Die unheilige Allianz von Marx und Cappuccino

Man muss sich das einmal vorstellen: Karl Marx, der glühende Prophet der proletarischen Emanzipation, liefert 1843 in seiner „Zur Judenfrage“ eine Abhandlung, die, entkleidet von ihrem philosophischen Mäntelchen, schlichtweg wie ein Lehrbuch des antisemitischen Ressentiments wirkt. „Welches ist der weltliche Grund des Judenthums? Der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus der Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld.“ Ein derartiges rhetorisches Feuerwerk der Dämonisierung – bei aller intellektuellen Hochglanzverpackung – liest sich wie ein literarischer Vorgriff auf die spätere nationalsozialistische Agitation. Hier liegt nicht nur eine sachliche Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse vor, sondern eine geradezu theatralische Inszenierung des Juden als Inbegriff des Bösen, des Profanen, des wirtschaftlich-pragmatischen Menschen überhaupt. Und dennoch: Wer in dieser Linken nach moralischer Selbstkritik sucht, findet höchstens eine verschämte Fußnote. Man könnte lachen, wäre die Tragweite dieser Worte nicht so verheerend, hätten sie nicht den Nährboden für Jahrhunderte latenten Antisemitismus gelegt.

Latte, Palituch und moralische Hochstapelei

Heute, so scheint es, ist Marx’ giftige Vorlage nicht mehr nötig – sie hat einen schickeren, hipperen Anstrich erhalten. Der Antisemitismus der Linken trägt keinen braunen Anzug mehr; er sitzt auf Designerstühlen in Cafés, nippt an Soja-Latte und trägt Palituch wie eine moralische Uniform. Die alten Kategorien von Eigennutz und Geldgier haben sich gewandelt: Nun heißt der Feind „Zionismus“, und das Schachern ist ersetzt durch imaginäre koloniale Unterdrückungsstrukturen. Hier versammelt sich die neue Avantgarde: Bobo-Schmuddelkinder, ausgestattet mit Judith-Butler-Zitaten wie Talismanen, bewaffnet mit postkolonialer Theorie, die jedem realen politischen Diskurs die Luft abdreht. Queere Gazapahtasien tanzen auf dem Podium, während im Hintergrund die Handschläge mit Islamisten schon fast zum festen Bestandteil der Choreographie gehören. Man könnte es grotesk nennen, könnte die Fassung verlieren, würde man nicht erkennen, dass genau diese groteske Selbstverliebtheit das Kapital der neuen linken Moral-Elite ist.

Die Perfektionierung des ideologischen Hokuspokus

Es ist geradezu atemberaubend zu beobachten, wie die Enkel jener, die einst unter der Ideologie des Klassenkampfes litten und doch Menschlichkeit predigten, heute die alte Ressentimentsammlung im roten Mäntelchen gesellschaftsfähig machen. Marx’ antisemitische Fingerzeige werden durch postmoderne Philosophie poliert, verpackt in gutklingende Schlagworte und moralische Heiligenscheine. Der historische Antisemitismus wird nun getarnt als „kritische Solidarität mit unterdrückten Völkern“, als „Antizionismus“, als „emanzipatorische Ethik“ – und die Öffentlichkeit nickt höflich, während die alten Feindbilder ungestört weiterleben. Es ist die Vollendung eines ideologischen Hokuspokus, der aus Ressentiment, Selbstgerechtigkeit und intellektuellem Exhibitionismus eine kaum zu durchschauende Symphonie der Selbsttäuschung komponiert.

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Eine linke Tragikomödie in mehreren Akten

Am Ende bleibt ein bitter-komischer Eindruck: Die Linke, die einst die Fesseln der Ungleichheit sprengen wollte, hat eine erstaunliche Fähigkeit entwickelt, antisemitische Strömungen zu veredeln, zu verhüllen und ihnen gleichzeitig einen intellektuellen Glanz zu verleihen. Was Marx als Feindbild in seine Feder schrieb, wird heute in Form von Kaffeekultur, Gender-Debatten und geopolitischer Moralanalyse fortgeführt. Die groteske Ironie: Aus historischen Opfern werden rhetorische Projektionsflächen, aus moralischer Empörung wird ideologische Selbstverliebtheit, und aus Kritik an Machtstrukturen ein veritabler Ersatzkrieg gegen Juden, nur diesmal in Designerklamotten. Man kann sich dieser grotesken Tragikomödie nicht entziehen; man kann sie nur, mit schmerzlichem Schmunzeln, als Spiegel unserer kollektiven intellektuellen Eitelkeit erkennen – und sich fragen, wie aus der Prophetenstimme des Klassenkampfes ein Cappuccino-Antisemitismus entstehen konnte, der so perfekt getarnt ist, dass man ihm fast applaudieren möchte.

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