
„Es ist absurd, aber nicht minder gefährlich.“ Dieser Satz könnte als Untertitel für den politischen Zustand Österreichs im Jahr 2025 dienen. Die politische Landschaft, die sich vor unseren Augen entfaltet, gleicht einem grotesken Schattenspiel, in dem die Schatten nicht nur größer wirken, als sie sind, sondern gleichzeitig die Lichter auslöschen, die sie werfen. Dass wir uns dabei an einem Punkt der Geschichte befinden, an dem die Vergangenheit wie ein schlecht eingekapseltes Gas unter dem Deckel hervorquillt, ist beunruhigend – und doch zutiefst österreichisch. Kein Land versteht es besser, das Abgründige in eine seltsame Mischung aus Resignation und Singsang zu verpacken.
Herbert Kickl, der selbsternannte Retter des „kleinen Mannes“ und Verkörperung der blauen Märtyrergestalt, schreitet also voran – und die Republik steht daneben, beobachtet und murmelt etwas von „Demokratie“ und „Widerstand“, bevor sie wieder in ihre politische Lethargie verfällt. Ein Hauch von 1938, wie Kritiker warnen? Vielleicht nicht. Aber was, wenn der Marsch diesmal nicht mit dröhnenden Stiefeln, sondern mit leisen, wohlplatzierten Twitter-Posts und kalkulierten Shitstorms beginnt?
Von einer bürgerlichen Partei zur Komplizenvereinigung
Die eigentliche Tragödie in diesem Trauerspiel ist nicht die FPÖ selbst – nein, sie ist, wie sie immer war: polternd, hetzend, sich selbst feiernd. Die wahre Demütigung liegt in der Transformation der einst staatstragenden ÖVP. Eine Partei, die einst auf den Schultern von konservativen Werten und einer gewissen geistigen Eleganz stand, hat sich zu einem devoten Steigbügelhalter degradiert, der sich selbst aufzugeben bereit ist, nur um an der Macht zu bleiben. Die Rückgratlosigkeit, mit der die ÖVP ihre einstigen Prinzipien gegen das populistische Zepter eintauschte, gleicht einer moralischen Bankrotterklärung, die ihresgleichen sucht.
Ein politischer Suizid, verkleidet als strategischer Schachzug. Mit einem Lächeln wird erklärt, dass man ja nur zusammenarbeiten müsse, „um die Stimmen der Wähler zu respektieren“. Respekt vor der Demokratie? Kaum. Respekt vor den Umfragen? Absolut. Diese Partei, die einst staatsmännisch wirkte, ist jetzt die politische Version eines höflichen Bankräubers, der beim Plündern der Gesellschaft versichert, dass das alles „im besten Interesse“ sei.
Die Mitte – ein wackelndes Kartenhaus
Und was macht die sogenannte Mitte, während die FPÖ marschiert und die ÖVP kuscht? Sie steht da, hilflos, blass und ohne klare Botschaft. Es wäre fast komisch, wenn es nicht so tragisch wäre, dass 70 Prozent der Wählerinnen und Wähler von Parteien vertreten werden, die in der Theorie alle Mittel in der Hand hätten, um eine Koalition der Vernunft zu schmieden – aber in der Praxis nicht einmal einen gemeinsamen Tweet zustande bringen.
Die Grünen? Mit sich selbst beschäftigt, zwischen ideologischen Grabenkämpfen und dem verzweifelten Versuch, in der Koalition mit der ÖVP nicht völlig zermahlen zu werden. Die SPÖ? In einer posttraumatischen Sinnkrise, aus der sie nur gelegentlich herausbricht, um einen halbherzigen Wahlkampf zu simulieren. Die Neos? Eine Randerscheinung, die mit vernünftigen Ansätzen kommt, aber daran scheitert, ihre Botschaften durch den Lärm der Populisten zu tragen.
Die größte Schwäche der Mitte ist ihre Unfähigkeit, klar zu machen, warum die FPÖ keine Lösung, sondern das Problem ist. Dass Migration kein Übel ist, sondern eine Herausforderung, die lösbar ist. Dass die ökonomische Krise nicht mit „zuerst die Österreicher“ bekämpft werden kann, sondern mit strukturellen Reformen, die Investitionen, Innovation und Inklusion fördern. Aber wer hört schon auf leise Stimmen, wenn die FPÖ mit markigen Parolen brüllt?
Die Wiederkehr des Dämonischen im Alltäglichen
Ein Hauch von März 1938 mag tatsächlich übertrieben sein, aber die Parallelen sind zu offensichtlich, um sie vollständig zu ignorieren. Es beginnt nicht mit Panzern, sondern mit Parolen. Nicht mit Gewalt auf den Straßen, sondern mit der Zersetzung der Sprache. Die FPÖ, wie ihre rechtsextremen Verbündeten in Europa, versteht es meisterhaft, die dunklen Instinkte der Gesellschaft zu wecken und sie in politisches Kapital zu verwandeln. Ihre Strategie basiert nicht auf Lösungen, sondern auf Spaltungen. Sie bieten keine Hoffnung, sondern Hass. Keine Brücken, sondern Barrikaden.
Und hier liegt die Gefahr: Der alltägliche Hass, die Normalisierung der Hetze, das Akzeptieren von Ausgrenzung als legitimes politisches Mittel. Das alles geschieht nicht mit einem Knall, sondern mit einem leisen Zischen, das wir erst bemerken, wenn es zu spät ist.
Ein Aufruf zur Aufklärung 2.0
Was wir jetzt brauchen, ist eine neue Aufklärung. Eine Bewegung, die den Mut hat, die Wahrheit auszusprechen, auch wenn sie unbequem ist. Die klar macht, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Verpflichtung ist. Die den Menschen zeigt, dass der einfache Weg oft der gefährlichste ist. Die FPÖ und ihre Verbündeten sind nicht die Lösung – sie sind die Symptome einer Gesellschaft, die vergessen hat, wie man zusammenhält.
Aber diese Aufklärung muss humorvoll, zynisch und intelligent sein. Sie muss den Finger in die Wunde legen, ohne moralinsauer zu wirken. Sie muss laut und bunt sein, ohne dabei den Respekt zu verlieren. Und sie muss eines klar machen: Dass es Hoffnung gibt, wenn wir bereit sind, dafür zu kämpfen.
Die Dritte Republik – ein Neustart oder eine Warnung?
Die Geschichte wird uns urteilen. Wird Österreich in eine Dritte Republik stolpern, die von den blauen Tönen des Populismus dominiert wird? Oder wird es aufwachen, sich erheben und die Dämonen seiner Vergangenheit und Gegenwart besiegen? Die Wahl liegt bei uns allen – und die Zeit läuft.