Der kleine Abdullah erklärt die Welt

Zwischen Kindchenschema und Kalaschnikow

Es war einmal, im fernen Gazastreifen, ein 13-jähriger Bub namens Abdullah. Abdullah hatte große, dunkle Augen, ein schüchternes Lächeln und eine Zahnlücke – jene Sorte Kind, bei der selbst alte Damen in britischen Vorstädten mit feuchten Augen vor dem Fernseher sitzen und murmeln: „Ach, die armen Kinder dort.“

So weit, so bekannt. Denn Kinder sind per se unschuldig, oder?

Dumm nur, wenn das Kind zufällig der Sohn eines Terror-Funktionärs ist. Dumm auch, wenn es nicht einfach nur einen Alltag zwischen Trümmern beschreibt, sondern politisches Framing betreibt, als hätte es gerade ein Rhetorik-Seminar bei der Hamas-Pressestelle abgeschlossen. Und besonders dumm – oder besser gesagt: hochgradig perfide – wenn die BBC das alles sendet, ohne zu erwähnen, wer eigentlich hinter dem Mikrofon steht.

Die Märchenstunde wird erst dann kritisch, wenn man den Erzähler kennenlernt. Abdullah ist nicht irgendein Bub mit Milchbart und Sandalen. Er ist der Sohn von Ayman Alyazouri, einem Hamas-Minister. Richtig gelesen: Minister. Nicht Straßenkehrer, nicht Bäcker, sondern ein Funktionär jener Terrororganisation, die am 7. Oktober den israelischen Süden mit Massakern überzogen hat. Man kennt sie, die Hamas: Raketen statt Rosen, Tunnel statt Turnhallen, Sprengstoff statt Spielplatz.

Der „neutrale“ Blick aus der Dschihad-Kinderstube

Doch Abdullah war neutral, erklärte uns die BBC. Ein Kind, das den Krieg erklärt – ganz kindlich natürlich, aus der Sicht des Opfers. Und wer wollte ihm das verübeln? Schließlich weiß der kleine Abdullah ja auch nur, was Papa ihm so abends beim Tee erzählt. Was Papa als Minister sagt, muss ja stimmen.

Die Dokumentation „Gaza: How to Survive a Warzone“ – produziert von Hoyo Films für die BBC – war deshalb ein besonderes Lehrstück: Nicht in Medienkompetenz, sondern in der Kunst, Propaganda in Kinderstimmen zu verpacken. Man reichte uns den ideologischen Giftbecher, serviert mit Strohhalm und Zuckerrand.

Man stelle sich das mal umgekehrt vor: Ein israelischer Siedlerjunge erklärt den Zuschauern, warum es völlig okay sei, palästinensische Olivenbäume zu roden. Oder der Sohn eines IDF-Generals führt durch den Alltag an einem Checkpoint. Da würde die BBC vermutlich einen Shitstorm auslösen, der noch in der Antarktis Staub aufwirbelt. Aber bei Abdullah? Da hieß es: „Das ist authentisch.“

Authentisch? Sicher. So authentisch wie ein Wolfsrudel im Schafspelz.

TIP:  Ein Land zwischen Selbstbild und Wirklichkeit

Wenn der Journalismus den Terror zum Kindergeburtstag verklärt

Es ist ein alter Trick, eigentlich schon zu abgedroschen für das 21. Jahrhundert: Man nehme ein Kind, lasse es mit brüchiger Stimme von Bombennächten erzählen, blende dazu Aufnahmen von zerbombten Häusern ein – fertig ist der moralische Freifahrtschein. Wer hier noch Fragen stellt, ist kaltherzig. Wer hier noch nachfragt, wird als Zyniker gebrandmarkt.

Dass Abdullahs Familie aber zur Hamas gehört? Dass der Vater die Hand schüttelt, die den Raketenwerfer bedient? Kleines Detail, weitergehen bitte, nichts zu sehen.

Es ist, als hätte die BBC einem jungen Goebbels-Sprössling 1943 das Mikrofon gereicht, um das Bombardement Berlins zu beklagen – und vergessen zu erwähnen, wer gerade im Propagandaministerium arbeitet.

„Signifikantes Versäumnis in Sachen Genauigkeit“ – Der Euphemismus als höchste Kunstform

Erst Monate später räumte der britische Staatssender den Skandal ein. Ein interner Report sprach von einem „signifikanten Versäumnis in Sachen Genauigkeit“.

Ein hübscher Euphemismus.

So wie „kreativer Umgang mit der Wahrheit“ für Lügen. Oder „alternative Fakten“ für Desinformation.

In Wahrheit ist es keine Nachlässigkeit gewesen, sondern ein wohlkalkuliertes Wegsehen. Mehrere BBC-Mitarbeiter wussten von Abdullahs familiärem Background. Und trotzdem wurde der Hinweis unterdrückt. Warum? Vielleicht, weil es so gut ins Narrativ passte. Weil es so schön simpel ist, die Welt in Täter und Opfer zu teilen – und den kleinen Abdullah auf der richtigen Seite zu wissen.

Erst als der öffentliche Druck zu groß wurde, flog die Sache auf. Die Doku wurde gelöscht, aber die Schrammen am journalistischen Selbstverständnis bleiben. Der propagandistische Kollateralschaden auch.

Kindermund tut Wahrheit kund – oder doch nicht?

Das besonders Perverse an der Geschichte ist: Der Mechanismus funktioniert. Der Bub mit der Zahnlücke hat geliefert. Er war der perfekte Überträger für ein ideologisches Virus, das sich mit kindlicher Stimme viel leichter verbreitet als mit den üblichen Hamas-Kampfvokabeln.

Denn wenn Kinder reden, hört der Westen zu. Wenn Kinder weinen, klatscht der Boulevard. Und wenn Kinder Propaganda verbreiten? Dann ist das plötzlich „Perspektivenvielfalt“.

TIP:  Rassismus oder Erfahrung

Der kleine Abdullah hat der Welt nicht nur erklärt, wie man im Krieg überlebt. Er hat uns auch gezeigt, wie man den Journalismus tötet: Mit süßem Blick, in schusssicherer Weste, unter dem schützenden Dach einer staatlichen Sendeanstalt.


Nachsatz, augenzwinkernd:

Man könnte nun sagen: Das war doch nur ein Film. Ein Ausrutscher. Ein Fehler im System.

Aber genau darin liegt das Problem: Der Fehler IST das System.

Und während der mediale Kompass immer schneller rotiert, sitzt irgendwo in Gaza ein kleiner Junge und schreibt vielleicht schon am nächsten Drehbuch. Papa hilft bestimmt beim Text.

Please follow and like us:
Pin Share