
über die infantile Radikalisierung, politische Hybris und die ewige Versuchung der moralischen Selbstermächtigung
Vorspiel in Grün: Wenn Idealismus zum Karneval der Eitelkeiten wird
Die Revolution trägt Turnschuhe und genderneutrale Pronomen. Ihre Banner wehen nicht mehr rot, sondern biozertifiziert grün, mit einem Hauch von Pastelllila und einem regenbogenfarbigen Aufnäher gegen Diskriminierung. Einst marschierten sie mit Rosa Luxemburg-Zitaten auf Transparenten durch Berlin-Kreuzberg, heute twittern sie mit dem Furor eines digitalen Robespierre gegen alles, was rechts von der eigenen Gesinnungsblase existiert. Und inmitten dieser Welt aus Ironie, Emojis und heiligem Ernst erhebt sich Jette Nietzard, Vorsitzende der Grünen Jugend, als neue Jeanne d’Arc des deutschen Antifaschismus – allerdings ohne Rüstung, dafür mit Mikrofon, Podcast-Abo und einem gefährlichen Hang zur melodramatischen Selbstüberhöhung.
Ihre jüngsten Aussagen zum Thema „Widerstand“ gegen eine mögliche AfD-Regierung im Jahr 2029 lesen sich wie ein Mash-up aus einem schlecht redigierten Polit-Thriller und einer dilettantischen Revolutionssimulation. Die Frage „mit Waffen?“ steht da auf einmal im Raum, fast so nonchalant ausgesprochen wie die Frage nach Hafermilch oder Soja im Cappuccino. Und während man sich fragt, ob das jetzt eine pubertäre Provokation oder ein authentischer Ernstfallposten der Apokalypse war, beginnt das demokratische Deutschland, genervt die Stirn zu runzeln.
Gesinnungstheater mit Pyrotechnik: Von der Symbolpolitik zur semantischen Eskalation
Es ist nicht neu, dass sich politische Jugendorganisationen als moralisches Korrektiv ihrer Mutterparteien gerieren – das ist sogar ihre ureigenste Aufgabe im demokratischen Spektrum. Doch was sich hier abzeichnet, ist keine jugendliche Mahnung, sondern eine gefährlich unscharfe Radikalisierungsfantasie, die sich an der Grenze zum demokratischen Abgrund tänzelnd gefällt.
Nietzard stellt Fragen, die an sich berechtigt wären – in einem anderen Tonfall, in einem anderen Kontext, mit einem anderen Ernst. Doch sie formuliert sie in einem Sound, der nicht nach demokratischer Wachsamkeit klingt, sondern nach ästhetisiertem Widerstandslustspiel. Es geht nicht um Analyse, sondern um Affekt. Nicht um Argumente, sondern um Attitüde. „Wären wir bereit, Menschen zu verstecken?“ – so floskelt sie ins Mikrofon, als wäre sie Hauptdarstellerin einer Netflix-Serie über den deutschen Untergrund im Jahr 2030. Man sieht förmlich die Schwarz-Weiß-Ästhetik, den Soundtrack von Hans Zimmer und das entschlossene Flüstern im feuchten Kellergewölbe: „Wir sind die letzte Bastion der Menschlichkeit.“
Die Doppelmoral der Apokalyptiker: Demokratie nur, wenn sie grün wählt?
Was an dieser Debatte so perfide ist, ist die moralische Asymmetrie, mit der hier gearbeitet wird. Wer die AfD – vielleicht zu Recht – als Gefahr für die Demokratie beschreibt, aber gleichzeitig laut darüber nachdenkt, mit undemokratischen Mitteln gegen eine demokratisch gewählte Regierung vorzugehen, verstrickt sich in einen Zirkelschluss des autoritären Antiautoritarismus.
Der Tabubruch liegt nicht allein in der Formulierung, sondern in der unbedarften Selbstverständlichkeit, mit der diese Formulierung in den Raum geworfen wird. Dass Nietzard keine konkrete Antwort hat, ist fast schon nebensächlich – entscheidend ist, dass sie die Frage überhaupt stellt. Nicht aus Notwehr, nicht aus akutem Handlungsdruck, sondern aus einer ideologischen Vorfreude auf den Ernstfall. Der Gedanke an den Widerstand – möglichst dramatisch, möglichst heroisch – ist längst zu einer identitätspolitischen Ersatzreligion geworden.
Die RAF im Schatten der Regenbogenflagge?
Natürlich: Jette Nietzard hat nicht zu Gewalt aufgerufen. Sie hat sie nur vage imaginiert, in den Raum gestellt, hypothetisch gedacht. Aber genau hier liegt der feine, toxische Unterschied. Die RAF begann auch nicht mit Bomben, sondern mit einem Gefühl moralischer Überlegenheit gegenüber dem „Schweinesystem“. Mit der Überzeugung, dass man – als kleine Avantgarde – das Richtige tut, auch wenn man dafür das Falsche tun muss.
Man täte gut daran, solchen Gedanken schon im Keim zu widersprechen. Denn Geschichte wiederholt sich nicht – aber sie reimt sich, wie Mark Twain sagte. Und der Sound, der da aus den Interviews mit Nietzard zu vernehmen ist, erinnert fatal an eine intellektuelle Vorstufe zum bewaffneten Dogmatismus. Wenn demokratische Prozesse nur dann akzeptiert werden, wenn das „Richtige“ dabei herauskommt, ist man nicht mehr Demokratin, sondern eine Fundamentalistin mit Biotütchen.
Der Ernst der Lage: Ja, die AfD ist eine Gefahr – aber nicht das einzige Problem
Die AfD ist in ihrer jetzigen Form rechtsextrem, illiberal und demokratiezersetzend. Ihre Regierungsbeteiligung wäre ein Schock für die Republik, eine tektonische Verschiebung des politischen Koordinatensystems. Aber genau deshalb braucht es als Antwort keine rhetorisch bewaffnete Jugendbewegung, sondern die besonnene Stärke einer wehrhaften Demokratie – mit offenen Augen, klarem Kompass und festen Prinzipien.
Was es nicht braucht, sind pseudo-heroische Phantasien über Untergrundwiderstand, über Waffen, über das Verstecken von Menschen. Solche Aussagen sind nicht nur politisch brandgefährlich – sie sind auch ein Geschenk an die AfD. Denn sie erlauben es ihr, sich als Opfer einer linksradikalen, autoritär durchdrungenen Elite zu inszenieren. Wer also wirklich gegen Rechts kämpfen will, sollte aufhören, dem Gegner das Narrativ zu liefern.
Schlussbild mit Ironie: Revolution? Nein danke, ich habe schon einen Kompost
Am Ende bleibt das Bild einer Politikerin, die ein Feuer entzünden wollte – und stattdessen nur Nebel erzeugt hat. Die sich selbst als Mahnerin gegen die Barbarei sieht, aber im Pathos ihrer eigenen Vorstellung untergeht. Der Weg in die politische Relevanz führt nicht über Instagrammable Revolutionsrhetorik, sondern über reale Arbeit an den demokratischen Strukturen, so mühsam und unspektakulär sie auch sein mag.
Wer heute mit rhetorischen Waffen jongliert, darf sich nicht wundern, wenn morgen die Demokratie auf der Streckbank liegt. Die grüne Jugend sollte sich entscheiden, ob sie Zukunft gestalten oder Fiktionen bewohnen will. Revolution ist kein Rollenspiel. Und der demokratische Diskurs keine Bühne für hypermoralisches Theater.
Denn eines ist klar: Wer im Namen des Guten das Schlechte denkt, wird am Ende nicht der Retter der Republik, sondern nur ihr tragikomischer Fußnotenkomparse.