
Es gehört zu den intellektuellen Kabinettstückchen spätmoderner Politik, aus Nichts etwas zu machen – oder genauer: so zu tun, als sei dieses Nichts etwas, und zwar etwas Gutes. So wird ein Fonds ohne Geld nicht als das entlarvt, was er ist – ein kalter Witz auf Kosten der Bedürftigen –, sondern als „innovatives Instrument zur Armutsbekämpfung“ bejubelt. Welch semantische Artistik! Das ist, als würde man ein Feuer löschen wollen, indem man begeistert über Wassereimer philosophiert, die irgendwo in der Zukunft aufgestellt werden könnten – allerdings leer. Und mit einem großen Loch im Boden. In dieser hohlen Rhetorik spiegelt sich das Credo unserer Zeit: Hauptsache, es sieht nach etwas aus. Dass es funktioniert, ist sekundär – sofern überhaupt relevant. Denn der politische Applaus wird nicht für Ergebnisse vergeben, sondern für die Inszenierung von Absicht.
Verantwortungslosigkeit mit humanitärem Anstrich
Der Staat, dieser einstige Garant sozialer Teilhabe, zieht sich zurück wie ein schlecht gelaunter Gastgeber auf einer Party, die er nie wirklich geben wollte. Stattdessen lässt er Zivilgesellschaft und Spender:innen tanzen, während er am Rand steht und betont verständnisvoll nickt. „Solidarität muss aus der Mitte der Gesellschaft kommen“, heißt es dann beschwörend – ein Satz, so abgegriffen wie ein Ein-Cent-Stück im Supermarktfundbüro. Doch was bedeutet das konkret? Dass Almosen die neuen Steuern sind? Dass die Beseitigung von Kinderarmut davon abhängt, ob Tante Gisela diesen Monat eine Fünf-Euro-Dauerüberweisung einrichtet? Wir erleben eine subtile, aber effektive Form neoliberaler Verantwortungsexorzismus: Der Staat simuliert Fürsorge und lädt gleichzeitig die Armen dazu ein, geduldig auf private Milde zu hoffen. Eine postmoderne Form des Bettelns – institutionell aufgehübscht.
Funktionärinnenförderung mit Feigenblatt-Charme
Natürlich fällt bei all dem Getöse auch etwas ab – nur eben nicht für die Armen. Sondern für eine ganz besondere Klasse: die Bürokratie der Wohlmeinenden. In neuen Stabsstellen, Koordinierungszentren und „Kompetenznetzwerken Armut“ entstehen mit großem Eifer Positionen für Menschen, die nicht arm sind, aber sehr gern über Armut sprechen. Es sind die Hohepriesterinnen der strategischen Betroffenheit, ausgestattet mit Gender-Studies-Abschlüssen, Flipcharts und Drittmittelakquise-Talent. Ihre Mission? Nicht, Armut zu beseitigen – das wäre viel zu ambitioniert und würde obendrein die eigene Existenzgrundlage gefährden –, sondern sie zu verwalten, zu analysieren, zu dokumentieren. Die Armut wird so zum Dauergast in PowerPoint-Präsentationen und zum argumentativen Goldesel für ein Milieu, das sich seiner moralischen Überlegenheit so sicher ist wie der Banker seiner Boni. Was bleibt, ist ein perfekt dokumentiertes Elend – und eine neue Förderlinie für das nächste Panel.
Placebo mit Beipackzettel: Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen
Die psychologische Funktion solcher Maßnahmen ist nicht zu unterschätzen: Sie sind das Baldrian für das schlechte Gewissen der saturierten Mitte. „Wir tun doch was!“, heißt es beschwichtigend – und damit ist dann auch schon alles gesagt. Der Fonds (ohne Fonds) ist wie ein homöopathisches Mittel gegen systemische Schieflagen: Der Wirkstoff ist nicht nachweisbar, aber der Glaube daran lindert subjektives Unbehagen. Leider lassen sich Mietschulden, Stromsperren oder Lebensmittelknappheit nicht mit Glaubenssätzen heilen. Doch in einer Welt, in der Politik zunehmend an die Logik von PR-Agenturen angepasst wird, zählen nicht Ergebnisse, sondern Erzählungen. Armut wird zur Storyline, zur gefühligen Kulisse für das eigene Gutmenschentum – konsumierbar, gefällig, folgenlos. Wer hingegen nach echter Umverteilung ruft, wird behandelt wie ein unangenehmer Verwandter beim Familienfest: Man hört höflich zu, doch innerlich plant man schon die Flucht.
Was es bräuchte – und was wir stattdessen bekommen
Armut lässt sich nicht mit Empathie-Seminaren oder Stuhlkreisen zur „Lage sozial benachteiligter Gruppen“ bekämpfen. Es braucht Geld. Öffentliche Investitionen. Mut zur klaren Prioritätensetzung. Und die radikale Ehrlichkeit, dass man dabei nicht allen gefallen wird. Doch genau diese Ehrlichkeit fehlt – und mit ihr der politische Wille. Stattdessen ergehen sich Parlamente in euphemistischer Rhetorik, die an die Textbausteine von Imagebroschüren erinnert. „Partizipative Teilhabeprozesse“ – was klingt wie ein Lippenbekenntnis mit Hochschulabschluss, ist oft nur eine Umschreibung für das systematische Überhören der Betroffenen. Denn wer arm ist, soll gefälligst dankbar schweigen – oder sich bestenfalls als authentisches Aushängeschild in einer Förderbroschüre ablichten lassen. Die Inszenierung braucht Gesichter – aber bloß keine Stimme.
Die Zukunft der Armut – gut verwaltet, schlecht bekämpft
So bleibt am Ende die nüchterne Diagnose: Armut ist kein Betriebsunfall, sondern strukturell gewollte Realität in einem System, das lieber Armut managt, als Reichtum zu besteuern. Der Fonds ohne Geld wird so zum Symbol einer Zeit, die mehr Energie darauf verwendet, soziale Missstände zu kaschieren als sie zu beseitigen. Vielleicht werden spätere Generationen diesen Moment rückblickend als das erkennen, was er ist: ein moralisches Armutszeugnis, hübsch gerahmt mit politischen Worthülsen. Und während irgendwo eine weitere Fachstelle für „resiliente Armutsprävention“ eröffnet wird, warten die Betroffenen weiter – auf Hilfe, auf Respekt, auf Gerechtigkeit. Doch immerhin: Die PowerPoint-Präsentationen laufen.