
Die letzte Ausfahrt heißt Dienstpflicht
Man muss es den deutschen Ökonomen lassen: Ihnen gehen die Ideen niemals aus, wenn es darum geht, das Leben anderer zu reglementieren. Kaum hat man sich an die Vorstellung gewöhnt, dass Jugendliche mit der Zahnbürste den Gehweg schrubben sollen, flattert schon die nächste Pflicht in den Briefkasten der Republik: Die Rentner ran! Endlich wieder eine Front, die man eröffnen kann – diesmal gegen die Gebrechlichkeit.
DIW-Präsident Fratzscher, jener Oberpriester der PowerPoint-Apokalypse, verkündet also: „Wir brauchen mehr Solidarität der Alten.“ Übersetzt heißt das: Wer ein Leben lang eingezahlt hat, darf nicht nur weiterzahlen, sondern auch noch im Alter rackern. Man muss sich diesen perversen Logik-Twist auf der Zunge zergehen lassen: Einmal fürs System arbeiten reicht nicht. Zweimal auch nicht. Man muss es bis zum finalen Atemzug tun. Wer früher stirbt, macht sich immerhin volkswirtschaftlich nützlich.
Rollatorgrenadiere für die Heimatfront
Besonders fein: Rentner sollen zur Landesverteidigung antreten. Das Bild allein ist von einer Groteske, die Brecht im Grabe Samba tanzen ließe. Rentnerkompanien, die sich in Zeitlupe über den Kasernenhof schleppen, den Gehstock in der einen Hand, die Sauerstoffflasche in der anderen. Das Kommando: „Stillgestanden!“ wird wahlweise mit Herzstillstand beantwortet oder mit der höflichen Nachfrage, ob man bitte eine Sitzgelegenheit bekommen könnte.
Und falls Putin tatsächlich an die Grenze klopft, könnte Deutschland ihm gleich mit der gefürchtetsten aller Waffen begegnen: 300.000 Senioren mit Hörgeräten, die gleichzeitig pfeifen. Ein akustischer Angriff, der jedes russische Panzerbataillon binnen Sekunden in die Flucht schlägt.
Pflegedienst mit Tremor
Natürlich bleibt auch die soziale Komponente nicht verschont. Rentner im Pflegeheim sollen gefälligst andere Rentner pflegen – eine Art endloser Alterskarussellbetrieb: Demenzkranke füttern Demenzkranke, Parkinsonkranke reichen Parkinsonkranken das Tablett, und der letzte, der sich noch erinnern kann, wer eigentlich wer ist, bekommt den Orden für Zivilcourage.
Was für ein Geniestreich: So spart man Pflegekräfte, Kosten und Personal – und gewinnt gleichzeitig eine neue Reality-TV-Idee für RTL: „Rentner retten Rentner – das ultimative Pflichtjahr“.
Solidarität, das Codewort der Sparfüchse
Die Rhetorik ist bekannt: „Solidarität.“ Dieses Wort wird von Politik und Ökonomen so gerne benutzt wie Deo im Hochsommer – nicht für den Eigengeruch, sondern um die anderen zu übertünchen. Solidarität heißt in Wahrheit: Ihr macht, wir kassieren. Wer jung ist, zahlt. Wer alt ist, arbeitet. Und wer Pech hat, macht beides.
Das wirklich Geniale daran: Aus der moralischen Erpressung („die Alten sollen was zurückgeben“) wird eine fiskalische Zwangsjacke. Statt endlich ein funktionierendes Pflegesystem zu finanzieren, zieht man die letzte Reserve aus dem Schützengraben der Demografie. Deutschland, ein Land, das sich weigert, Geld für Kinder, Kranke oder Alte in die Hand zu nehmen – aber Milliarden für eine Bundeswehr, die nicht mal funktionierende Helme hat.
Visionen für die Vollendung
Und wenn wir schon dabei sind, warum dann aufhören? Man könnte ein ganzes Pflichtkontinuum schaffen:
- Babys leisten eine „Krabbelbrigade“ im Krankenhaus, um gestresste Krankenschwestern aufzuheitern.
- Arbeitslose müssen ab sofort unbezahlt Politikerreden klatschen, damit diese sich wieder nützlich fühlen.
- Und die Toten? Nun, die könnten posthum noch ein paar Jahre CO₂-Bindungspflicht übernehmen, indem man ihre Särge als Blumenkästen aufstellt.
Warum halbherzig sein, wenn man gleich ein komplettes Pflichtuniversum einführen kann?
Das letzte Stadium des Neoliberalismus
Fratzschers Vorschlag ist nicht einfach nur absurd, er ist die finale Offenbarung: Deutschland ist nicht mehr in der Lage, seine Alten zu versorgen, also lässt man sie einfach selbst die Drecksarbeit machen. Ein Land, das jahrzehntelang stolz war auf seinen „Generationenvertrag“, zeigt nun, dass es diesen Vertrag schlicht als Knebelvertrag verstand: Alles für den Staat, nichts zurück.
Die Pointe: Dieselben Leute, die Rentner jetzt in den Pflichtdienst schicken wollen, werden in zwanzig Jahren selbst Rentner sein. Man darf sich also freuen auf den Tag, an dem Herr Fratzscher im Tarnanzug und mit Katheter in der Bundeswehrkantine sitzt und erklärt: „Das ist Solidarität!“ – bevor er beim Stiefelputzen am Herzinfarkt verstirbt.
Fazit: Der Wahnsinn trägt Schlips
Die Pflichtdienst-Idee für Rentner ist kein Witz. Aber sie klingt wie einer. Und vielleicht ist genau das das Bitterste: Dass man in Deutschland mittlerweile nicht mehr unterscheiden kann zwischen ernst gemeinten Vorschlägen und Satire. Wenn die Wirklichkeit schon nach Titanic riecht, braucht man eigentlich keine Satiriker mehr.
Aber keine Sorge: Irgendwann, wenn die letzte Oma den letzten Dienst an der Heimat geleistet hat, wird man erkennen, dass man eine Gesellschaft nicht dadurch rettet, dass man ihre Alten verheizt. Bis dahin gilt: Durchhalten! Pflichtjahr ist nur ein anderes Wort für „Endstation Sehnsucht“.