Das Weltreise-Kompott

Ein Birnenschicksal in sieben Zeitzonen

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen an einem gemütlichen Sonntagmorgen vor einer dampfenden Schale Birnenkompott. Der Duft ist verführerisch süß, ein Hauch von Zimt liegt in der Luft, und die Konsistenz ist geradezu perfekt: nicht zu weich, nicht zu fest. Was Sie da löffeln, so glauben Sie, sei ein schlichter Genuss – saisonal, regional, vielleicht sogar mit einem romantisch-bäuerlichen Anflug von Nachhaltigkeit. Was Sie in Wahrheit löffeln, ist der Triumphzug einer absurden Weltordnung – das Ergebnis von über 50.000 Reisekilometern, vier verschiedenen Währungen, sieben Mindestlöhnen, zwölf CO₂-Zertifikaten und einer ökologischen Fußspur, die der Elefantenherde des Anthropozäns zur Ehre gereicht.

Denn diese Birne ist keine gewöhnliche Frucht. Sie ist ein kosmopolitisches Wunderwesen der neoliberalen Spätmoderne. Geboren im Schatten der Anden, aufgezogen in argentinischen Plantagen unter der Sonne Patagoniens, in Monokultur-Reihen, die mit Pestiziden begossen werden wie deutsche Schrebergärten mit Bier. Sie wurde geerntet von billigen Händen mit teuren Träumen – Arbeitsmigranten aus Paraguay, angelockt von Versprechungen, die nur das Freihandelsabkommen eingehalten hat.

Verpackungskunst in Südostasien – global effizient, lokal absurd

Doch die Reise beginnt erst. Frisch vom Baum wird das Obst in Plastik gewickelt, in Kühlcontainern verladen, mit Diesellärm über den Atlantik geschippert, durch den Panamakanal geschleust, vorbei an Küsten voller Mikroplastik, und schließlich in ein thailändisches Verpackungszentrum geliefert, das aussieht wie eine Mischung aus Ikea-Lager und Industriedystopie.

Warum Thailand? Aus demselben Grund, aus dem man in Bangladesch Baumwolle verwebt, die aus Texas stammt, um dann Jeans für Berlin zu produzieren: weil es geht. Weil dort die Hände billig, die Vorschriften dünn und die Gewerkschaften still sind. Der thailändische Verpackungsarbeiter, ein anonymes Zahnrad im Weltmarktgetriebe, bekommt pro Tag weniger als der Birne ihre Zollmarken kosten. Seine Aufgabe ist es, die weichgekochte Frucht in eine Plastikschale mit buntem Etikett zu drücken, das mit klimaneutralem Grün suggeriert, hier wäre Mutter Natur persönlich am Werk gewesen.

Ein Etikett übrigens, das aus chinesischem Zellstoff gefertigt und in der Ukraine bedruckt wurde, bevor es mit dem Flugzeug nach Bangkok gebracht wurde – aus Zeitgründen, versteht sich.

Einmal um den Globus – und ab ins Supermarktregal

Doch auch damit ist die Reise noch nicht zu Ende. Verpackt, etikettiert und mit einer Lebensgeschichte ausgestattet, die bei „Wer bin ich?“ jede Therapiesitzung sprengen würde, wird das Kompott per Containerfrachter über den Pazifik geschippert. Ziel: Los Angeles. Dort erwartet es ein Distributionszentrum in der Größe eines mittelgroßen Staates, in dem Gabelstapler zwischen Bergen von Avocados, Mangos und Frühstücksflocken navigieren wie Fluglotsen auf Ecstasy.

Hier wird sortiert, etikettiert, kodiert und zugeteilt – bis das Glas mit dem argentinisch-thailändisch-amerikanischen Birnenkompott schließlich in einem Walmart in Ohio landet. Dort kauft es ein übermüdeter Familienvater für 2,99 Dollar, ohne zu ahnen, dass er damit eine ökonomische Kettenreaktion ausgelöst hat, deren Komplexität selbst ein Quantenphysiker als „nicht intuitiv“ bezeichnen würde.

Die unsichtbare Dummheit der Effizienz

Die Globalisierung gilt gemeinhin als Ausdruck rationaler, effizienter, wachstumsorientierter Modernität. Ein Planet, der wie ein Uhrwerk funktioniert, geölt von Logistik, getaktet von Algorithmen, gesteuert von „Just-in-Time“-Lieferketten und optimiert durch künstliche Intelligenz.

In Wahrheit aber ist sie der teuerste Umweg der Geschichte. Ein System, das mehr Energie verbraucht, um Dinge möglichst weit weg zu holen, als es je aufbringen würde, sie in der Nähe sinnvoll zu erzeugen. Die Effizienz der Globalisierung ist die Effizienz des Wahnsinns: rechnerisch unschlagbar, realitätspraktisch grotesk.

Denn in dieser Logik ist es nicht sinnvoll, eine Birne dort zu pflücken, wo sie gegessen wird. Es ist billiger, sie um die Welt zu schicken. Der Planet als Förderband, die Frucht als Kettenprodukt, der Konsument als Endstation einer logistischen Totalkarambolage.

Nachhaltigkeit als Dekoration

Selbstverständlich klebt auf dem fertigen Produkt ein Bio-Siegel. Natürlich ist das Glas recycelbar. Und sicher ist der Versand „kompensiert“. Mit einem Klick auf der Website des Herstellers kann man sich einen virtuellen Baum in Madagaskar anschauen, der angeblich das CO₂ dieser globalen Fruchtneutralisierung neutralisiert.

Dabei ist längst klar: Kein Baum der Welt kann all das wiedergutmachen, was da täglich durch Container, Flugzeuge, Lieferwagen, Stromnetze, Barcode-Scanner und Steueroptimierungsschlupflöcher gejagt wird. Der Birnenkompottwahnsinn ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Er ist keine Panne, sondern das System.

Globalisierung, so wie sie heute betrieben wird, ist nicht die Lösung für die Welt – sie ist das Problem der Welt. Und ausgerechnet jene, die ihre Absurdität laut beklagen, tun es oft beim Bio-Birnenkompott aus Übersee, während sie mit dem Daumen am Smartphone durch Lieferdienste scrollen.

Der süße Geschmack des Unverstands

Die Pointe ist bitter. Oder süß, je nach Geschmack. Die Menschen kaufen Globalisierung, weil sie billig ist. Sie klagen über ihre Folgen, weil sie spürbar werden. Und sie wählen Politiker, die versprechen, all das zu ändern – aber bitte ohne das Angebot im Supermarkt zu verringern.

Der moderne Mensch will Nachhaltigkeit, ohne auf Bequemlichkeit zu verzichten. Er will Regionalität, aber mit tropischem Flair. Er will faire Löhne, aber keine teuren Produkte. Er will alles – und zwar sofort.

Die Globalisierung hat ihm diesen Wunsch erfüllt. Auf Kosten des Planeten, der Arbeitskräfte, der Logik. Und eben jener kleinen Birne, die einst still am Baum hing, bevor sie zur Weltbürgerin gemacht wurde, um in einem Glas zu enden, das niemand braucht, aber jeder kauft.


Epilog

Vielleicht brauchen wir gar keine neuen Gesetze, keine CO₂-Steuern und keine UN-Klimagipfel. Vielleicht bräuchte es nur eines: dass jeder einmal sein Kompott rückverfolgen muss. Nicht via Trackingnummer – sondern per Flugticket.

Und dann, vielleicht, schmeckt Regionalität wieder nach Vernunft.

Oder nach Birne. Einfach nur Birne.

Willkommen im Chaos: Das europäische Asylsystem zwischen Fiktion und Farce

Ein kaputtes System – und keiner will’s reparieren

„Das europäische Asylsystem ist kaputt“, sagt der dänische Minister Kaare Dybvad Bek. Man kann ihm schlecht widersprechen. Die Frage ist eher: Warum sagt das erst jetzt jemand laut, und warum klingt es wie eine bahnbrechende Erkenntnis, wenn es doch längst zum Alltag gehört – wie der verspätete Zug oder der Koalitionsvertrag voller Absichtserklärungen ohne Folgen?

„Kaputt“ ist hier noch freundlich formuliert. Es suggeriert, dass etwas einmal ganz war und nun nur einer kleinen Reparatur bedarf – ein bisschen schrauben, ein wenig ölen, vielleicht die Software neu aufspielen, und schon läuft das Ding wieder. Tatsächlich handelt es sich aber nicht um eine defekte Maschine, sondern um ein selbstzerstörerisches Konstrukt, das nie für das gemacht war, was man ihm heute abverlangt. Ein kafkaeskes System von Regelungen, Ausnahmegenehmigungen, Zuständigkeiten und Zuständigkeitsvermeidung, das nicht mehr funktioniert, sondern sich nur noch simuliert.

Wir haben ein Asylsystem, das von Werten spricht und in Praktiken versinkt, das Menschenrechte predigt und Lager realisiert, das Aufnahmebereitschaft fordert, aber Abschottung lebt – und bei all dem ein rechtliches Monstrum geschaffen hat, das sich selbst in den Schwanz beißt, während es dazu freundlich lächelt.

Die Rückführungs-Lüge

Die Zahlen sind, mit Verlaub, eine Bankrotterklärung: Rund die Hälfte der Asylanträge wird abgelehnt – das ist die eine Seite. Die andere ist, dass nur ein Viertel dieser abgelehnten Menschen tatsächlich zurückgeführt wird. Der Rest bleibt. Irgendwo. Irgendwie. Geduldet, versteckt, integriert, toleriert – je nach Land, Stimmungslage, Regierungskonstellation oder Tagesform des zuständigen Sachbearbeiters.

Warum diese Rückführungen nicht funktionieren, ist längst kein Geheimnis. Die Herkunftsstaaten kooperieren nicht, die Personen tauchen unter, der Verwaltungsaufwand ist grotesk und das politische Interesse, diesen Zustand zu ändern, gegen null. Man fürchtet sich ja schon vor der reinen Nennung des Wortes Abschiebung, als handele es sich um eine Vokabel aus der dunkelsten Epoche der Menschheit. Lieber wird über humanitäre Verpflichtung fabuliert, während das System kollabiert.

Die Wahrheit ist: Rückführungen scheitern nicht an rechtlichen Hürden, sondern an fehlendem Willen, an ideologischer Verblendung, an moralischer Feigheit. Europa hat sich in einen normativen Käfig gesetzt, dessen Gitter aus Schuldkomplexen geschmiedet sind, durch den aber jeder, der laut genug Bleiberecht! ruft, einfach hindurchspaziert.

Die moralische Überbietungsgesellschaft

Das Asylrecht ist im europäischen Diskurs längst nicht mehr eine rechtliche Kategorie, sondern eine moralische. Wer Grenzen fordert, ist kaltherzig. Wer Rückführungen anmahnt, ist ein verkappter Reaktionär. Wer auf Regelbruch hinweist, wird gleich mit Mitleidsentzug bedroht. Statt differenzierter Diskussion regiert die Empörung, statt Analyse herrscht affektives Dauerschäumen.

Dabei wäre gerade in dieser Debatte Sachlichkeit dringend geboten. Aber das geht nicht – denn Asyl ist zur moralischen Ersatzreligion geworden. In einer Gesellschaft, die längst jede metaphysische Bindung verloren hat, wird das gute Gewissen an der Grenze verteilt. „Refugees welcome“ ist nicht mehr nur ein Slogan, es ist ein moralisches Sakrament – unausgesprochen, unbestritten, unantastbar.

Das Problem: Die Realität hält sich nicht an Narrative. Sie drängt sich mit Gewalt in die Debatte, in überforderte Kommunen, in aufgeplatzte Integrationsversprechen, in Kriminalstatistiken, in Wohnungsmangel, in Lehrermangel, in Sprachkurse, die nie stattfinden. Währenddessen streitet man in Brüssel noch über Quotenverteilungen, als könnte man ein Pulverfass durch Bürokratie entschärfen.

Migrationspolitik als intellektuelles Trümmerfeld

Man muss es leider so hart sagen: Die europäische Migrationspolitik ist ein intellektuelles Trümmerfeld. Was einst als humanitärer Imperativ begann, wurde zur politischen Ersatzhandlung. Man hatte keine Vision für Afrika, also ließ man die Menschen kommen. Man hatte keine Lösung für Bürgerkriege, also bot man Schutz. Man hatte keine Außenpolitik, also öffnete man die Tür.

Heute steht Europa vor den Scherben seiner Gutwilligkeit. Die Systeme sind überlastet, die Bevölkerung zunehmend unruhig, die öffentlichen Debatten vergiftet. Gleichzeitig kapituliert die Politik vor dem eigenen Anspruch. „Innovative Lösungen“ sollen es nun richten – als wäre es ein Marketingproblem. Vielleicht einfach eine App entwickeln: „Abschiebung per Swipe“ oder „Resettlement 4.0“.

Dabei liegt die Lösung nicht in der Technik, sondern im Mut zur Wahrheit: Man kann nicht unbegrenzt Schutz gewähren, ohne Schutzbedürftigkeit glaubwürdig zu prüfen. Man kann nicht Einwanderung in den Sozialstaat ermöglichen, ohne dessen Finanzierung zu gefährden. Man kann nicht multikulturelle Parallelwelten dulden und sich dann über mangelnde Integration wundern.

Die kommenden Unruhen – und das große Wegsehen

Wer heute noch ernsthaft glaubt, dass sich diese Entwicklungen folgenlos fortsetzen lassen, hat entweder keine Ahnung, keine Kinder oder keine Zeitung abonniert. Die öffentliche Unruhe ist nicht hypothetisch, sie ist bereits Realität – sie zeigt sich in sinkendem Vertrauen in Institutionen, in wachsender Wahlbeteiligung bei extremistischen Parteien, in einem dumpfen Grollen, das durch alle sozialen Schichten geht.

Noch ist das europäische Projekt nicht am Ende, aber es wird unterwandert – nicht von außen, sondern von innen. Vom eigenen Versagen, die Dinge beim Namen zu nennen. Von einer politischen Klasse, die lieber schwiegt, als Wähler zu verlieren. Von einer Medienlandschaft, die lieber beschwichtigt, als zu berichten. Von einer Zivilgesellschaft, die sich lieber in Selbstvergewisserung übt, als Verantwortung zu übernehmen.

Und das Schlimmste: Man könnte es wissen. Man müsste nur hinhören. In den Kitas, in den Kommunen, in den Innenministerien, in den Polizeiberichten. Die Lage ist keineswegs komplex – sie ist nur unbequem. Aber genau darin liegt die Tragik: Europa scheitert nicht an der Migration, sondern an sich selbst.

Fazit: Europas Asylpolitik ist kein Systemfehler – sie ist ein Systemversagen

Was also tun? Weniger träumen, mehr handeln. Weniger Pathos, mehr Realismus. Weniger Floskeln, mehr Rechtsstaat. Weniger moralisches Hochamt, mehr strategische Verantwortung.

Denn solange man weiter an einem System festhält, das weder schützt noch steuert, das Erwartungen weckt, die es nicht erfüllen kann, und Zustände duldet, die es nicht kontrolliert, wird die Katastrophe nicht vermieden – sondern nur hinausgezögert.

Europa kann viel. Aber es kann nicht gleichzeitig offene Türen versprechen und funktionierende Ordnung gewährleisten. Wer das nicht versteht, wird es bald auf der Straße erklärt bekommen.

Nicht von Minister Kaare Dybvad Bek. Sondern von der Realität.

Mit Volldampf gegen die Wand – Ein Weltgericht & das Klima

Vanuatu klagt – und der Planet klatscht Beifall

Es ist ein surrealer Moment: Eine winzige Inselnation, kaum mehr als ein vegetationsbedeckter Punkt im pazifischen Ozean, erhebt ihre Stimme – und die Welt hält den Atem an. Nicht aus Ehrfurcht, sondern aus schlechtem Gewissen. Der Internationale Gerichtshof wird nun tatsächlich gezwungen, eine Frage zu beantworten, die seit Jahrzehnten in Gremien, Gipfeln und Gletscherfeldern herumgestottert wird wie ein alter Dieselmotor im moralischen Gegenwind: Dürfen Staaten weiterhin die Erde grillen wie ein Steak auf einem saudischen Ölfass, ohne dass ihnen jemand juristisch auf die Finger klopft?

Vanuatu, ein Name, der in den Köpfen der Eliten bislang eher als exotischer Cocktail aus dem Duty-Free-Bereich erschien, legt nun den Finger in die eiternde Wunde der Weltordnung: Wer zahlt eigentlich für das Desaster, wenn das Meer sich holt, was die Kolonialgeschichte einst großzügig verteilte? Die Antwort ist denkbar einfach – alle schauen betreten zur Seite, während der Planet langsam die Temperatur auf dem Thermostat hochdreht.

Vom Ablasshandel zum Pariser Protokoll – Die feine Kunst des Wegschauens

Natürlich melden sich nun die üblichen Verdächtigen zu Wort. Saudi-Arabien zum Beispiel – jener monolithische Petrostaat, der die Zukunft als einen Ort sieht, in dem der letzte Barrel Öl mit einer Träne betankt wird – mahnt zur „Vorsicht“. Schließlich, so ihr nobles Argument, habe das Pariser Abkommen doch alles geregelt. Das ist in etwa so, als würde ein Brandstifter behaupten, man brauche keine Feuerwehr, weil man ja eine Betriebsanleitung für Feuerlöscher verfasst habe.

Auch Deutschland, Mutterland des moralisch korrekten Wegmoderierens, nickt weise. Ja, man habe Verpflichtungen – irgendwo zwischen Kohleausstieg, Autobahnneubau und Wahlkreislogik. Dass das Paris-Abkommen rechtlich etwa so bindend ist wie ein Neujahrsvorsatz nach dem dritten Gin Tonic, wird mit jener eleganten Ignoranz übergangen, die europäische Diplomatie so anziehend macht.

Juristische Nachsorge im globalen Hospiz

Was sich hier abzeichnet, ist eine neue Art von Weltgerichtsbarkeit – eine Reanimationsmaßnahme im Spätstadium des Anthropozäns. Denn wenn politische Systeme versagen (und sie versagen, mit der Konsequenz und Beharrlichkeit eines Langzeitversuchs), dann bleibt eben nur der Griff zur letzten Instanz: dem Recht. Die Justiz als Notfallmedikament für planetare Systemversagen. Welch grandiose Ironie, dass ausgerechnet der Internationale Gerichtshof nun zum Leuchtfeuer der Hoffnung mutiert – eine Institution, deren durchschnittliche Schlagkraft bisher irgendwo zwischen UNESCO-Tagung und UNO-Resolution mäanderte.

Aber siehe da: Immer mehr Staaten, NGOs, ja sogar Individuen wagen den Gang vors Gericht, als handle es sich um eine himmlische Instanz des Weltgewissens. Vielleicht auch, weil der Glaube an Politik ebenso geschmolzen ist wie das arktische Meereis.

Emittenten aller Länder – vereint euch (vor Gericht)

Die Idee, dass es Rechtspflichten geben könnte, sich nicht wie ein brandschatzender Vandale in der Erdatmosphäre aufzuführen, ist in manchen Hauptstädten der Erde offenbar ein Skandalon. Ein moralischer Angriff. Ein Affront gegen die heilige Kuh des unbehelligten Wirtschaftens. Dabei ist das Prinzip denkbar schlicht: Wer Müll macht, räumt ihn weg. Wer Schaden verursacht, haftet. Und wer am lautesten schreit, sollte vielleicht zuerst zuhören.

Doch plötzlich kommt Bewegung in die zähflüssige Mischung aus Zynismus und Verzögerung: Der Internationale Seegerichtshof nennt CO₂ eine Form der Meeresverschmutzung – ein intellektuelles Manöver, so simpel wie bestechend. Der Interamerikanische Gerichtshof zieht gar das ganz große Menschenrechtsregister: Wer Menschen einem unaufhaltsamen Klimakollaps ausliefert, verletzt das Völkerrecht – als ginge es um Folter. Die Zeiten, in denen der Umweltschutz ein piffiges Nebenprojekt für grüne Wahlprogramme war, sind endgültig vorbei. Jetzt geht’s ans Eingemachte: das Menschenleben selbst.

Globale Gerechtigkeit oder juristisches Wunschkonzert?

Doch die Frage bleibt: Was folgt daraus? Wird Shell demnächst Rückzahlungen an bangladeschische Bauern leisten? Muss Exxon seinen Aktionären mitteilen, dass künftige Dividenden in Reparationsfonds fließen? Oder wird alles enden wie bisher – mit wohlmeinenden Gutachten, moralisch einwandfrei, rechtlich folgenlos?

Der Druck wächst. Denn die Welt, einst ein launisches Kind, das sich von der Zivilisation verformen ließ, ist nun eine zornige Mutter, die mit den Konsequenzen zurückschlägt. Und es ist kein Zufall, dass gerade die am stärksten Betroffenen – jene Staaten, die am wenigsten zur Krise beigetragen haben – den juristischen Diskurs aufmischen. Ihre Klage ist keine Bettelei, sondern ein Aufstand.

„Fragen der globalen Gerechtigkeit“, so nennt es der UN-Jurist. Das klingt nach Amnesty, nach Poesie, nach Weltethos. Aber es ist in Wahrheit ein Schrei. Ein Ruf nach Rechenschaft. Nach der längst überfälligen Umkehr der Verhältnisse.

Ein zynisches Nachspiel – oder die Hoffnung auf den Ernstfall

Natürlich darf man nicht zu viel erwarten. Ein Gutachten des IGH ersetzt keine CO₂-Steuer. Kein Urteil bringt die Korallenriffe zurück. Und es ist mehr als wahrscheinlich, dass das erste Echo aus Peking, Washington und Riad ein wohlklingendes „no comment“ sein wird, gefolgt von einem Emissionsanstieg mit historischer Eleganz.

Doch etwas ist anders. Die juristische Bühne ist eröffnet. Und mit ihr die Erkenntnis: Wenn der Planet schon untergeht, dann wenigstens mit einem Aktenzeichen. Wenn die Menschheit schon scheitert, dann in Berufung. Und wenn Vanuatu klagt, dann hört die Welt – mit leicht schlechtem Gewissen, aber endlich – zu.

Vielleicht ist das der Anfang. Oder wenigstens das letzte Kapitel mit Fußnoten. Fußnoten, die in die Zukunft zeigen, falls es dort noch Leser geben sollte.

Die Kunst der selektiven Empörung

Es ist eine erstaunliche Disziplin, die die westliche Wertegemeinschaft seit Jahrzehnten perfektioniert hat: die selektive Empörung. Wenn Russland die Krim annektiert, Donbas-Söldner finanziert oder sich sonst wie völkerrechtswidrig gebärdet, dann fackeln EU, NATO und Co. nicht lange: Sanktionen! Boykotte! Gipfel der Besorgnis! Gipfel über den Gipfel! Gipfelbesprechungen zum Gipfel der Gipfel! Alles, was das diplomatische Waffenarsenal hergibt, wird aufgefahren.
Doch wenn es um den Dauerbrenner im Mittelmeer geht, die Teilung Zyperns seit 1974, dann herrscht bemerkenswerte Funkstille. Keine Magnitsky-Listen für türkische Generäle. Keine eingefrorenen Vermögen von Erdogan-Vertrauten. Keine Öl- und Gasembargos. Ja nicht einmal ein symbolisches Sanktions-Klingelstreichen vor der türkischen Botschaft!

Die Tatsache, dass ein NATO-Mitglied seit über fünf Jahrzehnten einen Teil eines EU-Mitgliedstaates besetzt hält scheint den Hütern des freien Westens ungefähr so viele Sorgenfalten zu verursachen wie ein Knopf, der in der Waschmaschine verloren gegangen ist.

Operation Atilla – Der vergessene Krieg

Der 20. Juli 1974 – ein Datum, das im kollektiven Gedächtnis der Weltöffentlichkeit offenbar mit Bleistift auf Butterbrotpapier geschrieben wurde. Damals startete die Türkei ihre sogenannte Operation Atilla (ja, benannt nach dem Hunnenkönig – subtil war gestern). Unter dem Vorwand, die türkische Minderheit vor den griechisch-zypriotischen Putschisten zu schützen, marschierte die türkische Armee ein und nahm mal eben ein Drittel der Insel in Besitz. Rund 200.000 Menschen wurden vertrieben, ihre Häuser geplündert, ihre Olivenhaine annektiert, ihre Zypressen umgesägt – und das Völkerrecht? Das saß derweil wohl irgendwo in Brüssel bei einem Aperol Spritz und wartete darauf, wieder ernst genommen zu werden.

Die UN verurteilte den Einmarsch damals. Mehrmals. Mit Resolutionen. Das war’s dann aber auch. Eine Resolution ist wie ein Therapievorschlag für einen Brandstifter: höflich gemeint, aber am Ende brennt es trotzdem weiter.

Die zwei Gesichter der Weltordnung

Es ist schon bemerkenswert, wie flexibel der Begriff “völkerrechtswidrig” ausgelegt werden kann, wenn man ihn nur oft genug dehnt. Die Krim ist “inakzeptabel”, der Donbas “ein Skandal”, Gaza ein “humanitärer Alptraum” – aber Zypern? Ach, das ist doch diese Ferieninsel mit den guten Meze-Tellern und den freundlichen Hotelrezeptionisten, nicht wahr?
Wenn der türkische Präsident Erdogan anlässlich des 51. Jahrestages der Invasion verkündet, die Welt solle sich gefälligst mit der Zweistaatenlösung abfinden, dann wirkt das ungefähr so grotesk, als würde Wladimir Putin in Sewastopol einen Tost auf die “unverrückbaren Realitäten” anstoßen und den Westen auffordern, sich mit der Krim-Annexion endlich zu arrangieren.

Nur dass Putin dafür sanktioniert wird – und Erdogan? Der bekommt EU-Gelder für Flüchtlingslager und neue Panzermodelle mit deutsch-türkischer Kooperation.

Ein Lehrstück in Doppelmoral: Der Zypern-Case-Study-Workshop

Lassen Sie uns, werte Leserinnen und Leser, einmal für einen Moment naiv sein – nur der Übung halber. Stellen wir uns vor, Russland hätte 1974 ein Drittel Finnlands besetzt. Oder China einen Teil Japans. Oder der Iran den halben Oman. Glauben Sie, es gäbe dann 51 Jahre später noch Verhandlungen über die “Anerkennung der neuen Realitäten”? Oder hätten wir es mit Embargo-Monumenten und Wirtschaftssanktionen von biblischen Ausmaßen zu tun?

In Zypern hingegen übt sich der Westen im diplomatischen Yoga: Man verbiegt sich in alle Richtungen, um ja nicht allzu genau hinzuschauen. Die Besatzung Nordzyperns ist gewissermaßen das diplomatische Äquivalent zum unangenehmen Verwandten, der seit Jahrzehnten auf der Couch liegt, aber keiner traut sich, ihn rauszuwerfen.

Erdogan der Ewig-Besetzer – mit freundlichen Grüßen aus Ankara

Dass Erdogan inzwischen selbstbewusst wie ein Platzhirsch die Zweistaatenlösung fordert, ist da nur konsequent. Wer jahrzehntelang ungestört Fakten schaffen darf, der kann irgendwann auch verlangen, dass die Welt diese Fakten bitteschön als “gegeben” akzeptiert.
Und warum auch nicht? Die türkische Republik Nordzypern wird zwar bis heute nur von der Türkei anerkannt, aber was heißt das schon, wenn der Rest der Welt so tut, als wäre der Zustand eben “kompliziert” und “schwierig”?

“Kompliziert” ist übrigens das Lieblingswort der internationalen Gemeinschaft, wenn sie meint: Wir möchten da nicht hinsehen, sonst müssten wir ja handeln.

Der ewige Frieden der Doppelmoral

Was bleibt also nach 51 Jahren türkischer Besatzung in Nordzypern? Ein politisches Vakuum, in das bequem der Zynismus einziehen kann. Erdogan darf weiterhin vom “Schutz der türkischen Zyprioten” sprechen, während er sich die besten Grundstücke am Strand sichert. Die EU darf weiterhin so tun, als sei die Lage “festgefahren”, während deutsche Rüstungsfirmen mit Ankara Deals machen. Und der Rest der Welt? Der sonnt sich am Ayia-Napa-Strand auf der Südseite der Insel und bestellt noch einen Cocktail.

Vielleicht ist das ja die wahre Zweistaatenlösung: Auf der einen Seite der Insel die völkerrechtliche Empörung, auf der anderen Seite die diplomatische Amnesie.

Willkommen im Donbasz des Mittelmeers. Prost.

Der 20. Juli 1944

Das Attentat auf Hitler und die Tragik seines Scheiterns

Der 20. Juli 1944 markiert eines der bekanntesten, aber zugleich widersprüchlichsten Kapitel des Zweiten Weltkriegs. Der Versuch, Adolf Hitler durch ein Attentat zu töten und das nationalsozialistische Regime zu stürzen, ist zu einem Symbol des deutschen Widerstands geworden. Doch bei aller Würdigung des Mutes der Verschwörer darf nicht übersehen werden: Das Scheitern des Attentats führte dazu, dass die blutigste Phase des Krieges erst danach begann. Die größten Opferzahlen des Zweiten Weltkriegs und der Holocaust in seiner brutalsten Endphase sind untrennbar mit dem Zeitraum nach dem 20. Juli 1944 verbunden.

Die Ausgangslage: Ein Krieg, der längst verloren war

Im Sommer 1944 war die militärische Lage des Deutschen Reiches bereits hoffnungslos. In der Normandie waren alliierte Truppen gelandet und hatten einen zweiten Kriegsschauplatz in Westeuropa eröffnet. Im Osten hatte die Rote Armee mit der Operation Bagration die deutsche Heeresgruppe Mitte vernichtet – eine der schwersten militärischen Niederlagen der Wehrmacht im gesamten Krieg.

Die deutsche Führung wusste, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Doch anstatt einen Waffenstillstand zu suchen, setzte das nationalsozialistische Regime auf totale Mobilisierung und Durchhalteparolen. Der Glaube an den „Endsieg“ war nicht nur Propaganda, sondern eine Form ideologischer Verblendung, die jede realistische Lageeinschätzung ausschloss.

Vor diesem Hintergrund wuchs innerhalb der Wehrmacht und des Staatsapparates die Überzeugung, dass nur die Ausschaltung Hitlers den Krieg beenden könne. Der militärische Widerstand, der sich seit 1938 in verschiedenen Zirkeln organisiert hatte, entschloss sich deshalb zum Attentat.

Das Attentat: Operation Walküre

Am 20. Juli 1944 platzierte Claus Schenk Graf von Stauffenberg in der „Wolfsschanze“ bei Rastenburg einen Sprengsatz unter dem Kartentisch, an dem Hitler mit seinen Generälen eine Lagebesprechung abhielt. Der Plan sah vor, nach der Ermordung Hitlers den Ersatzheer-Befehl „Walküre“ auszulösen, um das Reich von innen zu übernehmen, die SS zu entmachten und Friedensverhandlungen mit den Alliierten einzuleiten.

Doch der Anschlag scheiterte. Die Aktentasche mit dem Sprengsatz wurde unglücklich umplatziert, ein massiver Eichentisch schirmte die Druckwelle ab. Hitler überlebte mit leichten Verletzungen.

Die Nachricht von seinem Überleben verbreitete sich schnell. Der Staatsstreichversuch brach in sich zusammen, noch bevor er richtig begonnen hatte. Stauffenberg und weitere Verschwörer wurden in der Nacht auf den 21. Juli im Berliner Bendlerblock erschossen.

Die Folgen des Scheiterns: Eskalation der Gewalt

Die gescheiterte Tat hatte dramatische Konsequenzen. Hitler und seine Gefolgsleute nutzten das Attentat, um den Staatsapparat noch stärker zu zentralisieren und die verbliebenen Reste unabhängiger Militärführung auszuschalten. Die Gestapo und der Reichssicherheitsdienst gingen mit brutaler Effizienz gegen alle tatsächlichen und vermeintlichen Gegner des Regimes vor.

Über 7.000 Menschen wurden im Zusammenhang mit dem Attentat verhaftet. Rund 200 von ihnen wurden hingerichtet, oft nach Schnellverfahren vor dem Volksgerichtshof unter Roland Freisler, der Schauprozesse in grotesker Form inszenierte. Das Strafmaß war meist von vornherein festgelegt: der Tod durch Erhängen, vielfach mit dem besonderen Ziel der öffentlichen Demütigung.

Hitler verstärkte zudem den Zugriff auf die Wehrmacht. Das eigenständige Handeln der Offiziere wurde massiv eingeschränkt, viele von ihnen wurden aus dem Dienst entfernt oder liquidiert. Die „Säuberung“ des Offizierskorps war nicht nur eine politische Abrechnung, sondern ein weiterer Schritt zur Militarisierung des Fanatismus. Die Wehrmacht wurde ab diesem Zeitpunkt zunehmend zur willenlosen Exekutive der nationalsozialistischen Führung.

Die Opferzahlen: Der Krieg nach dem 20. Juli

In den neun Monaten nach dem gescheiterten Attentat starben mehr Menschen als in den gesamten Jahren zuvor. Die letzten Kriegsmonate forderten die höchsten Verluste – auf allen Seiten.

  • An der Ostfront rückte die Rote Armee unaufhaltsam vor. Städte wie Königsberg, Breslau und Budapest wurden in blutigen Kesselschlachten verteidigt, obwohl ihre Einnahme militärisch längst beschlossene Sache war. Das bedeutete hunderttausende Tote unter Soldaten und Zivilisten.
  • Im Westen führten alliierte Luftangriffe zu den verheerendsten Bombardierungen des Krieges. Dresden, Pforzheim, Würzburg, Hildesheim – Städte gingen in Flammen auf, Hunderttausende verloren ihr Leben.
  • Die Wehrmacht führte den Krieg weiter, obwohl alle militärischen Analysen bereits im Sommer 1944 einen Sieg ausgeschlossen hatten. Der Volkssturm wurde aufgestellt, Kinder und Alte wurden bewaffnet, um den Vormarsch der Alliierten zu verlangsamen. Der Begriff vom „Krieg bis zum Untergang“ war keine Prophezeiung, sondern Praxis.

Der Holocaust nach dem 20. Juli

Auch die Vernichtung der europäischen Juden wurde nach dem gescheiterten Attentat nicht gestoppt, sondern beschleunigt. Insbesondere in Ungarn eskalierte der Holocaust in dieser Spätphase des Krieges:

  • Zwischen Mai und Juli 1944 wurden ca. 437.000 ungarische Juden in kürzester Zeit nach Auschwitz deportiert – viele von ihnen wurden sofort nach der Ankunft ermordet.
  • Auschwitz-Birkenau arbeitete im Sommer und Herbst 1944 im Akkordbetrieb. Der Mord an den europäischen Juden war längst industriell organisiert, aber nach dem 20. Juli nahm er eine neue Dringlichkeit an: Die Nazis wollten ihre „Endlösung“ vollenden, bevor der Krieg verloren war.

Die grausame Logik: Das Überleben Hitlers führte nicht nur zum Weiterführen des Krieges, sondern auch zum Vollenden des Völkermordes.

Der Blick auf den Widerstand

Heute wird der 20. Juli 1944 als Gedenktag für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus begangen. Der Mut der Verschwörer steht außer Frage. Doch der Widerstand war – nüchtern betrachtet – isoliert, spät und militärisch unprofessionell umgesetzt.

Viele der Beteiligten handelten weniger aus grundsätzlicher Opposition gegen den Nationalsozialismus, sondern aus der Überzeugung, dass Deutschland vor dem totalen Untergang bewahrt werden müsse. Auch das muss zur historischen Einordnung gehören.

Dennoch bleibt der 20. Juli ein bedeutsames Datum. Er zeigt, dass es auch im totalitären System Menschen gab, die bereit waren, ihr Leben für den Sturz des Tyrannen zu opfern.

Fazit: Ein tragischer Wendepunkt

Der 20. Juli 1944 war kein Wendepunkt im Sinne einer Wende zum Besseren – sondern ein Moment der gescheiterten Chance. Das Attentat hätte den Krieg erheblich verkürzen können. Sein Scheitern führte hingegen dazu, dass die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs die brutalsten und verlustreichsten wurden.

Der Widerstand gegen Hitler war notwendig, aber er war zu spät, zu schwach und zu isoliert. Der Preis des Scheiterns war nicht nur der Tod der Verschwörer, sondern das Weiterdrehen der Mordmaschine bis zum bitteren Ende.

Ein Putsch der Juristen und Banker

Oder: Wie man die Demokratie bei lebendigem Leib beerdigt und es „Klimaschutz“ nennt

Es ist ein leiser Staatsstreich, fast höflich im Ton, ein Putsch mit Füllfederhalter und Robe, nicht mit Bajonett. Die Demokratie wird nicht gestürzt, sondern abgewickelt, wie eine überschuldete GmbH. Die Richter regeln das schon. Die Zentralbank macht den Rest.

Einmal mehr zeigt sich: Der Weg zur Hölle ist mit Verfassungskommentaren gepflastert.

„Natürlich denkt man zunächst an Parlament und Regierung“, säuselt die Verfassungsrichter-Kandidatin, als ginge es um eine Formsache – die parlamentarische Demokratie also, ja, ja, klar, schon wichtig, theoretisch. Aber dann kommt der Satz, der in seiner kalten Frechheit jeden Putschisten der alten Schule erblassen ließe: „Wir stellen aber leider fest, dass sie das Thema nicht schnell genug voranbringen.“

Übersetzung: Die Politik trödelt. Das Volk ist faul. Die Demokratie versagt. Da muss eben die Richterkaste übernehmen. Oder noch besser: die Banker. Die wissen wenigstens, wie man durchgreift, ohne sich die Hände schmutzig zu machen.

Demokratie? Zu langsam, zu dumm, zu hinderlich

Wir erleben die Verrechtlichung der Politik, den Technokratie-Totalitarismus im Nadelstreifen. Klimaschutz wird zur Verfassungsnorm erklärt, und der Gesetzgeber? Der steht daneben wie ein ahnungsloser Hausmeister, dem man die Schlüssel bereits abgenommen hat. Der neue Verfassungsstaat braucht kein Parlament mehr, nur noch Richter mit Weltrettungsambitionen und Banker mit CO₂-Excel-Tabellen.

Demokratie war gestern. Heute regiert das Verwaltungsgericht. Heute diktiert die Zentralbank. Heute entscheidet die BaFin, ob der Mittelständler noch einen Kredit bekommt oder ob sein CO₂-Fußabdruck leider ein bisschen zu groß ist.

Der Wähler? Ach bitte! Der Wähler hat’s verbockt. Immer wieder die falschen Parteien gewählt. Immer wieder den Fortschritt blockiert. Das lässt sich der moderne Funktionärsadel nicht länger gefallen. Die Demokratie war schön, solange sie spurte. Jetzt wird sie begradigt, zurechtgestutzt, wie ein lästiger Heckenwuchs, der den Ausblick auf die große Zukunft verstellt.

Der ökologische Ausnahmezustand als Geschäftsmodell

Der Trick ist genial in seiner Schlichtheit: Man erklärt den Notstand – nicht mit Sirene, sondern mit Fußnoten. Dann übernimmt man die Macht – nicht per Panzer, sondern per Paragraf. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts werden zu Klimabeauftragten. Die EZB wird zur Weltrettungsagentur. Die Notenbank schwingt den grünen Daumen, der Staatsanwalt kontrolliert den CO₂-Ausstoß, und der Bürger darf sich noch fragen, ob er überhaupt noch existiert – oder ob er längst als Emissionsfaktor in einer Tabellenkalkulation verbucht wurde.

Der demokratische Diskurs? Zu langsam. Die Wahlentscheidung? Zu dumm. Das Parlament? Zu feige.

Also regiert der moralische Komplex aus Juristen, Ökonomen, Zentralbankern und NGO-Lobbyisten. Sie nennen es Verantwortung. Sie meinen: Machtergreifung.

Der neue Adel: Unwählbar, unantastbar, unanfechtbar

Der Vorteil des neuen Systems ist evident: Wer nicht gewählt wird, muss auch keine Wähler fürchten. Zentralbankräte werden nicht abgewählt. Richter auf Lebenszeit nicht abgesetzt. Expertenkommissionen nicht abberufen. Der Souverän ist abgeschafft, aber dafür haben wir endlich die geballte Kompetenz von Harvard, Frankfurt und Brüssel am Steuer.

Wer könnte da noch meckern?

Ach, natürlich ein paar ewiggestrige Demokraten. Die noch glauben, dass Volkssouveränität etwas mit Abstimmungen zu tun hat. Diese Naivlinge verstehen eben nicht, dass der moderne Rechtsstaat den Bürger längst als Risiko betrachtet, nicht als Souverän.

Der neue Staat ist ein Klima-Aufsichtsrat mit integriertem Ethikfilter. Entscheidungen trifft der Vorstand der Erleuchteten, kontrolliert von den Juristen im Verfassungs-Sicherheitsrat.

Die Parlamente dürfen noch Plenardebatten führen – so wie früher der Kaiser seine Schoßhündchen streichelte. Nett anzusehen, aber völlig irrelevant.

Von der „regelbasierten Ordnung“ zur Herrschaft der Richterweisheit

Früher sagte man: Politik ist der Streit um den besten Weg. Heute heißt es: Der beste Weg steht fest, es gibt nur noch die Umsetzung. Wer den Weg infrage stellt, landet nicht mehr auf dem politischen Gegnerstapel, sondern im moralischen Sperrmüll.

Die neuen Herrscher haben keinen Wahlkampf geführt, keine Stimmen gezählt, kein Mandat erhalten. Aber sie haben etwas Besseres: den „Sachverstand“. Der ist bekanntlich unfehlbar. Und wer ihm widerspricht, ist entweder Klimaleugner, Wissenschaftsfeind oder Verschwörungstheoretiker – mindestens.

Die Gerichte urteilen, der Notenbankrat regelt, der Ethikrat flankiert – und die Politik darf die Pressekonferenz machen.

Das Ende der Freiheit – verpackt in Nachhaltigkeitsrhetorik

Es wäre ja fast amüsant, wenn es nicht so tödlich ernst wäre: Während die Bürger noch diskutieren, ob sie Fleisch essen dürfen, wird hinter ihrem Rücken die marktwirtschaftliche und demokratische Grundordnung zerlegt – für das Klima, versteht sich.

Das Recht auf Eigentum? Klar, solange der CO₂-Fußabdruck stimmt.
Das Recht auf wirtschaftliche Betätigung? Natürlich, sofern die EZB zustimmt.
Das Recht auf politische Teilhabe? Aber sicher – nur leider folgenlos.

Wir schaffen gerade die freiheitliche Demokratie ab und nennen es „Transformation“.

Der zynische Nachruf auf die Demokratie

Machen wir uns nichts vor: Der Putsch der Juristen und Banker ist bereits gelungen. Es gab keine Panik, keine Barrikaden, kein martialisches „Wir übernehmen jetzt“. Es war subtiler. Eleganter. Effizienter.

Man hat einfach den politischen Prozess ersetzt durch den Rechtsweg. Die politische Entscheidung ersetzt durch das Urteil. Die ökonomische Freiheit ersetzt durch den moralischen Kreditfilter.

Und der Bürger? Der darf noch beim Heizungstausch mitreden. Vielleicht.

Rest in Peace, Demokratie. Du warst schön, solange du funktioniert hast. Aber jetzt kommen die Profis.

Die Zukunft gehört den Unwählbaren.

Die große Klimakarawane

Willkommen im Zeitalter der Emissionsgala

Es war einmal, in einem fernen, feuchten Landstrich namens Belém, dort wo der Amazonas schnaubt und das CO₂ der Kreuzfahrtschiffe gegen den Urwald dampft, als die Menschheit beschloss, sich ein weiteres Mal zu treffen, um über ihr Überleben zu sprechen. Natürlich nicht irgendwer. Es sind die Besten der Besten, die Klügsten der Klugen, die Empörtesten der Empörten – oder wenigstens deren Vertreter, Berater, Dolmetscher, Lobbyisten, Sicherheitsleute, Social-Media-Betreuer und Instagram-Story-Filmer. Die internationale Elite der Weltklimaretter reist an, vorzugsweise mit dem Privatjet, versteht sich – man will ja nicht den Bus nehmen, wenn’s um den Planeten geht.

Doch oh weh! Die Hotels sind voll. Ein kleines logistisches Missgeschick, könnte man meinen, aber die Lösung? Sie ist so charmant zynisch, dass man glauben möchte, Bertolt Brecht persönlich habe das Drehbuch geschrieben: Man lässt kurzerhand zwei der größten Kreuzfahrtschiffe des Planeten vorfahren, um die Umweltretter zu beherbergen. Und so gleiten demnächst die Costa Diadema (4947 Betten, 7 Pools) und die MSC Seaview (5119 Betten, 16 Restaurants, Teppanyaki inklusive) majestätisch in den Hafen von Outeiro – selbstverständlich nicht ohne vorher noch ein paar hunderttausend Liter Diesel zu verfeuern, denn Klimakonferenzen müssen ja irgendwie warmgehalten werden.

Kreuzfahrt in die Apokalypse

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Während in den Konferenzsälen von Belém die Staatenvertreter wortreich über die 1,5-Grad-Grenze schwadronieren, plätschert auf Deck 14 der MSC Seaview der Whirlpool. Unten im Maschinenraum röhren die Dieselmotoren. 500.000 Liter Sprit pro Tag – das ist kein Fortbewegungsmittel mehr, das ist ein Statement. Etwa 1200 Tonnen CO₂ täglich spucken die schwimmenden Bettenburgen aus, damit sich Botschafter und Verhandler nach einem anstrengenden Panel zu „Zero Emissions 2050“ am Sushi-Buffet entspannen können. Es muss ja nicht immer Teppanyaki sein, aber wenn schon Klimarettung, dann wenigstens all-inclusive.

Natürlich könnte man fragen: Warum nicht einfach Zelte aufschlagen? Oder die Veranstaltung hybrid abhalten, so wie es sich seit Corona eingebürgert hat? Aber dann würde ja das Wichtigste fehlen: das feuchte Händeschütteln, der Networking-Sekt, das persönliche Schulterklopfen beim Sundowner. Der Mensch ist eben ein soziales Tier, und das Klima lässt sich nicht retten, wenn man sich nicht vorher beim Filet Mignon in die Augen gesehen hat.

Der Wahnsinn hat einen Hafen

Der Hafen von Outeiro, bislang eher bekannt für seine bescheidene Existenz am Rand der Weltkarte, wird also gerade ausgebaut. Ein 710 Meter langer Pier, neue Abfertigungsgebäude, 35 Millionen Dollar fließen – für die Infrastruktur der Rettung. Ob der Amazonas davon profitiert? Fraglich. Ob der lokale Fischmarkt jubelt? Eher nein, denn der klimatisierte Sushi-Lieferant aus Tokyo steht eh schon in den Startlöchern.

Aber gut, man darf nicht kleinlich sein. Schließlich geht es hier um das große Ganze. Die Vertreter von 103 Botschaften haben ja schließlich nicht den Job, den CO₂-Fußabdruck zu verkleinern, sondern ihn zu verwalten. Oder, um es präziser zu sagen: darüber zu konferieren, wie man künftig andere dazu bringt, auf Dinge zu verzichten, während man selbst noch schnell ein Dessert vom Schokobrunnen holt.

Der Planet stirbt – aber stilvoll, mit Pooldeck

In einer besseren Welt würde man über diese Farce lachen können. Aber leider leben wir in genau der Welt, über deren Rettung hier gesprochen wird. Man könnte es auch so sagen: Das Zeitalter der symbolischen Politik ist zu Ende, wir befinden uns längst im Zeitalter der symbolischen Parodie auf die symbolische Politik.

Die Kreuzfahrtschiffe vor Belém sind keine Randnotiz, sie sind das perfekte Symbol der modernen Klimadiplomatie: groß, schwer, laut und in ihrer Widersprüchlichkeit so konsequent, dass es schon wieder konsequent ist. Während man drinnen im Konferenzraum Klimagerechtigkeit diskutiert, stehen draußen die Dieseltanks bereit. Während man das Artensterben beklagt, röstet der Ship-Grill auf Stufe fünf. Und während man von Dekarbonisierung schwadroniert, schwimmt ein schwimmender Freizeitpark durch den Hafen, dessen Primärenergiebedarf ungefähr dem von Kleinstädten entspricht.

Das nächste Level der Heuchelei

Man muss den Delegierten nicht böse sein. Sie sind ja nur ein Spiegel des Systems. Der moderne Klimagipfel ist längst nicht mehr der Ort, an dem Lösungen entstehen. Er ist ein Event. Ein Jahrmarkt der Betroffenheit, gepaart mit luxuriösem Eskapismus. Das Schöne daran: Der Widerspruch wird nicht mehr versteckt, sondern zur Kunstform erhoben. Der Kapitalismus rettet jetzt das Klima – und zwar mit exakt den Methoden, mit denen er es ruiniert hat.

Da wäre es ja fast schon ehrlicher, beim nächsten COP-Treffen einen Sponsor aus der Kreuzfahrtbranche direkt ins Logo zu nehmen: „COP31 – presented by Carnival Cruises. CO₂-neutral durch doppelte Buchführung.“ Oder vielleicht gleich einen Themenpark eröffnen? „Klimawelt Belém“, Eintritt inklusive Carbon Footprint Tracker als Souvenir.

Fazit: Der letzte Tanz auf dem Sonnendeck

Vielleicht ist das alles ja auch nur das logische Ende der Geschichte. Die Titanic hatte schließlich auch ein Orchester, das noch weiterspielte, als das Wasser schon an den Stühlen leckerte. Der Unterschied? Auf den Kreuzfahrtschiffen der COP30 gibt es eine Poolbar. Und wahrscheinlich kann man dort auch noch kurz bevor das Klima endgültig kollabiert ein Mojito bestellen. Mit frischer Minze. Aus dem Kühlhaus.

Prost, Weltrettung!

Der Kulturkampf ist tot – es lebe der Kulturkampf!

Über die plötzliche Friedenssehnsucht derjenigen, die jahrzehntelang die Peitsche geschwungen haben

Es ist ein bemerkenswerter Moment, wenn die einstigen Hohepriester der moralischen Lufthoheit plötzlich zur Mäßigung aufrufen. Auf einmal, nach Jahren der kultivierten Verachtung gegenüber dem sogenannten Pöbel, nach Jahrzehnten der Verordnung gesellschaftlicher Transformationspflichten von oben herab, heißt es: „Lasst uns den Kulturkampf doch bitte beenden.“
Wieso gerade jetzt?
Ach, wie rührend. Man solle, so die neuen Friedensapostel, „vom Baum steigen“ – der Baum sei wohl der der Aufklärung, des Fortschritts, der Vernunft, den sich die intellektuelle Klasse stets als ihr exklusives Eigentum vorbehielt. Jetzt, wo die Äste knacken und der Boden der Realität näher rückt, soll es plötzlich ein Miteinander geben.

Der Anlass für diese plötzliche Friedenssehnsucht? Eine Personalie. Oder präziser: die Besetzung eines Richterpostens am Bundesverfassungsgericht. Der Vorschlag der Regierung soll einfach so durchgewunken werden, bitte ohne lästige Debatten, ohne Kulturkampfgeheul, ohne populistisches Gezeter. „Wählt doch einfach, was wir euch vorgeben, dann hört das ganze Theater auf.“
Man könnte es auch einfacher ausdrücken: Kapitulation gefällig?

Moralische Abrüstung als letzter taktischer Trick

Wer den Diskurs kontrolliert, darf bestimmen, wann Schluss ist – nur dumm, wenn der Diskurs plötzlich entgleitet

Natürlich wollen die intellektuellen Eliten den Kulturkampf beenden – jetzt, da sie ihn zu verlieren drohen.
Das ist wie ein Schachspieler, der seit zwanzig Zügen grinsend die Dame auf dem Brett spazieren ließ, sich dann aber plötzlich in der Defensive wiederfindet und ruft: „Lass uns doch bitte Remis machen, das wäre fair.“
Nur: Es war nie ein Spiel auf Augenhöhe. Es war immer ein Krieg von oben nach unten. Eine asymmetrische Auseinandersetzung, in der einer predigt und der andere gefälligst zu parieren hat.

Diejenigen, die heute versöhnlich raunen, haben über Jahre hinweg Meinungen pathologisiert, Debatten moralisiert, Andersdenkende marginalisiert. Sie haben Gender-Sternchen zu Glaubensfragen gemacht, jeden Zweifel an Migrationspolitik mit dem Etikett „rechts“ beklebt und dabei jeden Widerspruch mit einem süffisanten Lächeln abgetan – als sei es der naive Furor des Hinterwäldlers, der die Komplexität der Welt nicht versteht.
Doch siehe da: Der Hinterwäldler hat inzwischen Internet, Plattformen, eigene Medienkanäle. Und schlimmer noch: Er wählt. Und zwar manchmal das Falsche. Oder – aus Sicht der Hoheitsverwalter der guten Moral – das absolut Undenkbare.

Wer die Gesellschaft umerzieht, muss mit Rückwirkung rechnen

Ein Nachruf auf den pädagogischen Furor der letzten Jahrzehnte

Seit den 90ern läuft das große Umerziehungsprogramm, hübsch verpackt als Wertewandel. Alles wird „sensibilisiert“, „diversifiziert“, „dekolonialisiert“ – bis auf den gesunden Menschenverstand, der wurde systematisch amputiert.
Der Bürger sollte nicht mehr Bürger sein, sondern Transformationsobjekt. Es gibt kein Tabu, das nicht gebrochen wurde, außer dem, das alles infrage zu stellen. Die eine große Wahrheit wurde gepredigt, vom Klima über den Feminismus bis zum Postnationalismus. Wer nicht spurte, war entweder „nicht mehr ganz auf der Höhe“ – oder gleich ein Feind der offenen Gesellschaft.

Nur: Der gemeine Mensch, der da draußen noch Brötchen holt und nicht in Thinktanks konferiert, hat ein längeres Gedächtnis als vermutet. Er erinnert sich daran, wer ihn jahrelang belehrte, beschimpfte, umerzog. Und plötzlich soll er all das vergessen, weil die Karten gerade schlecht liegen?
Da wird ein Friedensangebot gemacht, das keines ist. Es ist ein Aufruf zur Unterwerfung: „Hört auf, euch zu wehren – dann hört der Krieg auf.“

Der Machtverlust als psychologisches Trauma

Warum die intellektuelle Elite den Populismus nicht versteht – und auch nicht verstehen will

Für die akademische Oberklasse ist es unerträglich, dass der politische Raum wieder streitbar wird – nicht im Sinne gepflegter Debatten bei Rotwein in Berliner Altbauwohnungen, sondern als rauer, widerborstiger Diskurs. Es wird geschimpft, es wird widersprochen, es wird nicht mehr brav mitgespielt. Das gilt als Affront.
Der Populist – das war immer der andere. Der mit dem schlechten Geschmack, dem lauten Ton, dem verdächtigen Dialekt. Dass der Populismus eine direkte Folge des pädagogischen Dirigismus der letzten Jahrzehnte ist, das will man nicht hören. Wer Wind sät, darf sich nicht über Stürme wundern, aber genau das passiert gerade: Man ist beleidigt, dass der Pöbel das Megafon gefunden hat.

Jetzt also die Rolle rückwärts: Der Kulturkampf soll bitte zu Ende sein. Nicht weil man zur Einsicht gekommen wäre, sondern weil man die Kontrolle verliert. Es ist kein Ruf nach Verständigung, sondern der Wunsch nach restaurativer Ordnung:
„Lassen wir das doch alles hinter uns und machen weiter wie bisher. Nur eben ohne diese lästigen Widerworte.“

Von der Hybris zur Panik

Der Moment, in dem der Sieger merkt, dass er selbst am Abgrund steht

Es gibt einen Punkt in jeder Geschichte, an dem der Sieger zu spät merkt, dass der Boden unter seinen Füßen bröckelt. Dieser Punkt ist jetzt. Der jahrzehntelange Feldzug gegen den angeblich rückständigen Teil der Gesellschaft hat eine Gegenbewegung erzeugt, die nicht mehr wegzudiskutieren ist.
Man kann nicht ewig paternalistisch auf Menschen herabblicken, ohne dass sie irgendwann den Blick erwidern – und zwar mit hochgezogenen Augenbrauen und der Faust in der Tasche.

Der Ruf nach Beendigung des Kulturkampfes ist daher kein Friedensangebot, sondern ein Schwanengesang der Deutungshoheit. Man weiß, dass das nächste Kapitel nicht mehr exklusiv geschrieben wird – nicht mehr nur in den Redaktionsräumen der Qualitätszeitungen, nicht mehr in den Talkshows der immer gleichen Gesichter.
Der Kulturkampf wird nicht enden, weil ihn plötzlich alle doof finden. Er wird weitergehen, härter, vielstimmiger, anarchischer. Vielleicht ungerecht, vielleicht schmutzig. Sicher unbequem. Aber: endlich auf Augenhöhe.

Und das ist vielleicht das Bitterste für diejenigen, die jetzt den Frieden beschwören: Dass der Widerstand gegen ihre Kulturrevolution nicht mehr höflich, nicht mehr brav, nicht mehr rückfragend um Erlaubnis bittet.

Er kommt einfach.
Und bleibt.

Der sanfte Käfig – Über das Panoptikum der modernen Welt

Es war einmal ein Philosoph, der träumte von einem Gefängnis, das niemand mehr verlassen will. Ein Ort, an dem die Mauern durchsichtiger sind als Glas, die Wärter unsichtbarer als Götter, und der Gefangene sich selbst bewacht. Jeremy Bentham hieß der Mann, der diesen grotesken Entwurf in die Welt setzte – und wie alle großen Denker scheiterte er am Unwillen der Praxis, seinen Plan umzusetzen. Schade eigentlich, könnte man meinen, doch nur auf den ersten Blick. Denn was damals auf dem Reißbrett blieb, ist heute gelebte Realität, nur mit hübscherer Benutzeroberfläche, WLAN und bunten Icons.

Die Welt ist ein Panoptikum geworden, aber nicht das muffige Gefängnis, das Bentham in feuchten Kellern skizzierte. Nein, es ist ein Designer-Panoptikum mit Selbstoptimierungszwang, GPS-Ortung, Gesichtserkennung, Gesundheits-Apps und personalisierter Werbung. Die Gitterstäbe sind Selfies, Likes und Fitness-Tracker. Der Wachtturm ist ein Algorithmus, und der Wärter? Der ist in den Serverfarmen dieser Welt längst zum Code geworden – kalt, effizient, nie müde, nie abgelenkt. Der Mensch hingegen ist heute nicht mehr Häftling wider Willen, sondern stolzer Teilnehmer an der Selbstüberwachung – freiwillig, euphorisch, statusgeil.

Die Angst der Macht vor der Unordnung – und die Sehnsucht nach dem Algorithmus

Die Geschichte der Überwachung ist eine Geschichte der Angst. Mächtige hassen nichts mehr als Unvorhersehbarkeit. Unordnung riecht für sie nach Revolution, Revolte, Randale. Die politisch Unordnung ist der Albtraum derer, die am liebsten alles unter Kontrolle hätten – oder zumindest so tun, als könnten sie es haben.

Michel Foucault hat das längst seziert: Der Staat überwacht nicht aus Sadismus, sondern aus Panik. Der militärische Reflex ist der Maßstab allen Handelns: präventiv zuschlagen, bevor überhaupt jemand den Gedanken an Widerstand fasst. Der Bürger soll nicht aufbegehren, sondern sich selbst befragen: Habe ich heute schon genug gespurt? Bin ich noch im Soll? Ist mein Profilbild regelkonform? Wer sich selbst kontrolliert, spart den Regierenden die Mühe – eine Win-Win-Situation für das System, das den Menschen zwar Freiheit verspricht, ihn aber zugleich in digitalen Fesseln hält.

Der Panoptismus ist dabei nicht mehr das plumpe Abhören von Telefonen oder das Stalken auf Facebook. Das ist Folklore. Der moderne Überwachungsstaat ist smarter: Er kennt die Datenströme, bevor der Bürger selbst sie erfasst hat. Er berechnet Wahrscheinlichkeiten, Modelle, Muster. Er weiß, was Sie wollen, bevor Sie es googeln. Er weiß, was Sie kaufen werden, bevor Sie das Geld aus der Tasche ziehen. Und weil Sie nichts zu verbergen haben, glauben Sie, dass Sie nichts zu befürchten haben. Das ist der größte Trick der Macht: Sie hat Ihnen eingeredet, dass sie zu Ihrem Besten existiert.

Der Bürger als selbstverwaltetes Sicherheitsrisiko

Wer heute über den Überwachungsstaat klagt, wirkt wie ein analoger Romantiker. Die Mehrheit hat Besseres zu tun: Urlaubsbilder posten, den Puls auf der Smartwatch messen, die Steuererklärung per App erledigen. Datenschutz ist ein nostalgisches Hobby für Philosophie-Professoren, die in Zeitungen schreiben, die niemand mehr liest.

Die Sorge um die eigene Privatsphäre wird längst überlagert vom hysterischen Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Wer heute offline ist, existiert nicht. Wer nicht postet, ist verdächtig. Wer nicht teilt, hat was zu verbergen.

Dabei hat sich die Überwachung perfektioniert, indem sie demokratisch geworden ist: Jeder darf mitmachen. Jeder kann andere ausspionieren. Die Nachbarn, die Kollegen, den Ex-Partner. Sie brauchen keinen Geheimdienst mehr, es reicht ein Instagram-Account. Der Überwachungsturm steht längst nicht mehr in der Mitte des Kreises, er ist überall – in Ihrer Hosentasche, auf Ihrem Nachttisch, in der Cloud.

Und das Beste daran: Der Mensch ist nicht mehr Opfer der Überwachung, sondern Komplize. Er liefert seine Daten nicht unter Zwang, sondern mit einem Lächeln. «Hier bitte, mein Standort, meine Vorlieben, meine Schlafenszeiten, meine politische Meinung, meine sexuellen Präferenzen – macht was draus!»

Der Dilettantismus der Macht – oder: Warum Überwachung trotzdem scheitert

Natürlich gibt es Kritiker, die auf den dilettantischen Umgang der Mächtigen mit ihren Datenbergen hinweisen. Die NSA konnte 9/11 nicht verhindern, der Verfassungsschutz übersah den NSU, und während künstliche Intelligenzen Milliarden von Profilen auswerten, wird der nächste Anschlag vermutlich per Brieftaube geplant.

Doch das ist der falsche Maßstab. Überwachung will nicht Terror verhindern – das wäre ja ein konkretes Ziel. Nein, sie will Atmosphäre erzeugen: den dumpfen Eindruck, dass man jederzeit gesehen werden könnte. Das reicht. Ob wirklich jemand hinsieht, spielt keine Rolle. Der Bürger passt sich schon im Voraus an. Der Terror der Möglichkeiten ist effektiver als der Terror der Tatsachen.

Die große Kunst der Macht ist es, Unschärfe zu kultivieren. Der perfekte Überwachungsapparat muss nicht funktionieren – er muss nur wirken. Ein Verschwörungstheoretiker ist der Traum des Geheimdienstes: Er erledigt die Einschüchterung ganz von selbst.

Von der demokratischen Kuscheldiktatur zur algorithmischen Autokratie

Noch funktioniert das alles relativ harmlos. Zumindest bei uns. Noch. Denn was heute als Lifestyle daherkommt, wird morgen als Zwang empfunden werden. Was heute als Komfort verkauft wird, kann in der nächsten Krise zur Falle werden. Die digitale Infrastruktur des Wohlstands ist auch die Infrastruktur der Repression – man muss nur den Schalter umlegen.

Die chinesischen Sozialkreditsysteme zeigen, wohin die Reise gehen kann: Punkte sammeln für regierungskonformes Verhalten, Minuspunkte für kritische Äußerungen. Bei uns lacht man noch darüber. Man vertraut auf den Rechtsstaat, auf demokratische Kontrollinstanzen. Doch der Algorithmus kennt keine Staatsform. Er ist immer bereit, dem nächsten Machthaber zu dienen – egal ob liberal oder autoritär.

Das panoptische System ist neutral, effizient, emotionslos. Es liebt keine Freiheit, es hasst keinen Widerstand – es will nur optimieren. Und der Mensch, dieser hoffnungslose Anpassungskünstler, wird mitmachen. Immer. Vielleicht wird er murren, ein bisschen protestieren, ein Meme posten. Aber am Ende wird er sein Gesicht freiwillig der nächsten Gesichtserkennungssoftware hinhalten, weil es schneller geht.

Der Schluss, den keiner hören will

Was also tun? Das ist die falsche Frage. Es wird nichts getan. Es gibt kein Zurück. Das Panoptikum ist gebaut – nicht aus Beton, sondern aus Bits. Die Fenster sind offen, das Licht ist an, der Wärter bleibt unsichtbar. Der Mensch sitzt in seiner Zelle und lächelt in die Kamera.

Er nennt es Fortschritt.

Palästinenser – Das Phantomvolk

Es gibt Völker, die sterben aus, und dann gibt es das palästinensische Volk – das einzige, das es schafft, sich trotz angeblichem Genozid derart fröhlich zu vermehren, als wolle es der Welt demonstrieren: „Sterben? Nicht mit uns!“ Von zwei Millionen 1990 auf über fünf Millionen 2024 – eine biologische Bankrotterklärung an jede Logik der Demografie. Andere Völker sterben aus, Palästinenser vermehren sich, als gäbe es kein Morgen. Ein Volk, das sich selbst am Leben erhält durch eine nie versiegende Quelle von Nachwuchs – und nebenbei den Flüchtlingsstatus zum ererbbaren Familienvermögen macht. Ein Status, der nicht etwa abgeschafft, sondern wie ein antikes Relikt in die Generationen weitergereicht wird, damit jeder Nachfahre das Privileg genießt, ein lebenslanger „Flüchtling“ zu sein. Wie schön, wenn Elend vererbbar wird – das nennt man dann wohl den sozialen Adelstitel der Misere.

Arafat – Der clevere Erfinder eines Volkes, das es erst werden musste

Was für ein genialer Coup: Aus einem heterogenen Gemisch von Bewohnern eines britischen Mandatsgebiets eine „Nation“ zu konstruieren, die mehr politisches Konstrukt als ethnische Realität ist. Yassir Arafat, der große Zauberer des Nahosttheaters, schuf nicht nur eine Identität, sondern auch eine grandiose Ausrede für einen dauerhaften Konflikt. Ein Volk, erfunden wie ein Marvel-Superheld, mit tragischer Hintergrundgeschichte, die sich aber wie ein Franchise weltweit verkaufen lässt. Der Clou: Ein Volk, das überall heimisch und doch nirgendwo willkommen ist – die perfekte Mischung aus Opferrolle und politischem Druckmittel. Nur die arabischen Brüder schauen mit Verachtung oder genervter Gleichgültigkeit zu, als hätten sie ein ungebetenen Gast, der nie wieder gehen will.

Brüderliche Ablehnung: Die traurige Palästinenserfreundschaft

Doch so sehr die Palästinenser sich auch als Einheit und Opfer präsentieren, in der Welt der arabischen Brüder gelten sie oft als ungeliebte, ja sogar ungeliebteste Verwandtschaft. Jordanien, das Land, das einmal die palästinensische Frage „gelöst“ zu haben schien, erinnert sich mit schaudern an den Schwarzen September 1970 – ein brutaler Bürgerkrieg, bei dem die jordanische Armee die palästinensischen Kämpfer gnadenlos aus Amman und Umgebung vertrieb. Das Bruderliebe nicht in jeder Sprache gleich klingt, zeigte sich hier mit brutalster Deutlichkeit.

Der Libanon, ebenfalls ein Pulverfass, zerbrach in den 1970er und 80er Jahren fast unter der Last seiner palästinensischen „Gäste“. Die palästinensischen Milizen wurden zu einer destabilisierenden Kraft, die jahrelang Bürgerkrieg und Chaos nährte. Und Kuwait? Dort begrüßten die Palästinenser Saddam Hussein während des Golfkriegs mit offenen Armen, was nicht nur den Zorn der alliierten Mächte, sondern auch der eigenen arabischen Geschwister provozierte – und zu einer Massen-Ausweisung führte. Die Palästinenser waren hier nicht die Opfer, sondern die ungeliebten Komplizen in einem Spiel, das sie nur verlieren konnten. Warum? Vielleicht, weil man im arabischen Raum eine ganz spezielle Art von „Bruderschaft“ kennt – eine, die mancherorts bei kleinsten Abweichungen in Feindschaft umschlägt.

Flüchtlingsstatus als dynastisches Erbe – Der bizarrste Sozialvertrag der Welt

Hier ein Flüchtlingsstatus, der nicht endet, sondern vererbt wird – wie ein aus der Mode gekommenes Familienerbstück oder eine schrullige Briefmarkensammlung. Niemand sonst auf diesem Planeten stellt sicher, dass der „Flüchtlings-Status“ quasi automatisch von Vater zu Sohn weitergegeben wird. Eine lebenslange Sozialversicherung auf Kosten der Weltgemeinschaft, die man nicht kündigen kann, weil das System selbst darauf gebaut ist, in ewiger Dauerexistenz zu funktionieren. Elend als Wirtschaftszweig und politische Währung, die keiner abschaffen will – zu nützlich ist der Mythos für allerlei Agenda-Manager und Menschenrechtsapostel. Generationen sitzen fest im Sumpf des staatenlosen Wartens, während ihre Anzahl so beständig wächst wie das Unglück selbst.

Bevölkerungsexplosion unter Genozidbedingungen – Der Demografie-Irrsinn

Man stelle sich vor: Ein Volk, das behauptet, einem Genozid ausgesetzt zu sein, vermehrt sich schneller als eine Legion von Kaninchen im Frühling. Ein Paradox so grotesk, dass es ohne bitteren Sarkasmus kaum zu ertragen ist. Wer braucht schon Fakten, wenn man Mythen hat, die besser performen als jede Netflix-Serie? Die dramatische Opferrolle ist das Sahnehäubchen auf einer biologischen Erfolgsgeschichte, die demografische Leichenfleddern zur Lachnummer macht. Ein Volk, das permanent im Zustand der Katastrophe inszeniert wird, aber keine Gelegenheit auslässt, weiter zu wachsen – biologisch, politisch und rhetorisch.

Das große Finale: Wer hat hier eigentlich das Sagen?

Palästinenser – ein politisches Phantom, das sich immer weiter vermehrt, während die Welt zuschaut und applaudiert, oder verzweifelt den Kopf schüttelt. Ein Volk, das erfunden wurde, um Leid zu institutionalisierten, Elend zu perpetuieren und politisches Kapital aus einer Dauerkrise zu schlagen. Die „Brüder“ im nahöstlichen Klub der Länder wissen längst, dass sie nicht Freunde, sondern unfreiwillige Gastgeber sind, und reagieren mit einer Mischung aus Ignoranz, Abneigung und kalkulierter Gleichgültigkeit. Und mittendrin das Volk, das zwischen Überleben, Mythos und politischer Inszenierung hin- und hergerissen ist, während der Rest der Welt das Schauspiel als Dauerbrennstoff für endlose Debatten nutzt.

In diesem Zirkus der Absurditäten ist nicht nur das Leiden, sondern auch die Demografie ein Kabarettprogramm – bitter, sarkastisch und mit einem Augenzwinkern, das den Wahnsinn nur noch grotesker macht.

Der Selbsthass als Statussymbol

Oikophobie und das elitäre Bedürfnis nach moralischer Überlegenheit

Man kennt sie, diese Menschen mit den selbstgehäkelten Schuldkomplexen, die sich wie Schals um den Hals legen, um sich in der Kälte des westlichen Abendlands warmzuhalten. Es handelt sich um jene Bildungsbürger, deren akademische Vitae sich lesen wie die Einfuhrlisten eines Kulturdekonstruktionslagers: Derrida zum Frühstück, Foucault zum Mittag, Bourdieu als Betthupferl. Sie sind die Hohepriester einer neuen Religion, deren einziger Gott die ewige Selbstverachtung ist, deren Sakrament der spontane Kotzanfall beim Klang von „Leitkultur“, und deren Dogma lautet: Alles Eigene ist verdächtig, alles Fremde erhaben. Wer nicht mitbetet, der ist verdächtig – ein Reaktionär, ein Heimatliebhaber, womöglich gar, Gott bewahre, ein Patriot.

Das ist der Stoff, aus dem der Oikophobiker gemacht ist. Der Oikophobiker, so beschreibt es Roger Scruton in sezierender Klarheit, ist kein einfacher Kritiker seiner Gesellschaft, sondern ihr ressentimentgesättigter Erbsenzähler, ihr selbsternannter Totengräber, der mit bitterer Miene und missionarischem Eifer den Sargdeckel des Abendlands zudreht – natürlich mit biozertifiziertem Werkzeug, versteht sich. Er ist der intellektuelle Nachlassverwalter einer Kultur, die er innerlich längst abgeschrieben hat, und genau darin liegt sein paradoxes Vergnügen. Er lebt vom Abgesang, er nährt sich vom Untergangsgefühl, er liebt den Abgrund, solange er auf ihm promovieren kann.

Vom Dekonstruktionsseminar zur moralischen Herrschaft – Wie akademische Oikophobie zur Ersatzreligion wurde

Die moderne Universität, einst der Ort sokratischer Zweifel, hat sich vielerorts in eine Dekonstruktionsfabrik verwandelt, in der alles Hergebrachte, jeder Kanon, jedes kulturelle Erbe unter den Verdacht der Unterdrückung gestellt wird. Wer Goethes „Faust“ liest, sucht nicht mehr nach der Tragödie des Menschen, sondern nach der Tragödie des weißen Mannes. Wer die Bibel studiert, sieht nicht mehr das Ringen um Sinn, sondern das Ringen um Herrschaft. Derrida und Foucault, jene Großmeister der sprachlichen Nebelgranate, haben ihre Schüler gelehrt, dass jedes Wort nur ein Vorwand der Macht ist und jede Tradition eine verschleierte Gewaltstruktur. Aus dieser intellektuellen Selbstverzwergung heraus ergibt sich eine Haltung, die man fast bewundern müsste, wäre sie nicht so selbstgefällig: der Glaube, dass der westliche Geist nichts anderes sei als ein metastasierendes Unterdrückungsprojekt.

Das Ergebnis dieser Haltung ist eine moralische Arroganz, die den Oikophobiker immun macht gegen jede Form von Zweifel an der eigenen Lauterkeit. Er trägt seine Abneigung gegen die eigene Kultur nicht als schlichte Meinung, sondern als Emblem der Überlegenheit. Wer an den westlichen Werten zweifelt, beweist sich als erleuchtet. Wer jedoch wagt, das Eigene zu verteidigen, riskiert den sofortigen Bannfluch des „Rechtsverdachts“. Die moralische Guillotine fällt schneller als jede argumentierende Rede beginnen kann. Der Oikophobiker herrscht nicht durch Argumente, sondern durch den Triumph des Ressentiments, das sich als Tugend tarnt.

Das Paradoxon des selbstgerechten Zynismus – Warum Oikophobie stets exklusivistisch bleibt

Doch inmitten dieses intellektuellen Maskenballs lauert ein köstliches Paradoxon, das sich kaum satirisch überhöhen lässt, weil es bereits in sich selbst eine Groteske ist: Der Oikophobiker lehnt das Eigene ab, nicht um das Fremde wirklich zu umarmen, sondern um sich selbst zum Maß aller Dinge zu machen. Er liebt das Fremde nicht wegen dessen Fremdheit, sondern weil es ihm als Folie dient, das Eigene zu verdammen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Fremde tatsächlich weltoffener, gerechter oder liberaler ist – im Gegenteil: Selbst der repressivste Brauch, die rückständigste Sitte wird zum leuchtenden Vorbild, solange sie nur den eigenen Kulturkreis desavouiert. Das nennt man dann nicht Multikulturalismus, sondern Anti-Kultur-Imperialismus – ein sprachliches Kunststück, das gleichzeitig moralisch überhöht und logisch absurd ist.

So kann es geschehen, dass der westliche Oikophobiker islamistische Rechtspraktiken milde belächelt, während er sich gleichzeitig über die vermeintlich „klerikalfaschistischen“ Reste christlicher Prägung ereifert. Dass er indigenen Völkern jeden Ethnozentrismus gönnt, während er im eigenen Kulturkreis den Begriff „Volk“ nur noch mit spitzen Fingern anfasst, als handle es sich um eine radioaktive Substanz. Dass er für jedes fremde Patriarchat Verständnis zeigt, solange es nur das eigene diskreditiert. Und dass er jedes Heiligtum fremder Kulturen respektiert, während er auf die eigenen Altäre spuckt – natürlich im Namen der Toleranz.

Warum der Oikophobiker den Westen braucht – und ihn trotzdem abschaffen will

Der Oikophobiker ist, und das ist der vielleicht tragisch-komischste Aspekt seiner Existenz, ein Kind genau jener Kultur, die er verachtet. Ohne die westliche Tradition des Zweifelns, der Selbstkritik, der Freiheit des Denkens könnte er gar nicht existieren. Nur in einem Kulturkreis, der die eigene Negation zulässt, kann sich der Oikophobiker überhaupt entfalten. In China, Russland oder Saudi-Arabien gäbe es keine oikophoben Professoren – dort hätte man sie längst entsorgt. Der westliche Selbsthass ist also ein Luxusphänomen, das sich seine Kritiker selbst geschaffen haben. Ein dekadenter Zirkelschluss: Ich beiße die Hand, die mich füttert, und rühme mich dafür, dass ich so bissig bin.

Es ist das Schicksal des Oikophobikers, dass er den Westen gleichzeitig braucht und zerstören will. Seine Dekonstruktionen funktionieren nur in einer Gesellschaft, die so frei ist, dass sie sich ihre eigenen Kritiker leisten kann. Doch genau diese Freiheit wird von ihm als Herrschaftsinstrument gebrandmarkt. Es ist wie beim Ast, auf dem man sitzt und den man eifrig absägt – nur dass der Oikophobiker sich dabei noch für einen Landschaftspfleger hält.

Schlusswort mit Zwinkern: Wer hat Angst vor der Heimat?

Vielleicht sollten wir es mit Humor nehmen. Der Oikophobiker ist am Ende auch nur ein tragikomischer Charakter, ein Don Quijote im Kampf gegen die Windmühlen der eigenen Kultur, ein Neurotiker im intellektuellen Überlegenheitsrausch, der auf dem Jahrmarkt der Ideologien seine Eintrittskarte dadurch bezahlt, dass er alles Eigene verachtet. Er ist der Clown des postmodernen Zirkus, der sich selbst für den Dompteur hält.

Doch vielleicht ist das auch gut so. Denn jede Kultur braucht ihre Narren. Der Oikophobiker erinnert uns unfreiwillig daran, wie sehr der Westen die Selbstkritik liebt – selbst wenn sie in Selbsthass umschlägt. Nur sollte man ihm gelegentlich sanft, aber bestimmt den Spiegel vorhalten. Und ihn fragen, ob er es nicht vielleicht doch ein bisschen übertreibt mit der Selbstgeißelung. Denn auch darin war Scruton sich sicher: Die Liebe zur Heimat mag naiv sein – aber der Hass auf sie ist es ebenso.

Ein Lehrstück in toleranter Intoleranz

Warum das Kruzifix weg muss, das Kopftuch aber bleiben darf

Es war einmal ein Land, das nannte sich demokratisch, liberal und pluralistisch. So pluralistisch, dass es sich selbst am liebsten ins Koma reden wollte. Dieses Land hatte große Angst – nicht vor Terror, Krieg oder Inflation, sondern vor sich selbst. Vor seiner eigenen Geschichte, vor seiner Kultur, vor Symbolen, die mehr sagen als eine Regenbogenflagge auf dem Rathausbalkon.

Und so kam es, dass eines Tages jemand aufstand und sagte: „Das Kreuz da an der Wand – das muss weg. Das ist übergriffig.“ Ein anderer stand auf und sagte: „Aber mein Kopftuch, das bleibt. Das ist schließlich meine Identität.“

Und der Staat, der Hüter der Neutralität, klatschte Beifall. Denn Neutralität, meine Damen und Herren, bedeutet heute nicht mehr Unparteilichkeit – sondern die aktive Entfernung der eigenen Tradition, um sich dann über das Fehlen zu freuen wie über einen geleerten Magen beim Heilfasten.

Die große Gleichung der neuen Zeit: Minus Kreuz plus Kopftuch = Toleranz

Willkommen in der Fortschritts-Formel des Jahres 2025: Alles, was gestern war, ist schlecht, alles, was neu dazu kommt, ist gut. Das nennt sich „inklusiver Fortschritt“. In der Praxis sieht das so aus: Der Weihnachtsbaum darf stehen bleiben, solange er als „Jahresend-Event-Gehölz“ deklariert wird. Das Kreuz muss weichen, denn es könnte ja Triggerpunkte in der fragilen Seele eines Global Citizens aktivieren. Das Kopftuch hingegen? Das ist ein Menschenrecht. Ein Textilstück der Emanzipation. Ja, Sie haben richtig gehört: Ein Kleidungsstück, das in vielen Ländern unter Zwang getragen wird, gilt bei uns als Befreiungssymbol. Wer das kritisiert, ist Islamophob. Wer es feiert, ist diversitätssensibilisiert.

Ironie? Nein, Realität. Und zwar die einzig erlaubte.

Neutralität als Tarnung für Selbstaufgabe

Es gibt einen feinen Unterschied zwischen Neutralität und Selbstverleugnung. Der erste ist staatsrechtlich geregelt, der zweite ist Gesellschafts-Trend. Heute will der Staat nicht mehr neutral sein – er will modern sein. Und modern heißt: Alles, was nach dem Jahr 2000 ins Land kam, ist per se schützenswert. Alles, was vorher da war, ist verdächtig.

Das Kreuz? Relikt eines dunklen Mittelalters. Das Kopftuch? Ausdruck postkolonialer Selbstbehauptung. Das nennt man kulturelle Ausgewogenheit: der eine Glaube wird als Privatsache abgeräumt, der andere als Vielfalt gefeiert. Hauptsache, die Instagram-Story vom letzten Diversity-Workshop bekommt genug Likes.

Die Beleidigten bestimmen die Regeln

Wir leben im Zeitalter der gekränkten Befindlichkeit. Wer sich am lautesten gekränkt fühlt, gewinnt. Das Kreuz könnte jemanden stören, also weg damit. Das Kopftuch könnte jemanden stören, also auf gar keinen Fall ansprechen! Denn das wäre Diskriminierung. Die neue Logik lautet: Empörung ist Macht. Und wer keine Empörung produziert, hat verloren.

Früher war Religion Privatsache, heute ist sie Identitäts-Performance. Und wer dabei nicht mitmacht, fliegt raus aus dem Diversity-Zirkus.

Die postmoderne Schizophrenie-Show

Man muss sich das einmal vorstellen: Dieselben Leute, die sich über das Kreuz in Klassenzimmern echauffieren, verteidigen mit Inbrunst das Recht auf religiös motivierte Kleidervorschriften. Dieselben, die bei „kultureller Aneignung“ hyperventilieren, verkaufen in der Schulkantine Veggie-Kebap als interkulturelles Bildungsangebot. Und dieselben, die früher „Mein Körper gehört mir“ riefen, erklären uns jetzt, dass das Kopftuch selbstverständlich Teil der feministischen Emanzipation sei. Es ist die perfekte Mischung aus Doppelmoral und Selbstbetrug – quasi Fairtrade-Heuchelei.

Diversität ist, wenn alle gleich sind – außer die, die anders sein müssen

Diversität ist heute kein Zustand, sondern ein Geschäftsmodell. Es gibt Diversity-Beauftragte, Sensibilisierungs-Workshops und Gender-Checklisten, aber keinen Platz mehr für gesunden Menschenverstand. Wer fragt, warum ein religiöses Symbol wegmuss, während ein anderes hofiert wird, bekommt als Antwort: „Weil das eine unterdrückt, das andere emanzipiert.“ Wer das nicht versteht, braucht dringend einen Besuch beim Correctness-Coach.

Vielfalt bedeutet heute nicht mehr Verschiedenheit, sondern die gezielte Auswahl, was ins Weltbild passt. Das ist wie ein veganes Grillfest mit Tofu-Würstchen: Es schmeckt nach nichts, aber alle klatschen trotzdem, weil sie wissen, dass sie moralisch gerade das Richtige tun.

Das große Fazit: Wir hängen uns selbst ab

Am Ende bleibt die Erkenntnis: Der moderne Staat hängt sich selbst ab. Symbolisch, geistig, kulturell. Er entfernt alles, was an seine eigene Geschichte erinnert, um den Platz freizuräumen für das große Experiment der Beliebigkeit.

Das Kreuz ist weg. Das Kopftuch bleibt. Und wer daran zweifelt, ist ein reaktionärer Ewiggestriger, der vermutlich heimlich eine Schwarzwälder Kuckucksuhr anbetet.

Machen wir uns nichts vor: Das ist nicht Vielfalt. Das ist freiwillige Selbstverblödung mit TÜV-Siegel.
Aber hey – wir machen das ja alles für die gute Sache.

Und wer die nicht versteht, kann sich beim nächsten Diversity-Training einen Aufkleber abholen:
„Ich war dabei, als wir uns selbst abgeschafft haben.“

Willkommen im postmodernen Pogrom

Die Wiederentdeckung der alten Leidenschaft

Es gibt Dinge, die vergehen nie. Wie das Bedürfnis, Juden zu hassen. Das hat Tradition, das hat Tiefe, das hat – man muss es anerkennen – Kultur. Wir befinden uns schließlich in der Ära der Wiederverzauberung der Welt, in der jede Ideologie ihre Renaissance feiert, ganz gleich, wie blutig ihr Curriculum Vitae ausfällt. Nationalismus? Voll im Trend. Religiöser Fanatismus? Ein Muss für den hippen Urbanen von heute. Und Antisemitismus? Der ist längst kein peinlicher Randgruppen-Tick mehr, sondern wieder gesellschaftsfähig – allerdings frisch lackiert und modisch drapiert.

Nicht mehr der brüllende Glatzkopf mit Thor-Steinar-Jacke ist das Gesicht des Judenhasses 2.0, sondern der „woke“ Aktivist mit Palästinensertuch und Genderstudies-Abschluss. Die Solidarität gilt heute den „Opfern des Zionismus“, nicht den Opfern der Messerattacke vorm koscheren Supermarkt. Wer Judenhass als exotische Folklore begreift, macht aus dem alten antisemitischen Gassenhauer einen diversitätskompatiblen Dauerbrenner. Der Antisemitismus ist wieder en vogue, nur die Chiffren haben sich geändert.

Der Antizionismus: Ein Wellness-Angebot für den modernen Menschen

Natürlich hasst heute niemand mehr „die Juden“ – das wäre plump, das wäre 1933. Stattdessen hasst man jetzt Israel. Das ist salonfähiger, das geht mit veganem Latte Macchiato in Prenzlauer Berg genauso wie mit Macheten in Neukölln. Der Antizionismus ist der Antisemitismus für Leute, die beim Lichterkettenbasteln Fair-Trade-Kleber verwenden. Und so geht das: Man stellt sich vor einen Spiegel, lächelt sich moralisch überlegen an und sagt: „Ich bin kein Antisemit, ich bin Antizionist.“ Dann fühlt man sich so sauber wie nach einer Detox-Kur.

Dass Israel der einzige jüdische Staat der Welt ist, dass Zionismus die Idee war, Juden vor den Pogromen Europas und der arabischen Welt ein Heim zu schaffen, spielt da keine Rolle. Wer heute gegen Israel hetzt, übt Kritik – und Kritik ist bekanntlich das heilige Sakrament der Aufgeklärten. Da darf auch mal „From the river to the sea“ skandiert werden, ohne dass jemand fragt, wo dann eigentlich noch Platz für Juden sein soll. Spoiler: Nirgends.

Die bunte Allianz des Ressentiments

Früher musste man sich entscheiden: Links oder rechts? Heute gibt es das alles-in-einem-Paket. Der moderne Antisemitismus kommt mit dem Lieferdienst der Ideologievielfalt direkt an die Tür. Islamisten, Identitäre, Klimakleber, Marxisten, Putin-Fans, Antiglobalisierer – alle vereint im Hass auf Israel und „die Zionisten“. Wer noch ein bisschen postkoloniale Theorie draufpackt, kann sich den Antisemitismus sogar als Fortschrittsprojekt verkaufen.

Die Linke kuschelt mit dem importierten Antisemitismus der Moschee-Vereine, weil man ja „die migrantische Community nicht stigmatisieren“ will. Der Rechte freut sich klammheimlich, dass endlich jemand anders das sagt, was er früher selbst brüllte, während der liberale Bildungsbürger bei einem Glas Naturwein über „komplexe Nahostfragen“ philosophiert, um bloß nicht sagen zu müssen, dass Judenhass in seinem Stadtviertel längst wieder Standardprogramm ist.

Die neuen Golems der Straße

Schmierereien auf jüdischen Schulen, Angriffe auf Rabbiner, „Juden raus“-Parolen auf Demos – das ist der neue Alltag. Die Täter? Oft jung, männlich, „kulturell bereichert“, so nennt man das heute höflich. Wer’s anspricht, wird entweder als „Nazi“ gebrandmarkt oder als „islamophob“ denunziert – der Begriff „islamophob“ ist ja mittlerweile der Schutzschild gegen jede Form von Realität.

Die Polizei dokumentiert pflichtschuldig „islamistisch motivierten Antisemitismus“, wenn sie nicht gerade wegsieht. Die Politik reagiert mit Betroffenheitslyrik, bevor sie sich wieder der Förderung interkultureller Projekte widmet. Und der Bürger? Der weicht aus. Meidet jüdische Einrichtungen, weil das gefährlich sein könnte. In Deutschland ist es wieder gefährlich, Jude zu sein – die Pointe der Geschichte ist, dass diesmal niemand mehr schuldig sein will.

Die Diversität der Täter, die Einsamkeit der Opfer

Der jüdische Mitbürger – oder das, was von ihm übrig ist – lebt heute zwischen Polizeischutz und Angst. Synagogen sind Festungen, Gemeindehäuser Sicherheitszonen. Der Gang zur Schule ein Spießrutenlauf, der Gang zum Supermarkt ein Risiko. Aber das spielt im großen Diversity-Game keine Rolle. Wer heute Judenhass anspricht, stört den multikulturellen Diskurs. Schließlich soll Vielfalt doch gefeiert werden, nicht hinterfragt. Wer also fragt, ob zum bunten Stadtbild auch das „Judenpack“-Gebrüll gehört, ist ein Spielverderber.

In der neuen, toleranten Gesellschaft ist für Juden wenig Platz – es sei denn, sie halten brav den Mund, nicken freundlich bei „Israelkritik“ und tragen keine Kippa. Der moderne Antisemitismus ist integraler Bestandteil der Vielfalt geworden, und wer das kritisiert, wird aus der Diskursgemeinschaft ausgeschlossen. Denn: Vielfalt bedeutet heute, alle Kulturen zu achten – außer der jüdischen.

Der ewige Mob – jetzt mit Smartphone

Früher standen die Pogromisten mit Fackeln vor den Häusern. Heute reicht ein Smartphone und ein Telegram-Kanal. Die Hasswelle kommt in HD-Qualität, live gestreamt. Und wer nicht persönlich zuschlagen will, spendet per PayPal an die nächste antisemitische Terrorgruppe. Das ist die Digitalisierung des Judenhasses: effizient, global, jederzeit verfügbar.

Die progressiven Kräfte? Sie schweigen. Oder sie nicken verständnisvoll, wenn auf Anti-Israel-Demos der Davidstern verbrannt wird. Wer „Death to the Jews“ skandiert, wird vom Sozialarbeiter mit „fehlender Teilhabe“ entschuldigt. Der Judenhass ist halt eine „Reaktion auf Diskriminierung“, da muss man Verständnis haben. Das Opfer wird Täter, der Täter Opfer – das ist das Narrativ der Stunde.

Schluss mit der Naivität

Es wird Zeit, den Schleier der Gutgemeinheit zu zerreißen. Der Antisemitismus ist nicht zurück – er war nie weg. Er hat sich nur das Trikot gewechselt. Von der braunen Uniform zur bunten Regenbogenflagge, von der Hakenkreuzbinde zum Free-Palestine-Banner. Wer heute als Jude überleben will, muss sich klein machen, unsichtbar werden oder auswandern. Der „Nie wieder“-Konsens hat sich als hohle Phrase entpuppt.

Die Gesellschaft? Sie schaut zu, zuckt mit den Schultern, dreht sich um. Vielleicht gibt’s ja noch ein Konzert gegen Rechts irgendwo, da fühlt man sich dann wieder gut. Und währenddessen? Breitet sich der Antisemitismus weiter aus. In der Schule, auf der Straße, im Netz, im Parlament.

Wer Jude ist, hat wieder ein hartes Leben. Wer antisemitisch ist, hat einen Freifahrtschein. Willkommen in der Gegenwart.

Die grüne Faxnation

Ein Lehrstück über deutsche Weltrettung und analoge Behörden

Man muss sich die Szene einmal plastisch ausmalen, mit der inneren Kamera aus der Zeit vor der Digitalisierung, also ungefähr aus dem Jahr 1987: In irgendeinem klimatisierten Konferenzraum eines Ministeriums, wahrscheinlich zwischen zwei PowerPoint-Folien über nachhaltige Nachhaltigkeit und resiliente Resilienz, wird beschlossen, dass es dem Klima in Algerien an Effizienz mangelt. Genauer gesagt: den Kommunalverwaltungen dort. Das ist bedauerlich, denn ohne klimaeffiziente Kommunalverwaltung kann eine algerische Kleinstadt, so das Credo der deutschen Entwicklungsbürokratie, ja kaum in den Zustand globaler CO₂-Harmonie überführt werden, den wir uns alle wünschen – mit Ausnahme der Chinesen, der Amerikaner, der Inder und sämtlicher anderen real existierender Wirtschaftsmächte, die den Emissionsdeckel weiterhin für einen Untersetzer halten.

Also beschließt Deutschland, 6.000.000 Euro zu investieren. In Algerien. Für „Grüne Gemeinden II“, denn schon „Grüne Gemeinden I“ war offenbar so ein triumphaler Erfolg, dass eine Fortsetzung nicht nur geboten, sondern unausweichlich war. In der deutschen Verwaltungsprosa heißt das dann: „Die Klimaeffizienz der algerischen Kommunalverwaltungen ist verbessert und der Energieverbrauch gesenkt.“ Der Satz klingt wie aus der Bauanleitung für einen IKEA-Klimaschutzschrank. Er sagt nichts, bedeutet aber alles.

Währenddessen: In Deutschland. Behördenmitarbeiterinnen und Beamte in ihren unkündbaren Kokons starren auf surrende Faxgeräte, als handele es sich um den letzten funktionierenden Kontakt zum Kosmos. Ein Summton, dann das vertraute Geratter des Thermopapiers – und fertig ist der Antrag auf Steuerklassenwechsel, eingereicht per 80er-Jahre-Technologie, gerne mal in dreifacher Ausfertigung und mit Stempel. Willkommen in der Bundesrepublik Deutschland, die zwar das Klima in Afrika retten will, aber an der eigenen Digitalisierung scheitert wie ein betrunkener Pinguin an der Hürdenlauf-Olympiade.

Die Dialektik des Fortschritts: Wenn Zukunft auf Kurbeltelefon trifft

Man darf sich diese Gleichzeitigkeit nicht entgehen lassen, sie ist zu köstlich, um sie nur zu beklagen. Da fließen Millionen nach Algerien, um dort die Kommunen mit Solarleuchten, LED-Straßenlaternen, womöglich einem Workshop über Mülltrennung und Powerpoint-Schulungen über „klimafreundliche Verwaltung“ zu versorgen. Gleichzeitig druckt der deutsche Sachbearbeiter das Mail-PDF aus, um es anschließend einzuscannen und per Fax an das Nachbarbüro zu schicken. Das ist so, als würde man dem Nachbarn ein Smart Home installieren, während man selbst noch mit dem Flaschenzug die Kohle ins Wohnzimmerfenster hievt.

Natürlich ist das alles kein Zufall, sondern System. Es gehört zum deutschen Staatsverständnis, dass die eigene Verwaltung möglichst resistent gegenüber allem ist, was nach Modernisierung riecht. Nicht aus Bosheit, sondern aus einer tief verwurzelten Ehrfurcht vor der Ordnung, die seit Bismarck als sakrosankt gilt. Ein Faxgerät, das funktioniert, ist in deutschen Amtsstuben wertvoller als jede App. Es ist zuverlässig, es gibt einen Belegstreifen, und es hat – im Gegensatz zu dieser neumodischen Cloud – keinen Datenschutzskandal ausgelöst. Noch nie hat ein Fax einen Trojaner installiert. Noch nie hat ein Fax den Akku leer gehabt. Es ist das Bollwerk der Beharrungskraft.

Der Export der deutschen Weltrettung: Wo der Zeigefinger grüner ist als das Handeln

Während also der deutsche Verwaltungsapparat mit der Effizienz eines Brathähnchens in der Mikrowelle seine eigenen Strukturen vor Veränderung schützt, exportiert er gleichzeitig seinen moralischen Überbau in die Welt. Der Deutsche rettet gerne. Das Klima. Die Demokratie. Die Weltmeere. Am liebsten jedoch das, was möglichst weit weg ist. Das schafft Distanz zum eigenen Versagen und fühlt sich dabei doch so wohlig an.

Man könnte ja mal versuchen, den eigenen CO₂-Ausstoß zu senken, indem man das Faxgerät aus den Ämtern entfernt und die Digitalisierung nicht länger als Bedrohung ansieht, sondern als das, was sie ist: die Voraussetzung dafür, überhaupt irgendwann klimafreundlich zu arbeiten. Aber das wäre anstrengend. Das würde bedeuten, eigene Komfortzonen zu verlassen. Sich selbst zu verändern, anstatt anderen vorzuschreiben, wie sie leben sollen. Lieber also das Millionenprojekt für algerische Gemeinden, wo niemand kontrolliert, ob das Solarpanel auf dem Rathausdach nach sechs Monaten noch funktioniert oder der Bürgermeister es inzwischen für den Privatgebrauch abgeschraubt hat.

Die ritualisierte Großzügigkeit: Ein Ablasshandel für das schlechte Gewissen

6.000.000 Euro. Das klingt nach viel, ist aber im Rahmen des Bundeshaushalts ein Fliegenschiss mit E-Auto-Zertifikat. Trotzdem erfüllt es einen Zweck: Das deutsche Gewissen darf sich selbst auf die Schulter klopfen. Schaut her, wir tun etwas! In Algerien wird der CO₂-Ausstoß gemindert – während die Drucker der deutschen Amtsgerichte weiter halbe Regenwälder in Papierform durch den Laser schieben. Das Faxgerät brummt, das Klima brennt, aber wir sind moralisch auf der richtigen Seite.

In Wahrheit ist dieses ganze Ritual ein moderner Ablasshandel. Früher kaufte man sich mit Geld von der Höllenstrafe frei, heute von der Klimakatastrophe. Die Kirche von damals heißt heute Entwicklungszusammenarbeit, und der Papst sitzt im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, wo man, im Zweifel mit einem Latte Macchiato in der Hand, überlegt, welche Weltregion als nächstes „klimaeffizient“ gemacht wird, während der eigene Amtsschimmel genüßlich auf dem Recyclingpapier kaut.

Schlussbetrachtung: Das Fax als Totem der deutschen Verwaltung

Man könnte das alles natürlich pragmatisch sehen. Warum sollten wir die Digitalisierung der deutschen Behörden auch zu schnell vorantreiben? Es würde ja bedeuten, dass der Staat plötzlich effizient wird. Und wer will das schon? Schließlich leben Hunderttausende davon, dass der Staat so funktioniert, wie er funktioniert – oder eben nicht funktioniert. Ein digitalisierter Antrag dauert vielleicht drei Minuten, ein papiergebundener Vorgang mit Fax und Unterschriftenmappe dagegen drei Wochen. Das schafft Arbeitsplätze. Und Beschäftigung. Und Sicherheit.

Womöglich ist das Faxgerät also gar kein Relikt, sondern ein bewusster Akt der Kulturpflege. Es steht da wie ein Mahnmal der Bürokratie, ein Denkmal der deutschen Prozessverliebtheit. In Algerien mögen künftig grüne Gemeinden erblühen – bei uns bleibt das Fax. Verlässlich. Brummend. Unverwüstlich.

Man nennt das dann wohl: Klimaeffizienz auf deutscher Art.

„Islamophobie“ – Die heilige Kuh der Kränkung

Der Phobiker als Staatsfeind: Psychiatrisierung als politisches Konzept

Es gibt Wörter, die sind wie Handgranaten: harmlos, solange der Splint drinsteckt. Doch wehe, jemand zieht daran. „Islamophobie“ ist so ein Wort – ein schillernder Kampfbegriff, geboren nicht aus dem humanistischen Diskurs, sondern aus dem politischen Dreckgeschäft der Mullah-Herrschaft. Erstmals in den Mund genommen wurde der Begriff nach der Islamischen Revolution von 1979, jenem freudlosen Spektakel, das die iranische Gesellschaft in einen Gottesstaat verwandelte, in dem der liebe Gott bekanntlich immer auf der Seite der Revolutionswächter steht.

Seitdem hat das Wort Karriere gemacht. Es wurde nicht etwa erfunden, um gegen reale Übergriffe auf Muslime zu kämpfen – sondern um jegliche Kritik am Islam zu delegitimieren, zu kriminalisieren und, im besten Fall, zu pathologisieren. Ein rhetorischer Trick mit höchster Effizienz: Wer als „Phobiker“ gilt, ist per Definition krank. Und Kranke gehören nicht auf die Diskussionsbühne, sondern in die Obhut von Psychiatern – oder, wenn es nach den ursprünglichen Worterfindern geht, in den Folterkeller von Evin.

Die Strategie ist einfach: Wer den politischen Islam kritisiert, den Islamismus anprangert oder schlicht auf Widersprüche zwischen Demokratie und Scharia hinweist, wird nicht etwa widerlegt, sondern psychiatrisiert. Das ist nicht Argumentation, das ist Diskursverhinderung mit der Lizenz zum Beleidigtsein.

Vom absurden Begriff zum nützlichen Werkzeug: Die Industrie der Betroffenheit

In den folgenden Jahrzehnten wurde „Islamophobie“ exportiert wie Pistazien und Teppiche. Heute wird der Begriff von allerlei Lobbygruppen und Think Tanks gepflegt, die nichts anderes tun, als sich professionell beleidigt zu fühlen. Der Trick ist dabei so durchschaubar wie erfolgreich: Der Islam wird kurzerhand von einer religiösen Idee zu einer Art ethnischer Identität umdeklariert – und jede Kritik an ihm somit in den Rassismusbereich verschoben.

Das ist intellektuell ungefähr so redlich, als würde man den Vegetarier als „Anti-Fleisch-Rassisten“ bezeichnen oder den Atheisten als „Theophobiker“ psychiatrisch behandeln wollen. Aber Logik war nie das Ziel. Das Ziel ist Einschüchterung, Diskurskontrolle, Deutungshoheit.

Und so entstand die lukrative Industrie der Betroffenheit: Konferenzen gegen Islamophobie, Fördergelder gegen Islamophobie, Mahnwachen gegen Islamophobie – ein ganzes Geschäftsmodell, das davon lebt, den Islam nicht als Ideenkosmos zu betrachten, sondern als sakrosankte Identität. Praktischerweise wird dabei auch gleich der Islam selbst homogenisiert: Ob liberale Muslime, Sufis, Islamisten oder Dschihadisten – alles wird in einen Topf geworfen, Hauptsache, niemand kritisiert ihn.

Dass in der Realität Millionen Muslime gerade unter dem politischen Islam leiden, spielt dabei keine Rolle. Die „Islamophobie“-Industrie interessiert sich nicht für Menschenrechte im Iran, nicht für gesteinigte Frauen in Pakistan, nicht für erhängte Homosexuelle in Saudi-Arabien. Sie interessiert sich für sich selbst. Für Kränkung als Geschäftsmodell. Für Moral als Monopol.

Rassismus! Das Universalschwert des moralischen Hausmeisters

Wenn alle Stricke reißen, zieht man den Joker: „antimuslimischer Rassismus“. Ein noch absurderer Begriff, der in seiner intellektuellen Faulheit fast schon bewundernswert ist. Der Islam ist bekanntlich eine Religion, kein Hauttyp. Er ist ein System von Glaubenssätzen, Regeln, Vorschriften – und in manchen Varianten eine komplette Gesellschaftsordnung mit Anspruch auf totale Durchdringung des Lebens. Wer das kritisiert, kritisiert Ideen. Und Ideen sind – das muss man immer wieder betonen – kein schützenswertes Biotop.

Man kann den Liberalismus kritisieren, den Sozialismus, den Kapitalismus, das Christentum, den Hinduismus, den Veganismus, die Homöopathie – alles kein Problem. Aber wehe, jemand kritisiert den Islam. Dann verwandelt sich die Debatte plötzlich in einen Notfall der Empathieindustrie, und es beginnt das große moralische Trommelfeuer: „Rassismus! Islamophobie! Xenophobie!“

Dass es unzählige Menschen gibt, die aus dem Islam austreten möchten, und dass diese Menschen nicht selten mit dem Tod bedroht werden, stört das feinsinnige Empörungspublikum dabei nicht. Der Austritt aus dem Islam ist in 13 Ländern mit der Todesstrafe belegt. Aber der Skandal, der unsere westlichen Diskursetagen beschäftigt, ist ein anderer: ein französischer Karikaturist hat ein Bild gemalt. Oh là là! Das muss geahndet werden – mit den Mitteln der Empörungsökonomie.

Die selbstverschuldete Maulsperre des Westens

Der Westen, dieser verunsicherte Koloss mit Schuldkomplex, hat sich längst selbst eine Maulsperre verpasst. Er suhlt sich in der Vorstellung, jede Kritik am Islam sei ein kolonialer Reflex. Ein intellektuelles Stockholm-Syndrom grassiert, bei dem man den eigenen Diskursfrieden für wichtiger hält als die Freiheit derer, die unter der religiösen Knute leiden.

Während in Teheran die Frauen ihre Kopftücher verbrennen, streiten in Berlin die Feuilletons darüber, ob das Tragen des Kopftuchs nicht vielleicht doch ein emanzipatorischer Akt sein könnte. Während in Kabul Mädchen von der Schule ausgeschlossen werden, debattiert Paris, ob es nicht „kulturalistisch“ sei, den Schleier als Symbol der Unterdrückung zu bezeichnen. Und während in Saudi-Arabien die Todesstrafe für Gotteslästerung vollstreckt wird, erklärt London die Blasphemie zur Mikroaggression.

Der Westen schaut zu, hält die Klappe, entschuldigt sich prophylaktisch – und hält sich dabei für tolerant. In Wahrheit ist das keine Toleranz, sondern schiere Feigheit.

Das Ende der Kritik: Ein Hoch auf den sakrosankten Unfug

Wir leben in einer Zeit, in der religiöse Kritik immer noch eine Pflicht sein müsste. Gerade am Islam, gerade an jenen Aspekten, die mit Demokratie, Frauenrechten, sexueller Selbstbestimmung und Meinungsfreiheit kollidieren. Aber anstatt diese Diskussion zu führen, hat sich der westliche Diskurs mit Begriffen wie „Islamophobie“ selbst sediert. Er hat sich den Maulkorb freiwillig angelegt und nennt das auch noch Zivilisation.

Dabei wäre es so einfach: Religionen sind keine Menschen. Ideen sind keine Ethnien. Glaubenssysteme sind keine Hautfarben. Der Islam – wie jede andere Religion – ist ein Konstrukt, das kritisiert, verspottet, hinterfragt werden muss. Nicht aus Bosheit, sondern aus Prinzip. Aus Liebe zur Aufklärung, zur Freiheit, zum Denken.

Epilog mit Sarkasmus: ICD-11, Kapitel für Diskursverweigerer

Vielleicht wird es Zeit, „Islamophobie“ tatsächlich in den Diagnoseschlüssel für Krankheiten aufzunehmen. Vorschlag für die nächste WHO-Tagung: ICD-11, Kapitel F99 – „Kritische Auseinandersetzung mit Religion, sonst nicht näher bezeichnet“. Therapieempfehlung: Drei Wochen betreutes Schweigen in der deutschen Sozialpädagogik, dazu tägliches Kopftuchbinden für Männer – zur Sensibilisierung, versteht sich.

Und für die Unbelehrbaren gibt es dann noch das Zwangsseminar: „Einführung in die apologetische Selbstverstümmelung – Wie Sie lernen, sich für Ihre Aufklärung zu schämen.“

In diesem Sinne: Gute Besserung, Westen.

Das Morgenland in den Alpen

Warum Österreichs Zukunft orientalischer wird, als es sich selbst zugeben will

Es gibt Daten, die sprechen so leise, dass man sie erst hört, wenn es zu spät ist. Österreichs neueste Bevölkerungsstatistik ist ein solches Flüstern – ein stilles Murmeln im Nachtwind der Geschichte, kaum hörbar über das Rauschen der Instagram-Timelines und das Klingeln der Foodora-Lieferdienste. Und doch verkündet sie einen Umbruch, der leiser, aber nachhaltiger ist als jede Wahl, jedes Pensionspaket und jede EU-Verordnung. Während der gemeine Österreicher 2024 seine Sterblichkeitsstatistik pflichtschuldig erfüllt hat – mit bemerkenswerter Gründlichkeit, möchte man hinzufügen – und sich gleichzeitig beim Kinderkriegen zurückhielt, als handle es sich um eine CO₂-intensive Freizeitbeschäftigung, haben andere übernommen, was man früher einmal als Fortpflanzung bezeichnete, heute aber lieber „demografischen Impuls“ nennt, um niemanden zu verstören.

Der Gebärmaschinen-Export: Wenn Integrationspolitik heißt, dass andere den Nachwuchs stellen

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Fertilitätsrate der autochthonen Bevölkerung – ein so schönes Wort, „autochthon“, fast wie eine seltene Alpenpflanze, die unter Schutz steht, weil sie demnächst ausstirbt – liegt bei mageren 1,22 Kindern pro Frau. Das ist weniger als ein Goldhamster pro Haushalt und reicht, um langfristig vor allem die Erbengeneration in Wiens Altbauwohnungen zu unterhalten, nicht aber, um ein Staatsvolk am Leben zu halten. Dafür springen andere ein, pragmatisch, effizient, ohne falsche Scham: Afghaninnen, Syrerinnen und Irakerinnen gebären mit einer Gesamtfertilitätsrate von 3,3 Kindern pro Frau – das ist fast so, als wollten sie sicherstellen, dass der Generationenvertrag zumindest auf Seiten der Herkunftsfamilie weiterläuft.

Man könnte nun sagen: Das ist doch wunderbar! Arbeitsteilung, wie es der moderne Kapitalismus liebt. Der eine Teil der Bevölkerung konzentriert sich auf Karriere, Achtsamkeit und Kreuzfahrten durch die norwegischen Fjorde, der andere liefert den Nachwuchs. Der eine shoppt Thermomix, der andere sorgt für Demografie. Eine win-win-Situation? Eher nicht. Denn während Österreichs Bildungsbürger über die nächste Veganismus-Debatte diskutieren, kippt die Bevölkerungsstruktur leise zur Seite, wie ein alter Dampfer, dem unbemerkt das Gleichgewicht verloren geht.

Von der Schneekugel zur Geburtenwelle: Die Alpen als Schauplatz der Fruchtbarkeit

Österreich war lange eine Schneekugel: hübsch anzusehen, leicht zu schütteln, innen immer gleich. Touristen liebten dieses Bild – und viele Österreicher auch. Doch 2024 fällt der Schnee nicht mehr gleichmäßig: Die demografische Schneekugel wird zum Sanduhr-Modell. Während oben die Alten sterben, rieseln unten die Neugeborenen nach – allerdings längst nicht mehr so, wie es sich der durchschnittliche Leopold aus dem achten Bezirk vielleicht vorgestellt hatte. Syrer, Afghanen, Iraker – sie sorgen für den Geburtenüberschuss, während die restliche Bevölkerung die Zahlen der Beerdigungsinstitute stabilisiert.

Die Statistik ist dabei so eindeutig, dass man sie fast mit einer gewissen Bewunderung betrachten möchte: Wer drei Mal so viele Kinder bekommt wie der Durchschnitt, sichert sich eine gewichtige Stimme im demografischen Chor der Zukunft. Es ist wie beim Vereinsfest: Wer die meisten Kuchen bäckt, bestimmt irgendwann, ob es im Vereinslokal Kaffee oder Ayran gibt. Das ist keine Frage der Ideologie, sondern der schlichten Mengenlehre.

Das Märchen von der Integration

Manche klammern sich an die Hoffnung, es handle sich hierbei nur um ein temporäres Phänomen. Irgendwann, so die Erzählung, würden sich alle Fertilitätsraten angleichen, alles werde sich verwachsen wie ein schlecht geschnittener Pony. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Wer mit 26 sein zweites oder drittes Kind bekommt, prägt die Zukunft stärker als jene, die mit 39 Jahren das erste Kind planen – und es dann doch auf den nächsten Eisprung verschieben, weil gerade Yogaretreat ist.

Die Integration ist längst keine Frage mehr von Sprachkursen und Bewerbungstrainings. Sie ist eine Frage der Geburtenbilanz. Und diese zeigt: Die, die am meisten Nachwuchs haben, stellen die Richtung ein. Ob das den politisch Verantwortlichen gefällt oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Der demografische Wandel ist kein Antrag, der im Parlament behandelt wird. Er ist eine Naturgewalt – langsam, schleichend, aber unerbittlich.

Die stille Kapitulation der Mehrheitsgesellschaft

Warum bekommen die einen mehr Kinder, die anderen fast keine? Das könnte man philosophisch betrachten, als kulturelle Frage, als zivilisatorisches Luxusproblem. Vielleicht liegt es daran, dass der durchschnittliche Österreicher inzwischen den Kinderwunsch unter der Rubrik „Lebensoptimierung“ ablegt – zwischen Fitnessabo und Netflix-Abo. Kinder sind teuer, laut und stören beim Verfassen von Instagram-Captions über Achtsamkeit.

Die Neuzugewanderten sehen das offenbar anders. Sie betrachten Kinder nicht als Lifestyle-Entscheidung, sondern als Daseinszweck, als kulturelle Selbstverständlichkeit. Das Ergebnis? Während der alteingesessene Österreicher seine Katze „Herr Schrödinger“ nennt und sich bei jedem Zahnarztbesuch fragt, ob er den Termin vielleicht doch noch um ein halbes Jahr verschieben kann, wird andernorts geboren, was das Zeug hält – ohne Diskussion, ohne Jammern über die Kindergartenplatz-Situation.

Das sanfte Kippen der Alpenrepublik

Der größte Witz an der Sache? Es passiert alles geräuschlos. Keine Revolution, kein Putsch, kein lauter Knall. Einfach nur Geburten. Während der gemeine Westeuropäer noch über Gender-Sternchen streitet und seine Beziehung zur Butter diskutiert, wächst in den Spitälern eine neue Realität heran: Das Österreich der Zukunft wird ein anderes sein. Bunter? Vielleicht. Konfrontativer? Vermutlich. Orientalischer? Statistisch gesehen: Ja.

Doch keine Sorge, das bedeutet nicht, dass morgen alle Kirchen in Moscheen umgewandelt werden. Viel wahrscheinlicher ist, dass der Kindergarten von nebenan bald einen arabischen Namen trägt, während der Bio-Markt am Naschmarkt weiterhin Mandelmilch verkauft – an Menschen, die längst nicht mehr Leopold heißen, sondern vielleicht Amir oder Aylin. Das ist kein Untergang, sondern eine Verschiebung der Parameter. Wer Österreich als ewige Postkartenidylle versteht, wird daran verzweifeln. Wer aber erkennt, dass Geschichte eben so funktioniert – unaufhaltsam, mathematisch, biologisch – der kann sich zurücklehnen und zusehen, wie ein Land sich neu zusammensetzt. Ganz ohne Volksabstimmung, dafür mit Geburtsurkunden.

Schlusswort mit Zwinkern: Der Letzte macht das Geburtenregister zu

Am Ende bleibt die bittere Pointe: Die Zukunft gehört nicht denjenigen, die am lautesten über Migration diskutieren, sondern denen, die Kinder bekommen. Die Statistik hat gesprochen – und sie ist ein zynischer, aber zuverlässiger Prophet. Vielleicht sollte man das nächste Integrationspapier einfach so betiteln: „Wie wir lernten, das Kinderkriegen auszulagern.“ Das wäre wenigstens ehrlich.

Und wer weiß: Vielleicht wird man in 50 Jahren in Wien das Donauinselfest mit syrischen Kebabs und afghanischem Kinderchor feiern, während irgendwo ein pensionierter Bio-Österreicher murmelt: „Eh wurscht – Hauptsache, es gibt noch Marillenknödel.“

Bis dahin: Alles Gute. Und viel Erfolg beim Demografieren