Danke für nichts, liebe Regierung

Ich werde mit tiefer Dankbarkeit daran denken, wenn ich Probleme habe, meine Energierechnung zu zahlen

Die Kerze im Dunkeln – für wen eigentlich?

Es gibt diese rührenden Bilder aus Kindertagen, in denen die Oma noch bei Kerzenschein den Stromausfall überbrückt, während die Enkel lachend um den Küchentisch hocken. Damals war Stromausfall eine romantische Ausnahme, heute ist die Stromrechnung der Horror-Alltag. Ein Horror, der sich Monat für Monat in die Wohnzimmer schleicht, mit Summen, die so abstrakt hoch sind, dass man fast ein Studium in Quantenphysik bräuchte, um sie zu begreifen.

Und dann, fast wie ein Lichtstrahl durch die Wolkendecke, verkündet die Regierung: Die Industrie bekommt wieder einen Strombonus! Ein Rettungsanker, ein Geschenk, eine Wohltat. Nur – nicht für uns. Für „die da oben“. Für jene Betriebe, die so energieintensiv arbeiten, dass schon der tägliche Kantinenbetrieb wahrscheinlich mehr Strom verbraucht als ein kleiner Vorort mit Einfamilienhäusern.

Strombonus – ein Bonus für wen, bitte schön?

Man stelle sich das einmal vor: Der brave Bürger sitzt daheim, das Lächeln schon längst eingefroren, weil er die Heizung um zwei Grad herunterdrehen musste, damit das Konto nicht endgültig kollabiert. Er spart, er dämmt, er duscht kalt, er wäscht nur noch im Kurzprogramm, er kocht Nudeln mit Restwärme und wälzt sich nachts wach, ob er vielleicht die Weihnachtsbeleuchtung nächstes Jahr endgültig streichen soll.

Und parallel dazu bekommt die Industrie einen Bonus. Eine kleine Anerkennung dafür, dass sie so unermüdlich das Land „am Laufen hält“ – indem sie mit Maschinenparks ganze Stromnetze in die Knie zwingt. Und das Beste: Es wird noch als ökologischer Fortschritt verkauft, weil man ja Investitionen in Energieeffizienz verlangt. Wie nobel. So als würde man dem Vielflieger am Flughafen einen Klimabonus zahlen, solange er verspricht, ab und zu den Duty-Free-Shop mit der Bahn zu erreichen.

Die große Mär vom „Standort sichern“

Das Argument kommt verlässlich, so sicher wie das Amen im Parlament: Ohne diesen Bonus, ohne diese Subventionen, ohne diese Milliarden, die Jahr für Jahr wie ein Rettungsfallschirm über die Industrie gebreitet werden, würde „der Standort“ leiden. Dieses mystische Zauberwesen namens „Standort“. Man könnte fast meinen, es handle sich um ein krankes Haustier, das nur durch beständige Infusionen am Leben erhalten werden kann.

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Doch was bedeutet das für den Bürger? Für die Kassiererin, den Pflegehelfer, die Pendlerin? Der Standort wird gesichert – aber der Mensch bleibt auf der Strecke. Denn während die Industrie Förderungen kassiert, die selbst den Steuerberater ins Schwitzen bringen, muss der Einzelne zusehen, wie er die nächste Nachzahlung finanziert. Da ist es dann kein Standort, sondern ein Abstellgleis.

Danke für nichts, liebe Regierung

Man könnte meinen, eine Regierung habe eine gewisse Verantwortung gegenüber ihrer Bevölkerung. Dass sie – ganz verrückter Gedanke – das Wohl aller im Auge haben sollte. Aber nein, die Regierung versteht sich lieber als Eventagentur für die Industrie. Man verteilt Bonbons, schüttet Millionen aus, hält Händchen mit Vorständen und tut so, als sei das der große Wurf für die Zukunft.

Und währenddessen? Wir Bürger bedanken uns artig. Mit zusammengekniffenen Lippen, ironisch erhobenen Augenbrauen und einem „Danke für nichts“. Denn wir wissen: Wenn die nächste Stromrechnung flattert, wird sich Herr Hattmannsdorfer nicht persönlich dazusetzen, um das Formular auszufüllen oder den Dauerauftrag zu stunden. Wir dürfen uns schon einmal auf warme Worte einstellen: „Es geht uns alle an.“ Nur dass das „uns“ sehr selektiv definiert ist.

Der Trostpreis: Moralische Warmhalteplatten

Natürlich – man will nicht nur meckern. Die Regierung gibt uns ja auch etwas zurück: Worte. Schön verpackte Phrasen, wohlig temperiert in Pressemitteilungen, serviert auf dem silbernen Tablett der Kommunikationsabteilung. „Energieeffizienz“, „Wettbewerbsfähigkeit“, „Zukunftsstandort Österreich“. Alles klingt gut, solange man nicht den Fehler macht, nachzudenken.

Und genau das ist der eigentliche Strombonus für uns Bürger: Wir dürfen unsere eigenen Rechnungen als persönliche Schulungsunterlagen für Resilienz und Demut betrachten. Wir trainieren Durchhaltevermögen, wir lernen Kreativität im Stromsparen, wir entdecken die Freude am Dunkeln. Vielleicht wird aus uns eine ganze Generation von Kerzenflüsterern. Und wenn dann irgendwann in den Geschichtsbüchern steht: „Das Volk hielt zusammen“, dann wird man nicht erwähnen, dass es schlicht zusammenfrieren musste.

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Eine ironische Dankesrede

Also, lassen Sie uns Dankbarkeit üben. Tief und aufrichtig. „Danke, liebe Regierung, für diesen Strombonus für die Industrie. Danke, dass ihr uns so eindrucksvoll zeigt, auf welcher Seite ihr steht. Danke, dass wir Bürger den schlichten Luxus des Ironisch-Seins pflegen dürfen – weil uns sonst das blanke Weinen bliebe.“

Und wenn dann die Kerze am Abend flackert und die Stromrechnung auf dem Küchentisch liegt, dann wissen wir: Wir leben in einem Land, das seine Prioritäten kennt. Die Industrie hat Licht, wir haben Pathos.

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