Kupferträume auf grünem Fundament

Deutschland, jenes romantisch verklärte Land der Dichter, Denker und Fördermittelanträge, begibt sich auf eine Mission, die an Hybris grenzt und an Tragikomik kaum zu überbieten ist: die Energiewende. Sie wird zelebriert wie ein nationaler Katharsisakt, ein moralisches Überlegenheitsritual zur geistigen und elektrischen Erhebung des postindustriellen Gewissens. Dass dabei der Planet umgepolt und das Klima erlöst werden soll, versteht sich von selbst. Nur eine kleine Randnotiz trübt das ökologische Erweckungserlebnis: Es fehlen die Rohstoffe. Aber keine Sorge – wir träumen weiter.

105 Millionen Tonnen Kupfer, murmelt ein technokratisch durchoptimierter Bundesbediensteter in sein Sitzungsprotokoll, während draußen die Sonne über Solarpaneelen untergeht, die nie geliefert wurden. Fünfzehn Prozent der Weltproduktion in zwei Dekaden, nur um Deutschlands grünes Erwachen elektrisch zu beatmen. Doch wer wird schon kleinlich sein, wenn es um das Seelenheil der Erde geht? In einer Gesellschaft, die lieber Flächen für Blühwiesen zählt als Tonnen für Leitungsmetall, ist das Kupfer lediglich ein poetisches Hindernis – ein ästhetisches Detail der Apokalypsevermeidung.

Die Materialmoralisten: Von Lithiumlüsten und Kobaltkolonien

Moral ist die neue Währung der deutschen Energiepolitik. Und sie wird mit einer Inbrunst gehandelt, als könnte man ganze Stromnetze aus Tugend spinnen. Die Windräder drehen sich nicht nur im Wind, sondern auch im ewigen Karussell der Selbstvergewisserung. Der Strom kommt jetzt aus dem guten Teil der Steckdose, und der SUV wird elektrisch gefahren, um das Klima zu retten – und das Karma gleich mit.

Doch auch moralischer Strom braucht physikalische Leitungen. Und diese wiederum brauchen Kupfer, Nickel, Vanadium, Lithium und eine große Portion geopolitischen Zynismus. Denn die Frage, woher das ganze Zeug kommt – aus dem Kongo, aus Chile, aus chinesisch dominierten Lieferketten – wird in der deutschen Debatte gern mit einer Mischung aus gepflegter Ahnungslosigkeit und postkolonialer Betriebsblindheit beantwortet. Der Wohlstandsmensch von Welt muss eben nicht wissen, woher sein Vanadium stammt, solange er dafür Zertifikate mit fair gehandeltem Strom aus Sachsen bekommt.

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Kabelsalat mit Petersiliengarnitur: Wenn Trassenpläne auf Wirklichkeit treffen

Die Verknüpfung von Ideologie und Infrastruktur ist eine deutsche Spezialität, gleich hinter dem bedingungslosen Glauben an den Flächenverbrauch als Erlösungsstrategie. Kabeltrassen? Ja bitte, aber nicht vor meiner Haustür! Batteriespeicher? Wunderbar, solange sie nicht die Aussicht auf die Windräder stören, die wiederum nur genehmigt werden dürfen, wenn sie keine Rotmilane verwirren und keine Rentner in der Nachtruhe behelligen.

Zwischen Idealen und Genehmigungsverfahren wuchert das politische Unkraut wie Wildkräuter auf einem unbestellten Feld. Man plant mit deutscher Gründlichkeit und europäischer Lässigkeit, bis man feststellt, dass weder Kabel noch Kupfer verfügbar sind, die Wärmepumpen beim Anschluss explodieren und die E-Autos auf dem Hof stehen, aber nicht aufgeladen werden können, weil der Strom irgendwo zwischen Windpark und Wärmespeicher verloren gegangen ist – wahrscheinlich aus Scham.

Graphit statt Visionen: Wenn der Stoff der Träume aus Minen stammt

Der neue grüne Mensch, ausgestattet mit den Tugenden des 21. Jahrhunderts – Empathie, Achtsamkeit, Mülltrennung – lebt in dem festen Glauben, dass Fortschritt emissionsfrei, lokal und konfliktlos sein kann. Dass dieser Fortschritt jedoch auf massiver Extraktion basiert, wird geflissentlich ignoriert oder mit Phrasen wie „nachhaltige Lieferketten“ betäubt.

Graphit, Lithium, seltene Erden – sie stammen aus Gegenden, in die kein deutscher Minister je einen Betriebsrat schicken würde. Aus Landschaften, in denen man nicht von Rückführung, sondern von Rücksichtslosigkeit spricht. Aber was soll’s – Hauptsache, der eigene CO₂-Fußabdruck passt in die Instagram-Story. Es ist ein grimmiges Paradox: Die Energiewende, gedacht als ein Akt der globalen Gerechtigkeit, wird mit denselben kolonialen Reflexen betrieben, die man offiziell längst überwunden glaubte.

Schlussakkord im Metallmangel: Die Oper der Möglichkeiten

Man muss der deutschen Energiewende eines lassen: Sie ist ein grandioses Theaterstück. Ein Drama in fünf Akten mit Chor, Orchester und ständig wechselnden Regisseuren, die allesamt an die große Premiere glauben. Dass hinter den Kulissen kein Kupferkabel mehr liegt, das nicht schon dreifach verplant wurde, stört das Pathos nicht.

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Denn in der deutschen Seele brennt ein unerschütterlicher Glaube an die Machbarkeit – selbst dann, wenn der Werkstoff fehlt. Die Energiewende wird trotzdem gelingen, sagen sie. Zur Not mit Kupfer aus dem Weltraum, Kobalt aus synthetischer Züchtung und Visionen aus recycelten Wahlprogrammen. Vielleicht nicht in dieser Welt, aber sicher in einer besseren. Oder wenigstens in einem Förderbescheid.


Fortsetzung folgt auf dem nächsten Fördermittelantrag.

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