
Schwarz ist das neue Braun
«Kein Fußbreit dem Faschismus!» – ein Schlachtruf, der klingt wie ein Echo aus einer besseren, einfacheren Zeit. Damals, als die Fronten klar waren und der Faschist ein uniformierter Schrecken mit Schnurrbart, Stechschritt und einem Hang zur Monotonie. Heute hingegen, im Zeitalter des moralischen Relativismus, ist der Feind diffuser, beinahe unsichtbar, und seine Erkennung bedarf eines scharfen Auges, oft gepaart mit einem anmaßenden Hang zur Überinterpretation. Die Antifa, jene schwarze Phalanx der Unnachgiebigen, erhebt sich als selbsternannte Wächterin über die Demokratie, während sie diese auf der anderen Seite mit einer Inbrunst erdrückt, die an die von ihr gehassten Autoritären erinnert.
Der Schwarze Block, jene Ikone des militanten Antifaschismus, agiert nicht selten wie das dunkle Spiegelbild dessen, was er zu bekämpfen vorgibt. Gewalt als legitimes Mittel? Check. Dogmatische Weltanschauung? Check. Intoleranz gegenüber Andersdenkenden? Aber natürlich. Die martialische Ästhetik ist dabei keine rein zufällige Begleiterscheinung. Der schwarze Hoodie, das Tuch vor dem Gesicht – das ist nicht nur praktisches Mittel zur Anonymität, sondern auch ein Statement. Es ist die Uniform der Tugendhaften, ein Pseudo-Kriegsgewand, das signalisiert: Wir sind die Guten, und wer das nicht glaubt, dem zünden wir den Kleinwagen an.
Freiheit für alle – außer dir
Es ist eine seltsame Ironie, dass eine Bewegung, die sich explizit dem antifaschistischen Widerstand verschreibt, so oft in eine autoritäre Haltung abdriftet, die dem Faschismus selbst erschreckend nahekommt. Die Reden von Freiheit und Gleichheit klingen hohl, wenn die Gegner, echte oder vermeintliche, niedergebrüllt, diffamiert oder gleich physisch attackiert werden. Die Antifa argumentiert: Die Bedrohung durch rechte Kräfte sei so gravierend, dass alle Mittel gerechtfertigt seien. Doch wer entscheidet darüber, wann eine Bedrohung «gravierend» ist? Und wann genau wurde die Idee, dass das Ziel die Mittel heiligt, zu einem linken Prinzip?
Die Parallelen sind frappierend. Auch der klassische Faschismus legitimierte seinen autoritären Anspruch mit der angeblich existenziellen Notwendigkeit, eine Gesellschaft vor inneren und äußeren Feinden zu schützen. Der Unterschied: Während die Faschisten den Feind oft erfanden, erkennt die Antifa ihn überall. Eine feindselige Twitter-Meinung? Faschistisch. Ein konservativer Vortrag an der Universität? Faschistisch. Ein CSU-Politiker? Vermutlich Hitler persönlich. So verschwimmt die Grenze zwischen dem echten Feind – den es zweifellos gibt – und jeder Form von politischer oder gesellschaftlicher Abweichung.
Von der Selbstgerechtigkeit zur Paranoia
Man kann der Antifa eine bemerkenswerte Errungenschaft nicht absprechen: Sie hat die Moralisierung des politischen Diskurses perfektioniert. Wer gegen sie ist, ist nicht einfach anderer Meinung – er ist der Feind der Menschlichkeit selbst. Doch diese Position hat ihren Preis. Sie erzeugt einen Zustand ständiger moralischer Alarmbereitschaft, der nicht nur das eigene Lager zerreißt, sondern auch zu einer zunehmenden Isolierung führt. Die Antifa wird zu einem sozialen und politischen Monolithen, unvereinbar mit der pluralistischen Realität, die sie vorgibt zu verteidigen.
Dabei wäre eine reflektierte antifaschistische Bewegung notwendiger denn je. Der tatsächliche Rechtsextremismus, der sich nicht in nebulösen Andeutungen, sondern in konkreten politischen Projekten und Gewalttaten manifestiert, ist kein Hirngespinst. Doch die Antifa, die sich selbst als Gegenpol versteht, ist längst zu einem Teil des Problems geworden. Indem sie den Begriff «Faschismus» inflationär und willkürlich benutzt, entwertet sie ihn. Und in der Welt der Antifa ist kein Platz für Zwischentöne. Das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann, ist, zum «Faschisten» erklärt zu werden – unabhängig davon, ob die Bezeichnung zutrifft oder nicht.
Warum Radikalität keine Lösung ist
Ignazio Silone, dessen düstere Prophezeiung vom Faschismus, der sich als Antifaschismus tarnt, heute aktueller denn je erscheint, war ein Mann, der den Totalitarismus aus erster Hand erlebt hat. Silone wusste, dass der Schlüssel zum Überleben der Demokratie nicht in der Bekämpfung von Extremismus mit anderem Extremismus liegt, sondern in der kompromisslosen Verteidigung ihrer zentralen Werte: Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsvielfalt.
Doch die Antifa scheint diese Lektion nicht gelernt zu haben. Sie verharrt in einer infantilen Welt des Schwarz-Weiß-Denkens, in der sie sich selbst als unfehlbar und jede Kritik an ihrem Vorgehen als Angriff auf die Gerechtigkeit betrachtet. Das Ergebnis? Eine Bewegung, die mehr mit der Radikalisierung der Gesellschaft beiträgt als zu deren Heilung.
Die Gefahr der guten Absichten
Die Antifa ist das perfekte Beispiel dafür, dass der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist. Ihr Anspruch, das Böse zu bekämpfen, hat sie selbst anfällig für die Versuchungen der Macht gemacht. Denn Macht, auch die moralische, korrumpiert. Und wer sich im Kreise der Tugendhaften aufhält, bemerkt oft nicht, wie leicht der Übergang zur Hybris ist.
Doch vielleicht ist das alles nur Teil des Spiels. Vielleicht ist der Antifaschismus weniger ein politisches Projekt als ein identitäres – eine Möglichkeit, sich selbst als besser, reiner, moralischer darzustellen. Und vielleicht liegt darin die eigentliche Tragödie: Die Antifa könnte so viel mehr sein, doch sie zieht es vor, auf der Bühne des Extremismus zu glänzen, während die Welt um sie herum brennt.