Die große Klimakarawane

Willkommen im Zeitalter der Emissionsgala

Es war einmal, in einem fernen, feuchten Landstrich namens Belém, dort wo der Amazonas schnaubt und das CO₂ der Kreuzfahrtschiffe gegen den Urwald dampft, als die Menschheit beschloss, sich ein weiteres Mal zu treffen, um über ihr Überleben zu sprechen. Natürlich nicht irgendwer. Es sind die Besten der Besten, die Klügsten der Klugen, die Empörtesten der Empörten – oder wenigstens deren Vertreter, Berater, Dolmetscher, Lobbyisten, Sicherheitsleute, Social-Media-Betreuer und Instagram-Story-Filmer. Die internationale Elite der Weltklimaretter reist an, vorzugsweise mit dem Privatjet, versteht sich – man will ja nicht den Bus nehmen, wenn’s um den Planeten geht.

Doch oh weh! Die Hotels sind voll. Ein kleines logistisches Missgeschick, könnte man meinen, aber die Lösung? Sie ist so charmant zynisch, dass man glauben möchte, Bertolt Brecht persönlich habe das Drehbuch geschrieben: Man lässt kurzerhand zwei der größten Kreuzfahrtschiffe des Planeten vorfahren, um die Umweltretter zu beherbergen. Und so gleiten demnächst die Costa Diadema (4947 Betten, 7 Pools) und die MSC Seaview (5119 Betten, 16 Restaurants, Teppanyaki inklusive) majestätisch in den Hafen von Outeiro – selbstverständlich nicht ohne vorher noch ein paar hunderttausend Liter Diesel zu verfeuern, denn Klimakonferenzen müssen ja irgendwie warmgehalten werden.

Kreuzfahrt in die Apokalypse

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Während in den Konferenzsälen von Belém die Staatenvertreter wortreich über die 1,5-Grad-Grenze schwadronieren, plätschert auf Deck 14 der MSC Seaview der Whirlpool. Unten im Maschinenraum röhren die Dieselmotoren. 500.000 Liter Sprit pro Tag – das ist kein Fortbewegungsmittel mehr, das ist ein Statement. Etwa 1200 Tonnen CO₂ täglich spucken die schwimmenden Bettenburgen aus, damit sich Botschafter und Verhandler nach einem anstrengenden Panel zu „Zero Emissions 2050“ am Sushi-Buffet entspannen können. Es muss ja nicht immer Teppanyaki sein, aber wenn schon Klimarettung, dann wenigstens all-inclusive.

Natürlich könnte man fragen: Warum nicht einfach Zelte aufschlagen? Oder die Veranstaltung hybrid abhalten, so wie es sich seit Corona eingebürgert hat? Aber dann würde ja das Wichtigste fehlen: das feuchte Händeschütteln, der Networking-Sekt, das persönliche Schulterklopfen beim Sundowner. Der Mensch ist eben ein soziales Tier, und das Klima lässt sich nicht retten, wenn man sich nicht vorher beim Filet Mignon in die Augen gesehen hat.

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Der Wahnsinn hat einen Hafen

Der Hafen von Outeiro, bislang eher bekannt für seine bescheidene Existenz am Rand der Weltkarte, wird also gerade ausgebaut. Ein 710 Meter langer Pier, neue Abfertigungsgebäude, 35 Millionen Dollar fließen – für die Infrastruktur der Rettung. Ob der Amazonas davon profitiert? Fraglich. Ob der lokale Fischmarkt jubelt? Eher nein, denn der klimatisierte Sushi-Lieferant aus Tokyo steht eh schon in den Startlöchern.

Aber gut, man darf nicht kleinlich sein. Schließlich geht es hier um das große Ganze. Die Vertreter von 103 Botschaften haben ja schließlich nicht den Job, den CO₂-Fußabdruck zu verkleinern, sondern ihn zu verwalten. Oder, um es präziser zu sagen: darüber zu konferieren, wie man künftig andere dazu bringt, auf Dinge zu verzichten, während man selbst noch schnell ein Dessert vom Schokobrunnen holt.

Der Planet stirbt – aber stilvoll, mit Pooldeck

In einer besseren Welt würde man über diese Farce lachen können. Aber leider leben wir in genau der Welt, über deren Rettung hier gesprochen wird. Man könnte es auch so sagen: Das Zeitalter der symbolischen Politik ist zu Ende, wir befinden uns längst im Zeitalter der symbolischen Parodie auf die symbolische Politik.

Die Kreuzfahrtschiffe vor Belém sind keine Randnotiz, sie sind das perfekte Symbol der modernen Klimadiplomatie: groß, schwer, laut und in ihrer Widersprüchlichkeit so konsequent, dass es schon wieder konsequent ist. Während man drinnen im Konferenzraum Klimagerechtigkeit diskutiert, stehen draußen die Dieseltanks bereit. Während man das Artensterben beklagt, röstet der Ship-Grill auf Stufe fünf. Und während man von Dekarbonisierung schwadroniert, schwimmt ein schwimmender Freizeitpark durch den Hafen, dessen Primärenergiebedarf ungefähr dem von Kleinstädten entspricht.

Das nächste Level der Heuchelei

Man muss den Delegierten nicht böse sein. Sie sind ja nur ein Spiegel des Systems. Der moderne Klimagipfel ist längst nicht mehr der Ort, an dem Lösungen entstehen. Er ist ein Event. Ein Jahrmarkt der Betroffenheit, gepaart mit luxuriösem Eskapismus. Das Schöne daran: Der Widerspruch wird nicht mehr versteckt, sondern zur Kunstform erhoben. Der Kapitalismus rettet jetzt das Klima – und zwar mit exakt den Methoden, mit denen er es ruiniert hat.

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Da wäre es ja fast schon ehrlicher, beim nächsten COP-Treffen einen Sponsor aus der Kreuzfahrtbranche direkt ins Logo zu nehmen: „COP31 – presented by Carnival Cruises. CO₂-neutral durch doppelte Buchführung.“ Oder vielleicht gleich einen Themenpark eröffnen? „Klimawelt Belém“, Eintritt inklusive Carbon Footprint Tracker als Souvenir.

Fazit: Der letzte Tanz auf dem Sonnendeck

Vielleicht ist das alles ja auch nur das logische Ende der Geschichte. Die Titanic hatte schließlich auch ein Orchester, das noch weiterspielte, als das Wasser schon an den Stühlen leckerte. Der Unterschied? Auf den Kreuzfahrtschiffen der COP30 gibt es eine Poolbar. Und wahrscheinlich kann man dort auch noch kurz bevor das Klima endgültig kollabiert ein Mojito bestellen. Mit frischer Minze. Aus dem Kühlhaus.

Prost, Weltrettung!

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