Ein Parlament ohne Parlamentarismus

Man stelle sich ein Parlament vor, das keine Gesetze verabschieden kann. Ein Parlament, dessen Beschlüsse eher gut gemeinte Wünsche als rechtlich bindende Akte sind. Ein Parlament, das sich für wichtig hält, aber in Wahrheit bestenfalls eine beratende Funktion innehat – ein demokratisches Feigenblatt, hinter dem die wahre Macht verborgen bleibt. Nein, die Rede ist nicht von den alten sowjetischen Scheinparlamenten, die brav die Direktiven des Politbüros abnickten. Die Rede ist vom Europäischen Parlament, einer Institution, die den Anschein von Demokratie wahrt, aber in ihrem Innersten eine groteske Karikatur dessen ist, was sie vorgibt zu sein.

Der große Bluff der „Gesetzgebung“: Wer erlässt hier eigentlich Gesetze?

Um das demokratische Defizit der Europäischen Union wirklich zu verstehen, muss man sich von einer liebgewonnenen Illusion verabschieden: Das EU-Parlament beschließt keine Gesetze. Jedenfalls nicht so, wie es Parlamente in demokratischen Staaten tun. In einem klassischen Parlament – sei es der Bundestag, die Assemblée nationale oder das House of Commons – erarbeiten gewählte Abgeordnete Gesetzesentwürfe, debattieren sie, ändern sie und verabschieden sie. Diese Gesetze treten in Kraft, sobald sie den parlamentarischen Prozess durchlaufen haben.

In der EU funktioniert das grundlegend anders: Die Europäische Kommission – eine nicht gewählte, bürokratische Exekutive, die sich als Hüterin der Verträge versteht, in Wirklichkeit aber ein supranationales Zentralkomitee darstellt – ist die einzige Institution, die Vorschläge für Gesetze einbringen kann. Das Parlament darf diese Vorschläge höchstens kommentieren, abändern oder ablehnen – doch selbst das geschieht oft unter den strengen Augen der Kommission und des Rates, die darauf achten, dass bloß nichts Gesetz wird, was der technokratischen Agenda widerspricht.

Noch schlimmer: Die eigentliche Macht über die Gesetzgebung liegt beim Ministerrat, einem Gremium, das aus Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten besteht – also aus nationalen Ministern, die nicht einmal direkt von den europäischen Bürgern gewählt wurden, sondern ihre Legitimation aus den nationalen Regierungen beziehen. Demokratische Kontrolle? Fehlanzeige! Die Minister beschließen über Rechtsakte, die dann von den Nationalstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen – oder auch nicht, je nach politischer Großwetterlage.

TIP:  Was ist mit der einstigen Friedensbewegung geschehen?

Eine Demokratie ohne Volk – oder wie die EU ihren Bürgern die Macht entzieht

Die EU rühmt sich ihrer demokratischen Werte, doch in Wahrheit hat sie sich längst von der Idee eines demokratischen Gemeinwesens verabschiedet. Demokratie basiert auf der Idee, dass diejenigen, die von politischen Entscheidungen betroffen sind, auch die Möglichkeit haben müssen, diese Entscheidungen zu beeinflussen. In der EU jedoch ist der Einfluss des Wählers bestenfalls marginal.

Ja, die Bürger der EU dürfen alle fünf Jahre ein Parlament wählen. Aber was genau wählen sie da? Ein Gremium, das bestenfalls symbolische Macht besitzt. Ein Organ, das zwar lautstark debattieren, aber kaum echte Politik gestalten kann. Die wirklichen Entscheidungen fallen hinter verschlossenen Türen – in den Sitzungen der Kommission, des Ministerrats und der unzähligen Arbeitsgruppen und Lobbyrunden, in denen Industriekapitäne, Bürokraten und Technokraten die Zukunft Europas verhandeln.

Die Bürger können weder die Kommission direkt wählen noch haben sie einen echten Einfluss darauf, wer sie anführt. Ursula von der Leyen beispielsweise wurde nicht etwa durch eine demokratische Wahl legitimiert, sondern durch politische Mauschelei hinter den Kulissen. Wer die Geschicke Europas lenkt, wird nicht von den Menschen entschieden, sondern von einem elitären Zirkel aus Staats- und Regierungschefs, die unter sich ausmachen, wer das Sagen hat.

Die Mär vom Parlament als Hüter der Demokratie: Ein Papiertiger mit großem Ego

Natürlich wird das EU-Parlament nicht müde, sich als Kämpfer für Demokratie und Bürgerrechte zu inszenieren. Man verabschiedet Resolutionen, ruft lautstark nach Transparenz und betont immer wieder die eigene Bedeutung. Doch in Wahrheit ist das Parlament ein Papiertiger, der zwar gelegentlich die Zähne fletschen darf, aber niemals wirklich zubeißt.

Selbst wenn das Parlament einmal seine bescheidenen Mitspracherechte nutzt, bleibt die Frage: Wer hört überhaupt zu? Die Kommission kann sich bequem zurücklehnen und freundlich nicken – denn am Ende hat sie das Initiativrecht, und ohne sie geht gar nichts. Und wenn die Kommission oder der Ministerrat ein Gesetz unbedingt durchsetzen wollen, dann findet sich immer ein Weg. Die Abgeordneten können protestieren, Änderungsanträge einbringen, hitzige Reden schwingen – doch all das bleibt meist folgenlos.

TIP:  Der neue Don Quichotte

Nicht zu vergessen die Fraktionsdisziplin und die undurchsichtigen Deals, die hinter den Kulissen laufen. Parteien, die in ihren Heimatländern erbitterte Gegner sind, schließen im EU-Parlament plötzlich Koalitionen der Bequemlichkeit. Hier geht es nicht um Ideale oder Prinzipien, sondern um Posten, Macht und Einfluss.

Die Schizophrenie der europäischen Gesetzgebung: Wenn Gesetze nur manchmal Gesetze sind

Ein weiteres Paradoxon der EU besteht darin, dass ihre Gesetze in Wahrheit oft keine Gesetze sind – zumindest nicht in einem klassischen Sinne. Die meisten rechtlichen Vorgaben der EU kommen in Form von Verordnungen und Richtlinien daher.

  • Verordnungen gelten unmittelbar in allen Mitgliedstaaten, ohne dass nationale Parlamente darüber abstimmen müssen. Sie sind das effektivste Werkzeug der EU, um Politik durchzusetzen – und sie entziehen sich weitgehend der Kontrolle der gewählten Volksvertreter.
  • Richtlinien hingegen müssen von den nationalen Parlamenten erst in nationales Recht umgesetzt werden. Doch hier kommt der Trick: Die EU setzt oft so enge Vorgaben, dass den nationalen Gesetzgebern kaum Spielraum bleibt. Wer sich widersetzt, riskiert Vertragsverletzungsverfahren oder milliardenschwere Sanktionen.

Das bedeutet, dass die EU Gesetze auf eine Weise erlässt, die demokratisch kaum kontrollierbar ist, aber trotzdem eine immense Wirkung entfaltet. Und wer sich diesem System nicht fügt, wird mit finanziellen Strafen oder politischem Druck zur Räson gebracht.

Fazit: Ein Parlament, das keines ist – eine Demokratie, die keine sein will

Das Europäische Parlament ist eine Institution, die vorgibt, demokratisch zu sein, es aber in Wahrheit nicht ist. Es ist ein Schauspiel, eine Fassade, ein Theater der Machtlosigkeit. Seine Debatten mögen spannend sein, seine Reden leidenschaftlich, seine Abgeordneten engagiert – doch all das bleibt folgenlos, wenn die eigentliche Macht in den Händen nicht gewählter Bürokraten und Hinterzimmer-Gremien liegt.

Die EU ist eine technokratische Herrschaftsform, die sich demokratisch gibt, aber in ihrem Kern alles tut, um demokratische Kontrolle zu unterlaufen. Wer glaubt, dass das EU-Parlament die Interessen der Bürger vertritt, der glaubt auch, dass ein Schachbrett entscheidet, welche Züge gespielt werden.

TIP:  Kinder mit Bärten

Solange sich dieses Machtgefüge nicht ändert, bleibt das EU-Parlament bestenfalls eine bessere Talkshow – ein Ort, an dem über die Zukunft Europas debattiert wird, während andere längst entschieden haben, wie sie aussieht.

Please follow and like us:
Pin Share