
Die kleine Verkehrswende für Auserwählte
Wien, die angeblich lebenswerteste Stadt der Welt, versteht sich ja gern als Hort der sozialen Gerechtigkeit, als Schlaraffenland der Gleichheit, wo Milch und Honig aus dem Donaukanal fließen und der soziale Friede wie der Stephansdom für die Ewigkeit errichtet scheint. Und siehe da: Ein neuerlicher Beweis für diese gelebte Fürsorge flattert 2024 auf den Schreibtisch – oder vielmehr in die Geldbörsen – von rund 67.000 städtischen Bediensteten. Diese dürfen sich seit kurzem über ein sogenanntes Jobticket freuen, das in Wahrheit nichts anderes ist als eine kostenlose Jahreskarte der Wiener Linien. Ein Geschenk des Magistrats an sich selbst, als Zeichen der „Wertschätzung“. Welch noble Geste! Welch rührende Umarmung der eigenen Beamtenschaft! Man könnte fast meinen, Wien sei eine fürsorgliche Mutter, die ihren Zöglingen Brotzeit in die Schultasche packt, während die restlichen Kinder des Hofes knurrend am Gitter stehen und sich fragen, wo ihr Butterbrot bleibt.
Doch wie jede gute Mutter kennt auch die Stadt Wien den Unterschied zwischen den Lieblingen und den bloß Duldbaren. Denn während das Beamtentum die goldene Fahrkarte gratis in die Hand gedrückt bekommt, hat der Rest der Bevölkerung in die Tasche zu greifen – und zwar tiefer als bisher. Das Jahresticket für die Normalsterblichen wird kurzerhand um dreißig Prozent teurer. Dreißig Prozent! Man könnte fast glauben, die Wiener Linien hätten sich vom Prinzip der progressiven Steuer inspirieren lassen: je weniger Einfluss man hat, desto mehr bezahlt man.
Privilegien-Ökonomie im Nahverkehr
Das Absurde an der Sache ist ja nicht allein die Ungleichbehandlung, sondern ihre barocke Selbstverständlichkeit. Man verkauft das Geschenk an die Magistratsangestellten nicht als Freunderlwirtschaft, sondern als „Zeichen der Wertschätzung“. Welch schönes Euphemismus-Ornament! Wenn Wertschätzung tatsächlich in Gratis-Jahreskarten gemessen wird, dann besteht die Wiener Bevölkerung offensichtlich zu neunzig Prozent aus Leuten, die man herzlich verachtet. Schließlich darf die Mehrheit nun mit stolz erhobenem Haupt die Erhöhung bezahlen, damit die Stadtangestellten weiterhin entspannt zum Dienst gleiten können.
Es ließe sich freilich argumentieren, dass die 67.000 Beamten für das Funktionieren der Stadt unverzichtbar seien. Doch man könnte ebenso schlagend vorbringen, dass auch die Verkäuferin im Supermarkt, der Paketbote, die Krankenpflegerin oder der Koch in der Kantine nicht unbedingt zu den überflüssigen Luxusgütern gehören. Dennoch hat niemand beschlossen, ihnen eine kostenlose Fahrkarte in die Tasche zu schieben. Offenbar endet die Unverzichtbarkeit genau dort, wo der Arbeitsvertrag nicht in den Tiefen des Magistratsarchivs liegt.
Gleichheit, aber bitte mit Rabattcode
Man kann dieses Schauspiel auch als Lehrstück in angewandter Demokratie betrachten: Alle sind gleich, aber manche sind eben gleicher. In Wien hat das seit jeher Tradition. Schon der Fiaker fuhr lieber den wohlhabenden Herrn als die schwitzende Wäscherin. Heute ist es eben die U-Bahn, die für die Beamtin gratis rollt, während der Bauarbeiter, der sie instandhält, 30 % mehr für das gleiche Recht bezahlen darf.
Das ist im Grunde eine geniale Strategie: Statt allen Menschen den öffentlichen Verkehr günstiger zu machen, verteuert man ihn für die Mehrheit und schenkt ihn den Auserwählten. Das spart Geld, sorgt für loyale Angestellte und stärkt gleichzeitig die Kluft zwischen Insidern und Outsidern. Ein Schelm, wer dabei an feudale Privilegien denkt! Im Grunde ist das Jobticket nichts anderes als ein digitalisierter Zehent, der im Jahr 2024 direkt aus den Geldbörsen der Untertanen in die Schößchen der Amtsstuben geleitet wird.
Die Sozialromantik der Ticketpreiserhöhung
Die große Pointe ist allerdings die kommunikative Verpackung. Offiziell verkauft man die Preiserhöhung für den Rest der Bevölkerung mit dem Hinweis, dass ja alles teurer geworden sei, dass man investieren müsse, dass Qualität koste. Kurz: Das übliche Wortgeflecht, mit dem man den Bürgern seit Jahrhunderten das Gefühl gibt, sie sollten dankbar sein, wenn sie mehr bezahlen dürfen. Es ist eine fast schon religiöse Logik: durch Leiden zur Erlösung, durch höhere Kosten zur besseren Mobilität. Die Beamten fahren derweil kostenlos mit und dürfen sich im Namen der „Wertschätzung“ zurücklehnen.
In Wahrheit wirkt die Maßnahme wie eine verkehrspolitische Parabel auf den Zustand der Gesellschaft: Die einen kriegen Zuckerln, die anderen die Rechnung. Und während die Stadt stolz verkündet, man habe ein „Zeichen gesetzt“, steht der normale Fahrgast im Gedränge der U6, mit schwitzendem Rücken und überteuertem Ticket, und denkt sich, dass dieses Zeichen wohl eher in die Kategorie „Stinkefinger“ fällt.
Augen auf bei der Jobwahl
Was also lernen wir aus diesem kleinen Schauspiel der urbanen Verkehrspolitik? Erstens: Wer in Wien günstig unterwegs sein will, sollte nicht auf das Fahrrad oder die Jahreskarte setzen, sondern auf die Anstellung im Magistrat. Zweitens: Wertschätzung ist ein rares Gut, das in dieser Stadt offenbar mit Stempeluhr und Pensionszusage einhergeht. Drittens: Die berühmte Lebensqualität, die Wien sich so gern auf die Fahnen schreibt, ist weniger eine Frage der Architektur oder der Donauinsel, sondern eine Frage der Dienstnummer.
So bleibt für die breite Bevölkerung nur die bittere Erkenntnis: Augen auf bei der Jobwahl! Denn während die Beamten mit Gratisfahrscheinen durch die Stadt gondeln, bleibt dem Rest der Wiener nur, die höheren Preise als Eintrittskarte für das Schauspiel der städtischen Selbstgerechtigkeit zu bezahlen. Und sollte sich jemand über die Ungleichheit beschweren, so darf er sich trösten: Auch das ist, man höre und staune, ein Zeichen der Wertschätzung – für die Fähigkeit, mehr zu zahlen.
Augen auf bei der Jobwahl
Die kleine Verkehrswende für Auserwählte
Wien, die angeblich lebenswerteste Stadt der Welt, versteht sich ja gern als Hort der sozialen Gerechtigkeit, als Schlaraffenland der Gleichheit, wo Milch und Honig aus dem Donaukanal fließen und der soziale Friede wie der Stephansdom für die Ewigkeit errichtet scheint. Und siehe da: Ein neuerlicher Beweis für diese gelebte Fürsorge flattert auf den Schreibtisch – oder vielmehr in die Geldbörsen – von rund 67.000 städtischen Bediensteten. Diese dürfen sich seit kurzem über ein sogenanntes Jobticket freuen, das in Wahrheit nichts anderes ist als eine kostenlose Jahreskarte der Wiener Linien. Ein Geschenk des Magistrats an sich selbst, als Zeichen der „Wertschätzung“. Welch noble Geste! Welch rührende Umarmung der eigenen Beamtenschaft! Man könnte fast meinen, Wien sei eine fürsorgliche Mutter, die ihren Zöglingen Brotzeit in die Schultasche packt, während die restlichen Kinder des Hofes knurrend am Gitter stehen und sich fragen, wo ihr Butterbrot bleibt.
Doch wie jede gute Mutter kennt auch die Stadt Wien den Unterschied zwischen den Lieblingen und den bloß Duldbaren. Denn während das Beamtentum die goldene Fahrkarte gratis in die Hand gedrückt bekommt, hat der Rest der Bevölkerung in die Tasche zu greifen – und zwar tiefer als bisher. Das Jahresticket für die Normalsterblichen wird kurzerhand um dreißig Prozent teurer. Dreißig Prozent! Man könnte fast glauben, die Wiener Linien hätten sich vom Prinzip der progressiven Steuer inspirieren lassen: je weniger Einfluss man hat, desto mehr bezahlt man.
Privilegien-Ökonomie im Nahverkehr
Das Absurde an der Sache ist ja nicht allein die Ungleichbehandlung, sondern ihre barocke Selbstverständlichkeit. Man verkauft das Geschenk an die Magistratsangestellten nicht als Freunderlwirtschaft, sondern als „Zeichen der Wertschätzung“. Welch schönes Euphemismus-Ornament! Wenn Wertschätzung tatsächlich in Gratis-Jahreskarten gemessen wird, dann besteht die Wiener Bevölkerung offensichtlich zu neunzig Prozent aus Leuten, die man herzlich verachtet. Schließlich darf die Mehrheit nun mit stolz erhobenem Haupt die Erhöhung bezahlen, damit die Stadtangestellten weiterhin entspannt zum Dienst gleiten können.
Es ließe sich freilich argumentieren, dass die 67.000 Beamten für das Funktionieren der Stadt unverzichtbar seien. Doch man könnte ebenso schlagend vorbringen, dass auch die Verkäuferin im Supermarkt, der Paketbote, die Krankenpflegerin oder der Koch in der Kantine nicht unbedingt zu den überflüssigen Luxusgütern gehören. Dennoch hat niemand beschlossen, ihnen eine kostenlose Fahrkarte in die Tasche zu schieben. Offenbar endet die Unverzichtbarkeit genau dort, wo der Arbeitsvertrag nicht in den Tiefen des Magistratsarchivs liegt.
Gleichheit, aber bitte mit Rabattcode
Man kann dieses Schauspiel auch als Lehrstück in angewandter Demokratie betrachten: Alle sind gleich, aber manche sind eben gleicher. In Wien hat das seit jeher Tradition. Schon der Fiaker fuhr lieber den wohlhabenden Herrn als die schwitzende Wäscherin. Heute ist es eben die U-Bahn, die für die Beamtin gratis rollt, während der Bauarbeiter, der sie instandhält, 30 % mehr für das gleiche Recht bezahlen darf.
Das ist im Grunde eine geniale Strategie: Statt allen Menschen den öffentlichen Verkehr günstiger zu machen, verteuert man ihn für die Mehrheit und schenkt ihn den Auserwählten. Das spart Geld, sorgt für loyale Angestellte und stärkt gleichzeitig die Kluft zwischen Insidern und Outsidern. Ein Schelm, wer dabei an feudale Privilegien denkt! Im Grunde ist das Jobticket nichts anderes als ein digitalisierter Zehent, der im Jahr 2024 direkt aus den Geldbörsen der Untertanen in die Schößchen der Amtsstuben geleitet wird.
Die Sozialromantik der Ticketpreiserhöhung
Die große Pointe ist allerdings die kommunikative Verpackung. Offiziell verkauft man die Preiserhöhung für den Rest der Bevölkerung mit dem Hinweis, dass ja alles teurer geworden sei, dass man investieren müsse, dass Qualität koste. Kurz: Das übliche Wortgeflecht, mit dem man den Bürgern seit Jahrhunderten das Gefühl gibt, sie sollten dankbar sein, wenn sie mehr bezahlen dürfen. Es ist eine fast schon religiöse Logik: durch Leiden zur Erlösung, durch höhere Kosten zur besseren Mobilität. Die Beamten fahren derweil kostenlos mit und dürfen sich im Namen der „Wertschätzung“ zurücklehnen.
In Wahrheit wirkt die Maßnahme wie eine verkehrspolitische Parabel auf den Zustand der Gesellschaft: Die einen kriegen Zuckerln, die anderen die Rechnung. Und während die Stadt stolz verkündet, man habe ein „Zeichen gesetzt“, steht der normale Fahrgast im Gedränge der U6, mit schwitzendem Rücken und überteuertem Ticket, und denkt sich, dass dieses Zeichen wohl eher in die Kategorie „Stinkefinger“ fällt.
Augen auf bei der Jobwahl
Was also lernen wir aus diesem kleinen Schauspiel der urbanen Verkehrspolitik? Erstens: Wer in Wien günstig unterwegs sein will, sollte nicht auf das Fahrrad oder die Jahreskarte setzen, sondern auf die Anstellung im Magistrat. Zweitens: Wertschätzung ist ein rares Gut, das in dieser Stadt offenbar mit Stempeluhr und Pensionszusage einhergeht. Drittens: Die berühmte Lebensqualität, die Wien sich so gern auf die Fahnen schreibt, ist weniger eine Frage der Architektur oder der Donauinsel, sondern eine Frage der Dienstnummer.
So bleibt für die breite Bevölkerung nur die bittere Erkenntnis: Augen auf bei der Jobwahl! Denn während die Beamten mit Gratisfahrscheinen durch die Stadt gondeln, bleibt dem Rest der Wiener nur, die höheren Preise als Eintrittskarte für das Schauspiel der städtischen Selbstgerechtigkeit zu bezahlen. Und sollte sich jemand über die Ungleichheit beschweren, so darf er sich trösten: Auch das ist, man höre und staune, ein Zeichen der Wertschätzung – für die Fähigkeit, mehr zu zahlen.