Ein seltsamer Reflex

Die Verhedderung der Realität in den Netzen moralischer Schizophrenie

Es gibt eine seltsame, beinahe religiöse Faszination, mit der in unserer postfaktischen Gesellschaft auf jede Meldung eines Verbrechens geblickt wird. Doch kaum ist die ethnische Herkunft des Täters bekannt und passt sie nicht ins gewünschte Raster, beginnt ein sonderbares Spektakel: Die Sirenen der Moralapostel heulen auf, Demos gegen Rechts werden organisiert, und während die letzten Blätter des Polizeiberichts noch in der Druckerpresse stecken, hat die mediale Empörungsmaschinerie bereits einen altbekannten Schuldigen ausgemacht. Wer ist dieser Schuldige? Nun, er trägt den Hut des weißen, alten Mannes, die Knute des Kolonialismus, und seine Umrisse sind aus den Resten des wilhelminischen Weltgeistes geschnitzt.

Doch warum diese Reflexhaftigkeit? Es scheint, als habe die postmoderne Seele einen unstillbaren Durst nach Sühne. Nicht die Tat selbst ist von Interesse, sondern ihre narrative Verwertbarkeit. Das eigentliche Verbrechen – ein Messerstich, eine Vergewaltigung, ein Mord – wird zum beiläufigen Detail degradiert, während das Schaufenster zur moralischen Selbstinszenierung eröffnet wird. Es ist, als hätten wir kollektiv beschlossen, dass nicht der Täter Schuld trägt, sondern eine nebulöse, allumfassende Struktur, die man gerne „Gesellschaft“ nennt, wenn man nicht „Patriarchat“ oder „Kapitalismus“ schreien will.

Von Tätern und Heiligen – Das moralische Zwei-Klassen-System

In dieser grotesken Theateraufführung gibt es zwei Rollen: die Täter und die Unschuldigen. Doch wer Täter ist und wer nicht, wird weniger durch Handlungen als durch die richtige Zugehörigkeit bestimmt. Ein deutscher Mann, der eine Frau schlägt? Ein Monster. Ein Mann mit Migrationshintergrund, der dasselbe tut? Ein Opfer – des Systems, des Rassismus, der Traumata seiner Flucht, kurz: von allem außer seiner eigenen Entscheidungen.

Dieses moralische Zwei-Klassen-System lässt keine Nuancen zu, keine Grautöne, keine Differenzierung. Es ist die Rückkehr zur Stammeslogik: Die Guten und die Bösen, die Wir und die Anderen. Doch der Clou: Die Guten sind immer die Anderen, die Exotischen, die angeblich Unterdrückten. Die Bösen? Wir selbst, und zwar in jeglicher Ableitung: als weiße Europäer, als Männer, als Erben einer Geschichte, die wir weder beeinflussen konnten noch aufhalten können.

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Das Ergebnis dieser Denkweise ist eine gesellschaftliche Schizophrenie, in der man einem Täter verzeihen muss, weil er als Opfer konstruiert wurde. Der Messerstecher wird zum Sinnbild des gescheiterten Integrationsprojekts, nicht etwa einer individuellen kriminellen Entscheidung. Die Frau, die unter seinem Messer starb? Ein bedauerlicher Kollateralschaden im großen Kampf gegen strukturellen Rassismus.

Die Logik des Ablenkungsmanövers: Wenn Fakten stören

Die kognitive Dissonanz, die entsteht, wenn Realität und Wunschdenken kollidieren, ist schmerzhaft. Was also tun, wenn ein Täter nicht ins heilige Narrativ passt? Man lenkt ab. Flugs wird der Fokus von der Tat selbst auf die Reaktion gelenkt: „Rechte Hetze!“ schreien die Schlagzeilen. Demonstrationen gegen Rassismus werden einberufen, als sei jede berechtigte Kritik an einer integrationspolitischen Katastrophe automatisch ein Beweis für braune Umtriebe.

Es ist ein faszinierender Mechanismus der Umkehrung: Wer auf ein Problem hinweist, wird selbst zum Problem gemacht. Derjenige, der den Finger in die Wunde legt, wird als Brandstifter diffamiert, während die eigentlichen Brandherde ungestört weiterlodern dürfen. Warum? Weil das Eingeständnis, dass Integration auch scheitern kann – und zwar nicht wegen fehlender Toleranz, sondern aufgrund fundamentaler kultureller Inkompatibilitäten – die gesamte moralische Architektur unserer Zeit zum Einsturz bringen würde.

Humor am Abgrund: Das groteske Theater unserer Zeit

Doch man muss das Ganze mit einer gewissen Gelassenheit betrachten, ja, mit Humor. Denn wie anders könnte man diese groteske Inszenierung ertragen, ohne dabei seinen Verstand zu verlieren? Die Perversion, mit der Täter zu Opfern und Opfer zu Kollateralschäden gemacht werden, ist so absurd, dass sie fast schon eine Komödie verdient hätte – wenn sie nicht so tragisch wäre.

Man stelle sich einen Dieb vor, der einen Juwelier ausraubt und anschließend auf eine Demo gegen Ungleichheit geht, weil die Polizei ihn schnappte. Das ist ungefähr das Niveau der moralischen Debatte, die derzeit geführt wird. Und während wir alle im Zuschauerraum sitzen und die Tragikomödie verfolgen, bleibt die Frage: Wann fällt der Vorhang, und wann beginnt der echte Diskurs?

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Die Flucht in die Verantwortungslosigkeit

Vielleicht ist der seltsame Reflex, Demos gegen Rechts zu organisieren, nur ein Symptom einer Gesellschaft, die sich weigert, Verantwortung zu übernehmen. Es ist einfacher, den Schuldigen in abstrakten Strukturen zu suchen, als in der unbequemen Realität, dass manche Menschen einfach böse Dinge tun – unabhängig von ihrer Hautfarbe, Religion oder Herkunft.

Doch bis wir den Mut finden, diese Wahrheit auszusprechen, werden wir weiterhin Reflexe statt Reflexionen erleben. Es bleibt die Frage: Sind wir bereit, dem Spiegelbild der Realität ins Gesicht zu sehen, oder tanzen wir lieber weiter um das goldene Kalb unserer Illusionen?

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