Von der Namensmagie im Rüstungsdschungel
Es ist eine dieser bizarren Selbstverständlichkeiten der Gegenwart, dass man sich als Bürger, Steuerzahler und interessierter Beobachter einer Demokratie gelegentlich vorkommt wie ein Zuschauer eines absurden Theaterstücks, in dem der Hauptdarsteller ständig die Bühne wechselt – nicht aus künstlerischem Ehrgeiz, sondern aus der Notwendigkeit, die eigenen Skandale zu verschleiern. So geschehen bei Finmeccanica, die, wohl wissend, dass ihr Name in den Archiven der Korruption und der geschändeten Helikopterträume Indiens für immer verankert ist, sich kurzerhand in Leonardo umtaufte. Leonardo da Vinci, Universalgenie, Maler, Ingenieur, Visionär – was für ein subtiler Hauch von Renaissance und Kultur über einem Unternehmen, dessen größtes Talent lange darin bestand, sich in Offshore-Konstrukten und Schmiergeldkanälen zu winden. Die italienische Tradition, Skandale mit Namen zu kaschieren, wird hier auf höchstem Niveau zelebriert: Ein Namenswechsel ersetzt die Moral, wie ein frisch lackierter Panzer die historische Schuld überdeckt.
Der Ankauf österreichischer Kampfjets als Paradebeispiel diplomatischer Fingerübungen
Und so kommt es, dass die österreichische Bundesregierung, in Gestalt von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, in einem Akt nationaler Sicherheitspolitik der besonderen Art, zwölf M-346-FA-Kampfjets zu einem Stückpreis von 80 Millionen Euro kauft – während andere Staaten für dasselbe Gerät, offenbar auf einem weniger kreativen Markt der Steueroptimierung, lediglich 50 Millionen Euro zahlen. Der Preisaufschlag wird natürlich mit einer besonders luxuriösen Version begründet: die AMG-Ausgabe unter den Trainingsjets, für Österreich quasi das Red-Bull-Feeling in Metall gegossen. Man spürt förmlich die Panik, dass der mündige Bürger sonst auf die Idee kommen könnte, Steuergeld sei nicht nur dazu da, Prestigeobjekte zu finanzieren, sondern auch dazu, sinnvolle Sicherheitsstrukturen zu unterhalten. Dass von Varese über Venegono Superiore Millionenbeträge fließen, wird eher beiläufig erwähnt, als handle es sich um ein harmloses Kuriosum, nicht um ein Geschäft, das in der Vergangenheit bereits zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen führte.
Korruption als Geschäftsprinzip
Die Geschichte von Finmeccanica alias Leonardo liest sich wie ein Lehrbuch in angewandter Korruption. Der Helikopterdeal mit Indien, bei dem die Spezifikationen „zufällig“ so verändert wurden, dass sie nur dem Anbieter nützten, und bei dem 30 bis 51 Millionen Euro in verschlungenen Offshore-Kanälen verschwanden, illustriert die beinahe künstlerische Präzision, mit der Bestechung und Unternehmensstrategie miteinander verwoben werden können. Man muss die Ironie erkennen: Während in Österreich gerade die Verteidigungsministerin stolz die Sicherheitspolitik verkündet, zeigt der Blick zurück, dass „Sicherheit“ und „Korruption“ oft nur zwei Seiten derselben Medaille sind. Die Razzia gegen Giuseppe Orsi, die Hausarrests, die jahrelangen Verfahren, die schließlich zu milderen Strafen führten, sie alle zeigen ein Muster: Skandale enden selten im Ruin, aber in einem Namenswechsel.
Leonardo als Triumph der PR über die Geschichte
Und dann, im Januar 2017, der Coup: Finmeccanica ist Leonardo. Ein Schritt, der nach außen wie ein kreativer Neuanfang wirkt, intern aber eher einer strategischen Selbstvergewisserung gleichkommt – wir waren korrupt, ja, aber jetzt sind wir innovativ! Die Umbenennung ist die literarische Pointe der Unternehmensgeschichte, ein Akt der Selbstmythologisierung, der die Erinnerung an indische Ermittler, Offshore-Geldflüsse und gescheiterte Deals elegant ausblendet. Leonardo wird zum Symbol für europäische Ingenieurskunst und Cyber-Sicherheit, während die Schatten der Vergangenheit wie unbequeme Gäste in der Ecke bleiben, deren Namen niemand auszusprechen wagt.
Österreich und der Spiegel der Geschichte
Für Österreichs Steuerzahler ist der Kauf der zwölf Jets ein Lehrstück: Wer hoch fliegt, zahlt mehr, und wer in die Geschichte schaut, muss erkennen, dass hinter glitzernden Metallhüllen oft dieselben alten Muster lauern. Leonardo liefert, Österreich zahlt, die Medien berichten freundlich, die Politik applaudiert, und die Namen der Verantwortlichen – wie Orsi, Spagnolini oder Tyagi – bleiben ferne, abstrakte Figuren in einem Spiel, das Steuerzahler und Bürger nur vom Rand betrachten dürfen. Die Steuermilliarden fließen, der Jet hebt ab, und der Skandal bleibt, verborgen unter der glänzenden Lackierung der AMG-Ausgabe.