Der Selbsthass als Statussymbol

Oikophobie und das elitäre Bedürfnis nach moralischer Überlegenheit

Man kennt sie, diese Menschen mit den selbstgehäkelten Schuldkomplexen, die sich wie Schals um den Hals legen, um sich in der Kälte des westlichen Abendlands warmzuhalten. Es handelt sich um jene Bildungsbürger, deren akademische Vitae sich lesen wie die Einfuhrlisten eines Kulturdekonstruktionslagers: Derrida zum Frühstück, Foucault zum Mittag, Bourdieu als Betthupferl. Sie sind die Hohepriester einer neuen Religion, deren einziger Gott die ewige Selbstverachtung ist, deren Sakrament der spontane Kotzanfall beim Klang von „Leitkultur“, und deren Dogma lautet: Alles Eigene ist verdächtig, alles Fremde erhaben. Wer nicht mitbetet, der ist verdächtig – ein Reaktionär, ein Heimatliebhaber, womöglich gar, Gott bewahre, ein Patriot.

Das ist der Stoff, aus dem der Oikophobiker gemacht ist. Der Oikophobiker, so beschreibt es Roger Scruton in sezierender Klarheit, ist kein einfacher Kritiker seiner Gesellschaft, sondern ihr ressentimentgesättigter Erbsenzähler, ihr selbsternannter Totengräber, der mit bitterer Miene und missionarischem Eifer den Sargdeckel des Abendlands zudreht – natürlich mit biozertifiziertem Werkzeug, versteht sich. Er ist der intellektuelle Nachlassverwalter einer Kultur, die er innerlich längst abgeschrieben hat, und genau darin liegt sein paradoxes Vergnügen. Er lebt vom Abgesang, er nährt sich vom Untergangsgefühl, er liebt den Abgrund, solange er auf ihm promovieren kann.

Vom Dekonstruktionsseminar zur moralischen Herrschaft – Wie akademische Oikophobie zur Ersatzreligion wurde

Die moderne Universität, einst der Ort sokratischer Zweifel, hat sich vielerorts in eine Dekonstruktionsfabrik verwandelt, in der alles Hergebrachte, jeder Kanon, jedes kulturelle Erbe unter den Verdacht der Unterdrückung gestellt wird. Wer Goethes „Faust“ liest, sucht nicht mehr nach der Tragödie des Menschen, sondern nach der Tragödie des weißen Mannes. Wer die Bibel studiert, sieht nicht mehr das Ringen um Sinn, sondern das Ringen um Herrschaft. Derrida und Foucault, jene Großmeister der sprachlichen Nebelgranate, haben ihre Schüler gelehrt, dass jedes Wort nur ein Vorwand der Macht ist und jede Tradition eine verschleierte Gewaltstruktur. Aus dieser intellektuellen Selbstverzwergung heraus ergibt sich eine Haltung, die man fast bewundern müsste, wäre sie nicht so selbstgefällig: der Glaube, dass der westliche Geist nichts anderes sei als ein metastasierendes Unterdrückungsprojekt.

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Das Ergebnis dieser Haltung ist eine moralische Arroganz, die den Oikophobiker immun macht gegen jede Form von Zweifel an der eigenen Lauterkeit. Er trägt seine Abneigung gegen die eigene Kultur nicht als schlichte Meinung, sondern als Emblem der Überlegenheit. Wer an den westlichen Werten zweifelt, beweist sich als erleuchtet. Wer jedoch wagt, das Eigene zu verteidigen, riskiert den sofortigen Bannfluch des „Rechtsverdachts“. Die moralische Guillotine fällt schneller als jede argumentierende Rede beginnen kann. Der Oikophobiker herrscht nicht durch Argumente, sondern durch den Triumph des Ressentiments, das sich als Tugend tarnt.

Das Paradoxon des selbstgerechten Zynismus – Warum Oikophobie stets exklusivistisch bleibt

Doch inmitten dieses intellektuellen Maskenballs lauert ein köstliches Paradoxon, das sich kaum satirisch überhöhen lässt, weil es bereits in sich selbst eine Groteske ist: Der Oikophobiker lehnt das Eigene ab, nicht um das Fremde wirklich zu umarmen, sondern um sich selbst zum Maß aller Dinge zu machen. Er liebt das Fremde nicht wegen dessen Fremdheit, sondern weil es ihm als Folie dient, das Eigene zu verdammen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Fremde tatsächlich weltoffener, gerechter oder liberaler ist – im Gegenteil: Selbst der repressivste Brauch, die rückständigste Sitte wird zum leuchtenden Vorbild, solange sie nur den eigenen Kulturkreis desavouiert. Das nennt man dann nicht Multikulturalismus, sondern Anti-Kultur-Imperialismus – ein sprachliches Kunststück, das gleichzeitig moralisch überhöht und logisch absurd ist.

So kann es geschehen, dass der westliche Oikophobiker islamistische Rechtspraktiken milde belächelt, während er sich gleichzeitig über die vermeintlich „klerikalfaschistischen“ Reste christlicher Prägung ereifert. Dass er indigenen Völkern jeden Ethnozentrismus gönnt, während er im eigenen Kulturkreis den Begriff „Volk“ nur noch mit spitzen Fingern anfasst, als handle es sich um eine radioaktive Substanz. Dass er für jedes fremde Patriarchat Verständnis zeigt, solange es nur das eigene diskreditiert. Und dass er jedes Heiligtum fremder Kulturen respektiert, während er auf die eigenen Altäre spuckt – natürlich im Namen der Toleranz.

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Warum der Oikophobiker den Westen braucht – und ihn trotzdem abschaffen will

Der Oikophobiker ist, und das ist der vielleicht tragisch-komischste Aspekt seiner Existenz, ein Kind genau jener Kultur, die er verachtet. Ohne die westliche Tradition des Zweifelns, der Selbstkritik, der Freiheit des Denkens könnte er gar nicht existieren. Nur in einem Kulturkreis, der die eigene Negation zulässt, kann sich der Oikophobiker überhaupt entfalten. In China, Russland oder Saudi-Arabien gäbe es keine oikophoben Professoren – dort hätte man sie längst entsorgt. Der westliche Selbsthass ist also ein Luxusphänomen, das sich seine Kritiker selbst geschaffen haben. Ein dekadenter Zirkelschluss: Ich beiße die Hand, die mich füttert, und rühme mich dafür, dass ich so bissig bin.

Es ist das Schicksal des Oikophobikers, dass er den Westen gleichzeitig braucht und zerstören will. Seine Dekonstruktionen funktionieren nur in einer Gesellschaft, die so frei ist, dass sie sich ihre eigenen Kritiker leisten kann. Doch genau diese Freiheit wird von ihm als Herrschaftsinstrument gebrandmarkt. Es ist wie beim Ast, auf dem man sitzt und den man eifrig absägt – nur dass der Oikophobiker sich dabei noch für einen Landschaftspfleger hält.

Schlusswort mit Zwinkern: Wer hat Angst vor der Heimat?

Vielleicht sollten wir es mit Humor nehmen. Der Oikophobiker ist am Ende auch nur ein tragikomischer Charakter, ein Don Quijote im Kampf gegen die Windmühlen der eigenen Kultur, ein Neurotiker im intellektuellen Überlegenheitsrausch, der auf dem Jahrmarkt der Ideologien seine Eintrittskarte dadurch bezahlt, dass er alles Eigene verachtet. Er ist der Clown des postmodernen Zirkus, der sich selbst für den Dompteur hält.

Doch vielleicht ist das auch gut so. Denn jede Kultur braucht ihre Narren. Der Oikophobiker erinnert uns unfreiwillig daran, wie sehr der Westen die Selbstkritik liebt – selbst wenn sie in Selbsthass umschlägt. Nur sollte man ihm gelegentlich sanft, aber bestimmt den Spiegel vorhalten. Und ihn fragen, ob er es nicht vielleicht doch ein bisschen übertreibt mit der Selbstgeißelung. Denn auch darin war Scruton sich sicher: Die Liebe zur Heimat mag naiv sein – aber der Hass auf sie ist es ebenso.

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