Alternativlos und anders

Merkelismus – Eine Ära der semantischen Wunderwerke

Angela Merkel, die Physikerin der pragmatischen Politik, ist längst mehr als eine Kanzlerin. Sie ist ein Phänomen, eine Institution, ein Monument. Sie hat Deutschland geführt – oder besser: moderiert – wie eine Zen-Meisterin der Gleichgültigkeit und Vorsicht. Ihre Worte jedoch, sorgfältig abgewogen wie Neutronen in einem Labor, triefen oft vor unfreiwilligem Witz. Auf den ersten Blick nüchtern, auf den zweiten abgründig – und auf den dritten? Tja, alternativlos.

Lassen Sie uns also einen ironisch-polemischen Blick auf die größten rhetorischen Ergüsse der „ewigen Kanzlerin“ werfen. Aber Vorsicht: Dies ist kein Text für zartbesaitete „Neuländler“ des Internets. Hier wird polemisiert, was das Zeug hält – jedoch immer mit einem augenzwinkernden Lächeln.

Wir haben schon so viel geschafft, wir schaffen das

Womit soll man bei diesem legendären Satz beginnen? Dieser schlichte Optimismus à la „Hakuna Matata“ der deutschen Politik hat im Jahr 2015 die halbe Welt erschüttert – oder zumindest die halbe Bundesrepublik. „Wir schaffen das!“ – diese Worte waren nicht einfach ein Appell, sie waren ein Mantra, das direkt in das kollektive Bewusstsein eingebrannt wurde, wie der Geschmack von Kohlrouladen auf der Zunge eines Bayerns, der plötzlich vegan leben muss.

Doch was genau meinte Merkel mit „wir“? War es das „wir“, das für den Staat stand, die Bürokratie, die Institutionen, die schon unter den kleinsten Aufgaben ächzen, aber nun bereit sein sollten, Millionen von Flüchtlingen wie Gäste auf einer Hochzeit zu empfangen? Oder war es ein „wir“, das in der schlichten Arroganz des deutschen Maschinengeistes wurzelt – jenes unerschütterliche Vertrauen in die Überlegenheit deutscher Ingenieurskunst, die jeden Fehler „nachjustieren“ kann?

Vielleicht aber war es nur ein „wir“ der Ignoranz. „Wir schaffen das“ klingt viel zu sehr nach dem müden Mantra einer Politikerin, die sich weigert, die gewaltigen Probleme der Migration und Integration tatsächlich zu benennen. Aber wer braucht schon Details, wenn es um moralische Überlegenheit geht?

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Ist mir egal, ob ich schuld am Zustrom der Flüchtlinge bin, nun sind sie halt da

Ach, Frau Merkel, der zynische Höhepunkt Ihrer rhetorischen Karriere. Dieser Satz ist so herrlich nonchalant, so unerschütterlich pragmatisch, dass man ihn auf T-Shirts drucken könnte. Vielleicht hatte sie die Nase voll von der Debatte, vielleicht war sie genervt von den ewigen Anschuldigungen. Doch „nun sind sie halt da“? Das klingt, als ob ein besonders nerviger Besuch plötzlich auf der Türschwelle steht und man sich denkt: „Naja, jetzt müssen wir halt durch.“

Es ist, als ob man den Flüchtlingsstrom mit einer Staubwolke im Wohnzimmer vergleicht – sie stört zwar, aber ach, Staubsauger in die Hand und gut ist’s. Doch der bittere Nachgeschmack dieses Satzes bleibt: Ist das wirklich die Haltung, mit der man einer epochalen Herausforderung begegnet? Schicksalsergebenheit gepaart mit politischem Fatalismus? Als ob man es nie kommen sah.

Dieser Satz hätte auch gut von einem gelangweilten Callcenter-Mitarbeiter stammen können, der zum hundertsten Mal gefragt wird, warum die Internetverbindung schon wieder ausfällt. „Ja, die Probleme sind da. Was soll ich machen?“

Der Ansatz für Multikulti ist gescheitert, absolut gescheitert

Wie ein Wecker, der viel zu spät klingelt, ertönte dieser Satz im Jahr 2010 und ließ viele verdutzt aufschrecken. Frau Merkel verkündete, was schon seit Jahren viele dachten: Multikulti sei „absolut gescheitert“. Aber, liebe Frau Merkel, wo waren Sie denn all die Jahre zuvor? Ach ja, regieren!

Man könnte fast den Verdacht hegen, Merkel habe die bunte Vision des Multikulturalismus persönlich zu Grabe getragen – mit einem Schulterzucken, wie es nur sie so perfekt beherrscht. Man stellt sich vor, wie sie damals als Grüne-Woche-Gast in die Kamera lächelte, die multikulturellen Leckereien kostete und insgeheim dachte: „Wird schon schiefgehen.“ Und als es dann wirklich schiefging, verkündete sie es trocken, wie ein Mathematiker eine Gleichung löst: „Gescheitert.“ Punkt.

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Man könnte nun fragen: Hatte Merkel eine Alternative zu bieten? Ach, halt – es gibt ja nichts Alternativloses. Also: Auf zu neuen Ufern, wir schaffen das!

Das Internet ist für uns alle Neuland

Wenn ein Satz für einen kollektiven Facepalm der Nation gesorgt hat, dann dieser. Im Jahr 2013, als das Internet bereits längst zum Taktgeber der Weltwirtschaft avancierte, als Start-ups bereits Milliardengewinne einfuhren und soziale Netzwerke das Leben dominierten, meinte unsere Kanzlerin, das Netz sei für uns „alle Neuland“.

Da muss man sich fast schon fragen: Hat Angela Merkel jemals den virtuellen Pfad der Internetsurfer betreten? Oder navigierte sie nur selten durch die Weiten des Internets, stets begleitet von einem Sicherheitsbeamten, der mit einem Rechenschieber bewaffnet war? Man kann es sich förmlich vorstellen: Merkel klickt nervös auf den „Senden“-Knopf einer E-Mail, während im Hintergrund Faxgeräte ihr vertrautes Surren von sich geben.

Aber „Neuland“ ist eine weise Wahl des Wortes – immerhin bedeutet es, dass wir mit Entdeckerlust und Optimismus voranschreiten können! Was soll’s, wenn der Rest der Welt bereits lange angekommen ist?

Das Volk ist jeder, der in diesem Lande lebt

Dieser Satz hat das Potenzial, in einer Broschüre für Staatsbürgerschaftstests zu landen. Wer ist das Volk? Jeder, der atmet, der Steuern zahlt, der lebt – ganz gleich, ob seit Generationen oder seit gestern. Mit dieser Definition unterstrich Merkel einmal mehr ihren distanzierten Blick auf nationale Identität und Geschichte.

Aber ist es wirklich so einfach? Denn wenn jeder „das Volk“ ist, wer sind dann eigentlich die „anderen“? Der Unterschied zwischen denen, die „schon länger hier leben“, und denen, die „neu hinzugekommen sind“, bleibt vage. Vielleicht eine Variante des Merkel’schen Schrödinger’schen Volkes – gleichzeitig da und nicht da. Die genaue Definition bleibt, wie so vieles in ihrer Politik, der Interpretation überlassen.

Das zentrale Mantra des Merkelismus

Zu guter Letzt kommen wir zum eigentlichen Kernstück des Merkelismus: der Begriff der „Alternativlosigkeit“. Merkel hat es in ihrer Regierungszeit geschafft, jede komplexe Entscheidung, jede hitzige Debatte in einem Ein-Wort-Totschlagargument zu beenden: „alternativlos“. Es ist, als ob sie die politische Variante eines Kinderspiels erfunden hätte: „Wer hat Angst vorm bösen Alternativlos?“

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Aber, meine Damen und Herren, das ist der wahre Merkel-Zauber. „Alternativlos“ zu sein bedeutet, keine Verantwortung für das Handeln übernehmen zu müssen. Es ist das perfekte politisch-pädagogische Instrument, um eine Nation in Schach zu halten. „Was wollt ihr denn? Es gibt ja sowieso keine andere Option!“

Man könnte sich fast fragen, ob Frau Merkel damit auch ihre Wahl der Kleidung entschuldigt. „Schwarzer Hosenanzug? Alternativlos.“

Ein Erbe der rhetorischen Unschärfe

Angela Merkel hinterlässt ein rhetorisches Erbe, das zugleich staubtrocken und erfrischend ungewollt komisch ist. Ihre Aussagen sind die perfekte Mischung aus Pragmatismus und leichter Ignoranz, die oft mehr Fragen aufwerfen als beantworten. Doch vielleicht liegt genau darin ihr Erfolg: Manchmal ist es das Schweigen zwischen den Worten, das den größten Effekt hat.

Eins bleibt jedoch klar: Merkel mag vielleicht nicht die aufregendste Rednerin gewesen sein, aber sie hat es geschafft, dass wir uns auch Jahre später noch an ihre Aussagen erinnern. Und das, liebe Leserinnen und Leser, ist wahrlich alternativlos.


Weiterführende Links und Quellen:

  1. Angela Merkel und die FlüchtlingskriseSpiegel Online Artikel
  2. Merkels „Alternativlos“-PolitikZeit Online
  3. Das gescheiterte Multikulti: Eine AnalyseFAZ
  4. Das Neuland-Debakel: Warum Merkel mit dem Internet fremdeltSüddeutsche Zeitung
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