Neulich im Vizekanzleramt

Oder: Wie Andi Babler lernte, zwischen Kommunikation, Medien und Inhalt zu unterscheiden, ohne sich dabei das Rückgrat zu verrenken

Von der großen Politik und kleinen Sprechblasen

Neulich also im Vizekanzleramt. Nicht, dass man dort regelmäßig verkehren würde – die Türsteher sind streng, die Sprache ist verklausuliert und der Kaffee schmeckt wie die politische Mitte: wässrig, bitter, aber leider alternativlos. Doch diesmal war etwas anders. Eine leichte Unruhe vibrierte durch die Gänge, irgendwo zwischen dem Duft von Bürokaffee und dem säuselnden Rauschen eines Shitstorms, der sich gerade erst auf Twitter zu formieren begann. Denn: Der Babler-Andi war da. Und er wurde – man raune es sich zu – „gecoacht“.

Was genau wurde ihm beigebracht? Oder besser gefragt: Wozu überhaupt ein Coaching? Wurde der Babler nun vorbereitet, aufbereitet, abgerichtet, aufgepeppt oder bloß weichgeklopft? Und worum ging es da eigentlich? Um Inhalte? Um Medien? Um Kommunikation? Oder doch bloß um die Verpackung des Nichts in möglichst wortgewaltige Allgemeinplätze?

Die offizielle Version klang natürlich harmlos: „Strategische Kommunikation“. Das ist Politiksprech für „Wir wissen auch nicht, was wir sagen sollen, aber wir üben es trotzdem“. Doch die Optionen, die sich auftun, sind vielfältig – und allesamt gleich beunruhigend.

Die Medienaufbereitung von Kommunikationsinhalten

Diese Variante klingt auf den ersten Blick wie eine praktische Küchentechnik. Man nehme einen rohen Kommunikationsinhalt – sagen wir: „Wir sind gegen Armut“ – und schäle ihn solange, bis er medienkompatibel ist. Nicht zu kantig, nicht zu weich, keine Kanten, die irgendwo anecken könnten. Dann kommt das Ganze in die Heißluftfritteuse des medialen Diskurses, wo es bei 200 Grad Empörung goldbraun knusprig geröstet wird. Fertig ist der Sager.

Aber Moment: Was ist, wenn der Inhalt selbst gar nicht vorhanden ist? Wenn „Kommunikation“ nur eine Hülle ist, in die man notdürftig irgendetwas hineinstopft, das klingt wie Haltung, aber sich anfühlt wie heißer Dampf? Dann wird aus Medienaufbereitung plötzlich das politische Pendant zur Lebensmittelindustrie: viel Verpackung, wenig Nährwert, aber Hauptsache, das Etikett ist bunt.

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Babler, der Mann, der einst den Klassenkampf mit dem Feuereifer eines Turnlehrers verkündete, wird hier zum Testobjekt postideologischer Werberhetorik. Aus dem „Kapitalismus ist schuld“ wird „Wir müssen den Menschen wieder zuhören“. Kommunikativer Leberkäse, in veganem Design.

Die Kommunikationsaufbereitung von Medieninhalten

Oder war es vielleicht umgekehrt? Wurde Babler etwa darin geschult, wie man Medieninhalte kommuniziert? Also: Wie man reagiert, wenn wieder einmal ein Interview schiefgeht, ein Facebook-Post viral geht oder ein ORF-Moderator es wagt, eine echte Frage zu stellen?

Hier geht es nicht mehr um Inhalte, sondern um Schadensbegrenzung. Um jene hohe Kunst der Schein-Reflexion, bei der man auf Kritik nicht mit Argumenten, sondern mit einem „Ich verstehe die Sorge der Menschen“ reagiert – einer semantischen Rauchgranate, die jedes Gespräch in Nebel hüllt.

Kommunikationsaufbereitung in diesem Sinne heißt: Nicht reden, um etwas zu sagen, sondern reden, um nichts falsch zu machen. Das klingt banal, ist aber die Essenz moderner PR-Strategien: Risikovermeidung als Weltanschauung. Das revolutionäre Pathos wird ersetzt durch „eine konstruktive Gesprächsbasis“. Die Faust wird zur flachen Hand, bereit für das nächste Versöhnungsfoto.

Die Medienvorbereitung von Kommunikationsinhalten

Ah, das klingt noch technokratischer. Fast schon wie ein Unterkapitel aus einem geheimen Regierungs-Styleguide: „Wie gestalte ich einen Tweet, der aussieht wie eine Pressemitteilung, aber klingt wie eine Einladung zum Heurigen?“ Medienvorbereitung ist die Kunst, einen Satz so zu bauen, dass er in jedes Format passt: als Inseratenzitat, als Tickertext, als Fernseheinblendung.

Und so lernt auch der Babler-Andy: Niemals einen Satz sagen, der länger ist als ein Werbespot. Keine Pointe, die sich nicht in maximal 12 Sekunden erklären lässt. Keine Ideologie, die man nicht zur Not auch als „Narrativ“ verkaufen kann.

Früher hätte man so etwas „Propaganda“ genannt, aber heute ist es „Message Discipline“. Und statt „Parteilinie“ sagt man „strategische Kommunikation“. Klingt besser. Meint dasselbe.

Die Kommunikationsvorbereitung von Medieninhalten

Hier wird es endgültig kafkaesk. Kommunikationsvorbereitung von Medieninhalten – das ist wie eine Gebrauchsanweisung für den Spiegel, bevor man hineinschaut. Man trainiert den Babler auf das Echo, das seine Worte vielleicht erzeugen könnten, wenn sie denn jemand ernst nehmen würde.

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Man coacht ihn also nicht für das, was ist, sondern für das, was sein könnte, wenn man es nur klug genug simuliert. Medien als Möglichkeitsraum, Kommunikation als Versuchsanordnung. So wird aus dem Vizekanzleramt ein Theaterlabor der postfaktischen Rhetorik.

Und am Ende?

Am Ende steht da ein Andi Babler, der aussieht wie ein Mann mit Überzeugungen, aber spricht wie ein Formularfeld. Der das Wort „sozial“ häufiger sagt als „Mensch“, aber dennoch keiner weiß, ob er tatsächlich mit irgendwem reden will. Der „Kanzler kann ich auch“ denkt, aber dabei klingt wie ein automatischer Anrufbeantworter, der seine eigenen Inhalte nicht mehr versteht.

Denn das Coaching hat gewirkt. Er kommuniziert. Er mediert. Er verarbeitet. Und niemand weiß mehr, wovon eigentlich.

Und irgendwo in der Parteizentrale wird zufrieden genickt. Mission accomplished.

Wäre da nicht diese leise, boshafte Stimme in uns, die flüstert: Vielleicht sollte man lieber mal wieder Politik aufbereiten – nicht Kommunikation. Aber das, so heißt es, sei „nicht vermittelbar“.

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