Wer eine Karikatur nicht erträgt, wird eine Demokratie nie aushalten. Die Religionsfreiheit ist nur dann etwas wert, wenn sie auch den Unglauben schützt. Und der Respekt – der echte, aufrichtige Respekt – besteht nicht darin, alles heilig zu sprechen, sondern alles zur Diskussion zu stellen. Auch Gott. Vor allem Gott. Denn er, wenn es ihn denn gibt, sollte sich doch am wenigsten beleidigt fühlen – und vielleicht sogar ein wenig über uns lachen.

Identität to go

Prolog aus dem Theaterfundus des 21. Jahrhunderts

Die Welt ist eine Bühne, sprach Shakespeare einst – doch er wusste nicht, was er damit lostrat. Hätte er geahnt, dass seine metaphorisch gemeinte Bemerkung eines Tages als wörtliche Anleitung für gesellschaftliche Identitätsstiftung herhalten würde, er hätte Hamlet vermutlich statt mit Totenschädel mit Selfiestick ausgestattet. Denn heute, in einer Zeit, in der der Mensch sich aus der Asche seiner biologischen Prägungen emporphantasiert wie ein überambitionierter Phönix im Drag-Outfit, genügt ein Gedanke, ein Wunsch, eine Behauptung – und siehe da: Der Mensch ist, wer er zu sein meint.

Kleider machen Leute – aber machen sie auch Identität?

Es war einmal, so erzählt man sich in dunklen Fluren des gesunden Menschenverstands, ein Schneiderlein, das sich ein Wams nähte und fortan König war. Heute reicht ein H&M-Kleid, eine schulterlange Perücke aus Polyethylen und ein Lippenstiftton mit der Farbe „Regenbogenmanifest“ – und siehe da, die Evolution ist besiegt. Wer braucht schon XX- oder XY-Chromosomen, wenn ein TikTok-Video mit Filter und Hashtag #SheHer ausreicht, um jahrtausendelange anthropologische Realität als soziales Konstrukt zu demaskieren?

Die neue Liturgie der Identität lautet: Ich fühle, also bin ich. Und wenn ich mich als Frau fühle, dann bin ich eine Frau – auch wenn mein Bartwuchs mich regelmäßig an die unnachgiebige Testosteronproduktion meines Körpers erinnert. Doch das wird als retrograde Biologie abgetan, als faschistoide Wissenschaft, als das ungebetene Echo eines untergehenden Zeitalters, in dem Fakten noch etwas galten. Heute zählen Gefühle. Und Gefühle, meine Damen und Herren, sind immun gegen Widerspruch. Gefühle haben recht, immer. Wer etwas dagegen sagt, ist ein Transphob, ein Reaktionär oder – schlimmer noch – ein Kritiker.

Ein Stethoskop namens Sehnsucht – wenn Wunschdenken Medizin ersetzt

Doch erlauben Sie mir ein ketzerisches Gedankenexperiment: Ich wache morgen auf und fühle mich tief im Innern – nein, nicht als Frau, das wäre zu ordinär – sondern als Arzt. Als Heiler der Menschheit. Ich schlinge mir ein Stethoskop um den Hals, stecke mir einen Kugelschreiber mit Pharmawerbung in die Kitteltasche und betrete selbstbewusst die nächste Notaufnahme. Diagnose? Sekundäre Identitätsinflation mit hypertropher Selbstüberschätzung.

Doch wehe dem, der es wagt, mich aufzuhalten. Ich fühle mich als Arzt. Ich habe schließlich „Grey’s Anatomy“ durchgebingt, mein Google-Suchverlauf enthält mehr Fachbegriffe als das Erste-Hilfe-Handbuch des ADAC, und mein weißer Mantel ist frischer als das Blut der Patienten, das ich bald zu vergießen plane. Also bin ich Arzt, oder nicht?

Die Antwort dürfte – zumindest noch – ein zögerliches „Nein“ sein. Denn, ach, bei Ärzten bestehen wir seltsamerweise auf Ausbildung, Expertise, Examen und nicht zuletzt auf einem gewissen Maß an Verantwortungsbewusstsein. Hier gilt Identität nicht als rein subjektives Kunstprodukt, sondern als Resultat objektiver Leistung. Es wäre auch schade, wenn ein pathologisch motivierter Schauspieler Ihre Blinddarmentzündung mit Globuli behandeln würde – obwohl, in Berlin-Kreuzberg mag das als ganzheitlicher Ansatz durchgehen.

Der postmoderne Narziss – im Spiegel der Selbstinszenierung

In Wahrheit aber sind wir längst in einer Ära angekommen, in der Schein mehr zählt als Sein, in der der ästhetische Akt der Selbstdeklaration höher gewichtet wird als jedes empirische Fundament. Wir leben in einem semiotischen Disneyland, in dem Worte nicht mehr Bedeutungen tragen, sondern Bedeutungen tragen müssen, die man ihnen gerade andichtet.

„Frau“ ist kein biologisches Phänomen mehr, sondern ein Performance-Label mit monatlichem Abo. Wer sich auf die Bühne der Geschlechteridentität wagt, muss nicht mehr mit der Realität ringen, sondern nur mit der Requisite. Die Frage ist nicht mehr: Was bin ich? Sondern: Wie glaubwürdig kann ich es spielen?

Identität ist heute wie ein Rollenspiel auf LSD – alles ist erlaubt, alles ist möglich, solange man es ernst genug meint und Twitter einem zustimmt. Es ist der Triumph des Subjektiven über das Reale, des Narrativs über die Natur, der Pose über die Person.

Das gefährliche Spiel mit dem Ernst des Lebens

Doch während wir auf diesem Jahrmarkt der Möglichkeiten unsere Pronomen neu sortieren wie Pokémonkarten, vergessen wir, dass gewisse Dinge nicht verhandelbar sind. Medizin, zum Beispiel. Oder Physik. Oder der Umstand, dass ein Mann trotz Barttransplantat kein Eierstockkarzinom bekommen wird.

Die Willkür, mit der Begriffe wie „Frau“, „Mann“, „Arzt“, „Lehrer“ oder „Expertin“ inflationär und entkoppelt von realer Substanz verwendet werden, ist nicht bloß komisch – sie ist potenziell gefährlich. Denn eine Gesellschaft, die den Unterschied zwischen Schein und Sein nicht mehr erkennt, ist wie ein Flugzeug mit einer Kabinencrew aus Menschen, die sich als Piloten identifizieren, aber ihr ganzes Leben lang nur „Microsoft Flight Simulator“ gespielt haben.

Zwischen Fazit und Farce – wer bin ich, wenn keiner mehr fragt?

Was also bleibt von der Frage: Wenn ich mich als Frau identifiziere, bin ich eine Frau – aber wenn ich mich als Arzt identifiziere, nicht automatisch ein Arzt?

Die Antwort ist so einfach wie unbequem: Die gesellschaftliche Toleranz für subjektive Identitätsbehauptung ist selektiv. Dort, wo es modisch, politisch opportun oder moralisch verlockend ist, wird sie gefeiert. Dort, wo Verantwortung, Risiko oder gar Konsequenz ins Spiel kommen, wird plötzlich wieder mit Maß und Vernunft gewogen.

Ein Kleid macht noch keine Frau. Ein Kittel noch keinen Arzt. Und ein Gefühl, so ehrlich es auch sei, ersetzt nicht die Realität, sondern kommentiert sie allenfalls. Doch in einer Welt, in der Kommentare für wichtiger gehalten werden als Tatsachen, tanzt die Vernunft auf einem Minenfeld aus Befindlichkeiten.


Epilog für Fortgeschrittene

Doch bevor Sie mir nun empört den roten Stempel „reaktionär“ auf die Stirn drücken oder ein virtuelles Cancel-Ritual einleiten: Denken Sie daran, dies ist Satire. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht identifiziere ich mich gerade einfach nur als Satiriker.

Und wer will es wagen, das in Frage zu stellen?

Willkommen in der DDR 2.0

Vorspiel der Rechthaber: Über die Rückkehr des betreuten Denkens

Es ist ein eigenartiger Zustand, den wir im Jahre 2025 mit einer Mischung aus abgestumpfter Resignation und hysterischer Betriebsamkeit zur Kenntnis nehmen – nämlich der, dass ausgerechnet jene westlichen Demokratien, die sich über Jahrzehnte hinweg als Bollwerke individueller Freiheit und pluralistischer Meinungsvielfalt inszenierten, nun in einer grotesken Kopie jenes Systems angekommen zu sein scheinen, das man dereinst stolz und siegestrunken überwunden glaubte. Willkommen, meine Damen und Herren, liebe non-binäre Geschlechtsidentitäten, in der Demokratisch-Digitalen Regulativrepublik, kurz: DDR 2.0 – nur diesmal mit besserer Grafik und flüssigerem Scrollverhalten.

Was einst mit dem schleichenden Verfall argumentativer Kultur begann – einem pseudotoleranten „Debattenklima“, das man eher als stickige Kammer mit Sauerstoffmangel bezeichnen müsste –, kulminiert nun in einem System permanenter pädagogischer Korrektur. Denken wird nicht mehr gefordert, sondern vorformuliert. Haltung ersetzt Erkenntnis, Moral ersetzt Fakten, Empörung ersetzt Differenzierung. Und wie in jedem guten Spätstadium eines Kontrollsystems glaubt die Mehrheit, frei zu sein – weil man sie gelehrt hat, dass Freiheit darin bestehe, exakt das zu wollen, was man ihr vorgibt.

Die neue Unfreiheit: Algorithmen als Agitatoren

Man muss es sich einmal auf der Zunge zergehen lassen wie einen zu stark gesüßten Ersatzkaffee aus dem real existierenden Sozialismus: Während man früher Wanzen fürchtete, trägt man heute freiwillig ein Mikrofon in der Tasche – mit Standortfreigabe und Gesichtserkennung, versteht sich. Big Brother hat sich nie so charmant gegeben wie durch das Apple-Logo auf der Rückseite deines Smartphones. Der Unterschied zwischen freiwilliger Selbstüberwachung und staatlich verordneter Kontrolle ist, wie sich zeigt, keiner der Struktur, sondern einer der Benutzeroberfläche.

Die Algorithmen, jene scheinbar neutralen Priester des Digitaltempels, sind heute Meinungsmacher, Zensoren und Erzieher in Personalunion. Sie entscheiden, was sichtbar wird, was gesagt werden darf, wer „relevant“ ist – und vor allem, wer nicht. Die „Richtlinien der Gemeinschaft“, diese Orwell’sche Phraseologie in Zuckerwatte, sind der neue Paragraf 106: Wer sich zu weit aus dem Fenster lehnt, darf sehen, wie schnell man in den digitalen Gulag der Deplattformierung verschwinden kann – ohne Anklage, ohne Verteidigung, ohne Revision. Statt politischer Lagerhaft gibt es heute Shadowbans. Komfortabler, aber nicht weniger wirksam.

Umerziehung 2.0: Das Betroffenheitsregime der Gutmeinenden

Früher, so erzählt man sich heute wie aus einem Märchenbuch, wurden Menschen noch nach ihrer Leistung beurteilt, nach ihrem Charakter, nach ihrer Fähigkeit zur Kritik. Heute jedoch zählen einzig die heiligen Abzeichen identitärer Zugehörigkeit: Wer ist marginalisiert genug, um gehört zu werden? Wer ist betroffen genug, um nicht widersprochen werden zu dürfen? Wer ist korrekt genug, um von der Cancel Culture verschont zu bleiben?

Die neue Elite, die sich als unterdrückte Minderheit geriert, beherrscht die Kunst der moralischen Erpressung wie einst die Funktionäre ihre Floskeln vom Klassenfeind. Es geht nicht mehr um Wahrheit, sondern um Empfindlichkeit. Und wehe, man verletzt ein Tabu – nicht etwa durch Intention, sondern durch Interpretation! Denn was zählt, ist nicht, was gesagt wurde, sondern wie es gefühlt wurde. Willkommen im Regime der hypermoralischen Schneeflocken, die bei der leisesten Erwähnung von Ambivalenz zu schmelzen beginnen – und danach den Thermostat auf „Ewige Betroffenheit“ drehen.

Die Rückkehr der Planwirtschaft – diesmal ökologisch korrekt

In der DDR 1.0 scheiterte der Sozialismus an der Banalität seiner Ineffizienz: leere Regale, schmierige Butter und Trabant-Wartelisten. In der Version 2.0 tritt die Planwirtschaft erneut auf die Bühne – diesmal im grünen Gewand und mit dem Segen der Apokalypse. Unter dem Banner des „Klimaschutzes“ wird nicht nur das Thermostat reguliert, sondern gleich der gesamte Lebensstil. Verzicht wird zur Tugend verklärt, Degrowth zum Erlösungsversprechen, und wer noch Fleisch isst oder in den Urlaub fliegt, gilt als Klimasünder erster Klasse – selbst wenn er am Rande des Existenzminimums lebt.

Das Paradoxe daran? Die neue ökologische Planwirtschaft zementiert soziale Ungleichheit. Denn der ökologisch korrekte Lebensstil ist ein Luxus: Bioladen, Lastenrad und urban gardening sind kaum Realitäten des Proletariats, sondern Statussymbole einer saturierten Bionade-Bourgeoisie, die sich für ihre Tugendhaftigkeit gegenseitig auf LinkedIn applaudiert. Und während man dem kleinen Mann das Heizen verbietet, fliegen die Apostel des Weltklimas in Privatjets zu Nachhaltigkeitsgipfeln.

Der neue Sozialismus ist digital, global – und freiwillig

Was macht diese DDR 2.0 so perfide? Es ist der Umstand, dass sie sich nicht aufzwingt, sondern einschmeichelt. Sie kommt nicht mit Uniformen und Stasi-Akten, sondern mit „Nudging“ und Benutzerfreundlichkeit. Sie will dich nicht brechen, sondern überzeugen. Sie arbeitet nicht mit Zwang, sondern mit Zustimmung. Und genau darin liegt ihre Tücke.

Denn wo früher Macht sich durch sichtbare Gewalt manifestierte, hat sie heute die Form der Zustimmung angenommen: Du willst digital sein, du willst kontrolliert werden, du willst dich anpassen – weil die Alternative Isolation, Unsichtbarkeit, Cancel ist. Die neue Konformität ist freiwillig – und deshalb so alternativlos wie einst die Einheitsliste.

Finale Furioso: Warum Satire das letzte Asyl des Denkens bleibt

Wer heute satirisch schreibt, tastet sich blind durch ein Minenfeld hypersensibler Ideologien, durch die Nebelschwaden algorithmischer Zensur und durch die Floskelwüsten eines politmedialen Komplexes, der längst aufgehört hat, sich für Wahrheit zu interessieren. Satire ist keine Waffe mehr – sie ist eine Notwehr. Sie ist das letzte Refugium für jene, die sich der sanften Tyrannei des Betreuten Denkens nicht beugen wollen.

Und so bleibt uns nur das Schreiben, das Spotten, das ironische Zwinkern aus dem Untergrund der Vernunft. Während draußen die neue DDR 2.0 ihre gläsernen Paläste errichtet und den Menschen einflüstert, dass sie frei sind – solange sie nur sagen, denken und fühlen, was erlaubt ist.


Nachsatz:
Ob das alles so kommen muss? Nein.
Ob es trotzdem so gekommen ist? Frag dich mal selbst.
Und wenn du das Gefühl hast, dass dieses Essay übertrieben ist, sei dir sicher: Das dachte man 1984 auch.

Was kommt als Nächstes, Schädelvermessungen?

Von der Neurowissenschaft zur neuen Menschenordnung – oder: Die Rückkehr der Messzirkel im Dienste der Moral

Es ist wieder soweit. Die Wissenschaft, dieses eigentlich neutrale, angeblich der reinen Erkenntnis verpflichtete Feld, hat sich mal wieder einmischen müssen – diesmal nicht in Fragen der Impfung, der Biologie oder der Moralökonomie, sondern gleich ins Allerheiligste des demokratischen Selbstverständnisses: ins Wahlverhalten. Genauer gesagt: in den Schädel dessen, der wählt. Der Mensch, so erfahren wir nun von einer Studiengruppe unter Leitung von Ryota Kanai am University College London, entscheidet sich nicht etwa auf Grundlage seiner Erfahrungen, seiner Werte oder gar seiner Überzeugungen – nein, sondern auf Grundlage seiner Hirnmasse. Der liberale Geist – man stelle sich das bitte in ehrfürchtigem Flüsterton vor – verfügt über ein größeres Volumen grauer Zellen im anterioren cingulären Cortex. Der Konservative hingegen – und hier dürfte das Raunen in der moralisch erregten Blase unüberhörbar sein – weist ein ausgeprägteres „Angstzentrum“ auf. Und so kommt, was kommen muss: Der freie Wille war gestern. Heute ist politische Gesinnung eine Frage der neuronalen Topografie.

Von grauer Substanz und grauen Vorurteilen: Die Neuro-Phrenologie der Jetztzeit

Das hat doch Charme, nicht wahr? Endlich eine wissenschaftlich abgesicherte Begründung, warum der Nachbar AfD wählt – sein Mandelkern ist schuld. Endlich ein eleganter, fast schon therapeutischer Ausweg aus dem Dilemma der Diskussion: Nicht streiten, nicht überzeugen, sondern scannen. Hätten die Altvorderen des 19. Jahrhunderts gewusst, wie elegant sich Eugenik mit Empathie verschleiern lässt, sie hätten sich vor Freude die Schädel vermessen. Und doch, unter all der grauen Substanz leuchtet eine altbekannte Farbe: die des moralischen Hochmuts. Denn was hier als neurowissenschaftlicher Fortschritt verkauft wird, ist im Kern nichts anderes als ein pseudowissenschaftlich verbrämter Versuch, den Andersdenkenden nicht etwa zu verstehen, sondern ihn in die bio-neuronale Defensive zu zwingen.

So, als würde man sagen: Dein Hirn kann gar nicht anders, du Armer.
Und das mit einem Lächeln, das so viel sagt wie: Wir verstehen dich – neurobiologisch jedenfalls.

Der Traum von der perfekten Demokratie – mit MRT und Zugangskontrolle

Wenn also politische Überzeugung weniger mit Debatte als mit neuronaler Struktur zu tun hat, stellt sich zwangsläufig die nächste Frage: Warum überhaupt noch wählen lassen? Warum die mühsame Auseinandersetzung, warum die Quälerei mit Argumenten, wenn doch ein kurzer Scan im Kernspintomografen genügt? Stellen Sie sich das Wahllokal der Zukunft vor: Kein Wahlzettel, kein Kabinenvorhang. Nur ein freundlicher Mitarbeiter der Wahlkommission mit Kittel und Klemmbrett: „Bitte legen Sie sich kurz hin. Das dauert nur eine Minute.“ Danach: automatische Zuordnung zum Lager Ihrer neuronalen Kohärenz – links, rechts, liberal, autoritär, neurotisch oder einfach hoffnungslos unterkomplex.

Was wie eine Dystopie klingt, ist in Wahrheit schon als Denkfigur gesellschaftlich akzeptiert. Denn wer diese Studien zitiert – und das tun viele mit der Selbstgewissheit pädagogischer Missionare – der will keine Diskussion, der will Einordnung. Wer das Gehirn zum politischen Prüfstein erhebt, der öffnet nicht den Raum der Aufklärung, sondern schließt ihn mit dem Deckel eines MRT-Geräts. Der neue Weltbürger ist nicht etwa mündig, sondern magnetisch resonanzfähig.

Warum Widerspruch bald Hirnsache ist: Die neue Biologisierung des Politischen

Natürlich – so wird man einwenden – handelt es sich hierbei nur um Korrelationen, nicht um Kausalitäten. Es geht nicht darum, jemandem seine politische Haltung „wegzuscannen“. Ach, wirklich? Ist das nicht dieselbe Rhetorik, die man von jenen kennt, die sagen: „Ich will ja nur verstehen, warum du so bist“ – und dabei längst geurteilt haben? Der Weg von der Beschreibung zur Bewertung ist kurz, wenn er über die neuronale Schnellstraße führt.

Wo früher die politische Debatte war, stehen heute Studienverweise. Wo früher Widerspruch als demokratische Qualität galt, reicht heute der Verweis auf das „größere Angstzentrum“. Angst – das Wort ist nicht zufällig gewählt. Es riecht nach Schwäche, nach Impuls, nach Trieb. Der liberale Verstand hingegen – rational, graumassig, aufgeklärt – leuchtet wie ein modernes Heiligenbild im Lichtkegel des Labors.

Die neue Schädelkunde im weißen Kittel

Und so kehrt sie zurück, die alte Lust am Kategorisieren, am Messen, am Zuordnen – nur eben diesmal in High-Tech-Gewand. Die Phrenologen des 19. Jahrhunderts tasteten noch mühsam Schädelwölbungen ab und malten krude Charakterkarten. Heute nimmt man das Gehirn selbst ins Visier. Man spricht von Volumina, von Aktivierungsclustern, von Signifikanzwerten – aber meint doch nur: Wir wissen, wie du tickst.

Das ist keine Wissenschaft, das ist Biopolitik in Reinform. Die Rückkehr der alten Anthropologie durch die Hintertür der Empirie. Und die neue politische Klasse – von der Mitte bis ins akademische Feuilleton – freut sich klammheimlich. Endlich muss man nicht mehr argumentieren. Endlich ist der politische Gegner kein Subjekt, sondern ein Objekt – genauer: ein scanbares Objekt.

Fortsetzung folgt: beim nächsten neuronalen Gruppenfoto.

Wenn der Protest sich selbst verbrennt

Vom Klima, das kippt, und Aktivismus, der entgleist

In einem Studio von oe24.TV, unter grellem Licht und mit jener typisch österreichischen Mischung aus Sensationslust und journalistischer Müdigkeit, ereignete sich kürzlich ein Interview, das weniger informierte als irritierte. Die ehemalige Sprecherin der „Letzten Generation“, Marina Hagen-Canaval, verabschiedete sich medienwirksam von der Bühne des zivilen Ungehorsams – nicht mit einem sanften „Wir haben unser Bestes gegeben“, sondern mit dem Wunsch, eine neue, „viel schlimmere“ Generation möge nun kommen und, Zitat, „alles anzünden“. Man hätte über diesen Satz hinweggehen können, als überspannte Metapher im Hitzerausch – hätte er nicht so präzise das Gefühl einer Bewegung eingefangen, die ihren moralischen Kompass verloren hat und ihre Daseinsberechtigung zunehmend aus der Ablehnung der Realität bezieht.

Hagen-Canaval beruft sich in ihrer Argumentation auf die Suffragetten, die angeblich erst durch das Niederbrennen Londons das Frauenwahlrecht durchsetzten – eine historische Rekonstruktion, die selbst in der Kabarettszene mit einem Stirnrunzeln quittiert würde. Was bleibt, ist der inszenierte Abgesang einer Aktivistin, die sich ausgebrannt gibt, aber rhetorisch Benzin ins Feuer gießt. Während draußen die Hitze tatsächlich Rekorde bricht, friert in diesem Interview das demokratische Gesprächsklima endgültig ein. Es ist nicht nur der Rückzug aus der Aktion – es ist die implizite Absage an alles, was liberalen Diskurs, pluralistische Aushandlung und Gewaltfreiheit bislang ausgezeichnet hat. Der Klimaprotest, so scheint es, will nicht mehr gehört werden – er will nur noch brennen.

Die neue Ästhetik der Unversöhnlichkeit – Anja Windl, Wut und das Mikrofon

Wer dachte, Marina Hagen-Canaval sei ein Einzelfall, wurde kürzlich eines Besseren belehrt. Anja Windl, von Medien gern als „Klimakleberin“ betitelt und von sich selbst als moralisches Frühwarnsystem Europas verstanden, trat kürzlich in einer Live-Diskussion auf, die zu einem bizarren Kammerspiel eskalierte. Geladen waren ein grüner Ex-Vizekanzler, ein Unternehmer, eine Ökonomin und ein Schauspieler – und Windl, die in bockiger Vehemenz jede Frage, jeden Einwand, ja selbst die bloße Existenz anderer Positionen als Beleidigung empfand. Ihr Blick: glühend vor Überzeugung. Ihre Antworten: Ausweichungen in Endlosschleife. Ihre Körpersprache: ein einziges großes Nein.

Diskurs war nicht vorgesehen – nicht als Möglichkeit, nicht als Instrument, nicht als Ziel. Stattdessen: betretenes Schweigen, genervtes Aufstöhnen, und schließlich ein rauschender, selbstgerechter Abgang. Die Szene wirkte weniger wie ein Auftritt in einer politischen Debatte, sondern wie eine Performance im Theater der Selbstbestätigung. Anja Windl führte vor, was in Teilen der Bewegung längst zur Regel geworden ist: Wer widerspricht, wer nicht sofort bekennt, wer nachfragt, ist Teil des Problems – oder schlimmer noch: ein Fossilist. Die Verweigerung des Gesprächs wird zur Tugend erklärt, das Gespräch selbst zur Zumutung. Was sich einst als demokratischer Weckruf verstand, schlägt nun um in dogmatische Absolutheit. Man kennt das aus religiösen Kontexten – weniger aus emanzipatorischen Bewegungen.

Radikal chic – Von Glasscheiben, Pipelines und moralischem Pyromanenpathos

Der Diskurs ist tot, es lebe die Pose. Ob nun auf der Straße klebend, auf dem Bildschirm schreiend oder im Hafen von Gent sabotierend – der neue Klimaaktivismus verlässt das Terrain des argumentativen Austauschs und driftet ab in eine symbolisch überladene Protestästhetik, die zunehmend mit Sachbeschädigung, Grenzüberschreitung und latentem Gewaltfetisch kokettiert. Dass bei der erwähnten Hafenaktion in Belgien im März 2025 Sicherheitsanlagen manipuliert, Maschinen beschädigt und der Schiffsverkehr lahmgelegt wurden, lässt sich kaum mehr unter dem Euphemismus „ziviler Ungehorsam“ verbuchen. Und dass Greta Thunberg bei der Aktion anwesend war, sorgt nicht für Beruhigung, sondern für ein wachsendes Unbehagen: Wird hier ein Vorbild zur Schirmherrin der Eskalation?

Die selbstgerechte Ikonografie der Aktivisten, mit ihrer Mischung aus Opferpathos und Erlösergestus, produziert eine geschlossene Welt, in der jeder Widerspruch als Schuld, jedes Zögern als Verrat erscheint. Aus Farbe auf Kunst wird bald Feuer auf Infrastruktur. Aus „Letzter Generation“ wird „Erste Linie der Klimafront“. Der Begriff „Klimagerechtigkeit“ verliert dabei seine politische Substanz und wird zur Legitimationsformel für ein moralisches Ermächtigungsnarrativ, das zwischen ideologischer Absolutheit und fast schon messianischer Überhöhung oszilliert. Es geht nicht mehr um Lösungen, sondern um Selbstvergewisserung. Nicht mehr um Wandel, sondern um Widerstand – gegen alles.

Was bleibt: Eine verbrannte Bühne und eine schweigende Mehrheit

Wenn nun also eine ehemalige Sprecherin sagt, sie sei „ausgebrannt“, wirkt das wie eine bittere Metapher auf die ganze Bewegung. Der öffentliche Raum, einst Ort des Dialogs, ist zur Bühne für Inszenierungen geworden. Die Fronten sind verhärtet, der Diskurs ist gesprengt, das Publikum zunehmend genervt. Und jene, die noch zuhören wollen, die differenzieren, die zwischen Verantwortung und Realität balancieren möchten, werden wahlweise ignoriert oder beschimpft. Die moralische Fallhöhe des Aktivismus ist so steil geworden, dass man entweder mitspringt – oder als Feind gilt.

Vielleicht ist es Zeit, dass wir über neue Formen des Engagements sprechen, jenseits von Eskalation und Apokalypse. Vielleicht wäre es klüger, an den Institutionen zu arbeiten, statt sie zu verachten. Vielleicht wäre es ratsam, endlich wieder das Gespräch zu suchen – nicht mit jenen, die ohnehin schon überzeugt sind, sondern mit jenen, die zweifeln, zögern oder einfach nur hören wollen, dass es noch Hoffnung gibt, jenseits des Feuers.

Bis dahin bleibt nur die Hoffnung, dass nicht das brennt, was eigentlich bewahrt werden sollte: unser demokratischer Zusammenhalt.

Wenn Geschichte auf Asphalt trifft

Straßenkampf der Erinnerung

In einer Zeit, in der urbane Namensgebung zur Ersatzreligion politischer Selbstvergewisserung verkommt, schlägt nun ein neues Kapitel der semantischen Weltverbesserung auf: Eine Straße in Wien soll nach Mustafa Kemal Atatürk benannt werden. Ja, genau: Atatürk. Der Mann, der das osmanische Reich in die Moderne prügelte, die Kalligrafie verbannte, den Bartwuchs der Religion unterwarf und das Tragen von Hüten staatlich reglementierte. In seiner Heimat ein Heiliger der Säkularisierung, in Europa ein Fremdkörper zwischen Projektion und Unkenntnis – und nun ein Kandidat für die Straßenschilder Wiens? Willkommen in der posthistorischen Komödie der Bedeutungslosigkeit, in der Erinnerungspolitik nicht von Historikern, sondern von Online-Petenten kuratiert wird.

Kolonien der Korrektheit – Wer erinnert, regiert

Straßen sind längst keine Verkehrsadern mehr, sondern moralisch aufgeladene Träger identitärer Signale. Wer in Berlin eine Mohrenstraße umbenennen will oder in München darüber diskutiert, ob ein alter CSU-Bürgermeister noch tragbar ist, der führt keine verkehrsplanerische Debatte, sondern einen Stellvertreterkrieg um die Deutungshoheit der Geschichte. Und nun also Atatürk. Als ob Wien – die ehemalige Hauptstadt eines untergegangenen Multikulti-Großreichs – noch nicht genug Phantomschmerz im Umgang mit seiner eigenen imperialen Vergangenheit hätte.

Doch es geht ja nicht um Geschichte, sondern um Haltung. Um symbolpolitische Selbstveredelung im Zeitalter des digitalen Altruismus. Eine Straße für Atatürk – das klingt nach Versöhnung, nach internationaler Aufgeschlossenheit, nach einem urbanen Multikulturalismus mit Latte-Macchiato-Temperament. Dass der Mann autoritär regierte, die Presse knebelte, Minderheiten assimilierte und das Kurdenproblem nicht löste, sondern verwaltete – geschenkt. Hauptsache, der Name klingt weltläufig und erzeugt auf Google Maps ein gutes Gefühl.

Vom Sultanspalast zur Stadtverwaltung – Identitätspolitik mit Ottomanenstaub

Die Ironie ist kaum zu überbieten: In einer Stadt, die zweimal einer osmanischen Belagerung standhielt, soll nun ein Mann geehrt werden, der das Erbe dieser Osmanen abwickelte wie eine schlecht laufende GmbH. Die K.u.k.-Residenzstadt soll also dem säkularen Totengräber des Kalifats die Hand reichen – und so tun, als sei das alles ein Zeichen von kulturellem Weitblick. In Wahrheit ist es nichts anderes als die kapitulierende Geste einer hypermoralischen Gesellschaft, die ihre eigene Geschichte lieber externalisiert als aufarbeitet.

Denn während man sich über Atatürk-Straßen freut, diskutiert man in anderen Bezirken darüber, ob man Karl Lueger posthum noch behalten darf oder endlich verbannen muss. Die Vergangenheit wird dabei wie ein Wühltisch auf dem Flohmarkt der Tugendhaftigkeit durchstöbert: Was kann bleiben, was muss weg, und was lässt sich gewinnbringend durch einen moralisch kompatibleren Namen ersetzen?

Die Petition als Passion – Demokratie der Clicks

Das Begehr selbst kommt, wie könnte es anders sein, in Form einer Petition. Die moderne Form der politischen Erhebung – bequem, digital, kostenfrei und vor allem: risikolos. Wo früher Unterschriftenlisten mit Kugelschreiber durch verrauchte Hinterzimmer kursierten, genügt heute ein Klick aus der U-Bahn heraus, um Geschichte umzuschreiben. Es ist die Demokratisierung der Symbolik, entkoppelt von Sachverstand, historischen Tiefenschärfen oder kulturellem Kontext.

Man muss sich das vorstellen: Der öffentliche Raum einer 2000-jährigen Stadtgeschichte wird zum Spielball spontaner Mobilisierungen, zum gestalterischen Wunschzettel der hypervernetzten Empörungskultur. Man votiert nicht mehr für Parteien, sondern für Straßennamen. Die Stadt wird zur Arena politisch-ästhetischer Schönheitschirurgie, bei der jeder meint, er könne mitreden – weil: Warum eigentlich nicht?

Straßen mit Haltung – Asphalt als Weltanschauung

Was früher nach Funktion benannt wurde – Mühlgasse, Ziegelofengasse, Obere Donaustraße – dient heute der weltanschaulichen Zementierung gesellschaftlicher Lager. Es geht längst nicht mehr um Orientierung, sondern um Distinktion. Die Straße ist kein Weg mehr, sondern ein Statement. Und wer sie betritt, marschiert nicht einfach durch ein Viertel, sondern durch eine Erzählung – kuratiert, codiert, korrekt.

In diesem Sinne passt Atatürk hervorragend in die neue Weltordnung des urbanen Symbolismus. Nicht, weil er zu Wien gehört, sondern weil er eben nicht dazugehört. Seine Nennung wäre ein Bruch, ein bewusst gesetzter Akzent, ein semiotischer Stolperstein für alle, die immer noch glauben, Straßen seien bloß Infrastruktur.

Postskriptum aus dem Archiv der Absurdität

Natürlich wird es nicht bei Atatürk bleiben. Hat man einmal damit begonnen, historische Figuren nach Beliebtheit zu sortieren, öffnen sich die Tore der Parodie. Warum nicht auch eine Erdoğan-Promenade, gleich gegenüber der Tibet-Allee? Oder ein Bin-Zayed-Boulevard in Favoriten, als Geste geopolitischer Diplomatie? Vielleicht eine Greta-Thunberg-Sackgasse mit Fahrradständern aus recyceltem Aktivismus? Die Möglichkeiten sind endlos – solange die Ironie noch billig und die Öffentlichkeit kurzatmig ist.

Fazit: Der öffentliche Raum als moralische Projektionsfläche

Es geht nicht um Atatürk. Es geht nie um Atatürk. Es geht um uns. Um das gute Gefühl, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen, auch wenn man sie gar nicht gelesen hat. Um den moralischen Mehrwert einer symbolischen Geste, die keine Konsequenzen kennt. Um die wohldosierte Erregung über Themen, die niemandem wehtun – außer vielleicht dem historischen Bewusstsein.

Die Straße mag neu benannt werden. Die Ironie bleibt.

Die Toleranz der Mehrheit

Eine religionspolitische Feldstudie im Reagenzglas der Macht

Es ist ein alter Fehler, der immer wieder gemacht wird – von wohlmeinenden Multikulturalisten, naiven Intellektuellen und staatsalimentierten Religionsbeauftragten gleichermaßen: Man beurteilt eine Religion, insbesondere den Islam, danach, wie freundlich, friedlich und anpassungsfähig sie sich gibt, wenn sie in der Minderheit lebt – in westlichen Demokratien, unter dem Schutz der Grundrechte, im Schirm der pluralistischen Gesellschaft, behütet vom Rechtsstaat, von Sozialleistungen gestützt und von journalistischer Diskurs-Feigheit flankiert. Doch das ist, mit Verlaub, so zielführend, als würde man einen Wolf danach beurteilen, wie sanft er winselt, wenn man ihm den Napf wegnimmt. Die entscheidende Frage ist nicht, wie eine Religion sich benimmt, wenn sie anpasst, sondern wie sie agiert, wenn sie dominiert. Was geschieht, wenn sie nicht um Duldung betteln muss, sondern duldet? Wenn sie nicht Rechte einfordert, sondern zuteilt – und entzieht? Erst in der Mehrheit, ja noch deutlicher: erst als Staatsreligion, zeigt sich der wahre Charakter eines theologischen Systems. Alles andere ist PR.

Vom Opfer zur Ordnungsmacht – Die Transformation der Theokratie

Der Islam – und das muss man ihm lassen – ist in der Disziplin der politischen Metamorphose ein Weltmeister. Er hat es verstanden, seine eigene Geschichte in zwei Akten zu schreiben: Im ersten Akt das leidende Opfer, benachteiligt, diskriminiert, unverstanden; im zweiten Akt die Ordnungsmacht, die auf göttlicher Unfehlbarkeit besteht, auf Gesetzesexklusivität pocht, auf Dominanz – nicht als Option, sondern als Pflicht. Wo der Islam Mehrheit wird, wird die Scharia zur Struktur, die Andersgläubigkeit zur Herausforderung, die Meinungsfreiheit zur Bedrohung. Das Wort „Toleranz“ schrumpft auf das Maß einer strategischen Geduld zusammen.

Der säkulare Beobachter, in seinem inneren Humanismus gefangen, glaubt noch immer an eine universale goldene Regel – „Was du nicht willst, das man dir tu…“ – doch in dieser Rechnung fehlt das entscheidende Moment: Die eigene Wahrheit als absoluter Imperativ. Wer glaubt, das Paradies sei exklusiv und alle anderen Wege in die Hölle führen, hat keine inneren Gründe zur Duldung, sondern bestenfalls taktische. Die Toleranz endet dort, wo sie nicht mehr nötig ist. Und da beginnt die eigentliche Wahrheit über religiöse Macht.

Pluralismus als Geduldsübung – Ein Experiment, das nur funktioniert, solange es niemand ernst meint

Natürlich kann man mit Theologen aller Religionen Kaffee trinken, sofern sie in Minderheit sind. Die Gesprächskreise, die interreligiösen Foren, die „Feste der Begegnung“ – sie alle sind nette Inszenierungen einer Welt, die so nicht existiert, wenn sie ernst gemacht wird. In pluralistischen Gesellschaften ist der Islam freundlich, weil er muss. In islamischen Gesellschaften ist der Pluralismus geduldet – solange er unbedeutend ist. In Saudi-Arabien, Iran oder Pakistan gibt es keine liberalen Diskussionen über das Verhältnis von Glauben und Staat. Dort entscheidet nicht das Verfassungsgericht, sondern der Klerus, ob ein Gedanke gedacht werden darf.

Doch wehe dem, der das anspricht – im Westen versteht man unter Kritik des Islam oft schon das, was man bei anderen Religionen „Aufklärung“ nennt. Der Islam ist die einzige Religion, die man nicht rational betrachten darf, ohne sogleich unter Verdacht gestellt zu werden: des Rassismus, der „Islamophobie“, der kulturellen Überheblichkeit. Ein Katholik, der gegen Homosexualität predigt, ist ein Relikt. Ein Imam, der dasselbe tut, ist „Teil einer anderen Kultur“. Und schon wird die Doppelmoral zur Doktrin.

Einheitsgebet oder Einheitsstaat – Was Religion will, wenn sie kann

Religionen haben ein Eigeninteresse, das in ihrer Natur liegt. Doch der Islam hat eine Besonderheit: Er ist nicht nur Glaubenssystem, sondern Rechtssystem, Gesellschaftsordnung, Identitätsmaschine. Er ist nicht nur Kirche, sondern Staat im Wartestand. Dort, wo er Mehrheit wird, beginnt das Projekt der religiösen Umformatierung – von der Kleidung bis zur Strafgerichtsbarkeit, vom Frauenbild bis zur Kunstfreiheit. Alles unterliegt der Revision, der Heiligkeit, der Kontrolle. Und all das geschieht mit einem Lächeln – bis das Lächeln nicht mehr nötig ist.

Man muss sich fragen: Wäre die katholische Kirche in Deutschland heute so „tolerant“, wenn sie noch über inquisitorische Mittel verfügte? Wohl kaum. Die Toleranz des Machtlosen ist nicht Tugend, sondern Notwendigkeit. Und der Islam – das zeigen die Beispiele von Indonesien bis zur Türkei, vom Sudan bis zu den Golfstaaten – versteht diese Dynamik meisterlich. Wo er gestalten kann, gestaltet er nicht Vielfalt, sondern Einheit. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern politische Realität – nachzulesen in Verfassungen, Gerichtsurteilen und Gesetzbüchern.

Fazit unter Vorbehalt – Oder: Warum das Schweigen manchmal klüger scheint als das Reden

Und doch wagt kaum jemand, all das auszusprechen – aus Angst, als „rechter Brandstifter“ zu gelten, als „Spalter“, als „Fundamentalismuskritiker“, was in gewissen Milieus bereits als Schimpfwort gilt. Aber Kritik ist nicht gleich Hass. Und wer das Verhalten einer Religion unter Machtbedingungen analysiert, betreibt keine Hetze, sondern Realismus. Die Frage ist nicht, wie friedlich ein Glaube klingt, sondern wie friedlich er bleibt, wenn er nicht mehr auf Zustimmung angewiesen ist.

Vielleicht ist das das traurige Fazit unserer Zeit: Die Aufklärung hat uns gelehrt, alles zu hinterfragen – außer die Motive religiöser Mehrheiten. Und so bleibt die Kritik des Islam als Machtreligion ein Minenfeld, das man nur mit literarischer Satire betreten darf – und selbst dann nur mit einem Fuß.


Fortsetzung folgt – vermutlich nicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.