Nikkahgram: Tradition trifft Tinder

Nikkahgram: Die heilige Kunst des Vielweibertums in pixelperfekter Verpackung

Es gibt sie, diese Perlen der modernen Datingwelt, die sich selbst so elegant zwischen Tradition und Innovation platzieren, als hätten sie das Rad der Zeit eigenhändig zurückgedreht und die Uhr auf das finsterste Mittelalter gestellt. Die britische Plattform Nikkahgram gehört zu dieser exklusiven Gilde digitaler Liebesvermittler, die mit einer Mischung aus ultrakonservativen Frauenbildern und polygamen Verheißungen werben, dass es einem fast die Tränen der Rührung aus den Augen treibt – vor allem jene der Empörung. Denn selten wurde ein so schillerndes Panorama aus Rückschritt, Ideologie und patriarchaler Dominanz auf dem goldenen Tablett der modernen Algorithmik serviert.

Zwischen Jungfrau und Prophet: Das Frauenbild als Programm

Wer heutzutage noch an die heilige Unschuld der Jungfrau glaubt, muss offenbar nicht nur in der Zeit zurückreisen, sondern auch die Klappe nicht halten. Nikkahgram aber wirft mit genau diesem Bild um sich, als wäre die Reinheit einer Frau das ultimative Qualitätsmerkmal in der Liebesökonomie der Gegenwart. Hier ist die Jungfrau nicht nur ein Zustand, sondern eine Lebensaufgabe, ein Statussymbol und das einzige Verkaufsargument, das zählt. Die Plattform propagiert ein Frauenbild, das so altbacken ist, dass es fast schon als ironische Performance durchgehen könnte – wäre da nicht der bittere Beigeschmack echter gesellschaftlicher Rückschritte.

Der weibliche Körper wird reduziert auf eine Art exotischen Schatz, der gehütet, bewundert und vor allem nicht gebraucht wird, um sich selbst zu entfalten oder gar emanzipiert durchs Leben zu schreiten. Nein, auf Nikkahgram ist die Frau ein hübsches Behältnis für Jungfräulichkeit, Keuschheit und demütige Gefolgschaft – am besten gleich mehrfach, damit der männliche Besitzer auch ja seine Auswahl nicht bereut. Feminismus? Progressivität? All das wird hier mit der kalten Schulter bedacht, als wären das keine Errungenschaften, sondern lästige Modeerscheinungen.

Polygamie: Der Tinder des Patriarchats

Doch nicht nur das Damenbild ist ein liebgewonnener Fundus alter Muster. Nein, Nikkahgram schmeißt gleich noch einen Zacken obendrauf: Die Einladung zum Mehrfacheheglück. Denn wenn man schon konservativ und traditionell sein will, dann bitte richtig. Mehrere Frauen zu haben, gilt hier als legitimes Ziel und wird gar als Segen der Moderne gefeiert. Polygamie, in einem Land, das sich stolz auf Gleichberechtigung und individuelle Freiheit beruft, als digital vermitteltes Liebesmodell anzubieten, ist eine Farce – oder ein unfreiwilliger, bitterböser Witz.

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Man stelle sich vor, wie die guten alten Tinder-Algorithmen plötzlich nicht mehr auf Match, Swipe und Ghosting setzen, sondern auf Fatwas, eheliche Pflichten und das minutiöse Aushandeln von Teilzeit-Patriarchaten. Ein neuer Geschäftsbereich für den digitalen Kapitalismus, der hier, wohl gemerkt, nicht etwa aus der Perspektive progressiver kultureller Aneignung operiert, sondern im Gegenteil ein Ausbund an Rückwärtsgewandtheit ist. Die Plattform betreibt hier einen ausgesprochen zynischen, wenn nicht sogar gefährlichen Spagat: Auf der einen Seite modernste Technik, auf der anderen Seite mittelalterliche Rollenzwänge. Das Ergebnis? Eine groteske Inszenierung von Macht, Besitz und dem Recht des Stärkeren.

Augenzwinkern oder Augenverdrehen?

Man könnte fast meinen, Nikkahgram säße mit einem Cocktail aus Ironie, Sarkasmus und bitterer Satire in der Hand auf der Terrasse des kulturellen Wahnsinns und beobachte das Treiben von außen. Doch leider ist das bitterer Ernst. Es fehlt nur noch, dass die Plattform einen Wettbewerb für die „treuesten Jungfrauen“ oder den „patriarchalsten Polygamisten“ ausruft. Die Einladung an die muslimische Community, sich in der digitalisierten Version der Vielweiberei zu üben, liest sich wie eine absurde Mischung aus verstaubtem Koran-Exegese und SEO-optimiertem Sexismus.

Dabei muss man der Plattform allerdings zugutehalten, dass sie – mit einem Augenzwinkern, versteht sich – dem Westen zeigt, wie man auch mit rückwärtsgewandten Ideologien das große Geschäft machen kann. Nicht mit Gleichberechtigung, Diversität oder Selbstbestimmung, sondern mit einem clever inszenierten Rückfall in patriarchale Muster, die längst hätten überwunden sein sollen. Und gerade deshalb ist die Kombination aus bitterem Ernst und humorvoller Satire in diesem Fall so beklemmend treffend.

Fazit: Ein digitales Déjà-vu in konservativer Verpackung

Nikkahgram ist nicht nur eine Dating-Plattform – es ist ein Statement. Ein Statement dafür, dass die Zeiten, in denen Frauen frei und selbstbestimmt lieben konnten, offenbar noch lange nicht vorbei sind. Sondern dass es immer wieder Nischen gibt, in denen konservative Rollenbilder und polygame Modelle nicht nur überleben, sondern sogar mit großem Getöse gefeiert werden. Ob das eine Zukunft hat? Vermutlich nicht. Ob es einer Aufklärung bedarf? Mehr denn je.

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Im digitalen Zeitalter, in dem das Individuum eigentlich im Mittelpunkt stehen sollte, scheint Nikkahgram ein Schritt zurück in eine Vergangenheit zu sein, in der Menschen als Eigentum und Statussymbole gehandelt werden. Ein bitterer, trauriger und zugleich zynisch-humorvoller Spiegel unserer Zeit – der uns daran erinnert, dass Fortschritt niemals selbstverständlich ist, sondern stets verteidigt und errungen werden muss. Sonst stolpern wir eben zurück in die Jungfräulichkeit und die Polygamie – nur diesmal mit WLAN.

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