Von Likes, Lashings und Sir Keir

Die Wattekanzlei Nr. 10

Es ist schon eine jener bizarren Ironien unserer postliberalen Zeiten, dass ausgerechnet ein Mann namens Keir – also „Speer“, wie der Altengländer weiß – mit Vorliebe die spitzen Klingen des Rechtsstaats gegen die stumpfen Alltagslaunen der Meinungsfreiheit richtet. Premierminister Keir Starmer, der neue Bewohner der Downing Street, ist nicht einfach nur ein Bürokrat, der den feuchten Teppich des Westminster-Betriebs betreten hat. Nein, er ist der ehrenwerte Patron des politisch-korrekt domestizierten Staats, ein glattrasierter Priester des neuen Empörungsevangeliums, der genau weiß, wie man die Bastille des Internets auffüllt – mit Tweets, Posts und Likes, die dem Zeitgeist missfallen.

Natürlich, Starmer war einst Staatsanwalt. Er kennt die Paragrafen wie andere Leute ihre Wetter-Apps. Er weiß, dass sich mit juristischen Spitzfindigkeiten die Reste der Debattenkultur in Sackgassen schicken lassen, aus denen sie nie wieder hervorkriechen. Und da Meinungsfreiheit in Starmers Großbritannien längst unter Artenschutz steht wie der Purpurreiher – der Unterschied: den Reiher schützt man, die Meinungsfreiheit fängt man ein – wird nun durchregiert, notfalls auch mit der Polizei im digitalen Halfter.

Der Kadi im Maßanzug

Keir Starmer ist nicht einfach nur ein Premierminister. Er ist eine Art Kadi, ein Richter im Designeranzug, der statt mit dem Hammer der Gerechtigkeit mit der Lösch-Taste der Empörungsökonomie arbeitet. Ihn treibt nicht etwa das lästige Ringen um Wahrheit, sondern die elegantere Kunst des Einschüchterns: Wer liked, was nicht geliked werden darf, dem droht in Britannien nicht mehr nur der Shitstorm, sondern der Staatsanwalt.

Da sitzt der einfache Bürger also abends auf dem Sofa, scrollt durch seinen Feed, klickt auf ein Meme, das den falschen Witz zur falschen Religion macht, und schon klopft es am nächsten Morgen höflich, aber bestimmt an der Tür. Die britische Polizei, neuerdings auch Task Force für Gedankenverbrechen, informiert freundlich über das Recht zu schweigen – auch wenn Schweigen bekanntlich nicht mehr reicht, um unbeschadet durch die Meinungslandschaft zu kommen.

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Der frühere „Director of Public Prosecutions“, also der oberste Ankläger des Landes, weiß natürlich, wie man eine Gesellschaft mit subtilen Drohgebärden erzieht. Die Methode Starmer ist nicht plump, sondern perfide: Statt den Volkszorn mit Wasserwerfern zu bändigen, impft man dem Bürger lieber die präventive Scham ein. Gedankenhygiene auf britische Art.

Der Kniefall als Weltanschauung

Man erinnert sich noch gut an den Keir Starmer, der 2020 demonstrativ niederkniete, um der Black-Lives-Matter-Bewegung seine staatstragende Demut zu zeigen. Seither kniet Großbritannien metaphorisch auf Schritt und Tritt – allerdings nicht mehr vor dem Ideal der Freiheit, sondern vor einer identitätspolitischen Dogmatik, die aus jeder Meinungsäußerung ein Minenfeld macht.

Der Islam, beispielsweise, ist in Starmers Reich inzwischen ein semantisches Sperrgebiet. Wer sich kritisch äußert, muss nicht mit einer Diskussion rechnen, sondern mit einem Besuch bei der Polizei. Natürlich nicht, weil man den Islam „schützt“ – das wäre zu plump –, sondern weil man den sozialen Frieden „wahrt“. Dass dabei Kritiker, Karikaturisten und Kabarettisten unter den Bus geworfen werden, ist Kollateralschaden einer neuen Kultur des Wegschauens, höflich verpackt als Respekt.

Keir Starmer liebt es, Religion mit Samthandschuhen zu behandeln – zumindest dann, wenn es sich um jene Religion handelt, die derzeit als sakrosankt gilt. Während Christen bestenfalls noch als schrullige Altlasten des Empire durchgehen und Atheisten sowieso aus der Mode sind, hat der Islam in der britischen Linken den Status eines kulturellen Porzellanelefanten erreicht: zerbrechlich, wertvoll, unangreifbar. Jeder falsche Tweet, jede unbedachte Karikatur wird behandelt wie ein Brandanschlag auf die staatliche Integrität.

Der Algorithmus als Ankläger

Natürlich gibt es für diese neue Form des Gesinnungsmanagements keinen offiziellen Gesetzestext, der das so benennt. Das wäre zu offensichtlich. Stattdessen lässt man den digitalen Alltag sprechen: Die Social-Media-Polizei ist längst keine Meme mehr, sondern Realität. Menschen werden vorgeladen, weil sie das Falsche geteilt, das Falsche gemocht oder – besonders perfide – das Richtige nicht genug beklatscht haben.

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Das neue Strafregister liest sich wie ein Algorithmus-Protokoll: „Benutzer hat um 14:32 Uhr ein Video geliked, das die britische Innenpolitik als irre bezeichnet.“ – „User XY hat um 17:05 Uhr ein Meme mit ironischem Bezug auf Mohammed gepostet.“ – „Nutzerin Z hat eine Transperson mit falschen Pronomen gegendert.“
All das wird nicht mehr als Skurrilität abgetan, sondern als staatsrelevanter Vorfall gewertet. Starmer selbst muss dazu nichts sagen – er lässt die Maschinerie laufen. Denn er weiß: Der beste Premierminister ist der, der sich die Hände nicht schmutzig macht, während andere die Drecksarbeit des digitalen Prangers übernehmen.

Zukunftsaussichten: Tweets mit Bewährungsauflagen

Wohin führt das? Nun, wahrscheinlich in eine Ära der prophylaktischen Selbstzensur. Der Brite wird künftig nicht mehr nur beim Tee überlegen, ob der Milchschuss vor oder nach dem Aufguss kommt, sondern ob sein nächster Kommentar im Internet womöglich polizeilich relevant ist. Die Staatsanwaltschaft als Filterblase.

Vielleicht wird es eines Tages „Social-Media-Bewährungsstrafen“ geben: „Der Angeklagte darf weiterhin Facebook benutzen, allerdings nur unter Aufsicht eines Diversity-Officers.“ Oder digitale Straflager, in denen unbelehrbare Satiriker TikTok-Tanzvideos mit gendergerechter Botschaft posten müssen, bis sie geläutert sind.

Fazit: Von Orwell zu PowerPoint

Und so sitzt Keir Starmer in der Downing Street, mit der selbstzufriedenen Miene eines Mannes, der glaubt, das Böse durch Verhaltensschulungen auszurotten. Er spricht von Fortschritt, von Toleranz, von Schutzräumen – und merkt nicht, dass er längst den liberalen Geist der Nation in Watte gepackt und in den Keller gesperrt hat.

Früher war der britische Premierminister der Anführer einer Debattenkultur, in der Freiheit auch die Freiheit beinhaltete, Unsinn zu reden. Heute ist er der Teamleiter eines Diversity-Seminars mit Anklageoption. Willkommen in der Wattekanzlei Nr. 10. Tea time ist vorbei. Jetzt ist Zensurzeit.

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