I. Die Ästhetik der Steckdose oder: Wie wir lernten, die Kilowattstunde zu lieben
Es war einmal eine Nation, die sich entschloss, die Sonne zu umarmen und den Wind zu heiraten – ohne vorher zu fragen, ob beide überhaupt an einer monogamen Beziehung interessiert seien. Diese Nation hieß Deutschland, und sie hatte, wie alle romantisch Veranlagten, ein Talent für symbolische Gesten, die in der Praxis nicht nur teuer, sondern auch technisch ambitioniert waren.
Denn während anderswo noch diskutiert wurde, ob Solarzellen in der Wüste oder Offshore-Windparks im Sturm mehr Sinn ergäben, beschloss man hierzulande: Wir machen alles – aber bitte gleichzeitig und moralisch überhöht!
Die Steckdose, einst ein nüchternes Versorgungsorgan, wurde zur heiligen Reliquie der Zivilisation. Ihr Anblick löste bei Klimakonferenzen mehr Ergriffenheit aus als die Mona Lisa bei japanischen Touristen. Die „Kilowattstunde“ – vormals eine graue Maßeinheit aus der Welt der Ingenieure – mutierte zur neuen Eucharistie: grün, sauber, und mit dem süßen Beigeschmack der Selbstgerechtigkeit.
Doch die Frage, woher der Strom eigentlich kommt, wenn weder Wind weht noch Sonne scheint, wurde verdrängt wie ein unliebsamer Gedanke beim Yoga. Schließlich heißt es ja „Energiewende“, nicht „Energieverstand“.
II. Die Physik als Spaßbremse: Ein ungebetener Gast auf dem grünen Maskenball
Man hatte gehofft, die Physik würde sich von moralischem Eifer überzeugen lassen. Leider tat sie es nicht.
Die Gesetze von Thermodynamik und Elektrotechnik erwiesen sich als erstaunlich unbeeindruckt von der politischen Rhetorik, die ihnen entgegenblies. Kein Gesetz, kein Paragraf, kein Talkshow-Plädoyer konnte den simplen Zusammenhang aufheben, dass Strom erst dann verfügbar ist, wenn er produziert und transportiert werden kann. Es war, als wolle man den Regen durch öffentliche Zustimmung herbeiklatschen.
Doch wer braucht schon Netzstabilität, wenn man moralische Stabilität hat?
Die deutsche Energiewende ist – und das ist ihre eigentliche poetische Größe – eine groß angelegte, kollektiv-romantische Verwechslung von Wollen und Können. Sie ist das Goethe’sche „Über allen Gipfeln ist Ruh“ im Windparkformat, die Fortschrittslyrik einer Nation, die sich in den eigenen Idealismus verliebt hat, so sehr, dass sie gar nicht mehr merkt, wie das Licht flackert.
III. Batterien, Blasen und Blabla: Der Altar des Fortschritts
Natürlich, es gibt Hoffnung. Sie trägt Namen wie „Speichertechnologie“, „Wasserstoff“ oder „Smart Grid“. Jeder Begriff klingt wie ein Zauberwort aus einem Hightech-Grimm-Märchen: Man muss ihn nur oft genug wiederholen, und schon werden aus Schwankungen Stabilität, aus Dunkelflauten sonnige Visionen.
Dass die dafür nötigen Materialien – seltene Erden, Lithium, Kobalt – unter Bedingungen gefördert werden, die selbst den rußigsten Kohlenkumpel sentimental werden lassen, ist eine jener unbequemen Realitäten, die in den moralischen Vitrinen der Energiewende keinen Platz haben. Das grüne Gewissen verträgt kein Schmieröl.
Die Debatte um Nachhaltigkeit gleicht so einem Alchemistenlabor, in dem man verzweifelt versucht, Ethik in Energie umzuwandeln. Doch anstelle von Gold entsteht meist nur heißer Dampf.
Man beschwört Kreislaufwirtschaften, als ließe sich die Entropie mit einem besonders cleveren Förderprogramm austricksen. Man predigt Verzicht, während man gleichzeitig die E-Auto-Subvention als den neuen Ablasshandel feiert. Kurz: Man will die Welt retten – aber bitte mit WLAN, Warmwasser und Wallbox.
IV. Das große Theater der Selbsttäuschung
Man muss den Deutschen eines lassen: Sie verstehen es, Tragödien als Verwaltungsvorgänge zu inszenieren.
Die Energiewende ist kein Projekt – sie ist eine Bühne, auf der das Land sich selbst aufführt. Zwischen Photovoltaik und Paragrafen reitet der Michel mit Helm und Heiligenschein gegen den Klimawandel an, während hinter ihm das Netz ächzt und die Strompreise tanzen wie Derwische.
Die einen predigen vom „baldigen Ausstieg aus allem“, die anderen halten mit der Andacht des Experten dagegen, dass Energie nun einmal „nicht beliebig verschiebbar“ sei. Beide reden, als ginge es um Glaubensfragen – und tatsächlich: Die Energiewende ist längst keine technische, sondern eine theologische Debatte geworden.
Ihre Hohepriester heißen Habeck, Hofreiter und Habe-Nix, ihre Sakramente heißen Förderquote und Ausbauziel. Und das Volk? Es murmelt brav mit: „Und führe uns nicht in die Dunkelflaute.“
V. Epilog aus der Steckdose: Ein bisschen Realität täte gut
Vielleicht wird man in hundert Jahren auf diese Epoche zurückblicken wie auf jene seltsamen Jahrzehnte, in denen man glaubte, Homöopathie könne Krankheiten heilen – nur dass diesmal die Patienten ganze Volkswirtschaften waren.
Vielleicht wird man schmunzeln über jene Generation, die dachte, Windräder seien ein Ersatz für Systemdenken, und Photovoltaik ein Synonym für Weltrettung.
Oder – wer weiß – vielleicht gelingt das Wunder doch. Vielleicht wird die Sonne nie wieder untergehen, der Wind nie mehr nachlassen, und wir alle leben in jener elektrifizierten Utopie, die unsere politische Fantasie längst als Realität verbucht hat.
Aber bis dahin gilt: Eine Energiewende ohne Netz und doppelten Boden ist wie ein Hochseilakt ohne Schwerkraft – elegant in der Vorstellung, tödlich in der Praxis.
Und so balanciert das Land weiter auf seinem grünen Drahtseil, den Blick gen Himmel gerichtet, den Stecker in der Hand – und murmelt beseelt: „Es wird schon gehen, irgendwie. Hauptsache, wir meinen es gut.“