
Eine Chartermaschine mit 47 Irakern an Bord ist in Bagdad gelandet. Die Maschine war mit Verspätung in Hannover gestartet, die „Returnees“ stammen aus elf Bundesländern.
Der Charterflug von Freebird Airlines, wie könnte die Airline sonst heißen, war nach Angaben des Tracking-Portals Flightradar um 9.18 Uhr gestartet. Eigentlich hätte die Maschine demnach um 8 Uhr abheben sollen. Grund für die Verspätung war das winterliche Wetter – die Maschine musste erst enteist werden. Die symbolische Kälte der Aktion verlangte nach meteorologischer Entsprechung.
Begleitet wurde der Abschiebeflug – natürlich, vermutlich alleine der Folklore wegen – von einer Demonstration des Flüchtlingsrats Niedersachsen, der Seebrücke und des Netzwerks gegen Abschiebung. Ein Protest, den die Politik mit einer Mischung aus nachsichtiger Belustigung und der rituellen Wiederholung von Plattitüden zur Kenntnis nahm. „Rechtsstaat“, „Verfahren“, „gesetzliche Verpflichtung“ – Vokabeln, die, mit der richtigen Mischung aus Betroffenheit und Unnachgiebigkeit vorgetragen, stets den Eindruck erwecken sollen, hier handele es sich um alternativlose Notwendigkeiten, nicht um willkürlich gesetzte Prioritäten.
Symbolische Kraftakte als Ersatzpolitik
In einem Wahljahr ist es nützlich, wenn man den Wählerinnen und Wählern Handlungsstärke präsentieren kann, ohne tatsächlich strukturelle Probleme anzugehen. Abschiebungen eignen sich dafür perfekt: Ein kalkulierbares Ereignis mit maximaler medialer Aufmerksamkeit und minimalem praktischem Effekt. Die Zahl der Abgeschobenen ist im Vergleich zur Gesamtzahl der Menschen ohne Aufenthaltsrecht vernachlässigbar, aber sie ermöglicht die eindrucksvolle Inszenierung der Staatsmacht. Und darauf kommt es an: Das Publikum soll das Gefühl haben, hier werde durchgegriffen, hier werde etwas getan. Der Flug ist teurer als ein Ticket in der Business-Class, aber der symbolische Wert übersteigt den finanziellen Aufwand bei Weitem.
Die immergleichen Rituale
Werden Abschiebungen verkündet, gibt es ein vorhersehbares Drehbuch. Innenminister und Hardliner frohlocken, fordern mehr Konsequenz, schnellere Verfahren, weniger „Abschiebehindernisse“. Menschenrechtsorganisationen und kirchliche Vertreter mahnen zur Mäßigung, berichten von Einzelschicksalen, appellieren an Menschlichkeit. Journalistinnen und Journalisten schreiben analysierende Stücke, die sich je nach Medium und politischer Linie zwischen Empörung und pragmatischer Zustimmung bewegen.
Die Abschiebeaktion selbst verläuft nach standardisiertem Prozedere: Zusammengetrommelte Polizeieinheiten, Wartesäle, Rückführungsprotokolle, ein schneller Abtransport, eine zünftige Pressemitteilung. Die mediale Aufbereitung folgt Minuten später. Ein paar Tage darauf vergisst die öffentliche Wahrnehmung die Aktion wieder – bis zum nächsten großen Abschiebeflug.
Ein Drama ohne Konsequenzen
Was bleibt? Die Frage, ob mit all dem Aufwand die versprochene „Ordnung“ geschaffen wird. Die Antwort lautet: natürlich nicht. Die Strukturen, die Migration antreiben, bleiben unberührt, die Konflikte ungelöst. Die rechtlichen Probleme, die dazu führen, dass viele Abschiebungen gar nicht möglich sind, werden von jenen, die am lautesten „Rückführung“ rufen, bewusst ignoriert. Und die Menschen, die abgeschoben wurden? Sie finden sich in einer Lebensrealität wieder, die oft weit schlimmer ist als die Fluchtursachen, die sie einst vertrieben haben. Ein teures Ritual also, das vor allem eines ist: ein Wahlkampfgag auf dem Rücken der Schwächsten.
Doch keine Sorge: Der nächste Flug kommt bestimmt. Vielleicht dann mit Live-Schaltung und Sondersendung. Drama sells.