
Ein Abgesang auf die Konsumgesellschaft im 3,3-Prozent-Takt
Es war einmal der Preis. Der Preis, so erzählt man sich in vergilbten Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre, war ein Maß für den Wert einer Ware in der Währung eines Landes. Heute ist er ein schmutziger Running Gag, ein bösartiger Taschenspielertrick, eine kaltschnäuzige Belustigung der Märkte auf Kosten des Konsumenten. Der Preis ist keine Zahl mehr, sondern eine Drohung.
Der heimische Verbraucherpreisindex – jenes kafkaeske Zahlenkonstrukt, das von sich behauptet, die Lebensrealität des Durchschnittsmenschen zu spiegeln – hat im Juni 2025 um exakt 3,3 Prozent zugelegt. Das klingt, in den windschiefen Hütten der Statistiker, wie eine moderate Verschlechterung. So, als hätte der Alltag bloß einen kleinen Sonnenbrand bekommen. In Wirklichkeit jedoch brennt das Dach längst. Und das Haus. Und der Garten. Und das Benzin für den Gartengrill kostet jetzt 40 Prozent mehr, aber der sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Doch wir wollen der Statistik nicht unrecht tun. Sie ist ja bemüht. Sie zählt. Sie addiert. Sie mittelt. Und wie immer ist der Durchschnitt das Trojanische Pferd, in dem sich die eigentlichen Katastrophen verstecken.
Die große Kaffeekrise: Bohnen am Rande des Staatsnotstands
Beginnen wir mit der Nachricht, die eigentlich ein Fall für den Sicherheitsrat der UNO wäre: Bohnenkaffee verteuerte sich um 37,2 Prozent.
Es geht hier nicht um irgendeinen Luxusartikel für postkoloniale Feinschmecker. Es geht um den Treibstoff der westlichen Welt. Der Kaffee ist das Schmiermittel des Kapitalismus, das Beruhigungsmittel des Bildungsbürgertums, das Lebenselixier der Schichtarbeiter. Wer den Kaffee verteuert, legt die Axt an die letzte fragile Säule der Zivilisation.
Der Morgen ist nicht mehr derselbe. Das erste Augenaufschlagen ist zur betriebswirtschaftlichen Entscheidung geworden. Koche ich noch eine Tasse? Oder muss ich bereits den Kreditantrag dafür ausfüllen? Wer sich heute noch einen Verlängerten gönnt, gehört entweder zur Oligarchie oder hat den Verstand verloren. Vielleicht beides.
Elektrizität als Privileg: Der Rückfall ins Dunkel
Strom – pardon, „Elektrizität“, wie die Statistik Austria uns poetisch belehrt – kostet nun 35,7 Prozent mehr. Das ist beachtlich. Denn während der durchschnittliche Österreicher noch 2023 naiv glaubte, Elektrizität sei eine Selbstverständlichkeit, belehrt ihn die Gegenwart eines Schlechteren.
Wir sind auf dem besten Wege, das Licht wieder als Statussymbol zu begreifen. LED-Lampen kosten übrigens auch 12,9 Prozent mehr. Das nenne ich marktwirtschaftliche Ironie: Selbst das Licht-Sparen ist teurer geworden. Wer den Schalter betätigt, trifft heute keine Komfortentscheidung mehr, sondern eine Frage der Existenz: Will ich sehen oder essen? Heizen oder lesen?
Melonen, Rosinen und der Zucker-Overkill: Fruchtalarm in der Supermarktapokalypse
Die Zucker- und Honigmelone legte um 30,2 Prozent zu. Der Fruchtkörper als Luxusobjekt – das hätte selbst der dekadenteste Feudalherr des Barock nicht für möglich gehalten. Melonen sind heute, was früher das Pfauenragout war: ein kulinarischer Hinweis darauf, dass der Untergang nahe ist.
Rosinen? 27,2 Prozent teurer. Man könnte meinen, hier würde der Markt auf die drohende Weihnachtsbäckerei reagieren. Der Panettone im Dezember wird jedenfalls ein Produkt für die Oberschicht sein. Vielleicht werden Rosinen bald auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Oder in Bitcoin.
Die Schokolade, das Trostpflaster der Massen – in Auflösung begriffen
Schokolade ist, neben dem Kaffee, die andere legale Droge der westlichen Wohlstandsgesellschaft. Der süße Kompromiss zwischen Weltschmerz und Alltagspflicht. Doch mit einer Teuerung von bis zu 21,4 Prozent für Vollmilchschokolade und 20,2 Prozent für Kakaopulver wird der Trost zum Luxusartikel.
Die Psychohygiene ist damit rationiert. Die schlechte Laune wird nicht mehr weggelutscht, sondern ausgekostet. Bitterkeit ist jetzt nicht nur Geschmacksrichtung, sondern ökonomische Realität.
Mobilität für Masochisten: Bahnfahren als Abenteuerurlaub
Die „Sparschiene“ der ÖBB – jene symbolische Lebensader für den kleinen Mann, der kein Geld für den Flug hat – wurde um 25,3 Prozent verteuert. Das bedeutet, das Wort „Spar“ in „Sparschiene“ ist nun der teuerste Witz des Jahres 2025.
Wer dachte, dass umweltfreundliches Reisen eine Option sei, der wird nun eines Besseren belehrt: Der Verzicht auf den Diesel-SUV ist nicht nur moralisch geboten, sondern finanziell ruinös.
Der Städteflug wiederum verteuerte sich um 17,1 Prozent. Das ist konsequent: Der Jetset wird ein bisschen teurer, der Öko-Trip noch viel mehr. Wer den Planeten retten will, soll gefälligst dafür bezahlen.
Das Glücksspiel bleibt verlässlich teuer: Lotto als Inflations-Beschleuniger
Die Teuerung des Lottoscheins um 15,4 Prozent ist vermutlich die ehrlichste Zahl dieser Liste. Wer heute Lotto spielt, setzt nicht mehr auf den Sechser, sondern auf den Wahnsinn. Warum nicht gleich? Wenn schon alles teurer wird, dann wenigstens auch der Traum vom plötzlichen Reichtum.
Der Mensch als Konsumopfer: Die Farce der Preislisten-Existenz
Am Ende dieser Liste bleibt der Konsument als tragische Figur zurück. Faschiertes wird um 14,9 Prozent teurer, Butter um 12 Prozent, Zitronen um 12 Prozent. Der Einkaufskorb ist kein Gefäß mehr, sondern ein Symbol des Abgrunds. Der Wocheneinkauf gleicht einem Investment mit hohem Risiko.
Und was macht der Staat? Er veröffentlicht brav die Liste, nickt, schreibt ein paar Pressemitteilungen – und erklärt die Inflation zum Naturphänomen. So, als ob sie ein Wetterereignis wäre. Ein Hochdruckgebiet der Preise. Da könne man halt nichts machen.
Schlusswort in Moll: Willkommen im neuen Normal
Die Inflation ist längst kein wirtschaftliches Problem mehr, sondern eine mentale Seuche. Wir sind verlernt worden, uns über irgendetwas zu wundern. Wir nehmen es hin. Noch eine Erhöhung hier, noch eine Preisschraube da.
Was bleibt? Galgenhumor. Der wird bisher übrigens noch nicht besteuert. Aber warten wir den Herbst ab.