
Eine bittere Medizin namens Doppelmoral
Es war einmal ein Premierminister in Frankreich, der, das Gesicht in die Kameras gezimmert wie ein frisch lackiertes Schaufenster, den Bürgern das Rezept der Stunde verordnete: „Nehmen Sie doch bitte weniger Medikamente!“
Nicht etwa, weil die Pillen schädlich wären. Nicht, weil Antibiotikaresistenzen grassieren oder weil der Pharmakonzern-Lobbyismus ausgeräumt werden sollte – nein, schlicht und einfach, weil die Staatsverschuldung zu hoch sei. Der Minister sprach es mit der lässigen Eleganz eines Diät-Coaches, der seinem übergewichtigen Klienten rät, doch weniger Brot zu essen – während er selbst die nächste Pâtisserie auf Staatskosten plündert.
Was für ein Vorschlag! Die Rentner sollen auf Schmerzmittel verzichten, die Depressiven auf Antidepressiva, die Bluthochdruck-Patienten auf Betablocker. Wer braucht schon den Blutdruck im Griff, wenn die Staatsfinanzen es nicht sind?
Der Kranke wird nun Staatsfeind. Das ist neu. Früher war der Kranke nur eine Belastung für das Gesundheitssystem. Jetzt ist er ein Defizitfaktor im Haushalt. Bald wohl auch ein sicherheitspolitisches Risiko, denn die Geistesgestörten, die sich die Medikamente nicht mehr leisten können, könnten ja auf die Straße gehen und den sozialen Frieden stören.
Aber dafür gibt es ja dann das Militär.
6,5 Milliarden für das Bajonett, der Patient soll bluten
Fast zeitgleich mit dem Aufruf zum Medikamentenverzicht versprach Präsident Macron dem französischen Militär mal eben zusätzliche 6,5 Milliarden Euro, um „unsere Verteidigungsfähigkeit zu stärken“. Verteidigung wogegen, das bleibt im Unklaren. Vielleicht gegen den drohenden Kollaps des eigenen Gesundheitssystems? Oder gegen die Apotheken, die demnächst mit brennenden Kreuzen auf den Champs-Élysées stehen?
Oder gegen die Rentner, die sich das Rheuma nicht mehr wegschlucken dürfen und stattdessen mit Gehhilfen demonstrieren werden?
Vermutlich gegen alles, was sich bewegt, hustet oder denkt.
Und weil der Premier nicht genug Kaltschnäuzigkeit im Vorratsschrank hatte, legte Macron noch einen drauf und überwies 2 Milliarden Euro nach Kiew.
Ein symbolischer Akt der Solidarität, der in Paris mindestens so gut ankommt wie ein Baguette-Verbot am 14. Juli.
Die pharmazeutische Selbstkasteiung als patriotischer Akt
Man möchte lachen, wäre es nicht so grotesk.
Ein Staat ruft seine Bürger auf, sich die nötigen Medikamente selbst zu verkneifen, damit er mehr Geld hat, um Kanonenrohre zu schmieren und Drohnen zu kaufen. Es ist die Umkehrung der alten Faustregel: „Si vis pacem, para bellum.“ Heute heißt es:
„Si vis budgetum, para paracetamolum ab.“
Wer den Haushalt retten will, möge das Ibuprofen im Regal lassen.
Der medizinische Verzicht wird zur staatsbürgerlichen Pflicht erklärt.
Vielleicht gibt es demnächst Rabattmarken:
Drei Migräneanfälle durchgestanden = 1 Ehrenmedaille.
Fünf Mal Herzrhythmusstörungen ignoriert = Steuererleichterung.
Krebsbehandlung abgelehnt? Bravo! Das ist der neue Held der Republik.
Ein „Patient Citoyen“, der sich geopfert hat für den Staatshaushalt.
Kriegswirtschaft mit Placebo
Natürlich ist das alles rational erklärbar, zumindest in den Echokammern der Technokraten:
Es gibt kein Geld mehr. Also muss gespart werden. Aber wo?
Am Militär natürlich nicht, denn wer Panzer hat, braucht keine Schmerzmittel.
An den Auslandshilfen auch nicht, denn dort ist das politische Prestige eingelagert.
Also bleibt der Rentner, der Diabetiker, der Depressive.
Der Franzose soll gefälligst gesund bleiben, und wenn er das nicht kann, dann wenigstens ruhig verenden.
Das ist das neue Sozialmodell: Sterben für den Schuldenabbau.
Früher war es das Vaterland, heute ist es der Haushalt. Der Staatshaushalt, wohlgemerkt, nicht der eigene.
Der eigene Haushalt soll nämlich weiter brav die Beiträge zahlen, die Medikamente selbst kaufen, und im Zweifel noch beim Crowdfunding für den örtlichen Notarzt mitmachen.
Zynismus als Regierungsform
Das alles ist so durchschaubar, dass es fast wieder poetisch wirkt.
Es ist der Höhepunkt jener postmodernen Regierungslogik, in der man sich morgens auf der Sicherheitskonferenz mit Generälen die Hand schüttelt und nachmittags den Pflegekräften erklärt, dass sie doch bitte mal effizienter mit dem Verbandsmaterial umgehen sollen.
Die Zynik der Macht hat keinen Anstand mehr nötig, sie hat PR-Berater.
Wenn der Staat nicht mehr zwischen Notwendigkeit und Absurdität unterscheidet, wenn er das Pflaster streicht, um Granaten zu kaufen, dann ist er nicht mehr regierungsfähig, sondern nur noch zynisch operativ.
Er managt seinen Untergang mit Exceltabellen.
Und wer Einwände hat, dem wird erklärt, er verstünde die „komplexen geopolitischen Realitäten“ nicht.
Als wären die Rückenschmerzen eines Bauarbeiters weniger real als die Kriegsspiele der Präsidenten.
Fazit: Der Tod ist das beste Sparmodell
Am Ende bleibt also nur die bittere Pointe:
Die Regierung empfiehlt weniger Medikamente, das Militär bekommt mehr Milliarden, und der Patient darf sich überlegen, ob er patriotisch verrecken will oder als unsolidarischer Kostenfaktor überlebt.
Vielleicht kommt bald der neue Werbespot:
„Leiden Sie für Frankreich – das tut uns allen gut.“
Das ist keine Satire mehr, sondern das ist die Realität, die sich selbst übertrifft.
Man könnte weinen – wenn man noch genug Tränenflüssigkeit hätte und sich nicht längst die Augentropfen verkneifen müsste.