Was will uns der Economist damit sagen?

Vom Schlaraffenland der Kriegsökonomie: Die Mär vom Krieg ohne Schweiß, ohne Ruß, ohne Werkbank

Der „Economist“, jenes immer leicht britisch-herablassend grinsende Wochenblatt der Globalisierungseliten, hat wieder einmal in die Zukunft geblickt – und dabei aus Versehen in den Rückspiegel geschaut. Es verkündet, mit jener blendend arroganten Sicherheit, die man sich nur leisten kann, wenn man beim Mittagessen gleichzeitig über Staatsanleihen und Gin-Cocktails parlieren darf, dass der Westen den Krieg neu erfunden hat. Genauer: den Krieg ohne Fabriken, ohne Arbeiter, ohne das ölige Gestöhne von Zahnrädern.

Die Ukraine liefert den Anlass, der Economist liefert die Deutung: Man kann heute Kriege führen, ohne sich mit dem lästigen Ballast einer produzierenden Wirtschaft herumzuschlagen. Der „Komplexe post-industrielle Krieg“ lautet das neue Paradigma. Waffen kommen künftig aus PowerPoint-Präsentationen, Rüstungsproduktion ist ein Software-Update, Drohnen werden bei Amazon bestellt (Prime-Shipping selbstverständlich inklusive). Und falls es doch einmal an Raketen mangelt? Dann ruft man Lockheed Martin an – oder besser noch: man ruft an und lässt den Anrufbeantworter sprechen, während man mit Raytheon schon den nächsten Zoom-Call plant.

So klingt es jedenfalls, wenn ein Londoner Finanzjournalist mit Oxford-Diplom über Artillerieproduktion philosophiert. Das Schöne an dieser Sichtweise: Sie befreit uns von der lästigen Realität der Materialschlachten. Wer noch an Stahlwerke denkt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Der neue Krieg ist clean, digital und vor allem: ausgelagert. Es braucht keine Arbeiterklasse mehr, um ihn zu gewinnen – nur noch Berater, Cloud-Dienste und ETFs mit Rüstungsaktien.

Der Krieg als Cloud-Service: Militärischer Sieg im Abo-Modell

Natürlich, der Artikel drückt es etwas geschmeidiger aus. Der „Economist“ wäre ja nicht der „Economist“, wenn er nicht den neoliberalen Duktus in Reinform beherrschen würde. Da liest sich das dann so: Der Westen muss nicht mehr wie im Zweiten Weltkrieg Fabriken im Akkord umstellen, Frauen an die Fließbänder beordern, Aluminium rationieren oder Nachtschichten in der Munitionsfabrik schieben. Heute erledigen das Märkte und modulare Lieferketten. Wer braucht schon industrielle Kapazitäten, wenn man ein globales Sourcing-Netzwerk hat?

Panzerketten aus Südkorea, Halbleiter aus Taiwan, Zielsuchsysteme aus Kalifornien, Schrauben aus Mexiko, Software-Updates aus Israel – fertig ist das post-industrielle Waffensystem. Der Krieg als Cloud-Service.

Man stelle sich das Szenario vor: Während im Donbass Granatsplitter regnen, läuft im Pentagon das nächste Procurement-Meeting. Man klickt sich durch ein paar Slides, entscheidet zwischen Option A (etwas teurer, aber schneller lieferbar) und Option B (etwas günstiger, aber leider mit 6 Wochen Lieferzeit, da gerade der Containerhafen in Schanghai blockiert ist). Krieg als Betriebswirtschaft. Supply Chain Management mit Todesfolge.

Der Scharfsinn dieses Gedankens liegt natürlich darin, dass er niemandem wehtut – zumindest nicht den westlichen Lesern des „Economist“. Der post-industrielle Krieg hat keine verschwitzten Arbeiter mehr, keine Munitionsfabriken, keine Schlote. Er hat nur noch Algorithmen, Grafiken und Wertschöpfungsketten. Krieg als betriebswirtschaftliche Optimierungsaufgabe.

Die entfesselte Simulation: Warum der „Economist“ immer noch an die unsichtbare Hand glaubt – auch wenn sie inzwischen eine Drohne steuert

Das ist, mit Verlaub, eine ebenso absurde wie konsequente Fortschreibung der neoliberalen Religion. Der Markt wird es schon richten – selbst den Krieg. Rüstung als globalisierter Just-in-Time-Prozess, munitioniert von Start-ups, die gerade noch an der Blockchain gebastelt haben, jetzt aber Drohnenplattformen für den Verteidigungsmarkt bauen. Die Supply Chain der Gewalt ist angeblich so stabil, dass es keiner „Kriegswirtschaft“ im klassischen Sinne mehr bedarf.

Man könnte lachen, wenn es nicht so tragisch wäre. Denn was der „Economist“ hier skizziert, ist nicht nur ein techno-optimistisches Märchen – es ist eine Einladung zur Verantwortungslosigkeit.

Die Ukraine verbraucht Artilleriegranaten im Tempo der industriellen Hölle, der Westen liefert sie im Tempo der PowerPoint-Konferenz. Warum? Weil eben doch keine moderne Kriegsführung ohne industrielle Basis funktioniert. Die Lager sind leer, die Produktionslinien veraltet, die Arbeitskräfte fehlen. Aber der „Economist“ macht daraus eine Tugend: Wir haben die Rüstungsindustrie verschlankt! Wir müssen nicht mehr selbst bauen, wir können delegieren, auslagern, verschieben – auf morgen, auf übermorgen, auf irgendwen.

Zwischen Silicon Valley und Stahlwerk: Die bittere Pointe der digitalen Kriegsführung

Was der „Economist“ wirklich sagt, wenn er schreibt, dass der Westen aufrüsten kann, ohne sich zu re-industrialisieren? Er sagt: Wir wollen das mit dem Krieg schon machen – aber bitte ohne schmutzige Hände. Kein Stahl, kein Schweiß, keine Werkbank. Nur noch KI, Plattformen, Netzwerkzentrierung. Der Krieg der Zukunft soll so sauber aussehen wie ein Apple Store.

Doch die Realität ist bekanntermaßen störrisch. Sie besteht aus Lieferengpässen, aus Mangel an Facharbeitern, aus rostenden Fertigungshallen, die sich nicht mit Excel-Tabellen ersetzen lassen. Die Waffenproduktion ist keine PowerPoint-Präsentation. Sie ist Industrie – ob es dem „Economist“ gefällt oder nicht.

Die zynische Pointe: Während der Westen noch darüber sinniert, wie man den Krieg möglichst effizient ins Digitale outsourcen kann, re-industrialisiert sich der Osten längst wieder. Russland stampft Munitionsfabriken aus dem Boden, China baut Werften im Akkord, und der Westen? Der optimiert weiter seine Slides.

Fazit: Post-industrieller Krieg ist wie Diät-Schokolade – klingt gut, funktioniert nicht

Der „Economist“ hat mal wieder gezeigt, was er am besten kann: Das Unangenehme wegmoderieren. In der eigenen post-industriellen Komfortzone wird der Krieg zum Software-Problem umgedeutet. Bloß keine schmutzigen Hände, bloß keine soziale Frage. Krieg als Dienstleistung, Sieg als PowerPoint-Möglichkeit.

Die Frage bleibt: Was will uns der „Economist“ damit sagen?

Antwort: „Keine Sorge, ihr müsst nichts ändern.“

Und das, man ahnt es, ist genau das Problem.

Ein abendländisches Requiem

Vom Untergang der eigenen Wertschätzung – Oswald Spengler, der Selbsthass und der moralische Narzissmus der Schuld

Es gibt Bücher, die man nur noch mit Samthandschuhen aus dem Regal nimmt, weil sie Staubschichten aus Jahrhunderten angesetzt haben – metaphorisch wie real. Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes ist so eines. Es wird oft genannt, selten gelesen und fast nie verstanden. Die Kulturpessimisten lieben ihn, weil er ihnen eine Weltuntergangs-Prognose schenkt, die sich wie ein warmer Mantel anfühlt: „Seht her, ich habe es immer schon gewusst.“ Die Linksliberalen wiederum zitieren ihn gelegentlich als abschreckendes Beispiel, ohne es nötig zu finden, auch nur den Klappentext zu überfliegen. Und die restliche Gesellschaft? Sie hat Wichtigeres zu tun: Selfies, Gender-Debatten, Nachhaltigkeits-Workshops mit Alpro-Sojamilch-Cappuccino.

Spengler sah den Abendstern des Westens schon leuchten, als Europa noch in Pickelhauben steckte. Sein Befund war klar: Hochkulturen haben biologische Lebenszyklen. Sie werden geboren, sie blühen, sie degenerieren, sie verfaulen – und dann kommt die nächste. Das Leben einer Zivilisation ist wie ein überzüchteter Dackel: erst süß, dann neurotisch, dann tot. Daran ist nichts besonders originell, das wusste schon Polybios. Doch Spengler gab dem ganzen eine barocke Wucht, ein Pathos, das heute kaum noch erträglich scheint, weil unsere Gegenwart alles liebt – außer Pathos.

Und genau darin liegt der Kern unserer Misere: Wir haben nicht nur den Glauben an unsere eigene kulturelle Tragfähigkeit verloren, wir haben uns angewöhnt, daran auch noch Wohlgefallen zu finden. Der Westen, das ist heute nicht mehr das römische Recht, nicht mehr die gotische Kathedrale, nicht mehr Goethe, Kant oder Beethoven – der Westen, das sind TED-Talks über Diversity, unironische LinkedIn-Posts mit Hashtag #Purpose, die Selbstbezichtigung in endlosen Büßerritualen und das Abfeiern der eigenen Dekadenz als Fortschritt.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Westen nicht stirbt, sondern Selbstmord begeht – aus einer Mischung aus schlechtem Gewissen, Hypermoral und intellektuellem Masochismus.

Die Lust an der eigenen Verdammung

„Wir sind schuld.“ Das ist der Kernsatz unserer Zeit. Schuld am Kolonialismus, Schuld an den Weltkriegen, Schuld am Kapitalismus, Schuld an CO₂, Schuld an der Geschichte an sich. Die Selbstanklage ist der neue Katechismus der spätabendländischen Wohlstandsgesellschaft. Wer etwas auf sich hält, geißelt die eigene Herkunft, das eigene Geschlecht, die eigene Zivilisation. Man entschuldigt sich für das Abendland, als hätte man es persönlich in die Knechtschaft geführt.

Es ist ein seltsamer Kult: Ein säkularisiertes Christentum ohne Gott, aber mit umso mehr Sünde. Der Bußfertige schleppt heute keine Geißel mehr durch die Straßen von Perugia, sondern postet auf Instagram über Privilegien-Check und postkoloniale Theorie. Er verzichtet nicht auf Fleisch wegen des Leibes, sondern wegen der CO₂-Bilanz. Er fastet nicht für das Seelenheil, sondern für die Fridays-for-Future-Ästhetik. Es ist ein neuer Ablasshandel entstanden, diesmal mit Bio-Siegel.

Spengler hätte das nicht überrascht. Er sah den Zivilisationsmenschen als saturierten Dekadenzbürger, der sich für seinen eigenen Erfolg schämt, weil er keine metaphysische Legitimation mehr findet. Der moderne Mensch glaubt nicht mehr an Gott, aber umso inbrünstiger an den Klimawandel. Er lacht über den Ablasshandel des Mittelalters, während er im selben Atemzug CO₂-Kompensationen bucht, als würde ihn das von allen Reisen ins All-Inclusive-Hotel moralisch freisprechen.

Der Selbsthass wird zum Distinktionsmerkmal der gebildeten Schicht. Wer heute noch stolz auf seine Kultur ist, steht unter Faschismusverdacht – es sei denn, es handelt sich um eine fremde Kultur, die darf selbstverständlich bewundert, gehuldigt und folkloristisch gefeiert werden. Nur die eigene nicht. Denn wer die eigene Geschichte anerkennt, muss sich auch mit deren Schatten beschäftigen. Und weil man dazu weder Mut noch Maß hat, geht man lieber gleich ganz in den Keller und zieht sich den Sack über den Kopf.

Der Schuldkult als Klassenzeichen

Man muss es klar sagen: Der neue Schuldkult ist nicht Ausdruck von Verantwortung, sondern von Dekadenz. Wer sich die ewige Selbstanklage leisten kann, gehört zu den Gewinnern des Systems. Es ist ein luxuriöses Hobby der saturierten Mittelschicht, sich für die Weltlage zu schämen. Der Selbsthass ist der Champagner der Besserverdiener. Wer in der Plattenbausiedlung aufwächst, hat andere Sorgen, als sich im Feuilleton über postkoloniale Gerechtigkeit zu ereifern.

Oswald Spengler schrieb von der „Zivilisation“ als Spätform der Kultur: steril, technokratisch, bürokratisch, sittlich erschöpft, geistig orientierungslos. Der heutige Westen ist diese Zivilisation in Reinform. Aber statt nüchtern den Verfall zu registrieren, verwandeln wir ihn in eine Religion der Reue. Die Moralindustrie hat Konjunktur. Jeder tweetet sich rein in die große Kollektivbeichte, alle halten sich für schuldig, und wer sich nicht an diesem Selbstgeißelungsritual beteiligt, wird gecancelt.

Der neue Puritanismus ist nicht prüde, sondern hypermoralisch. Früher fragte man: „Ist es wahr?“ Heute lautet die Frage: „Ist es moralisch anschlussfähig?“ Wer widerspricht, ist rechts, rückständig oder – noch schlimmer – nicht empathisch. Dabei übersieht man geflissentlich, dass der moralische Narzissmus selbst eine Form der Selbstvergöttlichung ist: Ich bin so sensibel, dass ich mich selbst hasse – was für ein Held!

Zwischen Hybris und Hysterie

Vielleicht liegt das alles in der Logik der Geschichte. Spengler sagte: Am Ende jeder Kultur steht der Zynismus der überreifen Intelligenz. Und genau das erleben wir. Der Westen ist nicht mehr schöpferisch, sondern reflexiv. Er produziert keine Kathedralen mehr, sondern Diskurse. Kein Epos, sondern Ironie. Kein Fortschritt, sondern Dekonstruktion. Wir reden uns zu Tode, während die Welt weiterzieht.

Der Aufstieg der anderen Kulturen – Asien, Afrika, der globale Süden – ist nicht unbedingt ein Zeichen ihres Triumphs, sondern unseres Rückzugs. Wir haben aufgehört, zu wollen. Wir wollen nur noch verstanden werden. Wir sind die ersten Menschen der Geschichte, die glauben, durch Selbstkritik das Rad der Geschichte anhalten zu können. Das ist entweder genial oder wahnsinnig – vermutlich beides.

Spengler war kein Demokrat, kein Liberaler, kein Menschenfreund. Er war ein melancholischer Prophet des Verfalls. Seine Diagnose war hart, aber vielleicht realistischer, als wir es heute wahrhaben wollen. Der Westen stirbt nicht, weil ihn andere besiegen, sondern weil er selbst beschlossen hat, sich aufzulösen – aus einer Mischung aus moralischer Überdehnung, kultureller Erschöpfung und einer fast schon liebevollen Hingabe an den eigenen Niedergang.

Das bittere Fazit mit einem Augenzwinkern

Was also tun? Nichts. Der Gang der Geschichte ist nicht aufzuhalten, das wusste schon Spengler. Wer aber heute noch den Humor hat, sich das alles anzuschauen – die Hypermoral, den Schuldkult, den Selbsthass und das ironisch gebrochene Pathos der westlichen Gesellschaft –, der kann immerhin aufrecht den Niedergang beobachten. Vielleicht mit einem Glas Wein in der Hand, während draußen die Klimakatastrophe tobt, die postkoloniale Theorie zitiert wird und der nächste Twitter-Shitstorm gegen irgendwen entfacht wird, der es gewagt hat, Kant zu lesen, ohne sich dafür zu entschuldigen.

Vielleicht ist das der wahre Widerstand heute: nicht mitmachen beim kollektiven Selbstzerstörungsprogramm – und trotzdem freundlich bleiben. Denn wer zynisch lächelt, lebt länger.

NEIN, MÜSSEN WIR NICHT

Denn diese Gefahr gibt es nicht!

Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Beharrlichkeit der westliche Alarmismus seine grellen Sirenen aufdreht, obwohl längst niemand mehr am Schalter steht. Da läuft der Lautsprecher von allein weiter – wie ein ausgeleierter Leierkasten am Rande eines Jahrmarkts, den es längst nicht mehr gibt. Russland kommt! Russland greift an! Russland bedroht uns alle! Das ist der neue Soundtrack für Talkshows, Hinterbänkler-Reden und Leitartikel voller transatlantischer Treuegelöbnisse. Dabei hat Russland seit Jahr und Tag – mit Ausnahme seiner unnachahmlich brummigen Rhetorik – keinerlei Anstalten gemacht, auch nur den kleinen Finger in Richtung Europa zu rühren.

Doch wehe, wer das laut sagt. Dann folgt sofort das Tribunal der Hypermoralisten, das die Kategorie „gesunder Menschenverstand“ längst aus seinem Vokabular gestrichen hat. Und überhaupt: Wo kämen wir denn hin, wenn wir den Drohkulissenabbau einmal mit der Realität abgleichen würden? Das geht natürlich nicht. Sonst müsste man ja zugeben, dass der Milliardenaufwand für Waffen und Wehrpflicht-Reanimationsversuche eine Art Selbstbetrug ist – frech finanziert aus den Taschen der Bürger, die jeden Tag an der Supermarktkasse einsehen dürfen, wofür sie die Rechnung zahlen. Spoiler: Nicht für Sicherheit. Sondern für das große Spiel der Machtprojektion.

Ein Phantom namens Putin unter dem Bett der NATO

Der Russe kommt? Nein, der Russe kommt nicht.

Das ist aber schlecht für diejenigen, deren Geschäftsmodell genau davon lebt, dass er es täte. Rüstungslobbyisten, transatlantische Thinktank-Vasallen, sowie jene Minister, die auf dem Gebiet militärischer Planspiele brillieren, weil sie sich sonst nirgends durch Kompetenz auszeichnen. Sie brauchen den Feind wie der Fisch das Wasser. Ohne den Feind gibt es keine Rechtfertigung für die eigenen Aufrüstungsfantasien, keine Rechtfertigung für Milliardenbudgets, keine Rechtfertigung für die Wiederkehr der Wehrpflicht unter dem bunten Tarnanstrich von „Zeitenwende“.

Der Ukrainekrieg ist schlimm, gewiss. Aber wer sich die Mühe macht, mal jenseits der Tagesschau-Narrative nachzulesen, der erkennt: Dieser Krieg begann nicht 2022, sondern 2014. Und es ist eben kein schwarz-weißes Märchen von Gut gegen Böse. Es ist ein klassischer Stellvertreterkrieg, von langer Hand vorbereitet – nicht nur in Moskau, sondern eben auch in Washington, Brüssel und Kiew.

Dass Russland sich nach dem Westen hin ausweiten will, gar die NATO angreifen möchte, ist eine Chimäre. Keine einzige russische Quelle, keine offizielle Verlautbarung, kein Indiz weist darauf hin. Das Gegenteil ist der Fall: Selbst in der russischen Propaganda wird der Westen nicht als militärisches Angriffsziel beschrieben, sondern als dekadenter Gegner, der sich selbst zerlegt.

Doch was passiert, wenn man das sagt? Dann wird man in Deutschland mit der größten Waffe bekämpft, die der politische Diskurs zu bieten hat: der Moralkeule mit NATO-Emblem. „Putinversteher!“ brüllen sie dann.

Danke für das Kompliment. Verstehen ist nämlich besser als Kriegstreiberei.

Wie man Milliarden verbrennt, ohne den Herd anzuschalten

Was ist der Unterschied zwischen einem echten Krieg und einem präventiven Rüstungswahn für einen Krieg, den es gar nicht gibt?

Antwort: Der echte Krieg ist teurer – aber wenigstens hat er einen Gegner.

In Deutschland allerdings geben wir gerade Hunderte Milliarden aus für einen Phantomkrieg. Für Panzer, die nicht fahren, für Flugzeuge, die nicht fliegen, und für Munition, die so teuer ist, dass man sie besser auf einem Sparbuch liegen lässt, als sie zu verschießen.

Das ist kein Verteidigungsfall, das ist eine Mischung aus Diebstahl am Steuerzahler und Schilda-Politik im militärischen Karnevalskostüm.

Die Wehrpflicht soll zurückkommen? Ja gerne, aber gegen wen genau sollen die Jahrgänge 2005 bis 2007 denn kämpfen? Gegen russische Panzer auf der Autobahn A2? Gegen Fallschirmspringer, die über Castrop-Rauxel abspringen? Lächerlich.

Russland steckt militärisch bis zum Hals im ukrainischen Morast, ökonomisch unter westlichen Sanktionen, und geopolitisch auf einem Drahtseil zwischen China, Indien und dem Rest der Welt. Russland ist mit sich selbst beschäftigt.

Aber wenn man den Leuten das sagt, dann heißt es: „Na, warten Sie mal ab!“

Genau. Warten wir mal ab. Seit 30 Jahren warten wir auf den russischen Angriff. Er kommt nicht.

Bündnisfall? Aber gegen wen denn, bitteschön?

Kommen wir zu einer der größten Doppelmoral-Farcen unserer Zeit: dem sogenannten Bündnisfall.

Man könnte meinen, nach der Sprengung von Nord Stream 2 müsste Deutschland einen solchen ausrufen. Denn da wurde die wirtschaftliche Lebensader der deutschen Industrie in die Luft gejagt. Und es spricht vieles dafür, dass Kiew mehr wusste, als es zugibt.

Doch was macht die deutsche Politik? Sie schweigt. Sie schaut betreten auf den Boden wie ein Schüler, der beim Abschreiben erwischt wurde. Ein NATO-Bündnisfall gegen die Ukraine? Undenkbar!

Stattdessen liefern wir weiter Waffen, zahlen die Rechnungen und leisten „Beistand“, den wir niemandem schulden.

Denn, Achtung: Deutschland hat keinerlei rechtliche oder moralische Verpflichtung, sich in der Ukraine einzumischen. Wir sind nicht die Weltpolizei, wir sind auch nicht die Zuchtmeister des Ostens.

Und wenn wir uns ehrlich machen würden, müssten wir sagen:

Unsere Aufgabe ist es, die deutschen Interessen zu vertreten. Nicht die der Ukraine. Nicht die der USA. Und schon gar nicht die der Rüstungsindustrie.

Russland wird Europa nicht angreifen. Punkt.

Putin wird nicht in Berlin einmarschieren. Nicht in Warschau. Nicht in Paris. Er wird nicht die NATO angreifen, weil er weiß, was dann passiert: Das wäre der Untergang seines Landes. Und nein, er ist nicht verrückt. Er ist ein zynischer Machtpolitiker, aber kein Selbstmordattentäter im Kreml-Bunker.

Der Westen hat sich eine Bedrohung herbeigeredet, weil es praktisch ist. Weil es den Lobbyisten nutzt. Weil es den Medien Einschaltquoten bringt. Und weil es den Politikern hilft, die eigenen Versäumnisse zu kaschieren.

Teure Sozialpolitik? Nicht finanzierbar!

Aber Panzerlieferungen? Kein Problem!

Marode Schulen? Kein Geld!

Aber Rüstung? Open Bar!

Das ist die eigentliche Zeitenwende: vom Sozialstaat zur Kriegswirtschaft – ohne Krieg.

Die Gefahr ist ein Geschäftsmodell, nicht die Realität

Also hören wir doch endlich auf mit diesem albernen Theater.

Putin ist kein Heiliger, aber auch kein Hitler. Russland ist ein schwieriger Nachbar, aber kein imperialer Aggressor, der Europa erobern will.

Wer das Gegenteil behauptet, verdient entweder Geld mit der Lüge – oder glaubt an Gespenster.

Und beides ist gleichermaßen gefährlich.

Denn das Spiel mit der Angst führt uns nicht in die Sicherheit, sondern in den Abgrund der Vernunft.

Der sanfte Putsch im Samtgewand der Fürsorge

Ein Handbuch für den fortgeschrittenen Frosch im langsam erhitzten Topf

Autoritäre Systeme, so lehrt uns die Geschichte, marschieren selten mit schweren Stiefeln durch das Hauptportal. Viel eleganter schleichen sie sich durch die Hintertür, getarnt als Retter, Beschützer, Experten. Der moderne Despot hat keinen Schnurrbart mehr, sondern ein fehlerfreies LinkedIn-Profil, ein empathisches Lächeln und ein Abonnement für Nachhaltigkeitsmagazine. Er verspricht nicht Blut und Boden, sondern Sicherheit und Verantwortung. Doch die Muster gleichen sich – wer genauer hinschaut, erkennt die immergleichen Zeichen. Und wer fünf oder mehr davon in seiner Umgebung entdeckt, sollte vielleicht einmal kräftig an seiner Freiheit riechen – sie könnte bereits muffig geworden sein.

1. Die Justiz als Gummiband der Macht

Der erste Griff in den Werkzeugkasten der sanften Tyrannei gilt der Justiz. Natürlich bleibt der Anstrich hübsch demokratisch – niemand wird offen verkünden: „Heute schalte ich das Rechtssystem ab.“ Das wäre unhöflich und würde schlecht auf Instagram aussehen. Stattdessen verpasst man den Gerichten einen dezenten Filter: ein bisschen Einfluss hier, eine strategisch platzierte Personalentscheidung dort, vielleicht noch ein rechtspolitischer Workshop zur „neuen Haltung“. So wird das Recht nicht mehr nach Buchstaben, sondern nach Gesinnung ausgelegt. Richter, die zu streng am Gesetz kleben, sind „zu formalistisch“. Die anderen sind „zukunftsgewandt“. Und irgendwann entscheidet man dann nicht mehr, was richtig ist, sondern wer.

2. Meinungsfreiheit – mit Maulkorb und Stoppuhr

Natürlich darf man noch alles sagen. Das betonen alle Beteiligten täglich, in Talkshows, Podcasts und auf Regierungskanälen mit Reichweiten, von denen Kim Jong-un nur träumen kann. Man darf alles sagen – man muss es nur aushalten können. Denn jede unerwünschte Meinung wird sofort mit einer Einordnung versehen: „problematisch“, „umstritten“, „gefährlich“. Das freie Wort lebt noch, aber es steht unter Kuratel. Es darf sich kurz aus dem Käfig strecken, bevor es zurückgescheucht wird. Früher hieß das Zensur, heute heißt es „Schutz vor Desinformation“. Und wer dagegen protestiert, ist natürlich sofort Teil des Problems. Willkommen im Zeitalter der präventiven Selbstzensur – man weiß ja nie, ob der nächste Satz schon die Karriere kostet.

3. Der Faktencheck als Wächter der einzig gültigen Wahrheit

Früher haben Fakten gesprochen. Heute werden sie „gecheckt“. Das klingt harmlos, fast fürsorglich. Wer könnte schon gegen eine Welt ohne Fehler sein? Doch siehe da: Der moderne Faktenchecker ist kein neutraler Buchhalter der Wirklichkeit, sondern der Zeremonienmeister des offiziellen Narrativs. Er bewertet nicht nur Zahlen, sondern gleich auch die Moral dahinter. Was nicht in den Korridor der akzeptierten Weltdeutung passt, wird mit dem Stempel „falsch“ versehen – selbst wenn es morgen vielleicht schon wahr ist. Das nennt man dann Vorsorge.

4. Kritiker? Nein, das sind „Delegitimierer“!

Ein gesunder Diskurs lebt vom Widerspruch. Ein autoritärer Diskurs lebt von der Auslöschung des Widerspruchs. Aber auch hier geht es sanft zu: Niemand wird heute mehr auf den Marktplatz gezerrt. Stattdessen verwandelt man Kritiker in Pariahs, indem man ihnen Etiketten anklebt. Wer eine Regierung kritisiert, „delegitimiert den Staat“. Wer hinterfragt, „untergräbt das Vertrauen“. Und wer es wagt, öffentlich Zweifel zu äußern, steht mit einem Bein bereits beim Verfassungsschutz im Fokus. Früher war das die Inquisition, heute ist es Demokratiehygiene.

5. Die Medien als Beifahrer der Macht

Die Vierte Gewalt ist tot, es lebe der Pressesprecher. Die Medienlandschaft, einst zersplittert in kontroverse Stimmen, hat sich zur choreografierten Einheitsfront gewandelt. Selbstverständlich unabhängig, betonen die Redaktionen. Natürlich frei, versichern die Moderatoren. Doch der Gleichklang der Kommentare ist unüberhörbar, die Auswahl der Themen frappierend homogen. Wer aus der Reihe tanzt, wird nicht mehr verboten – er wird einfach ignoriert, diffamiert oder demonetarisiert. Das spart den Zensor, man outsourct die Arbeit an den Werbekunden.

6. Diskursverengung – das Buffet schrumpft

Früher durfte man noch über alles reden. Heute darf man über alles reden, sofern es nichts Relevantes ist. Gendersternchen? Ja bitte! Die Zukunft der Mettwurst? Unbedingt! Aber wehe, jemand stellt die Frage, ob es klug ist, sämtliche Grundrechte in einen Dauerlockdown zu schicken oder Sicherheitsgesetze als Dauerzustand zu etablieren. Dann ist Schluss mit lustig. Der Diskurs wird nicht offiziell verboten – er wird so schmal gemacht, dass er nur noch in Turnschuhen durchpasst.

7. Wer anders denkt, steht draußen

Die moderne Form der Ausgrenzung ist subtil. Man lädt die Abweichler nicht mehr zum Gespräch ein, sondern zum Schweigen. Man erinnert sie daran, dass gewisse Meinungen „toxisch“ sind. Wer sie dennoch äußert, bekommt keinen Platz mehr auf den Bühnen der Gesellschaft – weder medial noch akademisch noch kulturell. So wird der Konsens nicht durch Argumente geschaffen, sondern durch Selektion.

8. Melden macht frei – die Renaissance des Denunzianten

Der autoritäre Staat liebt den kleinen Denunzianten von nebenan. Früher hieß das Blockwart, heute heißt es „Meldestelle gegen Hass“. Ein großartiges Konzept: Wer unliebsame Meinungen hört, kann sie direkt beim Amt petzen – anonym, versteht sich. Das schafft Vertrauen! Und sorgt für das schöne Gefühl, zur Volksgesundheit beizutragen. Wer würde da noch Nachbarn treffen, wenn er auch Behörden treffen kann?

9. Konformität als Tugend

Früher war Mut gefragt, heute ist Anpassung die neue Tapferkeit. Wer stromlinienförmig durchs Leben gleitet, wird gelobt. Wer mit den Wölfen heult, wird befördert. Der Konformitätsdruck wird nicht von oben diktiert – er sickert durch die Zwischenräume der Gesellschaft. Von den Redaktionen bis zur Kantine, von der Hochschule bis zum Yoga-Kurs: Wer abweicht, verliert. Wer mitmacht, gewinnt. Zumindest bis zum nächsten Meinungsumschwung.

10. Einschüchterung mit samtweichem Schlagstock

Man könnte meinen, in einem demokratischen Rechtsstaat sei Einschüchterung unmöglich. Aber man muss nur genau hinschauen: Wer den falschen Tweet liked, wird vom Arbeitgeber zum Gespräch gebeten. Wer ein Buch schreibt, das nicht ins Raster passt, verliert seine Lesung. Wer sich öffentlich zu unpassenden Themen äußert, bekommt Drohbriefe – nicht von der Regierung, aber von den moralischen Stellvertretern, die längst die Lufthoheit über den Anstand übernommen haben.

11. Die freundliche Überwachung

Big Brother trägt heute ein T-Shirt mit Regenbogenaufdruck. Er möchte ja nur helfen. Und deshalb weiß er auch, wo du warst, was du gekauft hast, was du gesagt hast und wem du gefolgt bist. Die Kameras am Bahnhof sind für deine Sicherheit. Die Chat-Überwachung ist für den Kampf gegen das Böse. Und die Vorratsdatenspeicherung? Nur eine kleine Rückversicherung für den Ernstfall. Vertrau doch einfach.

Fazit:

Wenn Sie den Eindruck haben, fünf oder mehr dieser Punkte mit einem beherzten „Ja“ beantworten zu können – dann haben wir ein echtes Problem.

Aber keine Sorge, es gibt eine gute Nachricht:
Noch dürfen Sie darüber lachen. Noch.

Die Vision vom Öl-Exorzismus

Stellen wir uns einen Moment vor – nicht zu lang, sonst wird uns schwindelig –, die Menschheit beschließt, das Erdöl vollständig aus ihrem Leben zu verbannen. Radikal. Restlos. Total. Kein Tropfen mehr für den Tank, kein Gramm mehr für die Fabrik. Keine Schlupflöcher, keine Ausnahmen, keine Alibimaßnahmen, bei denen am Ende doch wieder ein Tanker aus Katar in Rotterdam entladen wird, während in Talkshows über grüne Transformation palavert wird.

Nein, ein echter, kompromissloser Ausstieg. Erdöl? Weg. Für immer. Der Stoff, der seit über einem Jahrhundert wie ein dunkler Zaubertrank unsere Zivilisation schmiert, befeuert, verpackt, konserviert, kosmetisiert, bequemer macht – abgestellt. Einfach so. Abgedreht wie ein Ölhahn an der Tankstelle, dessen Benzinzapfpistole ein letztes Mal klackend in den Halter zurückschnappt. Und während wir so tugendtrunken applaudieren, stellt sich die Frage: Was nun?

Denn der Verzicht auf Erdöl ist nicht der Verzicht auf „nur mal schnell das Auto stehen lassen“. Es ist nicht der Rückzug ins Homeoffice mit einem veganen Latte im Emaillebecher. Es ist die freiwillige Rückkehr in eine Welt, in der selbst der Becher nicht mehr existiert. Weder aus Kunststoff noch beschichtet mit irgendeinem Lack, der auf Polymeren basiert. Der Latte läuft dann direkt durch die porösen Tonwände hindurch auf den frisch gebohnerten Lehmboden. Bio, aber eben nass.

Die Rückkehr des Homo Natura oder: Barfuß im Brennnesselfeld

Ohne Erdöl stehen wir nackt da. Und das ist wörtlich gemeint, nicht metaphorisch. Polyester, Nylon, Acryl? Adieu. Der Jogger in seiner atmungsaktiven Funktionskleidung muss sich wieder in den selbstgestrickten Schafwollpulli zwängen, der beim ersten Regenschauer nach Hamm und Stall riecht. Wer auf veganes Leder schwört, wird bitter feststellen, dass auch Kunstleder nun mal aus Polyvinylchlorid besteht – das wiederum aus Erdöl stammt. Der Verzicht auf Öl bedeutet also entweder echtes Leder oder gar kein Leder. Tierquälerei oder Nacktheit. Dazwischen? Nichts als das schroffe Jenseits der Konsequenz.

Die Zahnseide? Plastikfaden, weg. Der Duschvorhang? Polyethylen, weg. Die Dichtung am Wasserhahn? Synthetischer Kautschuk, weg. Das Kondom? Latex mit Additiven auf Erdölbasis, weg. Herzlich willkommen im post-petrochemischen Zeitalter, wo selbst der Liebesakt wieder Risiken birgt, die man seit den 1950ern für erledigt hielt.

Wir leben dann in einer Welt, in der Zahnpasta nicht mehr in der Tube daherkommt, sondern wieder in der Büchse oder auf dem Löffel. Von Mikroplastik keine Spur – aber auch von Emulgatoren, Tensiden und filmbildenden Weichmachern nicht. Unsere Haare werden stumpf sein wie die Borsten eines alten Besens, die Haut spannt, und der Lippenstift? Den gibt es nicht mehr. Auch nicht den veganen. Der war nämlich auch aus Paraffin.

Die große Desinfektion der Hybris oder: Wie wir lernten, den Krankenhauskeim zu lieben

Die Medizin? Sterile Einwegprodukte sind Geschichte. Keine Plastikspritzen mehr, keine Schläuche, keine Infusionsbeutel, keine OP-Masken (außer aus Baumwolle, von der Oma gehäkelt). Prothesen? Unpraktisch ohne Kunststoffe. Herzkatheter? Unmöglich. Auch das Dialysegerät ist dann nur noch ein dekorativer Kupferkessel.

Die Pharmaindustrie muss sich von ihren öligen Trägerstoffen verabschieden. Pillen ohne Beschichtung, Salben ohne Basis, Kapseln ohne Gelatinehülle. Der Arzt wird wieder zum Bader, der Apotheker zum Alchemisten, der mit Mörser und Pestle am Hof der Moderne zerriebene Kräuter verkauft. „Hier, ein bisschen Beinwell gegen den Bandscheibenvorfall. Und bitte aufpassen, es könnte zu inneren Blutungen kommen.“ Die Sterilisation? Wird wieder mit offenem Feuer erledigt. Praktisch, weil dann sowieso alles brennt.

Der Bauernhof als Hightechzentrum der Zukunft oder: Der Mist ist der neue Dünger

Auch die Landwirtschaft muss zurück auf Los. Ohne Kunstdünger, ohne Pestizide, ohne erdölbasierte Herbizide. Der Ertrag schrumpft, der Hunger wächst. Bio für alle klingt charmant, ist aber in Wirklichkeit ein Codewort für: „Esst, was der Boden hergibt – und wenn er nichts hergibt, esst nichts.“ Die Kartoffelernte bleibt mager, weil der Kartoffelkäfer in Ermangelung chemischer Schädlingsbekämpfungsmittel ein goldenes Zeitalter erlebt. Der gute alte Mist ist wieder der Dünger der Stunde. Nur dumm, dass auch der ausstirbt, wenn wir die industrielle Tierhaltung verbieten, was ja im selben Atemzug miterledigt werden soll.

Die Bauindustrie? Ein Fanal der Renaissance-Ästhetik. Dämmstoffe, Farben, Lacke? Alles bislang auf Erdölbasis. Die Neubauten werden daher eher wie mittelalterliche Burgen aussehen: massiv, kalt, feucht und schwer zu heizen. Immerhin: Klimaneutralität ist garantiert, weil niemand mehr wohnen will.

Das Ende der Elektronik oder: Der letzte Blick ins Display

Und dann noch die Hightech. Die Smartphones, Laptops, Solarpanels, Elektroautos. Alles voller Kunststoffe, Spezialharze, Isoliermaterialien, Gehäusekomponenten, Lithium-Ionen-Akkus mit Polymer-Elektrolyten. Die Digitalität basiert auf dem Ölzeitalter wie der Buchdruck auf dem Bleisatz. Der Versuch, ein „grünes“ Smartphone zu bauen, endet spätestens beim ersten Kurzschluss, weil ohne petrochemische Isolierungen der Strom den Weg des geringsten Widerstands nimmt – quer durch den Anwender.

Ohne Erdöl wird auch der Fortschritt dekarbonisiert – nicht im Sinne von CO2-frei, sondern im Sinne von: vorbei.

Die Moral der Geschichte oder: Apokalypse ist auch nur eine Form von Konsequenz

Man könnte fast meinen, wir hätten uns in den letzten Jahrzehnten in eine süßlich schimmernde Plastikkugel eingesponnen, wie die Made in der PET-Flasche. Nun steht der Vorschlag im Raum, diese Kugel zu verlassen – der Totalentzug von Erdöl als Therapieansatz für eine fossil-abhängige Zivilisation. Der kalte Entzug, ganz ohne Methadonprogramm. Und das alles für das höhere Ziel der Klimarettung. Das Problem ist nur: Wir haben uns so umfassend auf das schwarze Gold eingelassen, dass wir gar nicht mehr wissen, wie Leben ohne es geht.

Klar, wir könnten es lernen. Alles ist lernbar, selbst der Verzicht auf Komfort. Doch die Frage bleibt, ob wir das auch wollen. Und ob wir es aushalten.

Denn eines steht fest: Der völlige Ausstieg aus dem Erdöl ist nicht nur das Ende der Plastikgabel und des SUV – es ist das Ende der Welt, wie wir sie kennen. Und womöglich der Beginn einer neuen. Vielleicht besseren. Vielleicht ärmeren. Vielleicht nackt, frierend und mit Bienenwachs auf den Lippen statt Labello.

Oder – wie es der Mensch so gerne tut – wir suchen wieder nach einem Kompromiss. Ein bisschen Ausstieg, ein bisschen Erdöl, ein bisschen Apokalypse light.

Denn der Mensch liebt es nun mal, den Untergang zu vertagen. Bis morgen. Oder übermorgen. Vielleicht auch bis nach der nächsten Tankfüllung.

Wenn der Patient Deutschland lacht – und keiner den Notarzt ruft

Über ein klimapolitisches Selbstexperiment zwischen Hybris, Realitätsverlust und der Kunst, sich selbst auf die Schulter zu klopfen, während man fällt.

Es gibt Momente, da bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Und dann gibt es Momente, da lacht die ganze Welt – nur Deutschland hält sich die Ohren zu. Der neueste Bericht des Weltenergierats fällt in die zweite Kategorie. Über 100 Experten aus fast 50 Ländern wurden gefragt, wie sie die deutsche Energiewende so finden. Die Antwort ist so bitter wie ein doppelter Espresso, schwarz wie ein Kohlekraftwerk und so deutlich, dass man meinen könnte, es handele sich um Satire. Leider handelt es sich um Realität. Und damit um etwas, das in Deutschland zunehmend als zumutungsfrei ignorierbar gilt.

Ein Scheinriese beim Klimayoga

Man kennt das Bild aus alten Kinderbüchern: Der Scheinriese, der immer kleiner wird, je näher man ihm kommt. Deutschland hat es geschafft, dieses Bild auf die internationale Energiepolitik zu übertragen. Aus der Ferne betrachtet, hält man uns noch für den klimafreundlichen Musterschüler mit den schmutzigen Fingernägeln der Vergangenheit. Kommt man näher, erkennt man: Da übt gerade jemand den Spagat zwischen Abschalten und Durchhalten – auf einem Bein, mit verbundenen Augen und unter Ausschluss der physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Es wäre lustig, wenn es nicht so traurig wäre.

Die Zahlen der Umfrage sind so eindeutig, dass sie in jedem normalen Land einen Untersuchungsausschuss auslösen würden. In Deutschland lösen sie bestenfalls einen warmen Kamillentee aus. 74 Prozent der befragten Experten glauben nicht daran, dass Deutschland seine Klimaziele bis 2030 erreicht. 79 Prozent bezweifeln die Klimaneutralität bis 2045. Und nur 43 Prozent halten die angestrebten 80 Prozent Ökostrom für realistisch. Das ist in etwa so, als würde der Weltärztebund dem deutschen Gesundheitsminister mitteilen, dass sein Operationsplan eher an russisches Roulette erinnert – und der Minister daraufhin die OP-Termine verdoppelt.

Der Atomausstieg: Moral als Exportschlager – den keiner kauft

Besonders grotesk wird es beim Thema Atomkraft. In Deutschland feiert man den Atomausstieg wie einen moralischen Endsieg. Im Rest der Welt schüttelt man den Kopf – oder fällt gleich vom Stuhl. Null Prozent der EU-Experten finden den deutschen Weg nachahmenswert. Null. Das ist kein Tippfehler, sondern eine Zahl, die klingt wie eine Ohrfeige mit der flachen Hand der Realität. Selbst außerhalb Europas teilen nur fünf Prozent diese Haltung – und das vermutlich aus Höflichkeit.

Man kann sich das bildlich vorstellen: Während Robert Habeck in Berlin den letzten Reaktor abschaltet und dazu Goethe zitiert, telefonieren die Energieexperten von Paris bis Prag mit dem AKW-Betreiber ihres Vertrauens, um sicherzustellen, dass das eigene Licht morgen noch brennt. Deutschland aber sonnt sich im Glanz seiner eigenen Tugend – auch wenn es draußen dunkel wird.

Die Wetter-App als Energieministerium

Das große Missverständnis liegt freilich nicht nur in der Technologie, sondern im Weltbild. Deutschland hält sich für den Vorreiter der grünen Transformation, den Pionier auf dem klimaneutralen Highway. Der Rest der Welt hingegen sieht einen schwergewichtigen Industriekoloss, der sich freiwillig ans Bein fesselt, was sonst nur ein Zen-Mönch in der Sinnkrise täte. Unsere Nachbarn schauen zu, wie Deutschland seine Energieversorgung der Wetter-App überlässt – und das dann „Flexibilisierung“ nennt.

Der schwedische Experte spricht von einem „unrealistischen Live-Experiment“. Die Türkei nennt es „erfolglos“. Und in Frankreich vermutet man, dass der deutsche Energieplan auf der Rückseite eines Bio-Brots geschrieben wurde – mit dem Filzstift der Selbstgerechtigkeit. Es wäre ja alles halb so schlimm, wenn es ein nationaler Sonderweg bliebe. Aber die Nebenwirkungen der deutschen Energiewende betreffen eben nicht nur uns. Europa hängt am deutschen Stromnetz wie der Patient am Tropf – und staunt, dass Deutschland den Beutel jetzt eigenmächtig mit Kamillentee befüllt.

Der klimapolitische Solotanz: Wenn keiner mitmacht, liegt es bestimmt an den anderen

Deutschland sieht sich gern als Anführer einer Bewegung, der leider noch niemand beigetreten ist. Das hat Tradition. Der deutsche Drang zur Weltverbesserung – früher militärisch, heute ökologisch – trifft regelmäßig auf das Missverständnis, dass der Rest der Welt das ähnlich euphorisch sieht. Tut er nicht. Frankreich und Slowenien sprechen es offen aus: Deutschland denkt zu wenig europäisch. Der Rest denkt sich den Teil und baut derweil Kernkraftwerke.

Dass in Deutschland selbst der Wasserstoff nicht zündet, dass die CO₂-Bepreisung im internationalen Vergleich wirkt wie ein veganer Steakabend in Texas, dass die Industrie fluchtartig das Weite sucht – all das wird hierzulande mit einem Lächeln quittiert. Notfalls erklärt man der Welt, dass sie einfach noch nicht so weit ist. Oder man vermutet, wie einst das DDR-Fernsehen, den Neid der anderen. Denn wenn der Sozialismus am Ende war, hieß es auch: Der Klassenfeind hat sabotiert. Heute ist es der Markt.

Das Pfeifen im energiepolitischen Dunkel

Was also passiert jetzt? Richtig: Nichts. Kein ARD-Brennpunkt, kein Bundestagsantrag, keine nächtliche Krisensitzung im Kanzleramt. Der Bericht des Weltenergierats wird weggelächelt wie ein unangenehmer Zahnarzttermin. Vielleicht, weil er nicht ins Narrativ passt. Vielleicht, weil sich niemand die Blöße geben will, einzugestehen, dass man sich verrannt hat. Oder weil der deutsche Politikbetrieb inzwischen so sehr in seiner eigenen Filterblase schwebt, dass selbst internationale Ohrfeigen wie Wellnesskuren wirken.

Dabei wäre es höchste Zeit, aufzuwachen. Und nicht nur mit den Lippenbekenntnissen der politischen Sonntagsreden, sondern mit einer Bilanz, die sich nicht in Windrädern pro Quadratkilometer oder Heizungsumfragen erschöpft. Eine Bilanz, die fragt: Wer zahlt das alles? Wer verliert? Und was, wenn am Ende herauskommt, dass wir die Einzigen sind, die den grünen Weg ins Nirwana gewählt haben – während der Rest der Welt längst andere Pfade beschreitet?

Ein letztes Lachen – bevor das Licht ausgeht?

Die internationale Kritik ist kein Geplänkel am Rande. Sie ist das rote Warnlicht am Armaturenbrett der Energiewende. Und sie zeigt, was wir längst wissen müssten: Wenn man mitten auf der Autobahn den Motor ausbaut, sollte man sich nicht wundern, wenn das Vorbild plötzlich zum Hindernis wird.

Vielleicht lacht die Welt tatsächlich über uns. Vielleicht zuckt sie auch nur mit den Schultern. Das wirklich Bittere ist: Wir selbst merken es nicht mehr. Wir stehen stolz auf dem Abgrund, klopfen uns gegenseitig auf die Schulter und sagen: Siehste, da geht noch was.

Es ist ein Experiment. Vielleicht ein letztes.

Und diesmal schaut die Welt nicht nur zu.

Der postkoloniale Wahnsinn einer Judith Butler

Präludium zum akademischen Exorzismus: Wenn Denken zur Gymnastik wird

Man stelle sich eine Welt vor – man muss gar nicht sehr viel Fantasie bemühen –, in der akademische Diskurse weniger dazu dienen, Wirklichkeit zu begreifen, als sie möglichst weit hinter einer Nebelwand aus Begriffen verschwinden zu lassen. In dieser Welt wird nicht argumentiert, sondern performt. Man debattiert nicht über Tatsachen, sondern über die „Tatsächlichkeit der Tatsache als Text“, in zehnfacher Fußnotenverschachtelung und mit endlosen Verweisen auf Kollegen, die wiederum auf Kollegen verweisen, die längst vergessen haben, worauf sie eigentlich ursprünglich verwiesen hatten. Das klingt wie eine Parodie, ist aber der Alltag ganzer Fakultäten. Und im Zentrum dieses intellektuellen Jahrmarkts steht, wie ein Orakel, das sich selbst als Echo missversteht, niemand Geringeres als Judith Butler.

Judith Butler – ihres Zeichens Hohepriesterin der postmodernen Scholastik, Prophetin der Dekonstruktion, tanzende Derwischin der Begriffszirkel. Wer einmal den Fehler begangen hat, sich ernsthaft in Butlers Werke zu vertiefen, der wird rasch feststellen: Es ist ein wenig wie das Studium von Bedienungsanleitungen für Geräte, die gar nicht existieren, geschrieben in einem Dialekt, den sich der Text selbst erst erschafft, während man ihn liest. Wer es bis zur letzten Seite schafft, verdient eigentlich einen akademischen Orden – oder wenigstens eine Überweisung in eine Rehaklinik für Denkermüdung.

Doch der Wahnsinn fängt hier erst an.

Postkolonialismus als Ablasshandel: Wie die westliche Linke sich selbst entkolonialisiert

Butler hat ein Geschäftsmodell perfektioniert, das an mittelalterliche Ablassbriefe erinnert: Wer ihre Thesen übernimmt, darf sich als entlastet betrachten. Von was? Von der kolonialen Schuld, der westlichen Überheblichkeit, der Dominanzkultur des weißen cis-männlichen Hegemons, von der Last des historischen Bewusstseins überhaupt. Der „postkoloniale Wahnsinn“ beginnt dort, wo sich Denken in Selbstgeißelung verwandelt und Empathie zur performativen Pose mutiert.

Der postkoloniale Diskurs – in Butlerscher Lesart – ist kein differenziertes Nachdenken über globale Machtverhältnisse. Er ist eine Art intellektuelles Flagellantentum: Man schlägt sich auf die Brust, während man die komplexen Konflikte dieser Welt durch das Prisma eines moralischen Schwarz-Weiß-Filters presst. Der Westen ist schuldig, der Osten ist Opfer. Punkt. Wer anderer Meinung ist, hat das Prinzip nicht verstanden und wird auf Twitter gecancelt oder in Fußnoten totgeschwiegen.

In diesem Weltbild ist kein Platz für Grautöne, keine Geduld für Widersprüche, keine Neugier auf den Kontext. Palästina? Unterdrückt. Israel? Kolonial. Ukraine? Randnotiz. Iran? Naja, das ist kompliziert, lassen wir das mal weg. Der Butlerismus folgt dabei der Logik eines binären Moralismus, den er doch vorgibt, zu dekonstruieren. Die Widersprüche sind gewollt – denn nur in der Verwirrung fühlt sich das postkoloniale Gewissen richtig zu Hause.

Semantische Jonglagen: Wenn Wörter nicht mehr bedeuten, was sie bedeuten

Butlers Sprache ist ein einziger rhetorischer Tanz ums goldene Kalb der Beliebigkeit. Hier wird nicht argumentiert, sondern orchestriert – mit Vokabeln, die sich gegenseitig referenzieren, bis sie in sich selbst zusammenfallen wie ein soufflierendes Kartenhaus.

Es ist kein Zufall, dass Butler Sätze schreibt, die wie die literarische Entsprechung eines Knoten in der Zunge wirken. Man lese nur exemplarisch aus Gender Trouble oder Frames of War:

„The ontology of precarity must be rearticulated through the performative enactment of vulnerability in the face of biopolitical necropolitics.“

Wer diesen Satz ohne Luft holen aufsagen kann, dem gebührt ein Preis – aber bitte keiner für Klarheit. Das ist Sprachakrobatik als Machtinstrument. Denn wer unverständlich schreibt, bleibt unangreifbar. Wer sich in Wolken von Jargon hüllt, muss keine Rechenschaft ablegen. Der Leser bleibt ratlos zurück, und das ist Absicht: Wer nichts versteht, kann auch nichts hinterfragen. Der intellektuelle Bluff wird durch ritualisierte Zustimmung verschleiert.

Die politische Schizophrenie der Butler-Jünger

Wer den postkolonialen Wahnsinn einer Judith Butler verstehen will, muss sich auch die Rituale ihrer Anhänger ansehen. Es ist eine Art säkularer Klerus, der sich mit Inbrunst der dekonstruktiven Liturgie hingibt. Das Schöne daran: Man kann sich jederzeit widersprechen, denn das ist ja gerade der Punkt. Wer auf Widersprüchlichkeit hinweist, hat den Diskurs nicht verstanden. Es zählt nicht die Konsistenz, sondern der Gestus.

Die postkoloniale Linke – durch Butlers Prisma betrachtet – hat es geschafft, sich selbst in eine politische Schizophrenie zu treiben: Einerseits feministisch, andererseits verständnisvoll gegenüber islamistischen Patriarchaten. Einerseits für queere Rechte, andererseits solidarisch mit Staaten, in denen Homosexualität mit dem Tod bestraft wird. Einerseits für Diversität, andererseits bereit, jeden Kritiker als „weiß“ und damit irrelevant abzutun, auch wenn es sich um eine säkulare Iranerin handelt, die dem Mullah-Regime entkommen ist.

Das ist kein Zufall, sondern systemimmanent. Der postkoloniale Wahnsinn lebt von der Selbstwidersprüchlichkeit – sie ist seine stärkste Waffe. Wer die Welt nicht mehr in Widersprüchen denken muss, sondern sich an der Widersprüchlichkeit selbst berauscht, braucht keine Antworten mehr. Fragen reichen. Oder besser noch: performative Fragen, in denen die Antwort bereits dekonstruiert ist, bevor sie überhaupt gestellt wurde.

Apokalypse als Seminararbeit: Warum das alles nicht lustig ist – und trotzdem zum Lachen reizt

Man könnte all das belächeln, wäre es nicht so folgenreich. Denn während Butler und ihre Jünger in den Elfenbeintürmen ihrer postkolonialen Dekonstruktionen tanzen, brennt draußen die Welt. Der reale Kolonialismus – der technologische, der wirtschaftliche, der politische – wird weiter betrieben, aber von ganz anderen Akteuren: von China, von Russland, von globalen Konzernen, die sich nicht im Geringsten um Gender-Performativität oder postkoloniale Semantik scheren.

Die Butler-Schule hingegen dekonstruiert die westliche Vernunft – und überlässt das geopolitische Feld jenen, die mit dieser Selbstkasteiung nichts am Hut haben. Während an amerikanischen Unis Pronomen-Diskurse geführt werden, investieren saudische Fonds Milliarden in Tech-Konzerne, Putin rüstet auf, und Xi Jinping freut sich über eine westliche Linke, die sich selbst blockiert.

Man darf also lachen über den postkolonialen Wahnsinn einer Judith Butler. Man muss es sogar, denn Lachen ist manchmal der letzte Ausweg aus der Ohnmacht. Aber das Lachen hat einen schalen Beigeschmack – es ist das Lachen des Clowns im brennenden Zirkuszelt.

Epilog: Oder wie man es in Butlerscher Diktion sagen würde

Das dekonstruktive Selbstgespräch des Subjekts in der Matrix des epistemischen Korridors kulminiert in der performativen Exposition der eigenen Unfähigkeit, zwischen Analyse und Aberglaube zu unterscheiden.

Oder, einfacher gesagt:
Judith Butler hat Recht. Aber nur darin, dass alles Konstruktion ist – auch ihr eigener Wahnsinn.

Willkommen in der postbiologischen Wirklichkeit

Die binäre Zumutung – Warum zwei Geschlechter heute „kolonialistisch“ sind

Es war einmal, in grauer Vorzeit, da galten Dinge wie Gravitation, Photosynthese oder das Vorhandensein zweier Geschlechter als unhinterfragbare Tatsachen. Man nannte diese Dinge damals „Realität“. Doch dann kam der Fortschritt. Der Fortschritt hat bekanntlich viele Gesichter: Er trägt mal Einhornhaarreifen, mal Genderstudies-Abschluss, und manchmal eine scharfe Social-Media-Tirade, die selbst den stärksten Widerspruch in den Boden stampft wie ein pubertierender Sisyphos mit Hantel-Abo.

Heute sind wir klüger. Wir wissen: Nichts ist real, alles ist Dekonstruktion. Der Mond ist kein Himmelskörper, sondern ein weißes, patriarchales Auge, das über uns wacht. Der Stuhl ist kein Stuhl, sondern ein soziales Konstrukt mit vier Beinen. Und „Frau“? Ach bitte! Wer an sowas glaubt, hat wohl den Kolonialismus nie überwunden.

So jedenfalls sehen es jene 200 NGOs, die sich nun empört in die Brust werfen wie hyperaktive Pfauen, weil eine gewisse Reem Alsalem, UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen, das Ungeheuerliche gewagt hat: Sie hat angedeutet, dass Frauen biologische Wesen sein könnten – und nicht einfach eine spirituelle Laune des Selbstempfindens. Skandal! Ein Fall für den postmodernen Inquisitionsrat.

Das biologische Geschlecht – ein imperialistisches Dogma?

In der neuen Theologie des Selbstempfindens ist das Geschlecht nicht mehr an biologische Realitäten gebunden, sondern an den Akt der Deklaration. Wer sagt, er sei eine Frau, ist eine Frau. Punkt. Wer das anzweifelt, outet sich als Anachronist, als rückständiger Biologist – schlimmer noch: als heimlicher Kolonialist.

Denn das Beharren auf „zwei Geschlechtern“ wird heute nicht mehr als biomedizinischer Fakt betrachtet, sondern als Relikt aus der Zeit, als europäische Seefahrer den Globus mit Sextanten, Pocken und Geschlechtskategorien überzogen.

Das Gametenmodell, wonach es in der sexuellen Fortpflanzung Eizellen und Spermien gibt? Igitt! Biologistischer Reduktionismus. Richard Dawkins? Ein Fossil der Kolonialforschung, der sich noch traut, von „Anisogamie“ zu sprechen, als wäre das eine Eigenschaft der Natur und nicht ein Werkzeug westlicher Unterdrückung.

Die Abschaffung der Frau – ein inklusives Fortschrittsprojekt

Die Linguistik ist bekanntlich das Einfallstor der Weltveränderung. Wer die Wörter kontrolliert, kontrolliert die Wirklichkeit – oder schafft sie gleich ganz neu. Und so wird das Wort „Frau“ heute mit der Sorgfalt einer alten Tapete entfernt: Schicht für Schicht, bis nichts mehr übrig bleibt als „gebärende Person“, „Menstruierende“, „Vagina-Besitzer mit Vorderloch“.

Man könnte meinen, dies sei Satire, doch die Realität hat die Satire längst überholt. Der Mensch wird zur Lego-Figur seiner Identitätsbausteine. Auf das Feld „Geschlecht“ darf jede*r schreiben, was gerade in den Lebensabschnitt passt. Wer morgen Lust hat, in die „non-binäre“ Rolle zu schlüpfen, tut das. Wer übermorgen „Femme-Fluid-Demi-Gender-Queer“ sein möchte, muss das nur laut genug twittern.

Nur eine Gruppe darf das nicht: Frauen, die darauf bestehen, biologisch definiert zu sein. Denn das ist exkludierend. Wer nicht bereit ist, im Schutzraum für Vergewaltigungsopfer einen Mann mit Bart und Penis zu akzeptieren, der sich als Frau identifiziert, betreibt Exklusivität. Und Exklusivität, das weiß jeder, der drei Minuten Gender-Workshop durchgehalten hat, ist die neue Form von Gewalt.

Statistische Magie – wenn Frauen plötzlich Vergewaltiger werden

Die Abschaffung des biologischen Geschlechts hat viele Vorteile – für Männer jedenfalls. In Norwegen etwa schnellte die Zahl der „von Frauen begangenen Vergewaltigungen“ innerhalb von zwei Jahren von zwölf auf 44. Welch ein Triumph der Gleichstellung! Endlich sind auch Frauen mal Täter. Also jedenfalls Frauen, die bis vorgestern noch Männer waren.

Das nennt man in der Kriminalstatistik „Geschlechterparität durch Selbstdeklaration“. Auch in Kanada und Großbritannien freut man sich über diese neuen „weiblichen Straftäter“. Die Polizei fragt freundlich: „Wie fühlen Sie sich heute?“ Und wer „weiblich“ sagt, wird prompt als solcher Täter ins Register eingetragen. Gender ist halt fluide, Vergewaltigung auch.

Frauenräume – ein überholtes Konzept der Cis-Nostalgiker

Räume nur für Frauen? Frauenhäuser? Lesben-Treffen? Alles passé. Schließlich leben wir im Zeitalter der „erzwungenen Inklusion“. Wer heute ein Frauenhaus betreibt, wird schief angesehen, wenn er den Zugang auf Personen mit Uterus beschränkt. Schließlich kann auch ein Mann menstruieren – sagt Twitter. Und wenn ein Mann sich als lesbische Frau identifiziert, ist das zu akzeptieren, sonst hagelt es Hashtags.

Die Folge: Frauenhäuser schließen, weil Fördergelder gestrichen werden. Lesben-Gruppen werden verklagt, weil sie nicht mit Männern schlafen wollen, die sich als Frauen identifizieren. In Australien hat ein Gericht der Lesbian Action Group verboten, sich ausschließlich mit biologischen Frauen zu treffen. Wohlgemerkt: Ein Hotel darf explizit schwule Männer bevorzugen – aber Frauen, die unter sich bleiben wollen, sind jetzt gesetzlich suspekt.

Die Kinder – das nächste Schlachtfeld

Der Geschlechterkrieg macht vor Kindern nicht halt. Mädchen, die in der Pubertät ihre eigene Sexualität entdecken und sich unwohl fühlen, werden heute nicht mehr von weisen Frauen begleitet, sondern von Chirurgen und Endokrinologen. Statt „Du bist vielleicht lesbisch“ heißt es: „Du bist trans.“ Und schwupps ist der Weg in die operative Selbstoptimierung geebnet.

70 Prozent der Mädchen, die sich mit Geschlechtsdysphorie an die größte Gender-Klinik Großbritanniens wenden, sind lesbisch. Ein Großteil von ihnen wird später „detransitionieren“, also versuchen, den Schaden wieder rückgängig zu machen – wenn es dann noch geht. Die Brüste sind weg, die Eierstöcke auch, aber wenigstens stimmt die „Genderidentität“ wieder.

Das nennt man Fortschritt. Früher hat man schwule und lesbische Jugendliche in Konversionstherapien gesteckt, heute schickt man sie unters Messer. Der Westen nennt das Emanzipation.

Die cancelbare Frau – wenn Meinungsfreiheit zum Luxus wird

Wer all das anspricht, riskiert heute nicht nur seinen Ruf, sondern sein gesamtes Leben. Frauen, die öffentlich über biologische Realitäten sprechen, werden als „TERFs“ diffamiert – „Trans-Exclusionary Radical Feminists“, eine Art Ketzervokabel der Gegenwart. Das reicht vom Online-Mobbing bis zu realen Morddrohungen.

Einige Frauen verloren ihre Jobs, andere ihre Freundschaften, wieder andere ihren Mut. Manche verloren ihr Leben – an den Suizid. Denn wer die Kategorie „Frau“ verteidigt, wird behandelt, als habe er gerade ein Parteibuch der Taliban gefunden.

Fazit: Die Frau ist tot, es lebe die „Person mit Reproduktionshintergrund“

Reem Alsalem hat mit ihrem Bericht nichts anderes getan als das Offensichtliche zu sagen: Dass Schutzräume für Frauen notwendig sind, dass es zwei biologische Geschlechter gibt, dass Sprache der Wirklichkeit verpflichtet sein sollte.

Dafür erntet sie den Vorwurf des Kolonialismus. Denn im neuen Weltbild ist Biologie nur noch ein Tool der Unterdrückung. Der Körper ist ein Kostüm. Die Realität ist ein Übergriff.

Man fragt sich fast: Warum hat Alsalem nicht gleich den Erdball abgeschafft? Auch der ist eine binäre Zumutung: Tag und Nacht, Nord- und Südhalbkugel, Ebbe und Flut. Alles Kolonialismus. Alles muss weg.

Nur eines bleibt bestehen: der moralische Hochmut der neuen Tugendwächter. Der ist bekanntlich nicht binär, sondern universal.

Die Revolution als Dauerware im Ramschregal der Geschichte

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Französische Revolution war das große Versprechen, das niemals eingelöst wurde. Ein epochales Spektakel, dessen dramatische Höhepunkte—Blut, Pathos, und guillotiniertes Elitenfleisch—bis heute als Folklore missbraucht werden. In den Schulbüchern glänzen Robespierre und Danton wie Wachsstatuen, während sich die Nachgeborenen zwischen dem Supermarktregal der Globalisierung und den TikTok-Tutorials zur Selbstoptimierung fragen dürfen, was aus „Liberté, Égalité, Fraternité“ geworden ist. Die Antwort ist so ernüchternd wie ein abgestandener Bordeaux: Die Parole hat überlebt, die Substanz ist verrottet.

Wir leben im Zeitalter des revolutionsästhetischen Tourismus. Alles ist Zitat, nichts ist Konsequenz. Das Bastille-Gedenken verkommt zum Historiensouvenir, Gleichheit wird bei IKEA verkauft (jeder darf den gleichen Tisch kaufen, wenn er das gleiche Geld hat), Freiheit ist ein Datenschutz-Popup, das man wegklicken muss, um überhaupt mitspielen zu dürfen, und Brüderlichkeit—nun ja, die ist zwischen Fake-News und Shitstorm längst von der Bühne getreten, erschlagen vom algorithmisch kuratierten Neid.

Von der Guillotine zur Cloud: Der Fortschritt als Placebo

Man spricht heute gerne von Fortschritt, als wäre das eine naturgesetzliche Bewegung Richtung Licht. Doch der Fortschritt ist bloß der dekorierte Fahrstuhl im globalen Konsumkaufhaus. Er fährt hoch und runter, aber immer im selben Gebäude. Die Guillotine, jenes emblembeladene Endgerät der Französischen Revolution, hat man durch digitale Mittel ersetzt. Heute wird nicht mehr der Kopf abgetrennt, sondern der Charakter dekonstruiert—öffentlich, in Echtzeit und mit Likes versehen. Das Urteil fällt nicht mehr der Wohlfahrtsausschuss, sondern der Twitter-Mob.

Wer glaubt, die Freiheit von 1789 sei mit der Meinungsfreiheit von 2025 vergleichbar, möge kurz innehalten. Ja, jeder darf heute alles sagen—solange es niemanden stört, keinen Algorithmus triggert und keinem Werbekunden missfällt. Der Markt reguliert, der Konzern zensiert, der Nutzer applaudiert. Freiheit ist heute die Wahl zwischen iPhone-Modellen und Streaming-Diensten. In Paris stürmte man 1789 die Bastille, heute stürmt man Rabattaktionen.

Gleichheit: Eine schöne Idee, die an der Paywall scheitert

Gleichheit, dieser hohle Zahn im Gebiss der Demokratie, hat es schwer im Zeitalter der Monetarisierung. Der Kapitalismus hat aus der Gleichheit eine Dienstleistung gemacht: Wer genug zahlt, ist gleichberechtigt. Der Rest schaut Netflix mit Werbung. Bildung ist formell für alle da, aber faktisch für jene, die sich den Privatunterricht leisten können. Gesundheitsversorgung? Natürlich gleich für alle—mit Terminvergabe in anderthalb Jahren, es sei denn, man bucht den Premium-Tarif.

Die sogenannte Chancengleichheit ist das Disneyland der politischen Rhetorik. Alle dürfen Lotto spielen, aber nur wenige gewinnen. Es ist eine Gleichheit der Kulisse, nicht der Substanz. Wir posieren auf Instagram unter Gleichheitsparolen, während die globale Vermögensverteilung an die Zeiten des Sonnenkönigs erinnert. Versailles lebt—nur diesmal im Silicon Valley.

Brüderlichkeit: Ein Anachronismus im Zeitalter des Selfies

Ach, die Brüderlichkeit. Was war das noch gleich? Die warmherzige Solidarität unter Gleichen? Das kollektive Schulterklopfen im Kampf gegen die Willkür? Heute ist Brüderlichkeit ein Businessmodell der Coaching-Industrie: „Gemeinsam stark“ gegen Burnout, aber bitte mit Abo-Modell. In den Kommentarspalten herrscht Bürgerkrieg, im echten Leben der digitale Narzissmus. Der Mitmensch wird verwaltet, bewertet, blockiert.

Es gibt keine Brüderlichkeit mehr, sondern nur noch Netzwerkpflege. Kontakte sind Kapital, Freundschaften sind Clickrates, Hilfsbereitschaft ist PR. Wer wirklich noch altruistisch handelt, wird verdächtigt, einen Hintergedanken zu haben. Wir leben in einer Zeit, in der die Tugend des Teilens durch die Cloud ersetzt wurde.

Revolution reloaded: Der Zynismus als letzte Zuflucht

Die Frage, was von der Französischen Revolution geblieben ist, lässt sich also schnell beantworten: der Satz auf der Münze, das Zitat in der Talkshow, die kitschige Bastille-Doku im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Der Rest wurde auf dem Marktplatz der Beliebigkeit verramscht.

Die Demokratie? Funktioniert, solange die richtigen Leute gewinnen. Die Freiheit? Ein Konsumprodukt. Die Gleichheit? Ein PR-Gag. Die Brüderlichkeit? Ein Meme.

Und doch ist es nicht nur traurig, sondern auch komisch—denn der Mensch hat es offenbar geschafft, das heroischste Kapitel seiner Geschichte in eine absurde Farce zu verwandeln. Der Fortschritt ist eine Slapstick-Komödie, in der der Freiheitskämpfer von damals heute mit dem Influencer kollidiert.

Was bleibt, ist der Zynismus. Nicht als Resignation, sondern als Überlebensstrategie. Wer heute noch von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit redet, muss es mit Augenzwinkern tun—sonst wird er verrückt. Oder Präsident.


Epilog: Die Revolution frisst ihre Kinder – und bestellt dann Sushi

Am Ende hat die Revolution nicht nur ihre Kinder gefressen, sondern auch deren Nachfahren, die mit veganem Sushi und Bubble Tea vor den Bildschirmen sitzen und denken, Geschichte sei etwas, das anderen passiert.

Vielleicht ist das der wahre Triumph der Moderne: Nicht der Sieg der Freiheit, sondern der Triumph der Bequemlichkeit. Niemand will mehr Barrikaden bauen, wenn man auch Serien streamen kann.

Die Bastille ist gefallen, das WLAN steht. Und das ist, bei Lichte besehen, auch eine Form von Brüderlichkeit: Wir sind alle gemeinsam Gefangene im goldenen Käfig des Komforts.

Wohl bekomm’s.

Patriotismus aus der Portokasse

oder wenn der Waffenhändler den Heiligenschein aufsetzt

Es gibt Momente in der Weltgeschichte, in denen man innehält, um den Lauf der Dinge zu bestaunen, als sei man ein Tourist im Museum des Absurden. Der neueste dieser Momente trägt ein Toupet, einen roten Schlips und eine goldene Selbstgerechtigkeit, die schwerer wiegt als jeder Atomkoffer. Donald J. Trump, der ehemalige, gegenwärtige und vielleicht künftige Reality-Show-Präsident der Vereinigten Staaten, hat also angekündigt, der Ukraine Patriot-Luftabwehrsysteme zu liefern.
„Wir werden ihnen Patriots schicken, die sie dringend brauchen“, sagte er, während er wahrscheinlich mit der anderen Hand versuchte, seinen Golf-Handschuh über die Twitter-App zu ziehen. Und dann, mit jenem typischen Lippenkräuseln, das irgendwo zwischen Selbstparodie und drohender Sonnenfinsternis angesiedelt ist, fügte er hinzu: „Die EU zahlt dafür. Wir zahlen nichts, aber wir werden liefern.“

Man muss diese Worte auf der Zunge zergehen lassen wie einen Whiskey, den man eigentlich nicht trinken sollte, weil man weiß, dass er gepanscht ist. Doch der Schluck lohnt sich, denn die bittere Note ist Programm: Hier spricht kein Präsident, hier spricht der Chef eines Pfandleihhauses für Weltpolitik, der lachend die Registrierkasse bedient, während er humanitäre Werte als Sonderposten auf den Wühltisch wirft.
Die Szene hat etwas von einem makabren Jahrmarkt. Der Krieg als Marktplatz, das Leid als Lieferkette, die Rakete als Rabattaktion.

Der Kaufmann im Weißen Haus – Waffenhandel als Charity-Event

„Wir liefern, ihr zahlt.“ So einfach kann Geopolitik sein, wenn man sie auf die primitive Grundformel des Trumpismus reduziert. Es ist die Trump-Doktrin in ihrer reinsten Destillation: maximale Show, minimale Verantwortung, der moralische Zeigefinger stets nach außen, während die eigene Tasche ausgeleert wird – natürlich nur in Richtung eigener Offshore-Konten.
Man stelle sich vor, die USA wären eine Tankstelle, Trump der Kassierer, und die Europäische Union die übermüdete Autofahrerin, die verzweifelt fragt, ob man auch mit PayPal zahlen kann.
„Klar“, sagt Trump und wirft ihr den Zapfhahn an den Kopf. „Aber den Sprit nehmen SIE mit.“

Patriot-Luftabwehrsysteme sind keine Bonbons, keine Werbegeschenke und schon gar kein Symbol für selbstlose Solidarität. Sie sind tödliche Hightech-Maschinen, geboren aus dem Schweiß der Rüstungsindustrie, gemästet durch jahrzehntelangen Lobbyismus und politische Schachzüge, die so kompliziert sind, dass selbst Schachcomputer in Tränen ausbrechen würden.
Dass Trump diese Systeme wie Weihnachtsplätzchen verteilt, während er gleichzeitig betont, dass die USA „nichts zahlen“, ist nicht nur ein rhetorisches Kabinettstück, sondern ein offenes Fenster in die verdorrte Seele des spätkapitalistischen Nationalismus. Es ist die Umarmung der Gier, mit einem Lächeln so breit wie ein texanischer Highway.

Europa, der ewige Zahlmeister – oder: Der Hofnarr zahlt die Zeche

Dass die Europäische Union in Trumps Narrativ die Rolle des willfährigen Zahlmeisters übernimmt, ist natürlich kein Zufall, sondern Strategie. Europa soll zahlen, weil Europa immer zahlt. Es ist die Tante, die auf Familienfeiern den Scheck zückt, damit Onkel Donald noch einen dritten Hummer bestellen kann, während er ihr gleichzeitig erklärt, warum sie eigentlich selbst schuld an allem ist.

Die EU – das ist in Trumps Weltbild eine Art humanitärer Geldautomat mit Schluckauf, der sich nicht wehren kann.
„Ihr zahlt, wir liefern“, das klingt in seinen Ohren wie „Ihr seid die dummen Gutmenschen, wir die cleveren Business-Genies.“
Es ist der klassische Trickbetrug der internationalen Politik, serviert mit der Chuzpe eines New Yorker Immobilienhais, der gerade einem Obdachlosen einen Parkplatz vermietet hat.

Waffen als Friedensbotschafter – Willkommen in der Zynismus-Zone

Natürlich kann man argumentieren – und man wird es tun –, dass die Ukraine diese Patriots tatsächlich dringend braucht. Russland bombardiert, was das Zeug hält, und es ist kein Geheimnis, dass ein funktionierendes Luftabwehrsystem den Unterschied machen kann zwischen Überleben und Zerbombtwerden.
Doch Trump geht es nicht um die Ukraine. Es geht ihm nie um irgendjemanden außer sich selbst. Es geht nicht um Demokratie, Freiheit oder den Schutz von Zivilisten. Es geht um Schlagzeilen, um Macht, um Deals.

Das Patriot-System wird also zur PR-Kampagne, zur Bühne für einen Zynismus, der so dick aufgetragen ist, dass selbst Machiavelli einen Allergieschock bekäme.
Trump verkauft Waffen als Friedensbotschafter – das ist ungefähr so glaubwürdig, wie wenn ein Pyromane Rauchmelder verschenkt.
Er schickt Raketen mit der Großzügigkeit eines Gastgebers, der seine Gäste mit vergifteten Pralinen bewirtet, während er sagt: „Seht her, ich teile doch!“

Die Moral von der Geschichte? Es gibt keine

Was bleibt, ist ein schaler Nachgeschmack und die Erkenntnis, dass die Weltpolitik endgültig zur Reality-Show geworden ist. Trump ist ihr Produzent, Hauptdarsteller und Conférencier in Personalunion. Der Krieg wird zur Kulisse, der Tod zum Requisit, und wer nicht mitspielt, der wird aus dem Skript gestrichen.

Patriot-Raketen für die Ukraine? Sicher. Warum nicht gleich noch ein paar Tomahawks als Dessert? Hauptsache, jemand anderes bezahlt die Rechnung. Die EU macht das schon. Die Europäer zahlen gern für den Schein des Friedens, den man ihnen mit einer Hand verkauft, während man ihnen mit der anderen den Geldbeutel aus der Tasche zieht.

Trump weiß das. Und er lacht.
Vielleicht, weil er längst verstanden hat, dass es in dieser Welt nicht mehr um Recht oder Unrecht geht, sondern nur noch um die richtige Inszenierung.

Oder, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen:
„We deliver. You pay.“

Ein besseres Fazit wird es nicht geben.

Der Brüsseler Kreml

oder: Wie Europa lernte, die UdSSR neu zu erfinden

Von der roten Fahne zum blauen Sternenbanner

Es gehört zu den reizvolleren Absurditäten der Gegenwart, dass der gemeine Europäer, im feinen Zwirn und mit dem immergleichen staatsmännischen Gesichtsausdruck versehen, felsenfest davon überzeugt ist, innerhalb eines demokratischen Rahmens zu leben, der dem griechischen Ideal von „demos“ und „kratos“ gerecht wird. Dass es sich dabei um eine jener Selbsttäuschungen handelt, die Menschen seit jeher pflegen – ähnlich der Überzeugung, dass glutenfreie Kekse sündlos seien oder Politiker aus Überzeugung handeln –, wird tunlichst übersehen.
Die Europäische Union hat, wenn man das Schaubild etwas genauer betrachtet, mehr mit der Sowjetunion gemein, als es den feingeistigen Bürokraten lieb sein dürfte. Nur dass der Brüsseler Apparat auf Hochglanz polierte PowerPoint-Präsentationen statt fünfjähriger Produktionspläne an die Wand wirft. Der Unterschied ist kosmetischer Natur, das Prinzip bleibt gleich: Von oben regiert es sich bequemer.

Die demokratische Attrappe

Die Sowjetunion behauptete dereinst, eine Demokratie zu sein. Sie hatte ein Parlament, den Obersten Sowjet. Ein gewähltes Organ – zumindest auf dem Papier, und das Papier war ja bekanntlich geduldig. Der Wähler durfte brav sein Kreuzchen setzen, allerdings nur zwischen Kandidaten der Einheitspartei, die alle das gleiche sagten, nur in leicht unterschiedlichen Tonlagen: mal bassig, mal schrill, mal mit Leninstirn, mal mit Breschnewbraue.
Der Witz dabei war, dass das Parlament selbst keinerlei legislative Macht hatte. Das echte Drehbuch wurde vom Politbüro geschrieben, einer kleinen, elitären Kadergruppe, die nie ein Wähler auch nur aus der Ferne zu Gesicht bekam. Wer dort saß, war nicht Ergebnis demokratischer Willensbildung, sondern das Resultat von Netzwerken, Seilschaften und inoffiziellen Absprachen hinter geschlossenen Türen. Wer regierte, war nicht gewählt – wer gewählt wurde, regierte nicht. Das war das sowjetische Perpetuum mobile der Macht.

Schwenk nach Brüssel: Die Europäische Union besitzt ein Parlament. Es heißt tatsächlich so: Europäisches Parlament. Es darf debattieren, manchmal auch wütend sein. Es darf sogar den Begriff „demokratische Werte“ in den Raum werfen – allerdings vorzugsweise dann, wenn es um Osteuropa geht, nicht um die EU selbst. Doch das Entscheidende ist: Das Parlament hat kein Initiativrecht. Gesetze schreibt nicht der Bürgervertreter, sondern die Europäische Kommission – ein Apparat aus Kommissaren, deren Namen der Durchschnittseuropäer ungefähr so häufig googelt wie die Bedienungsanleitung seines Routers.
Das Initiativmonopol der Kommission ist der Brüsseler Bruder des sowjetischen Politbüros. Auch hier gilt: Wer regiert, ist nicht gewählt. Und wer gewählt ist, darf an der Regierung freundlich vorbei winken.

Der Kommissar ist immer der Sieger

Das Wort „Kommissar“ war schon in der Sowjetunion kein harmloser Begriff. Der Volkskommissar war zuständig für Versorgung, Zensur oder Erschießung – je nachdem, in welchem Ressort er gerade diente. Heute heißen sie Agrarkommissar, Binnenmarktkommissarin oder Vizepräsident für Werte und Transparenz. Das klingt harmloser, ist es aber nicht unbedingt.
Denn wie in der Sowjetunion entscheiden auch die EU-Kommissare nicht aufgrund demokratischen Auftrags, sondern weil sie von ihren Regierungen nominiert werden – mit anderen Worten: Sie verdanken ihren Job keiner Volkswahl, sondern einem Hütchenspiel zwischen Nationalstaaten, bei dem politische Restposten verwertet werden. Wer zuhause gescheitert ist, wird nach Brüssel abgeschoben und darf dort auf Lebenszeit die transnationale Welt erklären.

Kommissare sind praktisch. Sie dürfen das tun, was in den nationalen Parlamenten zu unpopulär wäre: den Bürger umerziehen, das Thermostat runterregeln, die Gurkenkrümmung messen und neue Etiketten vorschreiben, auf denen dem Konsumenten mitgeteilt wird, dass Zucker dick macht. Dasselbe Prinzip wie früher, nur eben in Business-Englisch statt auf Russisch.

Die Akteure sind austauschbar – das System bleibt

Es gibt einen feinen Unterschied zwischen Demokratie und demokratischer Rhetorik. Letztere wird inflationär gebraucht, wenn man ersteres ersetzen will. Die Sowjetunion war Weltmeister darin. Auch die EU kann sich in dieser Disziplin durchaus sehen lassen. Wo früher in Moskau von „sozialistischer Demokratie“ die Rede war, sprechen die Brüsseler Beamten heute vom „demokratischen Defizit“ – als wäre es ein kleiner Rechenfehler, der mit etwas Feinjustierung zu beheben sei. Dabei ist es System.

Der durchschnittliche Europäer ist zur politischen Staffage degradiert worden, zur Zuschauerfigur in einem Stück, dessen Drehbuch längst geschrieben ist. Die Wahlbeteiligungen sinken, die Verdrossenheit steigt – das ist kein Zufall, sondern Kollateralschaden einer Struktur, die Mitbestimmung vorspielt, um sie zu verhindern.
Es geht nicht darum, den Bürger zu fragen, sondern darum, ihn zu beschäftigen. Brot und Spiele. Nur dass die Spiele jetzt „Bürgerdialoge“ heißen und das Brot als nachhaltiges Quinoa-Baguette gereicht wird.

Vom Staatsversagen zur Planwirtschaft 2.0

Es ist bemerkenswert, dass die EU mit derselben Hybris operiert, die auch die sowjetische Führung ausgezeichnet hat. Immer neue Regulierungen, immer neue Standards, immer mehr Zentralisierung. Es wird geplant, gelenkt, gesteuert. Da wird der Energiemarkt neu erfunden, der Landwirt umerzogen, der Verbraucher normiert. Das alles mit einer glühenden Inbrunst, als habe man aus der Geschichte vor allem eines gelernt: nichts.

Die Sowjetunion wollte den „neuen Menschen“ schaffen, der sich selbstlos in den Dienst der sozialistischen Idee stellt. Die EU möchte den „klimaneutralen Bürger“, der sich freudig seiner Gasheizung entledigt, sein Steak durch Insekten ersetzt und beim Gendern ins Schwärmen gerät. Beides sind Versuche, mit der Brechstange die Gesellschaft umzubauen. Und beide blenden systematisch aus, dass Menschen nun mal Menschen bleiben – mit all ihren Schwächen, Widersprüchen und Eigenheiten. Der zentrale Unterschied? In der EU gibt es dafür Marketingagenturen und Beraterhonorare, in der UdSSR gab es den Gulag.

Fazit: Ein sozialistisches Europa mit Sternchen

Natürlich ist die EU keine Kopie der Sowjetunion. Sie schickt keine Dissidenten nach Sibirien, sondern in Talkshows. Ihre Bürokraten tragen keine KGB-Uniformen, sondern Slim-Fit-Anzüge von Hugo Boss. Doch die strukturellen Ähnlichkeiten sind frappierend: ein Parlament ohne Gesetzesinitiative, ein Kommissariat ohne demokratische Legitimation, ein System, das sich selbst als alternativlos erklärt.
Und während der Bürger noch brav zur Wahlurne trottet, wird der eigentliche Kurs längst in den Fluren der Kommission bestimmt, hinter Türen, auf die niemand ohne Hausausweis klopfen darf. So wird aus der Union der europäischen Völker eine Union der Kommissare – ein sanft lächelnder Verwaltungssozialismus mit freundlichem Gesicht und festgezurrtem Narrativ.

Vielleicht werden spätere Generationen einmal in den Geschichtsbüchern lesen:
Die Sowjetunion ist an ihren Dogmen gescheitert.
Die Europäische Union hat es besser gemacht. Sie scheitert mit Stil.

WIR LEBEN IN EINER HALLUZINATION

Die Realität ist ein Gerücht

Es gibt Dinge, die der Mensch wissen könnte, wenn er wollte. Er tut es aber nicht, weil das Hirn bekanntlich vor allem eins hasst: Kognitive Unordnung. Wer einmal gelernt hat, dass der Himmel blau ist, wird auch bei Dämmerung noch Blau vermuten – obwohl der Himmel in Wahrheit zu diesem Zeitpunkt längst ein apokalyptisches Gemisch aus Violett, Graugrün und Postkartenlüge geworden ist. Der Mensch sieht eben nicht, was ist. Er sieht, was sein neuronales Betriebssystem vorgeladen hat. So wie ein Smartphone, das alte Tabs aus dem RAM nachlädt und dann behauptet, das sei die Gegenwart.

Im Jahr 1980 führten Forscher an der Dartmouth University ein Experiment durch, das – wären wir eine reflektierende Spezies – spätestens da den Weltfrieden hätte auslösen müssen. Stattdessen löste es: Nichts aus. Weil wir lieber weiter schlafen.

Man schminkte den Probanden eine Narbe ins Gesicht, ließ sie diese im Spiegel betrachten – und entfernte sie dann heimlich wieder, bevor sie unter Menschen geschickt wurden. Der Rest ist eine bittere Pointe auf zwei Beinen: Die Teilnehmer kehrten zurück und berichteten, wie schlimm sie behandelt worden seien. Abweisend seien die anderen gewesen. Mitleidig. Man hätte sie gemustert wie ein billiges Kuriositätenkabinett.

Aber da war nichts mehr im Gesicht. Nur im Kopf. Und da sitzt bekanntlich die eigentliche Welt.

Die selbstfahrende Wahrnehmungskarre

Das menschliche Gehirn, so erklärt uns die moderne Neurobiologie, ist nicht dazu da, die Wahrheit zu erkennen. Es ist ein Vorhersageapparat. Ein Generator für möglichst effiziente Halluzinationen, die sich mit der Vergangenheit decken. Alles, was wir sehen, hören, fühlen und glauben, ist der Versuch unseres Nervensystems, aus dem Chaos der Sinneseindrücke ein halbwegs konsistentes Bild zusammenzukleben. Ein Bild, das sich nicht mit der Welt synchronisieren muss, sondern mit der eigenen Story.

Der Begriff dafür ist: Kontrollierte Halluzination.
Die Betonung liegt auf „kontrolliert“. Solange sich genug Menschen über die Halluzinationen einig sind, nennt man es Realität. Wenn man sich uneinig ist, nennt man es Kulturkampf.

Diskriminierung: Realität oder Rollenspiel?

Natürlich kann man nun fragen, ob das auch für Diskriminierung gilt. Und die Antwort ist: Selbstverständlich – zumindest teilweise. Es wäre ein grober Fehlschluss, alle Opfererfahrungen als eingebildet abzutun. Aber es wäre ein ebenso grober Fehlschluss, zu glauben, der Mensch könne zwischen äußerer Welt und innerem Film so sauber unterscheiden, wie es in Talkshows gern behauptet wird.

Die Halluzination ist systemisch. Sie ist nicht individuell, sondern kulturell geteilt. Medien, soziale Netzwerke, Empörungsökonomien und akademische Theorien der Betroffenheit sorgen dafür, dass wir heute schneller Kränkungen erkennen als früher. Nicht weil die Welt gemeiner geworden ist, sondern weil wir feinere Scanner gebaut haben.
Der Empörungsscan läuft mit neuronaler Gesichtserkennung, Alarmstufe rot. Jede hochgezogene Augenbraue wird zum Mikroangriff umgedeutet, jeder ironische Tonfall als strukturelle Gewalt analysiert. Das Opferbewusstsein ist zur Wellnessoase des Egos geworden. Denn nichts stärkt den Selbstwert so nachhaltig wie die Gewissheit, moralisch überlegen und gleichzeitig verletzt zu sein. Der Täter trägt Schlips oder Nachnamen, das Opfer die Deutungshoheit.

Und wehe dem, der sagt: Moment mal, vielleicht bist du gar nicht beleidigt worden – vielleicht hast du das nur so gesehen? Der wird postwendend exkommuniziert. Wahrnehmungskritik ist heute eine Form von Ketzerei. Das „Wie fühlt es sich an?“ hat das „Was ist passiert?“ ersetzt. Wir leben im Zeitalter der narzisstischen Narbe.
Ob sie echt ist, spielt keine Rolle. Hauptsache, sie gibt uns Bedeutung.

Corona war der große Realitätsabgleich – und niemand hat bestanden

Das beste Beispiel für diese kollektive Halluzination war und bleibt der Frühling 2020.
Ein Virus trat auf den Plan, und plötzlich sahen wir zwei völlig verschiedene Filme im selben Kino. Für die einen war es der Katastrophenthriller: „Die Seuche kommt“. Für die anderen der Dystopiestreifen: „Der Staat übernimmt die Kontrolle“. Beide Gruppen sahen exakt das, was sie sehen wollten. Oder besser: sehen mussten. Denn das Gehirn hasst Überraschungen mehr als Viren.

Masken waren für die einen Solidarität, für die anderen Unterdrückung. Lockdowns waren entweder Rettung oder Tyrannei. Fakten gab es genug auf beiden Seiten, aber keiner hat sie gesehen. Nur Vorhersagen, Vorannahmen, alte Datenpakete. Die Empirie verrottete auf den Servern der Gesundheitsämter, während auf Facebook metaphysische Grabenkämpfe tobten.

Akademiker: Halluzinierende mit Abitur

Aber, so denken die Gebildeten unter uns gern: Das betrifft doch nur „die anderen“.
Irrtum. Bildung ist kein Antivirus gegen Selbsttäuschung. Sie ist ein Upgrade. Wer promoviert hat, lügt sich nicht weniger in die Tasche – er tut es nur präziser, mit Fußnoten. Der Intellektuelle ist der Mensch, der seine Halluzinationen literarisch ausstaffiert. Die Projektion trägt dann Anzug und eine PowerPoint-Präsentation.

Wissenschaft, wohlgemerkt, ist ein wunderbares Werkzeug gegen Irrtum – für den, der bereit ist, sich selbst zu widerlegen. Leider sind die meisten Akademiker keine Wissenschaftler. Sie sind Überzeugungstäter mit Professorentitel.

Der Schmerz ist echt – das Problem ist das Bild

Das eigentlich Beängstigende an der Dartmouth-Studie ist nicht, dass Menschen sich täuschen.
Es ist, dass sie an den Folgen ihrer Täuschung leiden.

Die Probanden mit der eingebildeten Narbe hatten reale Schmerzen. Psychische Verletzung, physiologische Stressreaktionen, sozialer Rückzug. Alles echt. Nur der Anlass war erfunden – von ihrem eigenen Nervensystem.

Und jetzt kommt die unbequeme Frage:
Welche Narben tragen Sie noch mit sich herum, die längst weg sind?
Welche Gespenster spuken durch Ihr Leben, weil Ihr Hirn sie auf Dauerschleife wiedergibt?

Wir sind nicht verantwortlich für alles, was wir erleben. Aber wir sind verantwortlich für den Filter, durch den wir es betrachten.

Der kluge Mensch fragt nicht: „Warum sind die anderen so gemein zu mir?“
Er fragt: „Woher weiß ich eigentlich, dass das stimmt?“

Fazit: Wir sind alle bekloppt – aber wenigstens konsequent

Das Leben in der Halluzination hat einen Vorteil: Es ist komfortabel.
Man weiß immer genau, wer man ist und wer die anderen sind. Die Welt wird sortierbar, erklärbar, erträglich. Der Preis dafür ist hoch – aber immerhin bezahlen ihn alle.

Wer aus der kollektiven Täuschung aussteigen will, braucht Mut. Nicht den Mut, die Welt zu verändern. Sondern den Mut, sich selbst zu widersprechen.

Vielleicht beginnt es mit der simpelsten aller Fragen:

„Was, wenn ich mich irre?“

Das ist die härteste Droge, die es gibt.
Der Rausch der Klarheit hält nur kurz – aber er ist es wert.

Der Rechtsstaat als Perpetuum Absurdum

Das Paradox der Paragraphen: Wenn Gewalt und Gesetz Händchen halten

Es war einmal, in der besten aller möglichen Welten – also der Bundesrepublik Deutschland –, ein Staat, der sich auf die Fahnen geschrieben hatte, Gerechtigkeit für alle zu schaffen. Für alle? Ja, für alle! Auch für jene, deren Moralempfinden von der Restbevölkerung allenfalls noch durch den Blick auf Fallbeispiele aus dem Strafregister nachvollziehbar ist. Der Staat ist da demokratisch. Wer hier lebt, bekommt Rechte. Manchmal auch dann, wenn der gesunde Menschenverstand längst sein Arbeitszeugnis abgegeben hat.

In dieser Geschichte begegnen wir einem Mann, der – sagen wir es freundlich – mit dem Konzept von Konsens auf Kriegsfuß steht. Der Rechtsstaat nennt ihn nüchtern „den Vater“, die Geschädigte nennt ihn „den Vergewaltiger“, der Pressesprecher der Behörde nennt ihn „den Schutzsuchenden“. Und weil der Schutzsuchende bedauerlicherweise sein Asylverfahren verliert, benötigt er nun dringend ein Bleiberecht. Wer will schon zurück in ein Herkunftsland, in dem es weder Sozialhilfe noch Familiengerichte gibt?

Also setzt der findige Täter auf das, was in Deutschland immer funktioniert: das Kind. Und siehe da, der Rechtsstaat gehorcht. Vaterschaft anerkannt. Umgangsrecht beantragt. Der juristische Zirkus beginnt.

Der Rechtsstaat als Fließband: Gleichbehandlung auch für den Ungleichen

Die deutsche Rechtsdogmatik ist eine gnadenlose Maschine. Sie mahlt alles, was ihr gereicht wird – roh, blutig, unverdaut. Gleichheit vor dem Gesetz? Unantastbar. Ob jemand seinen Nachwuchs beim Picknick zeugt oder bei einer Straftat, interessiert den § 1626 BGB nicht im Geringsten. Der Gesetzestext kennt keine Emotionen, keine Geschichte, keine Gewaltakte – nur „Kind“, „Vater“, „Mutter“, „Umgang“.

In der Logik der Juristen ist der Täter nicht Täter, sondern Beteiligter am Sorgerecht. Der Tatort wird zum Zeugungsakt umgedeutet, die Straftat zum Verwaltungsakt mit familienrechtlichen Folgen. Der Vergewaltiger wird Vater – und aus dem Strafprozess erwächst der Umgangsantrag. Kafka hätte das nicht besser schreiben können, er hätte nur die Zeitungsartikel der Gegenwart abtippen müssen.

Man könnte fast lachen, wenn es nicht so bitter wäre. Oder, besser gesagt, man muss lachen, weil das Weinen sonst kein Ende nähme.

Mutterschaft als Pflichtschuld: Wer das Kind bekommt, bekommt auch den Vater dazu

Die Mutter in diesem Fall – nennen wir sie Anna, der Einfachheit halber – wird vom Rechtsstaat freundlich, aber bestimmt darauf hingewiesen, dass sie ja eine Wahl gehabt hätte: den Schwangerschaftsabbruch. Hätte sie sich für den Abbruch entschieden, wäre ihr der weitere Kontakt mit dem Täter erspart geblieben. Aber so, mit diesem „Ja“ zum Leben, hat sie sich eben auch für den Täter entschieden. Das Leben hat Nebenwirkungen – und der Rechtsstaat liefert die Packungsbeilage mit.

Man könnte sagen: Das Bundesjustizministerium betreibt eine Art Reproduktions-Logistik. Wer Leben produziert, muss mit den Lieferbedingungen des § 1684 BGB leben. Ein Leben ohne Vaterkontakt ist in Deutschland nicht vorgesehen, auch dann nicht, wenn der Vaterkontakt eine Form der Retraumatisierung ist, die selbst Sigmund Freud aus dem Grab hätte telefonieren lassen.

Im satirischen Umkehrschluss könnte man sagen: Deutschland schützt Frauen vor Gewalt – es sei denn, der Täter hat Familienbande. Dann heißt es: Willkommen im Eltern-Konsens-Center, bitte ziehen Sie eine Nummer.

Das DIJuF als Betreuungsagentur der Absurdität

Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht – liebevoll DIJuF genannt – hält sich dabei selbstverständlich an das, was man in Fachkreisen den „heiligen Rechtsrahmen“ nennt. Dieser Rahmen ist so festgezurrt, dass man darin auch einen Delinquenten mit Vorgeschichte kunstvoll aufhängen kann, ohne dass ein Paragraf schiefhängt.

Das DIJuF empfiehlt Umgangskontakte, schließlich sei das „Kindeswohl“ das oberste Gebot. Kindeswohl? Ach ja, das war dieses nebulöse Konstrukt, das sich hervorragend als Tarnkappe für systemische Absurditäten eignet. Wer definiert Kindeswohl? Die Paragraphen. Und die sagen, der Umgang mit beiden Elternteilen sei „in der Regel“ förderlich. Die Vergewaltigung? Bedauerlich, aber nicht rechtsrelevant für den Umgang.

Der Täter als Vater – eine neue Normalität, die nur Juristen ernst nehmen können, während der Rest der Gesellschaft kopfschüttelnd nach der versteckten Kamera sucht.

Die moralische Insolvenzverwaltung des Rechtsstaats

Man stelle sich für einen Moment vor, das deutsche Familienrecht wäre ein Autohaus. Der Kunde kommt, schildert sein Problem – und der Verkäufer sagt: „Tut mir leid, der Airbag ist kaputt, aber der TÜV hat das nicht geprüft, also ist das Fahrzeug betriebsbereit.“ So ähnlich funktioniert das Recht in solchen Fällen. Der Gesetzgeber prüft nicht, ob die Wirklichkeit mit dem Gesetz vereinbar ist. Er prüft nur, ob das Gesetz mit sich selbst im Einklang steht.

Die Juristen sind dabei wie die Kapitäne der Titanic: Sie wissen, dass da ein Eisberg ist, aber das Protokoll verlangt das Weiterfahren.

Ironie als letzter Rettungsring: Das Kind, der Täter, die Mutter und das Amtsgericht

Was bleibt? Der Zynismus als Überlebensstrategie. In einer Welt, in der Täter plötzlich Umgangsrechte geltend machen dürfen, kann man nur noch den schwarzen Humor als Rettungsring nutzen. Vielleicht sollten wir das Ganze auf die Spitze treiben: Warum nicht gleich ein gemeinsames Sorgerecht? Warum nicht ein Vater-Kind-Kochkurs mit anschließender Paarberatung?

Der Rechtsstaat will keinen Racheakt – er will Ordnung. Und Ordnung heißt: Jeder bekommt seine Rolle zugewiesen. Die Mutter als betreuender Elternteil, der Täter als umgangsberechtigter Vater, das Kind als emotionaler Spielball zwischen Paragraphen.

Man kann sich darauf verlassen: Es wird alles seinen geregelten Gang gehen. Das Jugendamt wird Protokolle schreiben. Das Familiengericht wird abwägen. Der Vergewaltiger wird seine Besuchszeiten bekommen.

Und der Rechtsstaat? Der wird stolz auf sich sein. Weil er – wie immer – konsequent und unparteiisch war. Auch wenn der Menschenverstand dabei schreiend aus dem Fenster gesprungen ist.

Schlussbetrachtung: Deutschland, ein Narrenschiff

Was lernen wir aus all dem? Deutschland ist ein Rechtsstaat – einer der besten der Welt. Aber wehe dem, der erwartet, dass das Recht auch gerecht ist.

Das Gesetz ist neutral. Es ist auch dann neutral, wenn es absurd wird. Es kennt keine Schamgrenzen, weil Paragrafen keine Gesichter haben. Und während die Betroffenen im Albtraum weiterleben, verneigt sich der Staat vor seiner eigenen Prinzipientreue.

Es lebe der Rechtsstaat. Auch wenn er längst im Irrenhaus wohnt.

So zynisch kann Kommunalpolitik sein

Das Elend als Event: Wenn Politik zum Bühnenbild wird

Man stelle sich vor: Ein Mann wühlt in einem Mülleimer nach einer Pfandflasche. Ein zweiter Mann – im Anzug, mit Aktentasche – stellt ihm wortlos eine Cola-Dose in einen aufwendig angebrachten Edelstahlring am Abfallbehälter. Kamera klickt. Applaus. Der Mann im Anzug ist Stadtrat in Graz (z.B. KPÖ). Der Mann am Mülleimer bleibt arm. So einfach ist die Welt, wenn man sie durch das Brennglas kommunaler Symbolpolitik betrachtet.

Die Pfandringe – leuchtend, sauber, leer – sind das neue Gesicht der Fürsorge im 21. Jahrhundert. Kein Sozialstaat mehr, der auffängt. Keine Strukturreform, keine Debatte über Mindestlöhne, keine Tabula Rasa bei der Verteilungsfrage. Stattdessen: Edelstahl. Statt Menschenwürde: Recyclingästhetik. Man hat das Elend institutionell eingepasst, architektonisch integriert und moralisch zu einem Feel-Good-Projekt umcodiert. Der Kapitalismus bekommt eine zärtliche Note, weil er jetzt Platz für den Müll der anderen macht.

Politik der Placebos: Hauptsache es glänzt

Es ist erstaunlich, wie kreativ Politik werden kann, wenn sie nichts lösen will. Man hätte die Armut ja auch einfach ernst nehmen können. Hätte Mindestpensionen erhöhen, Transferleistungen reformieren, Obdachlosigkeit systemisch bekämpfen können. Aber das hätte Mühe gemacht. Es hätte Reibung erzeugt. Und womöglich die Interessen derer verletzt, die ganz gut daran verdienen, dass alles so bleibt, wie es ist.

Stattdessen also Pfandringe. Man verkauft das als Innovation. Als sozialen Fortschritt. Als Ausdruck einer zivilisierten Gesellschaft. Dabei ist es nichts anderes als der Versuch, das moralische Elend hinter Edelstahl zu verstecken. Die Obdachlosen? Jetzt bitte nicht mehr im Müll wühlen. Das sieht so nach Scheitern aus. Lieber am Pfandring: ein ordentlicher Zugriff, fast schon höflich. Die neue Würde der Armut ist hygienisch und normgerecht.

Es ist eine bizarre Verkehrung der Realität: Nicht mehr das Elend wird bekämpft, sondern seine Sichtbarkeit. Die Armen sollen uns nicht mehr stören. Sie sollen bitte effizient, lautlos und sauber funktionieren – am besten im Durchfluss der Flasche von der Mittelstandshand in die Tasche des Verwertbaren. Kein Lärm, kein Mitleid, keine Verantwortung. Nur der reibungslose Fluss der Symbolpolitik.

Nachhaltigkeit mit Nachgeschmack

Die Grünen feiern den Pfandring als Beitrag zur Kreislaufwirtschaft. Das ist nicht falsch – nur grotesk unterkomplex. Nachhaltigkeit ist längst zur moralischen Ersatzreligion einer Politik geworden, die sich sonst nichts mehr traut. Statt sozialer Gerechtigkeit gibt es jetzt Müllgerechtigkeit. Die Mülltrennung ist die neue Klassenversöhnung. Du trinkst, ich sammle – und alle dürfen sich gut fühlen.

Man darf gar nicht zu lange darüber nachdenken, wie perfide das eigentlich ist: Eine Gesellschaft gibt ihren Bedürftigen nicht Teilhabe, sondern Zugriff auf ihre Flaschenrückstände. Das Elend wird zur Ressource erklärt. Armut zur ökologischen Dienstleistung. Und die Politik klopft sich dafür auf die Schulter, dass es keinen Aufstand gibt. Warum auch? Es ist doch alles geregelt – mit Ring und Regelwerk.

Dass diese Lösung nichts löst, ist irrelevant. Wichtig ist: Sie stört nicht. Sie kostet wenig. Sie passt ins Stadtbild. Und sie macht sich gut in der Pressemitteilung. Das politische Handeln wird zum PR-Konzept, der soziale Skandal zur urbanen Designlösung. Politik ist nicht mehr die Kunst des Möglichen, sondern die Verwaltung des Unvermeidlichen – mit Edelstahl und Sicherheitsverschraubung.

Die Dialektik der Demütigung

Armut ist kein Betriebsunfall – sie ist die systemische Voraussetzung für ein Wirtschaftssystem, das nur funktioniert, wenn jemand verliert. Doch anstatt diese Dynamik zu adressieren, hat man sich dafür entschieden, ihre Folgen zu managen. Mit Tafeln. Mit Suppenküchen. Mit Pfandringen. Und jedes dieser Werkzeuge dient einem einzigen Zweck: Den Status quo zu konservieren, während man ihn mit dem Anschein von Menschlichkeit tarnt.

Der Pfandring ist dabei nur die neueste Stufe dieser Dialektik der Demütigung. Er schafft eine Ordnung im Elend. Er sagt: Du darfst arm sein – aber bitte organisiert. Nicht bettelnd. Nicht sichtbar leidend. Nicht laut. Sondern funktional, diskret, am besten sogar dankbar. Und der, der gibt – die Flasche, nicht das Geld – darf sich dabei noch als Wohltäter fühlen. Es ist die perfekte Illusion: Solidarität ohne Opfer. Hilfe ohne Machtverzicht.

In Wahrheit ist es ein moralisches Totalversagen. Ein Eingeständnis, dass man Armut nicht abschaffen, sondern lediglich zähmen will – wie einen streunenden Hund, der am Rand des Reichtums geduldet wird, solange er nicht bellt. Der Pfandring ist sein Napf.

Die Zukunft der Verachtung ist rund

Vielleicht kommt als Nächstes der Klamottenring: ein Edelstahlbügel am Laternenmast, an den man seine ausgetragenen Jeans hängen kann, auf dass sie von Bedürftigen „nachhaltig genutzt“ werden. Oder die Restessen-Schublade in der Straßenbahn. Vielleicht bald auch: der „Mikro-Spenden-Slot“ am Poller, durch den man beim Vorbeigehen zwei Cent abwerfen kann. Alles steuerlich absetzbar. Alles PR-tauglich. Alles durchgerechnet.

Denn das ist das Ziel: Nicht Armut zu beseitigen, sondern sie in ein ästhetisch erträgliches Format zu pressen. Nicht den Menschen zu helfen, sondern das schlechte Gewissen der Helfer zu besänftigen. Die Zukunft der Verachtung ist rund, aus Edelstahl, vandalismussicher, wetterfest – und moralisch durchgeföhnt.

Die soziale Frage wird zur Frage der Entsorgung. Wer durch den Pfandring greift, greift nicht nur nach Leergut – er greift nach einem System, das ihn längst aufgegeben hat. Und die Politik lächelt dazu, als hätte sie gerade den Humanismus neu erfunden.

Ende.

Die letzte Drehbank Europas

Es ist still geworden in der Halle. Nur noch das Flimmern des Notausgangslichts erinnert an die Zeit, als hier Maschinen standen, die mehr konnten als Kaffee kochen oder sich mit dem Internet der Dinge über ihre midlife crisis austauschen. Die große Drehbank Europas, einst donnerndes Symbol technischer Machermacht, rostet heute unter einem Schild mit der Aufschrift: „Gefördert durch die EU – Nachhaltigkeit in der Produktion 2030“. Und da ist es wieder, dieses magische Wort: Nachhaltigkeit. Wie ein Mantra murmelt es sich Europa seit Jahren selbst zu, während China fröhlich die Lithiumminen des globalen Südens plündert und die USA zwischen Silicon Valley und Texas ihre industrielle Wiederauferstehung feiern. Europa aber? Europa recycelt.

Der eigentliche Witz – und wir lachen hier nicht ohne bittere Tränen –, ist der, dass man sich auf diesem Kontinent nun damit tröstet, moralisch zu gewinnen, wenn man wirtschaftlich schon längst verloren hat. Der Lohn des Gerechten ist eben kein Reallohn. Und CO₂-Neutralität gibt’s nicht im Bruttoinlandsprodukt.

Bürokratie statt Batterie: Die Regulierung frisst die Innovation

Was in China ein Projekt ist, ist in Europa ein Paragraf. Was dort ein Testlauf ist, ist hier ein Verwaltungsverfahren. Wo dort Halbleiterfabriken in sechs Monaten gebaut werden, reichen bei uns sechs Jahre für den Beschluss, eventuell über einen Planungsentwurf nachzudenken, der unter besonderer Berücksichtigung von Rotmilan, Krötenschutz und regionaler Wurstvielfalt ein paar Nanometer-Technologie ermöglichen könnte – sofern die Beteiligungsverfahren abgeschlossen und die Klagen der Bürgerinitiativen beigelegt sind.

Die europäische Industrie, dieses einstige Biest aus Stahl, Strom und Stolz, vegetiert heute unter der Knute einer bürokratischen Priesterschaft dahin, deren Evangelium aus Verordnungen, Richtlinien und strategischen Papieren besteht, die alles sein wollen, nur nicht effizient. Es ist ein bisschen so, als würde man einem Ertrinkenden einen Lehrgang in Wasserqualität anbieten, aber das Rettungsboot wegen Lieferkettenproblemen nicht aus dem Lager holen.

Die Geister, die wir frachten: Handelsbilanz und andere Märchen

„Wir exportieren Werte“, sagt der europäische Politiker mit glänzendem Blick. Doch in den Bilanzen stehen keine Werte, sondern Waren. Während China Batterien, Chips und Schiffe verkauft und die USA mit KI, Frackinggas und Waffen glänzen, exportiert Europa seine Schulden, seine Diplomatie und seine Gutgläubigkeit. Man verkauft noch immer Autos, ja, aber unter Auflagen, mit Emissionsnachweisen, in digitalisierten Formaten, die nur noch auf Servern in Irland existieren. Und währenddessen importiert man Solarpanele, Windräder und Rohstoffe – samt der Abhängigkeit, die sie mitliefern.

Die Realität ist eine kalte Excel-Tabelle, und da steht unter dem Strich: Europa schrumpft. Nicht als Ort, nicht als Idee, sondern als industrielle Kraft. Ein Kontinent, der einst die Dampfmaschine erfand, hängt heute am Tropf chinesischer Lithiumversorgung und amerikanischer Cloud-Infrastruktur. Und die EU-Kommission träumt von digitaler Souveränität, während sie sich mit Chatbots und Datenschutz-Grundverordnungen beschäftigt. Orwell hätte seine Freude daran.

Von der Hochofen- zur Hochmoralgesellschaft

Wir sind besser geworden. Nicht im technischen, aber im ethischen Sinne. Wir sind klimabewusst, divers, inklusiv, gendergerecht und fair. Wir reden über die Zukunft der Arbeit, ohne zu merken, dass die Arbeit uns verlässt. Wir philosophieren über Lieferkettengesetze, während wir zuschauen, wie unsere Lieferketten in andere Hemisphären umziehen. Der deutsche Mittelstand, das Rückgrat Europas, kämpft derweil mit Fachkräftemangel, Strompreisen und der Frage, wie man ein Unternehmen führen soll, wenn einem Brüssel jeden Monat einen neuen Compliance-Kalender zuschickt.

Europa ist moralisch intakt – das ist keine Ironie, das ist der Wahnsinn. Denn wer glaubt, die Welt funktioniere nach den Regeln des EU-Parlaments, der sollte mal versuchen, in Nigeria eine Turbine zu verkaufen oder in Vietnam eine Batterie zu produzieren. Der neue Kapitalismus kennt kein Mitgefühl. Und die Großmächte spielen Schach, während Europa Sudoku löst – mit ethischem Anspruch, versteht sich.

Der schleichende Selbstmord des Kontinents

Die Zahlen lügen nicht: 1990 war Europa für 25 % der Weltwirtschaft verantwortlich. Heute sind es 17 %. China war damals bei 3 %, heute ebenfalls bei 17 %. Das nennt man Umverteilung – nicht von Reichtum, sondern von Bedeutung. Und was tut Europa? Es streitet über Quoten, formuliert Visionen, gründet Ethikräte. Man hat sich auf der Titanic in den Ethikbeirat wählen lassen und hofft, dass der Eisberg ESG-konform ist.

In Wahrheit, und das ist die härteste Pointe, glaubt Europa immer noch, es sei Vorbild. Dabei ist es längst zum musealen Exponat geworden: Ein Kontinent mit großartigen Erinnerungen, exzellenten Museen und einem beeindruckenden Archiv an Weltgeltung. Was fehlt, ist Gegenwart. Was fehlt, ist industrielle Substanz. Was bleibt, ist das Gefühl, dass man alles richtig gemacht hat – und trotzdem bald nichts mehr produziert.

Vielleicht ist das die Pointe: Wir wollten nicht gewinnen

Europa hat den Krieg der Ideen geführt – und ihn gewonnen. Demokratische Standards, soziale Sicherungssysteme, eine der besten Zivilgesellschaften der Welt. Doch in der Weltwirtschaft zählt das nicht. Dort zählen Masse, Geschwindigkeit, Effizienz – und, ja: Macht. Und Macht wird nicht durch Konsultationsprozesse hergestellt, sondern durch Entscheidungen.

Vielleicht ist das unser eigentlicher Fehler: Wir wollten nicht mehr gewinnen, sondern nur noch überzeugen. Wir wollten nicht herrschen, sondern vorleben. Doch Vorbilder werden selten nachgeahmt – sie werden bestaunt, dann überholt, und irgendwann vergessen.

Ein letzter Witz

Und während der letzte europäische Industrielle das Licht in seiner Fabrik löscht und draußen ein Elektrobus vorbeifährt – Made in China, powered by Afrika, kontrolliert via Amazon Web Services –, seufzt er leise:

„Aber wenigstens war unsere CO₂-Bilanz tadellos.“

Und so endet die Geschichte Europas nicht mit einem Knall, sondern mit einem moralischen Zertifikat.

Ein Land zwischen Selbstbild und Wirklichkeit

Die Bundesrepublik Deutschland im Zeitalter der Verwirrung

Es gibt Länder, die wachsen. Und es gibt Länder, die wachsen nicht. Dann gibt es noch Deutschland – ein Land, das schrumpft und gleichzeitig so tut, als hätte es eine Wachstumsallergie, die ärztlich verordnet wurde. Deutschland, dieses geographische Meisterwerk der Bürokratie, des Formulardrucks und der Bedenkenträger, taumelt im 21. Jahrhundert mit einer Mischung aus technokratischer Arroganz, moralischer Überheblichkeit und digitaler Rückständigkeit, wie ein leicht beschwipster Beamter auf dem Heimweg von der Betriebsfeier. Wer das Glück (oder Pech) hat, außerhalb Deutschlands zu leben, aber regelmäßig mit Deutschen spricht – ob in Brüssel, Davos oder bei irgendeinem internationalem Kongress zur Rettung der Welt –, der wird bemerken: Deutschland ist überzeugt, alles besser zu wissen, obwohl es bei fast allem ins Straucheln gerät. Die Internetgeschwindigkeit liegt zwischen post-sowjetischer Nostalgie und steinzeitlicher Taubenschlag-Kommunikation, das Wirtschaftswachstum existiert nur noch als Echo aus besseren Jahren, und die Industrie – ehemals die strahlende Lokomotive Europas – wirkt heute wie ein rostiger Güterwaggon, dessen Bremsen quietschen und dessen Ziel unklar ist.

Digitalisierung? Lieber Faxgerät mit Datenschutzsiegel.

Deutschland und Digitalisierung – das ist wie ein Vegetarier beim Spanferkelessen: fehl am Platz, aber mit Prinzipien. In keinem anderen entwickelten Land der Welt gilt das Faxgerät als modernes Kommunikationsmittel mit so hohem moralischem Wert wie in deutschen Amtsstuben. Man glaubt fast, das Gerät sei heilig, geweiht von Datenschutzbeauftragten, die jede Form von Cloud-Speicherung als Vorhof der Hölle betrachten. Während Rumänien Glasfaserkabel verlegt, als hätte Dracula persönlich zur Digitalisierung aufgerufen, wühlt sich Deutschland durch Aktenschränke mit dem Eifer eines Archivars auf Zeitreise. Die Bürgerportale? Funktionieren manchmal. Die Verwaltung? Digital nur dort, wo man sich für eine neue Mülltonne bewerben kann. Der digitale Führerschein? Wird irgendwann nach 2030 erwartet, möglicherweise in einer Beta-Version mit elfseitigem PDF-Antrag, unterschrieben in dreifacher Ausführung, natürlich per Fax.

Moralweltmeister mit Wirtschaftshühnerbrust

Trotz oder gerade wegen all dieser Absurditäten versteht sich Deutschland als eine Art moralische Supermacht mit wirtschaftlichem Kleingärtner-Ehrgeiz. Man exportiert nicht nur Autos und Maschinen, sondern auch Verhaltensregeln, Energiemodelle und pädagogisch aufgeladene Handlungsanweisungen für ganze Kontinente. Die deutsche Außenpolitik gleicht einem Schulaufsatz in Ethik: gut gemeint, schlecht recherchiert, voller Konjunktive und mit erhobenem Zeigefinger. Dass die wirtschaftliche Grundlage für diesen missionarischen Übereifer langsam aber sicher unter den Füßen wegbröselt – geschenkt. Man lebt gern vom Kapital der Vergangenheit, solange man dabei mit verkniffener Miene in die Zukunft deuten darf. Die Realität, dass China längst das Spiel bestimmt, die USA den Ton angeben und selbst Länder wie Polen oder Tschechien in manchen Bereichen vorbeiziehen, wird dabei großzügig übersehen. Stattdessen diskutiert man in Talkshows über Gendersternchen auf Baustellenschildern, während das Baugewerbe wegen Bürokratie, Fachkräftemangel und Materialkosten kollabiert.

Industrie am Tropf: Der Patient klagt nicht, er schweigt.

Die deutsche Industrie, einst der muskulöse Arm der europäischen Wirtschaft, wirkt heute wie ein Kettenraucher nach der dritten Lungenoperation. Noch produziert sie, aber mit schwerem Atem und wachsender Unlust. Energiepreise, Regulierungsexzesse und ein politisches Klima zwischen Klimaneurose und Wirtschaftsvergessenheit drücken auf die ohnehin gebeutelten Unternehmen. Doch wer wagt es, laut zu klagen? Die DAX-Vorstände haben sich in eine Art Stockholm-Syndrom geflüchtet: Sie danken brav für jede neue Auflage, für jede neue ESG-Vorschrift, für jede steuerliche Daumenschraube. Und in dieser seltsamen Co-Abhängigkeit zwischen Wirtschaftsstandort und politisch-moralischem Theater findet eine absurde Choreografie statt: Unternehmen investieren lieber in Texas oder Vietnam, während deutsche Politiker stolz verkünden, dass es dem Standort gut geht – wenn man nur genug glaubt. Es ist ein bisschen wie beim Tanzen mit gebrochenem Bein: Man hält die Fassade aufrecht, aber die Schmerzen sind deutlich.

Die hohe Kunst des Belehrens – Made in Germany

Trotz aller Widrigkeiten bleibt eine Fähigkeit ungebrochen stark: Deutschlands Talent zur internationalen Belehrung. Ob es um Migration geht, Energiepolitik, Finanzdisziplin oder Landwirtschaft – Deutschland weiß es besser. Die Welt möge bitte die deutsche Wärmepumpe preisen, die deutsche Mülltrennung verehren und die Energiewende als Heilslehre adaptieren – auch wenn sie de facto eher einem Abwrackprämien-Marathon gleicht. Dass andere Länder ganz eigene geografische, wirtschaftliche oder politische Voraussetzungen haben, wird dabei elegant ignoriert. Denn in der deutschen Selbstwahrnehmung ist jeder Staat ein potenzielles Hessen mit leicht korrigierbarem Fehlverhalten. Man hält Reden in Brüssel, als wäre man der Klassensprecher der gesamten EU, ohne zu bemerken, dass der Klassenraum längst die Schule gewechselt hat.

Fazit: Zwischen Tragödie und Kabarett

Deutschland ist kein gescheitertes Land. Es ist ein hochfunktionaler Irrtum. Es lebt von seinem Ruf, seinen Ideen – und von einer kollektiven Selbsttäuschung, die in ihrer Komplexität fast schon bewundernswert ist. Man wähnt sich als Vorbild, während man in Wirklichkeit zuweilen nur noch ein Mahnmal der eigenen Hybris ist. Und doch: Es gibt Hoffnung, denn mit der gleichen Ernsthaftigkeit, mit der Deutschland seine Skurrilitäten pflegt, könnte es sich auch eines Tages reformieren. Vielleicht. Falls es jemandem gelingt, ein digitales Formular zur Modernisierung des Landes auszufüllen – leserlich, in Druckbuchstaben, mit Stempel und Durchschlag.