Gottes kleine Pausenräume

oder: Der fromme Wahnsinn der deutschen Bildungslandschaft

Die stille Revolution hinter verschlossenen Türen

Wie still muss ein Gebet sein, damit es niemand merkt? Wie harmlos ein Raum, damit er nicht auffällt? Und wie naiv muss eine Gesellschaft sein, um zu glauben, dass 176 „multireligiöse“ Gebetsräume an Schulen einfach nur ein Ausdruck liberaler Religionsausübung sind – so neutral, so offen, so unschuldig wie ein diffusionsoffener Wandanstrich? Nordrhein-Westfalen, das Musterländle des progressiv-bürokratischen Bildungsidealismus, hat wieder einmal geliefert: Eine neue Statistik zeigt, dass an exakt 176 Schulen (eine Zahl, die verdächtig nach Exaktheit riecht, aber vermutlich auf dem Zufallswürfel eines Ministerialbeamten basiert) Räume existieren, in denen Schüler beten dürfen. Alle. Jederzeit. Anscheinend. Für alle Religionen. Sogar für den fliegenden Spaghettimonsterismus, sollte man meinen.

Natürlich darf niemand laut lachen, wenn das Ministerium die frohe Botschaft verkündet. Man muss sich stattdessen betroffen die Stirn reiben, leise „Pluralismus“ murmeln und ein zustimmendes Nicken andeuten, als verstünde man, was hier passiert. Denn Kritik daran – sei sie sachlich, satirisch oder schlicht gesundem Menschenverstand entsprungen – wird sofort mit dem Säbel der Toleranz niedergerungen. Wer fragt, ob solche Räume vielleicht weniger die Vielfalt fördern als vielmehr Parallelwelten zementieren, wird mit der üblichen Rhetorik der Weltoffenheit plattgewalzt: Natürlich sind diese Räume für alle da! Ja, sicher. Und der Türsteher entscheidet spontan per Koranvers, Bibelzitat oder Bhagavad-Gītā-Stelle, ob du reindarfst.

Multikulti im Mehrzweckraum – Sakrale Zonen im Schulalltag der Widersprüche

Stellen wir uns den Alltag vor. Im Gebetsraum der Gesamtschule Wokenstein betet um 12:07 die islamische Schülergruppe gen Mekka, um 12:45 schiebt sich der katholische Jugendkreis mit Gitarren hinein, um „Jesus in unser Herz zu lassen“, und um 13:30 zündet die buddhistische AG ein Räucherstäbchen an. Um 14:00 Uhr tagt dann das atheistische Schülerparlament, das mit ironischem Ernst darüber diskutiert, wie man den Raum in einen Ort der „spirituell befreiten Reflexion“ umgestalten könnte – natürlich mit respektvollem Verweis auf das Selbstbestimmungsgesetz und inklusive aller genderdiversen Identitäten.

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Was für ein Spektakel! Und was für eine Farce!

Die Wahrheit ist: Diese Räume sind keine Tempel der Toleranz, sondern Monokulturen im multireligiösen Tarnanzug. Wer glaubt, dass in einer Schule im Duisburger Norden Christen, Juden, Muslime, Hindus und Agnostiker sich reihum respektvoll in einem Raum der spirituellen Koexistenz ablösen, glaubt auch, dass das Bürgergeld Leistungsanreize setzt und die Deutsche Bahn im Stundentakt pünktlich fährt.

Der neue Schulglaube: Beten, Beugen, Bußgeldkataloge

Während der Biologieunterricht über Evolution, Zellteilung und Sexualität stolpert – zumeist gehemmt von den sensiblen Empfindlichkeiten religiös konnotierter Elternhäuser – wird gleichzeitig ein Raum eingerichtet, in dem dieselben Schüler metaphysisch-genital fixierte Moralvorstellungen kultivieren dürfen. Ein Widerspruch? Nur, wenn man noch an den Zusammenhang zwischen Bildung und Aufklärung glaubt.

Heutzutage ist Bildung ein Balanceakt zwischen kultureller Selbstverleugnung und pädagogischer Selbsthypnose. Die Schule, die früher eine Anstalt war (wie herrlich altmodisch dieses Wort!), ist nun ein therapeutischer Erlebnispark mit religiösen Feelgood-Zonen, Diversity-Schulungen und Pronomen-Workshops. Ein Ort, an dem der Lehrer nicht mehr bildet, sondern begleitet. Am liebsten im genderneutralen Tonfall mit empathischer Körpersprache.

Der Gebetsraum wird so zur sakralen Verlängerung dieser neuen Glaubenssysteme: Ob Allah, Jehova oder woke Fluidität – was zählt, ist der Ausdruck subjektiver Wahrheit. Nicht die Konfrontation mit Fakten, sondern das Wohlfühlen in der Blase der Überzeugung. Das pädagogische Ideal: ein harmonischer Eintopf aus Intersektionalität, Weltethos und Wohlfühlfrömmigkeit.

Und wo sind die Tampon-Automaten?

Natürlich fragt man sich zu Recht: Wenn Gebetsräume flächendeckend eingeführt werden, wo bleiben die anderen Zeichen dieser neuen Schulreligion? Wo ist der Tampon-Automat auf der Jungentoilette, selbstverständlich mit Hinweisschild in sieben Sprachen und Piktogrammen für Sehbehinderte? Wo sind die Unisex-Klos mit Duftkerzen und Hafermilchspendern? Und natürlich: Wo ist der Infostand zum Selbstbestimmungsgesetz, flankiert von einer Broschüre über Menstruation bei transmaskulinen Schülern?

Man kann das alles für grotesk halten – oder für notwendig. Je nachdem, wie stark man bereits in die Denkweise des ministerialen Spaghettidenkens eingetaucht ist. In der Sprache der Verwaltung sind all diese Maßnahmen schlicht „Schritte zur Inklusion“. Aber jeder, der einmal an einer Gesamtkonferenz teilgenommen hat, weiß: Hinter der Inklusionsfassade lauert oft eine Kakophonie aus Dogmen, Empfindlichkeiten und ideologischer Überbetreuung.

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Fazit: Beten mit Bauchgefühl

Nordrhein-Westfalen hat einen Weg gefunden, die Schule zur Kapelle der Gegenwart zu machen. Nicht, weil dort gebetet wird – das wäre an sich noch das Harmloseste. Sondern weil der Glaube an Bildung durch den Glauben an Stimmungen, Zugehörigkeit und subjektive Identitäten ersetzt wurde.

176 Gebetsräume sind keine Bedrohung. Sie sind ein Symptom. Ein Symbol für eine Bildungswelt, die sich mehr um Gefühle als um Inhalte sorgt. Die lieber Räume schafft als Horizonte. Die glaubt, dass man Konflikte durch Rückzugsorte löst.

Und deshalb bleibt nur ein Vorschlag: Warum nicht gleich den gesamten Stundenplan in eine Art säkular-religiöse Liturgie umwandeln? Morgens Yoga, mittags ein bisschen interkultureller Tanz, nachmittags Beten, Beichten, Basteln. Und in der Pause ein kleiner Workshop über Mikroaggressionen und das Patriarchat im Chemieunterricht.

Denn wer braucht schon Wissen, wenn man Glaube hat?

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