Alles ist erlaubt und alles ist Haltung

Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich.“ (1 Korinther 6:12)

Man möchte diesen Satz heute an Kirchentüren nageln, nicht als Bibelzitat, sondern als Warnhinweis. Denn was sich unter kirchlicher Aufsicht ereignet, ist weniger ein geistlicher Prozess als ein fortgeschrittener Kontrollverlust im Namen der Moral. Alles ist erlaubt, solange es sich gut anfühlt. Alles ist erlaubt, solange es twittertauglich ist. Alles ist erlaubt, solange es das richtige Publikum empört und das falsche verjagt. Nichts soll Macht haben über mich, sagt Paulus. Doch über die Kirchen hat längst etwas Macht gewonnen: die Angst, nicht mehr geliebt zu werden von jenen, die sie nie geliebt haben, sondern nur benutzen. Zurückbleiben soll eine kleine Herde, aber nicht die der Glaubenden, sondern die der pädagogisch Formbaren, der Dauerempörten, der Aktivisten mit Bastelbiografie. Eine Kirche, die sich nicht mehr an Gott bindet, sondern an Diskurse, entdeckt plötzlich, wie angenehm es ist, geführt zu werden.

Das Linsengericht der Relevanz

Die christliche Botschaft wird verramscht, nicht aus Not, sondern aus Gier nach Relevanz. Für ein Linsengericht aus Applaus, Fördergeldern und wohlmeinenden Kommentaren aus der linken Echokammer verkauft man das Erbe von Jahrhunderten. Was einmal Zumutung war, ist jetzt Einladung zum Mitmachen. Was einmal Erlösung versprach, verspricht heute Bewusstseinsarbeit. Aus Glaubensgemeinschaft wird ein politischer Stuhlkreis mit Kerze in der Mitte und Betroffenheitsrunde am Ende. Die Kirche will niemandem mehr wehtun, also tut sie niemandem mehr gut. Sie ist kein Stein des Anstoßes mehr, sondern ein Wattebausch, hygienisch verpackt, allergenfrei, folgenlos. Wer hier stolpert, stolpert höchstens über ein falsch gegendertes Fürbittenformular. Das Schrumpfen hat begonnen, und es ist kein Schicksal, sondern eine selbstgewählte Askese an Sinn.

Die neue Dreifaltigkeit der Bedeutungslosigkeit

Es gibt keine konfessionellen Unterschiede mehr, nur noch organisatorische. Evangelisch oder katholisch ist egal, entscheidend ist, dass die neue Dreifaltigkeit intakt bleibt: Kirchensteuer, Staatsnähe und linkes Politisieren. Der Vater ist der Haushalt, der Sohn die Kampagne, der Geist die moralische Erregungslage der Woche. Man glaubt nicht mehr, man positioniert sich. Man hofft nicht mehr, man fordert. Dogmen gelten als unzumutbar, Haltungen als heilsnotwendig. Die Ökumene findet ihre Einheit nicht im Glauben, sondern im gemeinsamen Abstieg in die Irrelevanz, begleitet von wohlklingenden Absichtserklärungen und dem leisen Rascheln der Austrittserklärungen.

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Magdeburg oder der Triumph der Feigheit

Im Bistum Magdeburg, finanziell ausgehöhlt und geistlich entkernt, wird diese Entwicklung zur Karikatur ihrer selbst. Ein Bischof namens Feige fordert seine Gemeinden auf, im Landtagswahlkampf Flagge zu zeigen. Nicht die Fahne des Glaubens, sondern die der politischen Parteinahme. Pfarrer, Diakone, Sekretariate und Ehrenamtliche werden zu Wahlkampfhelfern geweiht, das Kreuz zur Requisite einer Kampagne. Man beschwört den Kampf gegen die AfD, als sei das Evangelium ein Aktionspapier und die Sakristei ein Koordinationsbüro. Partner heißen Stiftungen, Verbände, Dachorganisationen. Die Kirche sucht ihre Katholizität nicht mehr im Universalen, sondern im Netzwerk der moralisch Zertifizierten. Wer nicht mitsingt, gilt als verdächtig. Wer fragt, als gefährlich. Wer glaubt, als rückständig.

Partei mit Sakramentensteuer

Hier wird Partei ergriffen, offen, selbstgerecht, finanziert aus Kirchensteuermitteln. Man nennt es Initiative, Haltung, Verantwortung. In Wahrheit ist es geistliche Zweckentfremdung mit moralischem Heiligenschein. Die Kanzel wird zum Podium, die Predigt zur Pressemitteilung. Nur ein bestimmtes Milieu fühlt sich hier noch zuhause, ein Milieu, das seine eigenen Überzeugungen im Kirchraum gespiegelt sehen will. Alle anderen dürfen zahlen oder gehen. Die Kirche wird zur exklusiven Selbsthilfegruppe der moralisch Überzeugten, mit Anwesenheitspflicht und Austrittsoption.

Klimakrise als neue Erbsünde

Zum Anti-Rechts-Kampf gesellt sich der Kampf gegen die Erderwärmung, das zweite große Sakrament der neuen Kirchenfrömmigkeit. Bei der evangelischen Arbeitsstelle midi fragt man ernsthaft nach Seelsorge in der Klimakrise. Mission heißt nun Angstbegleitung, Diakonie heißt Gefühlsmanagement. Zu sphärischen Klängen erklärt man auf sozialen Plattformen, Kirche müsse Seelsorge im Horizont der Klimakrise denken. Als sei das Klima eine metaphysische Instanz, als sei CO₂ der neue Teufel und der Verzicht das neue Heil. Klimaängste werden pädagogisch umarmt, weil Angst bindet und Infantilität mobilisiert. Wer sich fürchtet, glaubt leichter. Wer sich schuldig fühlt, bleibt fügsam. Kirchen, die einst Hoffnung predigten, verwalten nun Befindlichkeiten.

Die infantile Autorität der Geste

Die Personalisierung dieser Entwicklung liefert die Präses der evangelischen Synode, die mit jugendlicher Ernsthaftigkeit „Fairschenken statt Geschenk“ vorschlägt und ein buntes „Fairtrade“-Band in die Kamera hält. Es ist die Liturgie des Bastelraums, die Theologie des gut Gemeinten. Hier spricht keine geistliche Autorität, sondern eine moralische Influencerin, deren Botschaft in jedem NGO-Newsletter stehen könnte. Klimaschutzaktivismus und Anti-Rechts-Kampf, garniert mit pädagogischer Niedlichkeit, bilden die Ökumene der schrumpfenden Kirchen. Man bettelt um Austritte und nennt es Erneuerung. Wer nach Transzendenz sucht, findet To-do-Listen. Wer Erlösung sucht, bekommt Hinweise zum richtigen Konsum.

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Decolonizing Christmas!

Und selbst das Weihnachtsfest, einst die Zumutung der Inkarnation, bleibt nicht verschont. „Decolonizing Christmas!“ ruft es nun aus den ideologischen Sakristeien, als müsse man das Kind in der Krippe zuerst von seiner Geschichte befreien, bevor man es anbeten darf. Weihnachten wird zum pädagogischen Projekt, zur moralischen Großbaustelle, zur Gelegenheit, Schuld umzuschichten und Traditionen zu problematisieren. Die Geburt Gottes wird zur Fußnote, Hauptsache, die Haltung stimmt. Reich beschenkt wird nur das linke Gemüt, das sich selbst feiert im Glanz seiner eigenen Korrektheit. Die kleine Herde bleibt zurück, zufrieden, selbstgerecht, geistlich ausgehungert, und wundert sich, warum niemand mehr kommt, um mitzufeiern.

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